celtic spirit

"Jeder von uns ist dazu verurteilt und auserwählt, der Künstler zu sein, der eine einmalige Welt in sich trägt und gestaltet!"

John O`Donohue (1956-2008)

irischer Schriftsteller und Philosoph

 

Ich bin eine Keltin, so oder ähnlich könnte eine Selbstbezeichnung meiner aussehen. Natürlich stimmt das in genetischer Hinsicht nicht, aber zumindest in geistiger.

Dabei kann ich mir nicht erklären, woher diese Neigung zu allem Keltischen kommt. Ob es sich dabei um die Landschaften handelt, die Kleidung, den Schmuck oder auch Literatur und Musik. In allem liegt das Keltische weit vorne. Schon als Kind konnte ich mich für alte Mythen und Sagen keltischen Ursprunges begeistern. König Arthur und seine Tafelrunde, das Geheimnis von Avalon und seine Feenwelt, all das zog mich geradezu magisch an. Und so ist das bis heute geblieben. Immer wenn ich einen Dudelsack höre, bekomme ich Heimweh, ich kann mir nicht erklären warum.

Sollte es also tatsächlich so etwas wie frühere Leben geben, habe ich diese mit Sicherheit in einem keltisch geprägten Territorium verbracht. So auch mein Eindruck, als ich 1998 zum ersten Mal nach Irland kam. Ein richtiggehendes Deja Vu-Erlebnis. Es schien, als kehrte ich nach lange währender Abwesenheit wieder in heimatliche Gefilde zurück. Irland gilt  im allgemeinen als die keltische Nation schlechthin. Hier konnte das Keltentum bis in die Neuzeit überleben. Ich habe bis heute keine Erklärung gefunden für diese Verbundenheit. Keltischer Geist hat mich durchdrungen und lebt in mir.

Die Kelten sind ein alles in allem mysteriöses Volk. Schon was dessen Herkunft betrifft scheiden sich die Geister. Man weiß nicht genau woher sie ursprünglich stammen. Irgendwann, vor etwa 3000 Jahren tauchten sie auf, wahrscheinlich aus den Steppen Mittelasien kommend, nahmen sie von Europa Besitz. Zuerst im heutigen Ungarn lokalisiert, wanderten sie in die Alpenregion ein und entwickelten dort eine ersten kulturelle Blüte.(Hallstattkultur).  Vor allem das heutige Östereich kann mit Fug und Recht als als Ursprungsterritorium des europäischen Keltentum betrachtet werden. Später verbreiteten sie sich in weiten Teilen Europas. Von der heutigen Türkei im Osten bis nach Spanien im Westen. Vor allem aber Frankreich, Großbritannien und Irland werden im Besonderen mit den Kelten in Verbindung gebracht.

Das Außergewöhnliche an den Kelten war, dass sie zu keiner Zeit ein zusammenhängendes Großreich , wie etwa später die Römer schufen. Zentralismus schien ihnen unbekannt. Föderalismus kennzeichnete ihre Lebenseinstellung. Aus diesem Grund kann man auch kaum von "den" Kelten sprechen. Es waren ganz unterschiedliche Stammesverbände, mit je eigenen Traditionen, verbunden nur durch eine gemeinsame Sprache, Kultur und Spiritualität.

Ein großes Defizit der Kelten ist, dass sie so gut wie keine schriftlichen Dokumente hinterlassen haben. Ihre Lehren wurden nur mündlich überliefert. Somit fehlen uns authentische Berichte. Alles, was wir über sie in Erfahrung bringen konnten, stammt aus fremden Quellen, vor allem aus der Feder ihrer Gegner. Die zeichneten vor allem ein düsteres Bild, z.B. Julius Caesar in seinem Buch "Der Gallische Krieg".  Er schildert die von ihm besiegten keltischen Stämme als roh, blutrünstig, unzivilisiert, eben total barbarisch. Es gab zu jenen Zeiten raue Sitten, die Kelten waren nicht mehr oder weniger barbarisch als andere Völker dieser Zeitepoche, allen voran die Römer selbst, die Menschen  ans Kreuz nageln ließen, Gefangene wilden Tieren zum Fraß vorwarfen, oder in der Arena Gladiatoren gegeneinander kämpfen ließen.

Die Kelten waren alles in allem ein sehr freiheitsliebendes Volk, das sich nur ungern fremden Herrschern und deren Sitten beugte. Sie versuchten, so weit es möglich schien, ein Leben im Einklang mit der Natur zu führen.

Um es vorweg zu nehmen: es geht mir nicht darum, einer romantisch-verklärte Sicht auf die Kelten das Wort zu reden, eine solche Sicht ist immer kontraproduktiv. Auch die Kelten hatten keine ideale Gesellschaftsformation. Von einer egalitären Gesellschaft kann man bei den Kelten ebensowenig sprechen, wie bei den meisten anderen Völkern . Es gab eine strenge Hierarchie, Adlige bestimmten weitgehend das Geschehen und eine Priesterschaft, die Druiden besaßen großen Einfluss. Auch waren die Kelten ein sehr kriegerisches Volk. Aber eben nicht mehr und nicht weniger als andere auch. Trotz alledem funktionierte ihre Gesellschaft anders als jene der Römer.

Frauen hatten einen bedeutend höheren Stellenwert als bei den Römern. Ihre Religion schränkte nicht ein. Des Weiteren entwickelten die Kelten ein gutes Gespür dafür, Kultur und Spiritualität anderer Völker in ihre eigene zu integrieren. Vieles übernahmen sie etwa von den Völkern der uns heute kaum bekannten Megalithkultur. Deren Vorstellungen lebten im Alltag der Kelten weiter. Die römische Expansionspolitik beendete die eigenständige keltische Kultur nach und nach in ganz Europa.

Nur Irland bildete eine Ausnahme, kein Römer setzte je seinen Fuß auf die grüne Insel. Somit fand dort nie eine Romanisierung statt. Die Keltische Urkultur und somit auch die Spiritualität blieben dort weitgehend erhalten, konnten sich entsprechend den äußeren Bedingungen weiter entwickeln.

Im 4. Jahrhundert wurden die Kelten christianisiert, aber auch das geschah unabhängig von Rom. Die Kelten bildeten die erste eigenständige Nationalkirche Europas.

Das keltischen Christentum übernahm viele Vorstellungen und Praktiken aus der alten Druidenreligion und unterschied sich daher deutlich von denen der römischen Kirche.

Bis heute können wir den keltischen Geist in Irland spüren.

Irland ist ein großes Freilichtmuseum. Zeugnisse aus den verschiedenen Zeitepochen stehen dort einfach in der Gegend und sind allen zugänglich. Meine Steinmystik nahm hier ihren Anfang. Steine sind, wie kaum ein anderes Material, Boten aus längst vergangener Zeit. Sie blicken auf eine Zeitspanne zurück, die uns unendlich lang erscheint.

Wären sie in der Lage Bericht zu erstatten, was könnten sie uns nicht alles erzählen. Eine Aura der Unendlichkeit breitet sich über den Steinen aus. Zeugen aus längst vergangenen Epochen. Ob die uralten Dolmen, Steinkreise oder Menhire, oder die etwas jüngeren für Irland typischen, Hochkreuze oder Rundetürme, Zeugen für die Ewigkeit.

Für viele mag es dabei nur um zufällig vorhandene Naturgesteine oder um für einen bestimmten Zweck zu einer bestimmten Zeit geschaffene Bauten handeln, für mich bedeuten sie mehr. Berühre ich sie, glaube ich sie reden zu hören, glaube ich zu vernehmen, wie sie mir berichten, von Ereignissen, die sich vor Jahrhunderten, ja nicht selten Jahrtausenden in ihrer unmittelbaren Nähe abspielten. Die Iren glauben an Geister, ganz real, so als existierten diese in ihrer nähren Umgebung, nur eben in einer anderen Dimension. Nur ganz selten werden Ruinen abgerissen. Einzelne Gebäude, Gehöfte, manchmal ganze Siedlungen, verfallen langsam vor sich hin, bis die Natur deren Lebensraum zurück erobern kann. Für die Iren sind all jene Gebäude nach wie vor bewohnt, eben von Geistern, von Wesen aus der Anderwelt. Wir sollten uns hüten, solche Ansichten ins lächerliche zu ziehen. Kein Mensch ist imstande von sich zu behaupten, er wisse um die ungelösten Mysterien. Alle Menschen glauben, das es etwas übersinnliches, mit dem rationalen Verstand nicht erklärbares gibt, oder eben das es jene Dinge nicht gibt. Keiner hat den lieben Gott je gesehen, da gibt es Leute die glauben das es ihn gibt, andere glauben das es ihn nicht gibt. Wissen tun wir hingegen gar nichts. Im Angesicht der Unendlichkeit sind wir alle Bettler, das wusste schon Martin Luther vor  500 Jahren.

Die Iren haben uns viel voraus. Sie und all jene Völker, die sich ihre Naturmystik bewahren konnten. wir Menschen sind es die der Natur bedürfen, die Natur hingegen braucht uns Menschen nicht. Sie war imstande Jahrmillionen ohne uns auszukommen. Möglicherweise wird sie das in ein paar Tausend Jahren wieder tun. Allerdings könnte sie viel Zeit benötigen um die Wunden zu versorgen, die wir Menschen hinterlassen haben. 

Langsam dämmert es den Menschen. So erklärt sich die Wiederbelebung alter vergessener Kulte. Neokeltentum, Neodruidentum etc. Wenn man auch vorsichtig mit diesen Anschauungen umgehen muss und vieles durchaus kritisch betrachten sollte. Eine Gefahr hingegen stellt diese Art von Spiritualität keineswegs dar. Solange die Freiheit des Individuums dabei nicht auf der Strecke bleibt und sich etwa elitäre Sekten herausbilden, braucht sich keiner zu fürchten.

Irland ist stark von der römisch-katholischen Kirche geprägt, die sicher im Laufe der Geschichte viel Schaden anrichtete, kratzt man aber ein wenig an der Oberfläche kommt der freiheitsliebende Kelte hervor. Im Grunde sind die Iren die geborenen Anarchisten. Zumindest bringen sie beste Voraussetzungen dafür mit. Schade das sie es bisher noch nicht erkannten und ihr Heil leider immer wieder in einem überspitzten Nationalismus suchten. Der Blick in die Geschichte klärt aber auch diese Problematik.

Die britische Kolonialmacht versuchte 700 Jahre lang den Iren ihr Keltentum permanent auszutreiben. Jedes Mittel schien dafür angebracht.

Die katholische Kirche war alles was den Iren noch blieb, so flüchteten sie unter deren Dach. Ultramontanismus nennt man diese Bewegung, die sich vor allem im 19 Jahrhundert herausbildete. Statt den verhassten König in London, betrachtete sie eben den Papst in Rom als ihr eigentliches Oberhaupt. Eine doch eher politische, denn spirituelle Ausrichtung. 

Der spätere Freiheitskampf der Iren trägt aber durchaus starke spirituelle Züge, auch wenn es sich vor allem um linksorientierte Gruppen handelte, das muss kein Widerspruch sein. Es ist eher der Beweis dafür das sich beides durchaus vereinbaren lässt. Wie erkannte doch die Theologie Dorothee Sölle so treffend: "Das Problem unserer Zeit ist, das die Spirituellen zu wenig solidarisch und die Solidarischen zu wenig spirituell sind!" Also warum nicht beides?

Aber ich will mich nicht weiter in der Geschichte verlieren, kann der heutige Mensch alles im Internet recherchieren.

Würde es meine soziale Stellung zulassen, ich ginge nach Irland. Am besten in den Westen nach Connemara, wo Irland am keltischsten ist, da wird noch die alte gälische Ursprache gesprochen. Der Westküste vorgelagert sind die drei Aran-Inseln. Inishmore, die größte, inishmaan und inisheer. Direkt in der Galway-Bucht gelegen. Inishmore, die größte, ist für eine Steinmystikerin wie mich ein wahres Paradies. Auf der Insel sind mehr als 30 vor-und frühgeschichtliche Fundorte registriert. Steinansammlungen wohin das Auge blickt. Tausende, aber Tausende. Alle führen sie in Richtung der steinzeitlichen Festungsanlage Dun Aenghus, ein bronzezeitliches Fort das an einem der höchsten Punkte der Insel liegt, am Rande einer 87 hohen Klippe. Ein Halbkreis von etwa 45 Metern Durchmesser. Die Mauer ist 6 Meter hoch. Benannt ist es nach Angus dem keltischen Gott der Jugend. Forscher rätseln noch immer über den ursprünglichen Zweck dieses alten Forts. Es soll vor etwa 4000 Jahren entstanden sein, also lange vor der Ankunft der Kelten. Die übernahmen es und integrierten es wie alles andere was sie vorfanden in ihre Welt.

Steht man am Rand der Klippe, einem steilen Abgrund der fast 100 Meter in die Tiefe geht, durchweht einem ein seltsames Gefühl. Es heißt, bei guten Wetter könne man bis 120km weit aufs Meer blicken. Grandios, unendliche Weiten, die mensch hier auf sich wirken lassen kann. Vor einem liegt der Atlantik, die gegenüberliegende Küste, Amerika. Ein Traum von der Ferne, von Unbegrenztheit, vom fliegen, wenn man so will. Die Arme ausbreiten und sich gen Himmel erheben, alles hinter sich lassen was bindet, das festhält in einem Leben das nicht mehr das meine ist.  

Bei Sturm bietet sich ein ganz anderes Gefühl. Wenn der Atlantik sich donnert an den Klippen von Dun Aenghus bricht, ist es ein atemberaubender Anblick, in einer einzigen Welle branden Tonnen von Wasser gegen die Klippen und explodieren schäumend weiß gen Himmel, so als habe in den Tiefen des Meeres eine Kraft ihre Ketten gesprengt.

Ewig rastlos ist die Meeresoberfläche, von Wasser gekräuselt oder aufgewühlt. Trotzdem ruht der Ozean aber auch in sich, nie fällt er aus sich heraus, wie heftig er auch immer brandet oder tost. Stets ruht er im Schutze eines großen Rhythmus Das Meer verkörpert eine ungeheure Freiheit und Wildheit, es lässt sich nicht zähmen, schon gar nicht von uns Menschen, mögen wir auch noch so perfekte Techniken entwickeln.  Das Meer bewegt sich seit Jahrmillionen in einem anarchistischen Takt.

Zum Meer gehört der Wind, er ist sein ständiger Gefährte und Begleiter. Auch der Wind symbolisiert pure Freiheit, er besitzt Macht und gewaltige Präsenz. Seine  Freiheit ist noch hemmungsloser. Niemand vermag ihn einzufangen oder einzusperren.  Ständig kann er seine Richtung wechseln. Seine Kraft vermag, wenn sie zum Sturm heranreift, großen Schaden zu verursachen. Gerade auf einer kleinen Insel eine ständige Gefahr. Eine Insel ist umgeben von Wind und Meer, ist diesen Elementen stetig ausgeliefert. Man kann nicht einfach fliehen. Mit Hilfe von Flugzeug oder Schiff ist das zwar möglich, doch bei Windstärke 12 auch das ein Risiko.

Eigenwillige Gestalten stehen mit Inishmore in Verbindung:

Der Mönch Brendan soll hier der  Legende nach im Jahre 565 an der Küste von Inishmore sein Curragh gebaut haben, ein traditionell irisches Boot mit leichtem Holzgerippe ,mit Leinwand überzogen und geteert. Damit ist er mit einigen Gefährten in See gestochen . Er überquerte den Atlantik und landete im heutigen Neufundland. Für die Iren steht fest, St.Brendan war der erste Europäer in Amerika, 900 Jahre vor Kolumbus, 500 Jahre vor den Wikingern. Ihn packte wie viele seiner Landleute das Fernweh, die Abenteuerlust, das Bedürfnis sich auf das Unbekannte einzulassen.

Auf Inishmore wurde einer von Irlands berühmtesten und eigenwilligsten Schriftstellern geboren, Liam O`Flaherty (1896-1984), nach dem ersten Weltkrieg lebte er mehrere Jahre in den USA und schloss sich dort der kommunistischen Partei an. Kehrte aber nach Irland zurück. 1922 besetzte er mit arbeitslosen Dockarbeitern in Dublin die Rotunda und rief die irische Sowjetrepublik aus, der aber nur eine kurze Lebensdauer beschieden war.  Seine Romane und Kurzgeschichten genießen in Irland Kultstatus, einige wurden sogar verfilmt.

Zwei Beispiele die verdeutlichen, ich bin nicht allein mit meiner nonkonformen Lebensphilosophie.

Ich würde sicher gut in diese Gegend passen, hätte ich die Möglichkeit noch einmal geboren zu werden.

"Die Schönheit liebt unscheinbare Orte", schreibt der irische Philosoph und Schriftsteller John O`Donohue. "Nur in der Einsamkeit können wir ein Gefühl für unsere innere Schönheit entdecken", meint er weiter. Der viel zu früh verstorbene Dichter hat eine ganz besondere Gabe keltisches Lebensgefühl anschaulich zu machen.  Auch er liebte die drei Inseln in der Galway-Bucht, hat sie sehr oft besucht.Sein Buch "Anam Cara- Das Buch der keltischen Weisheit" ist ein wahres Meisterwerk. Natürlich auch die anderen Bücher,  "Vom Reichtum des Lebens-Die Schönheit entdecken", oder "Echo der Seele-Von der Suche nach Geborgenheit". Ich legen jedem ans Herz sich diese Bücher zu besorgen und zu lesen. Eine Poesie von gigantischer Schönheit.  Vor dem inneren Augen beginnen die Eindrücke lebendig zu werden, sprechen sie direkt in unsere Seele.

Schon beim lesen der erste Seiten leuchtet ein warum es O`Donohue, ursprünglich Theologe, der eine zeitlang als katholischer Priester tätig war, nicht sehr lange in seiner Kirche aushielt. Ein universaler Geist lässt sich nicht in starre Dogmen und kleinliche Vorschriften sperren. Wir entdecken ungeahnte Tiefen aber auch eine Breite, die uns mit sich reißt.  O`Donohue versteht es wie kaum ein anderer uns die keltische Naturmystik nahe zu bringen, verständlich, erdgebunden, ohne dabei abzuheben.

John O`Donohue(1956-2008) konnte an eine reichhaltige Tradition anknüpfen, die weit in die vorchristliche Periode zurückreicht.Im alten Irland galt die Berufung zum Dichter als eine göttliche Gabe. Der Dichter vereinigte in sich die übernatürliche Seherkraft des Druiden und die Macht der Kreativität. Er hatte Zugang zu Geheimnissen, die der breiten Masse vorenthalten waren. Die keltischen  Dichter ( die meist als Barden bezeichnet wurden) waren Meister ihres Faches, sie waren nicht nur  Dichter sondern auch Musikanten. Als Sänger zogen sie durch die Lande und verkündeten ihre frohmachende Botschaft. Wir finden in der keltischen Dichtung die Farbigkeit, Kraft und Intensität der Natur. Im Wind, in den Blumen, in den Bäumen oder den reifen Getreideähren, überall liegt Poesie. Die keltische Spiritualität huldigt dem Mond und betet die Lebenskraft der Sonne an. Die Natur gab den Kelten, was sie zum Leben benötigten, sie nähte sie und gab ihnen Obdach. Sie war ihnen ein Gefährte und zugleich eine geistige Gegenwart. Uns begegnet in der keltischen Naturlyrik eine Wärme, ein Erstaunen, ein Bewusstsein der Zugehörigkeit.

Wir erleben derzeit eine Periode des Verfalls und der Degeneration, alles verkommt zur Ware, auch die Dichtung bildet da keine Ausnahme. Alles ist nur auf eine oberflächliche Effekthascherei ausgerichtet. Seichte Unterhaltung ohne jeglichen Tiefgang. Uniforme Billigware,deren Hauptzweck in seiner raschen, gewinnbringenden Vermarktung besteht. Unsere modernen Massenmedien verstehen es glänzend auch die schlechteste Literatur schön zu reden um die Verkaufszahlen in die Höhe zu treiben.

Man muss heute genau wissen wo man suchen muss,um noch etwas ansprechendes zu finden.  John O`Donohues Werke sind Balsam für die Seele. Er steht in einer Reihe großer Denker, Philosphen und Dichter die Irland hervorgebracht hat. Immerhin kann diese kleine Nation 3 Literaturnobelpreisträger verbuchen(eigentlich wären es sogar 4, aber George Bernhard Shaw haben die Briten vereinnahmt).

Mit einem anderen hatte ich ein sehr eigenartiges Erlebnis. Bei meinem ersten Irlandbesuch 1998 war ich mit meiner Reisegruppe unterwegs in einem klapprigen Bus zu dem kleinen Dorf Drumcliff im County Sligo. Das liegt etwa 8 km nördlich der Stadt Sligo zwischen dem Berg Ben Bulben und der Meeresbucht. Dessen größte Sehenswürdigkeit ist das Grab des Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers 1923 William Butlar Yeats (1865-1939). Ein kleines stilles Dörfchen jenseits des Massentourismus. 

Irlands größter Dichter, dem hat man mit Sicherheit ein Grabmonument von besonderer Art gewidmet, so meine Annahme. Weit gefehlt! Ein kleiner verlassener Dorffriedhof mit einer kleinen Kirche nebenan. Ein einfaches, schmuckloses Grab, dass sich in nichts von den umliegenden Gräbern unterschied, ein einfacher Grabstein, kein Blumenschmuck,nur blanke braune Erde. Schon beim Betreten des Friedhofes viel mir auf das sich eine ganze Kohorte Hühner laut gackernd zwischen den Gräbern bewegte. Die kamen dem Anschein nach von einem benachbarten Bauerngehöft. Ich glaubte zunächst einer Sinnestäuschung zu erliegen, doch ich sah richtig. Eine Henne hatte sich auf dem Grab des großen Dichters eine Kuhle gegraben und dort in aller Ruhe ein Ei gelegt. Auch die sich nähernde Menschenansammlung schien ihr gar nichts auszumachen. Erst als das Gedränge immer größer wurde ergriff sie die Flucht, das Ei natürlich zurücklassend.

Man stelle sich das mal in Deutschland vor. Eine gackernde, Ei legende Henne in der Goethe/Schillergruft in Weimar etwa? Na das geht doch nicht! In Irland schon. Das schien hier niemand zu stören. Ist doch nichts dabei. In der Tat. Ein brütendes Huhn auf dem Grab eines berühmtes Dichters? Das ist an sich schon wieder Poesie. Da spricht Leben zu uns. Ist denn nicht das Ei das Symbol des Lebens schlechthin? Ich weiß nicht ob die Glucke ihr Ei wiedergefunden und schließlich ausgebrütet hat Eine wunderbare Vorstellung, ein Küken schlüpft aus der Eierschale, auf  der Oberfläche eines Grabes. Tod und Leben ganz nahe bei einander.  Der Tod hat nicht das letzte Wort im Leben. Leben endet nie, es kann stets nur erneuert werden. Ich muss immer wieder über dieses Erlebnis nachdenken.  Auch die Stille die mich dort umgab war faszinierend, neben dem Hühnergegacker konnte man nur noch die Meersbrandung aus der Ferne und den fast immer präsenten Wind vernehmen.

Das passt. Denn es ist die Stille, die den Kelten viel bedeutet. John O`Donohue meint dazu: "Die Stille ist eine große Freundin der Seele, sie enthüllt die Schätze der Einsamkeit, es ist sehr schwierig, diese Qualität der inneren Stille zu erreichen. Zuerst müssen wir ihr Raum schaffen, damit sie die Möglichkeit hat ihr Werk an uns zu vollenden."

Genau das ist der springende Punkt. Wir müssen lernen mehr Toleranz für die Stille aufzubringen, für eine fruchtbare Stille, eine Stille in der Kreativität gedeihen kann. Eine Stille die sich heute aber kaum noch finden lässt. In der Stille leben , dass ist schon fast zu einem Privileg geworden. Wo wir uns auch befinden, überall werden wir eingeholt vom dröhnende Lärm der Geschäftigkeit. Gequassel und Geschnatter wo wir uns auch befinden. Sinn-und -Inhaltsloses Geplärr zumeist. Die Massenmedien überfluten unsere Sinne und lassen diese kaum zur Ruhe kommen. Wo kann sich da noch wahre Kreativität entfalten? Die Stille ist einer der wichtigsten Schwellen die wir überhaupt überschreiten können. Wenn es uns wieder gelingt in unser Innerstes zu hören, dann befinden wir uns auf dem richtigen Weg. Solange wir nur konsumieren, was uns an Seelenfutter von Außen vorgesetzt wird, sind wir ständig in Gefahr einer Vergiftung zu erliegen.

Unsere heutige Zeit ist durch einen nie da gewesenen spirituellen Hunger gekennzeichnet. Wir alle hungern nach dem ewigen, nach dem bleibenden, nach dem was uns Sicherheit, Geborgenheit, ja ein ewiges Zuhause schenkt. Doch wo lässt sich das finden? Viele glauben das ihnen auch hier eines weiterbringen kann, Geld. Für Geld können wir  mittlerweile fast alles kaufen. Warum also nicht auch Spirituelle Befriedigung. Der Esoterik-Markt wartet mit einem Überangebot an allen möglichen spirituellen Wegen auf uns, die wir doch nur einzuschlagen bräuchten um unser Bewusstsein zu erweitern, um Erleuchtung zu erlangen, oder Erlösung. Viele Begriffe, die doch alle nur das eine meinen, Innere Zufriedenheit. Der heute Mensch ist doch in Wirklichkeit nichts weiter als ein gehetztes Tier, das von einem Futtertrog zum nächsten hastet,in der Hoffnung auf Sättigung. Die tägliche Reizüberflutung, durch Werbung, durch Nachrichtensendungen, durch Kitsch und Klamauk,hinterlässt tiefe Spuren. Viele Menschen sind chronisch unzufrieden mit sich und ihrem Leben. Bin ich schön genug, bin ich intelligent genug, bin ich leistungsfähig? Nein, es gibt am Ende immer noch einen der besser ist als ich.

Um der allgemeinen Tristes zu entfliehen, die unsere Glimmerwelt bietet, flüchten sich die Menschen in vorgegeben spirituelle Programme. Solche Programme neigen zu extremer Linearität. Alles ist genau festgelegt. Ein Ausgangspunkt der irgendwann ans Ziel führt. Eine Reise in mehreren Etappen. Jeder Abschnitt hat ein spezielle Methodik.

Solche ein Programm birgt die Gefahr in sich schon bald zum Selbstzweck zu erstarren. Er entfremdet uns der Gegenwart, er kann uns von allem absondern, was doch unsere ureigenste Wahrheit ist. Der Mystiker Meister Eckhard der im 14 Jahrhundert lebte erklärte, das es überhaupt keinen spirituellen Weg gebe. Das mag einige schockieren, besonders jene, die schon viel Kraft und vor allem viele Geld in ihre zum Teil exotisch anmutenden Wege investiert haben. Doch in dieser Aussage steckt viel Wahrheit.

Vor allem es ist sehr tröstlich. Wir brauchen uns nicht von unserem Selbst zu entfernen, um zu einer echten Zwiesprache mit der Seele und dem Mysterium zu gelangen. Wir brauchen nicht extra nach Tibet zu fahren, zum Dalai Lama oder nach Indien zu Swami Sowieso, um uns über uns selbst aufklären zu lassen. Wir sollten einfach nur in uns hineinzuhören. Da gibt es einiges zu finden, von deren Existenz wir derzeit nichts ahnen. "Das ewige ist immer zu Hause-in uns." So John O`Donohue

Den Kelten war diese Tatsache bewusst. Einen eigentlichen Religionsstifter kennen sie nicht. Ihre Mystik war einfach vorhanden, von Anfang an. Sie entdeckten den Geist in der Natur, in der Materie, alles war von seiner Kraft durchdrungen. Und vor allen erkannten sie den ewigen Gesit in der Stille.

Stille? Ja einer der großen irischen Dichter hat ganz in der Stille gewirkt und uns im Jahre 1995 einen Bestseller geschenkt, Frank McCourt.

Frank McCourt(1930-2009) war Amerikaner irischer Abstammung, seiner europäischen Heimat blieb er auf Dauer verbunden. Von Beruf Lehrer, wartete er bis zum Ruhestand,um seinen Roman "Die Asche meiner Mutter" zu schreiben. Mit diesem Meisterwerk strafte er all jene Lügen, die uns weis machen wollen, das sich ein Roman, der im Milieu der Unterschicht spielt nicht verkauft, da die Menschen so etwas angeblich nicht lesen wollen.

McCourt schildert seine Kindheit und Jugend in einer bettelarmen irisch-katholischen Familie. Seine Mutter die ihre Kinder allein ernähren muss, weil der Vater den hart erarbeiteten Lohn in der nächstbesten Kneipe vertrinkt. Ein Junge der schon als Kind Schwerstarbeit leisten muss, der jeden sauer verdienten  Groschen beiseite legt, um die Auswanderung nach Amerika zu finanzieren . Ja, eine solche Geschichte verkaufte sich über 6 Millionen mal. Wer hätte das für möglich gehalten.  Auch sein Nachfolgewerk 

"Ein rundherum tolles Land" wurde ein Welterfolg. Es schildert den schweren Anfang in der neuen amerikanischen Heimat.

Viele Iren mussten ihr Land verlassen, um in Amerika, Australien, Neuseeland oder sonst wo, neu anfangen mussten. Einfach deshalb, weil die alte Heimat ihnen keine Existenzgrundlage mehr bot. Gern taten sie das nicht. Kelten sind bodenständig, sind heimatverbunden auf geradezu spirituelle Weise. Sie nahem den celtit spitit mit in die neue Heimat. 

 

Verlassen wir Irland für einen Moment und begeben uns nach Großbritannien, in das frühgeschichtliche Britannien,um genau zu sein. Mit dieser Zeit hat sich eine Schriftstellerin beschäftigt, die auf mich eine besonders intensive magische Anziehungskraft ausübte: Marion Zimmer-Bradlay (1930-1999). Ihr Roman "Die Nebel von Avalon"

löste vor dreißig Jahren die so genannte Keltenwelle aus.  Es ist die uns allen bekannte Geschichte von König Artur und seiner Tafelrunde. Das Besondere daran, sie wird aus dem Blickwinkel der Frauen erzählt, sowie der langsam untergehenden heidnischen Religion.  Feministisch-esoterisch wird deshalb ihr Werk bezeichnet.  Also nicht das ruhmreiche Christentum, das sich über das finstere Heidentum erhebt um den endgültigen Sieg davon zu tragen, steht im Mittelpunkt, sondern eine kritische Reflektion der Vorkommnisse. Frauen sind die tragenden Personen, die das Heft in der Hand halten, Männer kommen zum Teil schlecht weg.Trotzdem würde ich den Roman, wie auch die im Anschluss erschienen Bände nicht als Männerfeindlich bezeichnen Es wird einfach mit Jahrhunderte alten Vorurteilen abgerechnet und eine neue, eine alternative Sicht auf König Arthur, seine Tafelrunde und den heiligen Gral entworfen. Religiöse Toleranz und Gleichberechtigung der Geschlechter kontra Religiösem Fanatismus und Patriarchat. Letztere setzt sich am Ende leider durch. Wer wird diesem Zustand wohl umkehren?

Beim lesen dieser Romane festigte sich mein persönliches Keltentum und ich begann mich intensiv mit der Geschichte der Kelten zu befassen. Ich war vor allem davon ergriffen, wie die Kelten mit dem Thema Tod umgehen. Der wird schlicht und einfach nicht akzeptiert. "Der Tod ist die Mitte des Lebens!" So lautet ein altes keltisches Sprichwort.

Das drückt die Einstellung der keltischen Völker zum Thema Tod aus. Ihm haftet nichts endgültiges an. Vielmehr ist der Tod nur die Pforte zu einem neuen, zu einem höheren Bewußtsein. Für die Kelten ist der Tod die Fortsetzung des Lebens in einer anderen Dimension. Anderwelt nannten sie diesen Zustand.  Sie gingen einfach über ein Gewässer und fanden sich am anderen Ufer wieder. Ihre Vorstellung vom Leben nach dem Tod war ausgesprochen anschaulich.

Gibt es da noch was, auf der anderen Seite? Diese Frage bewegt mich seit frühester Kindheit. Wohin gehen wir, wenn unsere Zeit gekommen ist. Was erwartet uns? Ist da noch etwas oder gibt es nur das ewige Nichts, das große Schwarze Loch, gefühllose Leere. Die Identität des Menschen ausgelöscht, einfach nicht mehr vorhanden? damit konnte ich mich nie abfinden. Stets suchte ich nach Alternativen zum endgültigen Nichts.  Der Tod stellte sich mir schon als Kind als grausamer Geselle dar, der einfach abrupt beendet. Das begann schon mit dem Lieblingswellensittich der eines Morgens tot in seinem Bauer lag und ich als kleines Kind keine Erklärung dafür fand. Und so setzte es sich fort, ein Leben lang Abschied nehmen, ein Leben lang liebgewonnenes los lassen. Der Tod der Oma, als ich 14 Jahre war, der Tod meiner Patentante, die im Alter von 51Jahren der heimtückischen Krankheit ALS erlag und nicht zuletzt der plötzliche Tod meiner Liebsten vor nunmehr einem Jahr, der mich vollständig aus der Bahn warf und seitdem nicht mehr zur Ruhe kommen lässt. Schließlich die immer größer werdende eigene Lebensmüdigkeit.

John O`Donohue schreibt dazu:" Der Tod ist die tiefe Wunde, die im Universum klafft, die Wurzel aller Angst und Negativität. Eine freundschaftliche Beziehung zu unserem Tod gestattet es uns, die Unsterblichkeit unserer ewigen Seele zu feiern."

Die Kelten gingen dieses Thema locker an. Da in ihren Augen dem Tod nichts endgültiges anhaftete, verlor er seine Schrecken.  Abschied nehmen, ja natürlich, aber nicht für immer. Wir sehen uns wieder auf der anderen Seite, so verabschiedeten sich die Kelten von ihren verstorbene Angehörigen. Die andere Seite, die Anderwelt, Avalon, die Apfelinsel, die Kelten stellten sich das Leben im Jenseits als direkte Fortsetzung des irdischen Lebens vor, nur eben befreit von den Begrenzungen von Raum und Zeit. Auf der Apfelinsel gab es einen ewigwährenden Frühling, blühende Apfelbäume die gleichzeitig reife Früchte trugen. Auch bei ihnen  galt der Apfel als Sinnbild des Paradieses. Eine schöne Vorstellung. Wer möchte ein mögliches ewiges Leben nicht auf diese Weise verbringen.

Für uns moderne, dem rationalem Denken verpflichtende Menschen, nicht leicht nachvollziehbar. Aber wir sollten uns hüten das alles gleich als Wunschvorstellungen primitiver Völker abzutun. Denn die Frage drängt sich gleich auf: Sind wir mit unserem Verstandesdenken tatsächlich besser dran? Sicher, es sind tröstende Ansichten, aber fühlen wir uns ohne Vertröstung besser? Wie trösten wir heute einen Sterbenden, ein sterbendes Kind womöglich? Hochwissenschaftliche Deutungen? Wohl kaum! Wird hier nicht auch der aufgeklärteste logisch-rationale Atheist wieder auf die Engel zurückgreifen, die unserem geliebten Angehörigen zu sich in ihre Geborgenheit nehmen?

Marion Zimmer-Bradlay schildert in ihren Romanen die jenseitigen Welten so plastisch, so farbig und authentisch, das der Leser/ die Leserin regelrecht Appetit bekommt hier näher nachzuforschen. Es erscheint dort alles so selbstverständlich, das wir uns unwillkürlich die Frage stellen, warum tun wir es denen nicht gleich? 

Ein Stück dieser Zuversicht haben sich die Kelten bis heute bewahrt, trotz aller Anfechtungen durch die Modere. Eben diese Moderen ist nun ja auch schon wieder Geschichte. Heute leben wir im Zeitalter der sogenannten Postmoderne.  Eine Art von Rückbesinnung setzt vierorts ein. Das Bewusstsein für Ökologische Themen verdeutlicht uns das zum Beispiel