Colette for ever

Es gibt Reden, die Geschichte machen. Berühmte Aussagen oder Zitate, die im Gedächtnis haften bleiben. Im Gedächtnis sowohl des einzelnen, als auch im kollektiven Gedächtnis der gesamten Menschheit.

„I have a dream!“ ist ein klassisches Beispiel. Klingt es in den Ohren können wohl die meisten etwas damit anfangen und wissen sofort mit welcher Persönlichkeit sie es in Verbindung bringen.

Martin Luther King sprach diesen berühmten Satz der Weltgeschichte am 28. August 1963 vor dem Lincoln Memorial in Washington vor 250000 Menschen.

Oder nehmen wir „ Ick bin ein Beeerliner“ Natürlich, das war John F. Kennedy bei seiner vielbeachteten Rede am 26. Juni 1963 vor dem Schöneberger Rathaus im damaligen Westberlin, in Mitten des Kalten Krieges.

„Berlin wird leben, aber die Mauer wird fallen:“ Von Willy Brandt, oder „Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt“ von Ernst Reuter. Selbst die Aussage“ Niemand hat die Absicht eine Mauer zu erreichten!“ Von Walter Ulbricht erlangte Berühmtheit.

Auch abgrundtief böse und diabolische bleiben für ewig in Erinnerung. „Wollt ihr den totalen Krieg?“ Von Joseph Goebbels gehört zweifelsfrei dazu.

Eine berühmte und eindringliche Rede macht den Redner oder die Rednerin schlagartig zum Star, zu einer Symbolfigur, zu einer bleibenden Erinnerung. Nicht wenige konnten auf diese Weise jene Aufmerksamkeit erlangen, deren sie so dringend bedurften und die ihnen lange Zeit versagt blieb.

 

Colette von Akratasien sollte sich an diesem schönen Spätsommernachmittag mit ihrer Rede im Kölner Böckingpark ein ebensolches Denkmal setzen.

Längst war Akratasien(das zu diesem Zeitpunkt vorübergehend wieder Melancholanien hieß)

nicht mehr jenes unbedeutende Fleckchen Erde am Rande Mitteleuropas, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen und dass man getrost links liegen lassen konnte. Das dort ein furchterregender Diktator herrschte war bekannt und wurde natürlich von der Bundesregierung und den meisten anderen Regierungen der sogenannten freien Welt tief bedauert. In regelmäßigen Abständen wurden gebetsmühlenartig die Menschenrechte eingefordert. Mehr könne man selbstverständlich nicht tun und immerhin war man ja an guten Geschäften mit dem Diktator interessiert.

 

Erschwerend kam hinzu, dass die Öffentlichkeit mit Colette, jener genderqueeren Königin im Exil und ihren libertären und revolutionären Anschauungen nicht viel anzufangen wusste. Die akratasische Idee von Freiheit und Selbstverwaltung, von Harmonie und Verständigung und nicht zuletzt jene durch und durch queere Lebensart war den Machthabern der Welt ein Dorn im Auge.

 

Damit wollte man lieber nicht in Verbindung gebracht werden.

Colette, wir dulden dich und deine kleine extravagante Exilgemeinde, wenn ihr nun schon einmal hier seid, aber halte bitteschön die Klappe. Keine Agitation, keine Werbung für die Anarchistische Monarchie, diese eigenartig antagonistisch anmutende Weltanschauung, die in Akratasien/Melancholanien kurzzeitig praktiziert wurde und auf unterschiedliche Beachtung stieß.

                                                                     

Am Anfang schien die Rechnung aufzugehen. Colette eignete sich kaum für eine seriöse Berichterstattung in den Medien. Die Boulevardpresse nahm sich zwar des Themas an, jedoch hauptsächlich aufgrund niederer Beweggründe. Die in den Reihen der Schwesternschaft praktizierte Freie Liebe und die polyamoren Lebensweisen vieler Angehöriger der Exilgemeinde wurde süffisant in den Vordergrund gespielt. Die Rede von der angeblichen Sexkommune machte die Runde. Dabei wurde natürlich ausgesprochen dick aufgetragen und die Phantasie überlagerte die wirklichen Begebenheiten und Beweggründe auf drastische Weise.

 

Doch in den letzten Wochen schien sich das Blatt zu wenden. Melancholaniens Diktator Cassian, dessen Größenwahn und Gigantomanie darin gipfelte, dass er sich in Bälde eine Kaiserkrone aufs Haupt zu setzen gedachte, hatte den Bogen überspannt. Die brutale Art seine Macht zur Schau zu stellen, die Unterdrückung jeder Art von Opposition und seine aggressive Außenpolitik hatten ihn völlig desavouiert.

Hinzu kam die aufgeladene Stimmung infolge der brutalen und demütigenden Art wie mit der seit geraumer Zeit gefangengehaltenen, als Terroristin verschrienen Untergrundkämpferin Dagmar verfahren wurde. Die öffentliche Zuschaustellung ihrer Foltermethoden hatte sowohl in Melancholanien als auch im Ausland einen Aufschrei der Empörung hervorgerufen.

 

Den Stimmungswandel bekam auch die Exilgemeinde um Colette zu spüren. Überall entstanden Solidaritätskomitees, die ihre Sympathiebekundungen offen äußerten und zu Aktionen schritten.

Da Elena noch immer nicht aufgetaucht war, Madleen ihre Flucht noch nicht in die Tat umgesetzt hatte und Dagmar weiter gefangen gehalten wurde, blieb weitgehend alles an Colette hängen. Die genderqueere anarchistische Königin stand im Fokus der Öffentlichkeit und avancierte immer deutlicher zum Integrationsfigur des gesamten Widerstandes.

 

Kein Tag verging an dem sich nicht zahlreichen Gruppen, Initiativen, oder auch Einzelbewunderer und Unterstützer in den Hallen der Akademie in Bensberg einfanden, um das Gespräch mit ihr zu führen.

Des Weiteren wurde sie immer häufiger eingeladen Vorträge zu halten, in Talkshows aufzutreten etc.

Eine ausgesprochene positive Kehrtwende kündigte sich an. Ein Frühling nach einer langen Eiszeit der Demütigung und Ausgrenzung.

 

Doch es fehlte noch etwas ganz Besonderes, ein Aufmacher, ein Event von symbolischer Tragweite. Etwas, dass man mit gutem Gewissen als den endgültigen Durchbruch bezeichnen konnte. Ein Akt der Colette zur Unsterblichkeit geleitete.

 

Eine große Kundgebung mit anschließender Demonstration war lange in Vorbereitung und stand unmittelbar bevor.

Colette würde dort als Hauptrednerin vor tausenden von Menschen sprechen.

Die Aufregung stieg von Tag zu Tag. Wie würde sie sich dort schlagen? Konnte sie die Massen mit sich reißen?  Oder bestand die Gefahr des Versagens, das einen schweren Rückschlag mit sich zu bringen drohte?

 

Colette, deren Gesundheit sich deutlich gebessert hatte, seit sie in Erfahrung bringen konnte, dass Elena noch lebte, wohlauf war und möglicherweise schon bald hier eintreffen würde erlitt am Abend vor dem alles entscheidenden Auftritt einen schweren Rückschlag.

Wie schon häufig zuvor hatte sich der immense psychische Druck auf ihre körperliche Befindlichkeit geschlagen. 

Den Abend hatte sie noch ganz gut verbracht. Betül war gemeinsam mit der kleinen Aisha zu Besuch bei einer Kusine, die trotz Widerstand aus der Familie den Kontakt zu ihr gesucht hatte. Seit sich Betül dafür entschieden hatte mit Colette zu leben und ihr sogar eine Tochter geschenkt hatte, galt sie in der streng muslimisch orientierten Großfamilie als Ausgestoßene.

Der Kontakt ließ Hoffnung in ihr aufkeimen, dass sich der Bann dieser unbarmherzigen ausschließlich von Machodenken dominierten Welt bald senken könnte.

 

Betül war noch immer praktizierende Muslima, aber in einer toleranten, liberalen und auch mystisch orientierten Weise. Den gnadenlosen Männergott, der Frauen zu Gebrauchsgegenständen degradierte und genderqueeren Menschen gar das Lebensrecht absprach, hatte sie schon lange den Laufpass gegeben.

Sie wurde erst am späten Abend zurückerwartet.

 

Colette hatte sich, nachdem sie das Abendessen eingenommen hatte auf ihr Zimmer zurückgezogen. Mit ein wenig Fernsehen bei einem Glas lieblichen Weißwein gedachte sie den Tag in Ruhe ausklingen zu lassen.

Kaum hatte sie sich zu Bett begeben, da meldeten sich schon heftige Krämpfe im Bereich des Unterbauches. Zunächst versuchte sie diese zu ignorieren, doch das gelang ihr nicht. Sie wusste was das zu bedeuten hatte. Der Erfolgsdruck und die Angst zu versagen hatten ihr auf den Magen geschlagen.

 

Die Krämpfe würden sie die ganze Nacht quälen und an Schärfe zunehmen. Schlimmsten Falles kam auch noch Durchfall dazu.

Ausgerechnet jetzt, da sie sich gesundheitliche Probleme am allerwenigsten leisten konnte. Morgen ging es ums Ganze. Sie musste fit sein und durfte sich keinen Patzer erlauben.

Sie warf sich auf der Decke hin und her und hielt sich den Bauch, Schweiß perle von ihrer Stirn.

 

Wo war Betül? Wo blieb die Geliebte und Gefährtin, in deren Hände sie sich bedingungslos begeben konnte und die so gut wie jeden Schmerz zu lindern vermochten?

Die Zeit verstrich, die Nacht schritt voran.

Endlich klappte eine Tür im Nebenzimmer. Erlösung!

„Betül! Beeeeeeeeetüüüüüüül!“

Der Schmerzensschrei entlud sich im Ruf nach der Frau an ihrer Seite.

Betül erschien umgehend im Zimmer.

 

„Collete was ist denn? Warum schreist du so? Du weckst die Kleine auf.“

„Schmerzen! Krämpfe! Es hat mich wieder voll erwischt! Ausgerechnet heute Nacht. Du weißt, was morgen auf dem Spiel steht.“

„Oh mein Gott!“ Betül eilte ins Zimmer und ließ sich auf der Bettkante nieder.

Sie nahm Colettes Kopf in ihre eleganten Hände.

„Ich sehe es, du bist ja völlig durchgeschwitzt!“

„Ich hab doch gar nichts Verkehrtes gegessen, das übliche wie immer. Zum Schluss habe ich mir noch ein Glas Wein gegönnt.“

 

„Du weißt, dass du nicht so viel Wein trinken sollst! Aber daran liegt es nicht meine Königin.

Es ist die Seele. Selbstverständlich es ist wegen morgen. Es ist dir auf dem Magen geschlagen. Der Stress, der Druck der letzten Tage.“

„Natürlich hast du Recht! Ausgerechnet jetzt! Nnnngggggrrrrrr….“

Colette krümmte sich und verkrampfte immer mehr dabei.

„Nicht verkrampfen, damit machst du alles nur noch schlimmer. Versuche dich zu lockern. Werde ruhig, versuche leicht zu atmen.“

„Gern! Leicht gesagt! Ohhhhhh, die Schmerzen, die Schmeeeeerzen. Es ist zum waaaaahnsinnig werden. Ich muss morgen doch auf dem Posten sein. Ich darf nicht versagen. Ich muss diese Rede halten.  Um jeden Preis. So viel hängt davon ab. Wenn es mir gelingt die Menschen zu überzeugen bringt uns das ein gehöriges Stück weiter in Richtung Heimkehr.“

„Dessen bin ich mir bewusst Colette. Ich weiß was davon abhängt. Hmmmm, hier ist voller Einsatz gefordert.“

 

Sie stand auf, ging zur Tür, öffnete diese und rief mit voller Stimme.

„Aaaaaaaaadrogynaaaaaaa!“

„Du brauchst sie nicht zu rufen, sie ist nicht da.“

„Wie? Sie ist nicht da?“

„Sie… sie hat sich so sehr auf das Rockkonzert in Köln gefreut. Sie ist da einfach hingegangen.“

 

„Ich höre wohl nicht recht. Darf ich dich daran erinnern, dass wir eine Vereinbarung haben. Eine von uns beiden  hat stets vor Ort zu sein, dir zur Verfügung zu stehen und weil ich nun mal zu diesem wichtigen Treffen musste, hat sie heute ihren Dienst bei dir zu schieben. Ich glaub es nicht. Die geht einfach fort und lässt dich allein?“

„Nicht böse sein Betül, ich habe sie selbst dazu animiert. Sie ist noch jung und soll doch was vom Leben haben und nicht immer nur bei der ollen Colette hocken. Ich komme auch mal ohne Beistand zurecht.“

„Ja, natürlich! Das sehe ich, wie wunderbar du allein zurechtkommst. Mein Gott was tut sie denn? Geht mit dir auf Reisen, gut, das ist schon mal ne Entlastung für mich. Aber ansonsten?

Da hat sie doch viel an freier Zeit, die meiste Zeit  bin ich für dich da und ich tue es gern.“

Erwiderte Betül aufgebracht, dann schritt sie abermals zur Tür.

„Denise!  Deniiiiiiiiiise!“

 

„Nnnnngggggrrrrr…. Die Krämpfe werden immer heftiger. Mir ist als habe ich einen Luftballon im Bauch. Es kommt nichts raus. Ich habe schon eine ganze Flasche Mineralwasser getrunken und trotzdem kann ich nicht rülpsen.“

„Das war nicht sehr klug von dir. Die viele Kohlensäure sorgt nur dafür, dass du noch mehr Luft im Bauch hast. Da müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen. Mein Gott wo bleibt die denn nur.“

 

Zum dritten Mal hastete Betül zur Tür.

„Denise! Deniiiiiiiiiiiiiieeeeeese!“

Endlich erschien die Gerufene und eilte über den Flur.

„Was ist denn, warum kommst du nicht, wenn ich dich rufe, du wirst gebraucht.“

„Entschuldige Betül, im Fernsehen läuft gerade meine Lieblingssoap, da habe ich dich gar nicht rufen gehört.“ Antwortete Denise mit ihrem herzhaften Schweizer Dialekt.

„Na jetzt schlägts 13. Die eine geht qutischvergügt in ein Rockkonzert, die andere sieht sich Seifenopern im Fernsehen an, während unsere Königin einsam und verlassen danieder liegt und sich vor Schmerzen krümmt. Los. los wir müssen was unternehmen.

Betül klatschte in die Hände.

 

„Sag was ich tun soll!“ Wollte Denise wissen.

„Wärmflasche! Ich brauche eine Wärmflasche! Hol eine und tu richtig heißes Wasser rein. Beil dich ,keine Trödelei, wenn ich bitten darf.“

Denise verschwand, um ihren Auftrag auszuführen.

Betül ließ sich erneut auf Colettes Bettkante nieder.

„Ja, gleich wird es besser meine Königin. Vertraue ganz auf meine heilenden Hände. Ich werde dir jetzt den Bauch massieren und auf diese Weise die Krämpfe auflockern versuchen.

Dann gibt es eine Wärmflasche und im Anschluss massiere ich erneut.“

„Oh Betül, meine wunderbare Betül, wenn ich dich nicht hätte. Ja ich vertrau auf deine Hände.“

Betül begann mit der Massage.

„Ah ja, das ist gut. Das tut wirklich gut.“

„Wir bekommen dich hin, bis morgen Nachmittag bist du wieder in Ordnung.“

 

„Ich muss diese Rede halten. Ich muss…ich muss…ich muss…“

Colette ballte die Fäuste und schlug seitlich auf die Bettdecke, während sie sprach.

„Hör auf damit! Du darfst dich nicht unnötig verkrampfen.“

 

„Ach Elena, wo bist du nur. Ich brauche dich. Jetzt, gerade jetzt am dringendsten.

Warum kommt sie nicht endlich, sie hat es versprochen. Ich war so glücklich als ich erfuhr das sie lebt und das es ihr gut geht.“

„Elena wird kommen Colette. Es wird nicht mehr lange dauern. Ich freue mich doch auch das sie bald wieder bei uns ist.“

„Aber noch ist sie nicht da. Verstehst du, SIE sollte auf der Bühne stehen morgen. SIE sollte diese Rede halten. SIE ist unsere charismatische Anführerin. SIE versteht es die Massen zu begeistern und mitzureißen. Es liegt IHR im Blut, diese Gabe ist IHR gegeben, nicht mir.“

Colette legte eine besondere Betonung auf die Worte Sie und Ihr.

 

„Colette, du sollst dich nicht schon wieder selbst in Frage stellen. Du weißt dass ich das ganz und gar nicht mag. Du wirst sprechen, du wirst es schaffen. Davon bin ich überzeugt. Ich glaube an dich und die ganze Schwesternschaft tut es. DU hast es verstanden diese Gemeinschaft im Exil zusammenzuhalten, nicht Elena.“

 

Denise erschien mit der Wärmflasche.

„Na da bist du ja! Gibt her! Puuaaaahhhhh…..“

Betül ließ sie Flasche fallen.

„Aber die glüht ja: Hast du kochenden Wasser reingetan?“

„Ja natürlich! Du hast doch gesagt, richtig heißes Wasser.“ Entgegnete die Angesprochene.

„Aber doch nicht kochend, soll sich Colette daran verbrühen?“

„Na gut ich gehe und misch kaltes drunter.“

„Nein, hmm dann wickeln wir ein Handtuch drum, bis es etwas abgekühlt ist.“

Denise reichte ein Handtuch und Betül schlang es um die Gummiflache, platzierte es im Anschluss auf dem Bauch der leidenden Königin.

 

„Huuuuuch….“

„Ist am Anfang etwas unangenehm, aber das gibt sich schon. Sooo, lass die Wärme eine Weile wirken, dann massiere ich wieder.“

Denise hatte sich auf der anderen Seite des Bettes auf den Boden niedergelassen und schaute gespannt auf den sich entwickelnden Heilungsakt.

„Ach Denise sie doch mal wo Kim steckt.  Es könnte sein, dass wir Colette noch in die Badewanne stecken müssen, wenn es nicht besser wird. Da müssen wir das Badezimmer vorbereiten.“

Denise entfernte sich augenblicklich. Betül wollte mit ihrer Frau alleine sein.

 

„Glaubst du, dass es hilft?“ Wollte die Königin wissen.

„Zumindest müssen wir es  versuchen.“

„Ach wo bleibst du nur Elena, kleine Schwester. Wie sehr hast du mir doch gefehlt die zurückliegenden Monate.“

„Elena wird kommen Colette. Doch morgen musst du ganz alleine durch, da geht kein Weg daran vorbei.“

„Elena ist unsere Hoffnung! Sie wird uns führen aus diesem Jammertal des Exils, zurück in unsere Heimat, unser Zuhause, nach Akratasien. So wie Moses einst die Kinder Israel in das gelobte Land führte.“Glaubte Colette zu wissen.

 

„Nun der Vergleich mit Musa wie wir Muslime Moses nennen, den wir ebenso hoch verehren hinkt aber gewaltig.  Wenn eine den Vergleich mit Moses verdient dann bist du das.“

„Ich? Ein Moses?“

„Ja du! Du und nicht Elena erfüllst alle Voraussetzung zu einem Moses zu werden. Denk doch mal nach. Moses war kein junger Mann mehr, kein strahlender jugendlicher Held. Ein älterer Mann. Gut, ob er 80 Jahre war, wie in der Bibel und im Koran berichtet, lassen wir mal dahingestellt sein. Sagen wir, er war etwa in deinem Alter, etwa Mitte 50, das kommt der Wahrheit deutlich näher. Er war auch nicht gesund und hatte eine ganze Reihe Handicaps, hat gestottert, konnte nicht mal richtig sprechen. Da bist du ihm deutlich voraus.“

 

„Ja, aber ich bin kein Mann! Ein sehr deutlicher und nicht von der Hand zu weisender Unterschied.“

„Da hast du natürlich Recht, aber das ist Elena auch nicht. Was hat denn das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung damit zu tun? Gerade weil Moses kein strahlender jugendlicher Alleskönner war, zeichnete er sich aus. Er bevorzugte Teamarbeit, hatte für alles seine entsprechenden Leute. Für ihn war es wichtig einfach nur da zu sein. Seine Anwesendheit erfüllte das Volk Israel mit Hoffnung und Trost, so wie deine uns alle mit großer Freude und Zuversicht erfüllt.“

 

„Ja, dein Wort in der Göttin Ohr. Ich hoffe du hast Recht. Trotzdem wäre es mir lieber Elena käme jetzt durch diese Tür.“

„Natürlich hat Elena ihre dominierende Stellung, die sie wieder einnehmen wird sobald sie wieder unter uns ist.“

Betül begann erneut den Bauch der Königin zu massieren, Colette begann sich tatsächlich immer weiter zu entspannen und zu beruhigen.

 

„Also wenn wir mal bei biblischen Vergleichen bleiben. Elena wäre in diesem Fall eine Art Joshua. Joshua, der militärische Anführer, der große Organisator, oder wie wir heute sagen würden, der Manager des Exodus aus Ägypten. Na und Moses Nachfolger. Ja, genau das kommt der Wahrheit schon bedeutend näher.

Sei stolz auf deine Rolle meine Königin und führe sie aus zu unser aller Hoffnung.“

 

„Da ist was dran, zugegeben. Aber trotzdem. Was bin ich denn wirklich? Oh Betül, meine wunderbare Betül. Was sind wir doch für ein ungleiches Paar. La Belle et la Bete, wie die Franzosen zu sagen pflegen. Die Schöne und die Bestie!“

„Puuuaaaaahhhh,ich fürchte mich, ich bin mit einer Bestie verheiratet.“ Betül verzog ihr Gesicht zu einer Grimmasse.

„Oh wie ich diese Bestie liebe. Ich kann es gar nicht erwarte mich zu ihr zu legen.“

 

Betül wusste was sich nun anbahnte. In regelmäßigen Abstanden brach es aus Colette hervor, jene Mischung aus Minderwertigkeitskomplexen, Selbstanklagen, Verlustängsten und der Anschauung eine totale Versagerin zu sein. Aussagen die der jungen Schönheit schon lange aus dem Hals hingen. Geduldig nahm sie alles Gehörte hin, versuchte kaum noch Colette von Gegenteil zu überzeugen.

„Betül damit spaßt man nicht. Es ist doch so wie es ist. Was bin ich denn? Hmm? Sie mich doch an? Ich bin ein Wrack, nichts weiter als ein altes abgetakeltes Wrack. Das du es so lange bei mir ausgehalten hast, du, die du doch jeden oder jede haben könntest. Es ist alles so traurig, so unendlich traurig. Alles verkehrt auf der Welt. Ich möchte dir noch so vieles geben, dir und unserer Tochter. Aber ich weiß nicht, ob ich noch dazu komme. Wann kommt der Tag an dem ich den Löffel endgültig abgebe….“

 

„So! Das reicht, meine Königin. Schluss mit der Litanei. Ich kann sie nicht mehr hören. Verstehst du mich? Ich kann sie nicht mehr hören. Mindestens einmal pro Woche muss ich das über mich ergehen lassen.

Ein altes Wrack! Hmm, wenn wir schon vergleichen, dann bitte richtig. Du bist, sagen wir mal eine alte leckgeschlagene Fregatte, mit Schlagseite. Aber du hast längst den sicheren Hafen erreicht. Dort wirst du seit geraumer Zeit generalüberholt und auf Hochglanz poliert, so dass du wieder einsatzfähig wirst. Voll einsatzfähig. So und nun noch mal die Wärmflasche drauf.“

 

Buaaahhh….. doch, ja, die Wärme tut gut, tut richtig gut. Ach ja, so lasse ich es mir gefallen.

Wie schön du bist, wie wunderwunderwunderschön, du Perle aus dem Orient.“

„Geht es jetzt besser? Siehst du! Wärme und gleichmäßige Massage. Ich werde mich dann gleich zu dir legen und streichle dir den Bauch weiter.“

„Hört sich gut an. Ich kann es kaum erwarten.“

„Ha, wäre doch gelacht, wenn wir dich nicht bis morgen hinbekommen.“

 

Nach einer Weile entledigte sich Betül ihrer Kleidung und schlüpfte unter die Decke, schmiegte sich an die Königin und strich mit sanften kreisrunden Bewegungen über Colettes Bauch.

„Hmmmm….hmmmmm…..ja, wunderschön, so lass ich es mir gefallen.“

Nach einer Weile glitt Colette langsam in einen heilsamen Schlummer.

 

Die Nacht war weit fortgeschritten und inzwischen in die tiefe Nacht übergegangen.

Colette wurde äußerst unsanft mit einem bohrenden Schmerz im Unterbauch geweckt und schreckte in die Höhe. In ihrem Gedärm gurgelte es gewaltig.

„Colette was ist denn jetzt schon wieder?“ Fuhr Betül noch schlaftrunken in die Höhe.

„Durchfall!!!“

Colette stürzt angsterfüllt zur Tür, die zur Toilette führte.

„Oh mein Gott. Jetzt gerate auch ich in Zweifel, ob du es bis morgen schaffen kannst.“

 

„Hab ich dir doch gesagt. Ich bin kaputt, total kaputt… ich schei….mmmmmpppff jetzt kommst auch noch von vorn,,,“

Betül sprang aus den Federn, der helle Silbermond sandte seine Strahlen durch die Gardienen direkt auf ihre nackte bronzefarbene Haut und lies die Schönheit wie eine Fee aus einer anderen Welt erscheinen.

Sie durchsuchte die Medizintasche nach geeigneten Medikamenten für Magen-Darm-Erkrankungen.

„Ich steeeeerbe!“

Endlich hatte Betül das geeignete Mittel gefunden.

 

„Halte durch meine Königin, ich hab genau das Richtige für dich.“

Betül schritt, nackt wie sie war, in die Toilette.

„So! Nimm diese Tabletten, wie gut, dass ich die erst kürzlich besorgt habe. Die helfen schnell. Dumm, dass ich da nicht schon vorhin dran gedacht habe. Komm, die werden dir gut tun und schnell ihre Wirkung entfalten.“

„Ich hoffe es Betül. Ich hoffe es. Es hängt so viel davon ab, das sich morgen wieder auf den Beinen bin.“

 

„Ich weiß, meine liebe, ich weiß. Es wird alles gut. Nur fest daran glauben. Ich werde morgen, womöglich noch in der Nacht zusätzlich versuchen, meine spirituelle Heilung auf dich anzuwenden. Ja genau, wir machen es, sobald die Tabletten angeschlagen haben.“

Betül umarmte Colette und die Zärtlichkeit und Wärme die damit verbunden waren verstärkten die heilende Wirkung.

„Komm wieder ins Bett, Colette! Ich werde nochmals deinen Bauch massieren!“

Colette gehorchte, stützte sich auf die Gefährtin und schlich mit ihr dem Schlafzimmer entgegen.

 

Betül schlang nach einer Weile sanft Arme und Beine um die Königin. Sie glaubte, dass auf diese Weise die heilende Wirkung ihrer Kraft auf besonders intensive Art zu fließen begann.

Und tatsächlich, nach einer Weile sank Colette wieder in den Schlaf.

 

Am Morgen, kaum dass die Sonne den Horizont eroberte hatte, erhob sich Betül, leise und gleichsam in Zeitlupe, um die Königin nicht zu wecken.

Sie wollte Colette, solange es möglich war, schlafen lassen. Ungewöhnlich, das die überhaupt noch schlief, denn ansonsten hatte Colette einen unruhigen Schlaf und war zeitig am Morgen auf den Beinen..

Beweis dafür, dass die heilbringenden Energien ihre Wirkung nicht verfehlt hatten.

 

Betül machte ihre Morgentoilette, zog sich an und verschwand dann im Nebenzimmer. um nach Aisha zu sehen, die wie meist um diese Zeit schon mit allem Möglichen beschäftigt war.

„Mama, zu Mama Colette gehen. Mama Colette gehen.“ Stammelte die kleine Prinzessin, die es wieder einmal nicht erwarten konnte auf Colettes Schoß zu krabbeln.

„Hmmm, später meine Kleine, später. Die Mama Colette hatte fürchterliches Bauchweh in der Nacht und muss noch schlafen.“

„Will zu Mama Colette…“ Trotzte Aisha weiter.

„Wenn wir gefrühstückt haben, bringe ich dich heute zu Tante Kristin. Einverstanden? Die magst du doch auch sehr!“

 

„Ja…ja.. Tante Kristin gehen, Tante Kristin gehen… aber vorher zu Mama Colette…“

„Na meinetwegen! Aber nur kurz. Die Mama Colette hat einen gaaaaaanz wichtigen Tag heute und braucht noch viel Ruhe.“ Betül knuddelte die Kleine kurz bevor sie sie wieder auf den Boden setzte.

 

Nach einer Weile sah sie es für angebracht nach Colette zu sehen. Sie fand die Königin wach  und es schien ihr ganz passabel zu gehen.

„Und? Wie fühlst du dich meine Königin? Was machen die Krämpfe?“

„Also im Moment wie weggeblasen.“ Colette richtete sich langsam auf, streckte die Beine aus dem Bett und setzte sie auf den Bettvorleger.

„Deine Wundermedizin scheint angeschlagen. Ich hoffe, dass es so bleibt. Du kennst mich ja. Ich muss stets mit allem rechnen.“

„Soll ich dir beim Anziehen helfen?“ Bot Betül an.

„Neinnein! Geht schon! Ich schaffe es! Wie gesagt, im Moment ist Ruhe im Bauch.“ Erwiderte Colette und schritt dem Badezimmer entgegen.

 

„Also ich warte dann drüben bei der Kleinen. Gibt Bescheid, wenn du so weit bist, dann gehen wir zusammen nach unten.“

 

Nachdem Colette sich komplett hergerichtet hatte, fuhren die drei mit dem Aufzug in Parterre

In den Frühstücksraum, wo alles schon bereitstand.

Nach wie vor führten die Exilanten aus Akratasien das Leben von Tagungsgästen, die auf Zeit, etwa für ein Seminar, in der Akademie wohnten und bald wieder verschwanden.

Nur dass ihre Verweildauer inzwischen etliche Monate, fast ein Jahr dauerte.

Viel lieber hätten sich die Schwestern und ihr Anhang selbständig versorgt, so wie sie es gewohnt waren. Sich bedienen zu lassen gehörte nicht zu ihren vordergründigen Lebensgewohnheiten.

 

Doch dann bestünde für das Personal kein Bedarf mehr. Die Angestellten der Akademie wären überflüssig und würden in die Arbeitslosigkeit entlassen.

Das aber widerstrebte den Schwestern. Somit hatten sie sich zu diesem Kompromiss durchgerungen.

Sich an den gedeckten Tisch zu setzen, war eine feine Sache und sie konnten sich auf andere wichtige Tätigkeiten konzentrieren. Gewöhnen wollten sie sich selbstverständlich unter keinen Umständen an diesen Zustand.

 

Kaum hatten Colette, Betül und Aisha damit begonnen ihr Frühstück zu genießen, erschien Chantal bei ihnen. Bereits fix und fertig ausstaffiert und abfahrbereit.

„Guten Morgen Colette, Betül und Aisha.“  Chantal strich der kleinen Prinzessin durch die glänzend schwarzen Locken.

 

„Guten Morgen Chantal, na bist du schon bereit? Willst du schon jetzt rüber nach Köln?“ erkundigte sich die Königin.

„Ja, noch einen Moment warten bis Alexandra, Kyra, Eve und Kim erscheinen. Dann müssen wir auch tatsächlich los.“

„Schon so früh vor Ort?“

„Ja natürlich, wir müssen doch ein wenig beim Aufbau helfen, vorbereiten, alles schon mal einstudieren, da gibt es noch ne Menge zu tun.“

„Wird Kyra tatsächlich mit ihrer Band auftreten?“ Wollte Betül wissen.

„Ja, ist ein echtes Highlight. An ihrem Repertoire hat sie schon seit Wochen gefeilt und sich immer wieder was Neues einfallen lassen. Ich denke es war eine gute Idee, das wird viele Leute anziehen, auch solche die kaum etwas mit Politik am Hut haben.“ Erwiderte Chantal, dabei nervös auf die Uhr blickend.

 

„Beruhigend, die kann mit ihren Liedern wettmachen, was ich durch meine Rede versaue.“

Gab Colette zu verstehen.

„Hey du bist unmöglich! Warum zweifelst du immerfort an dir?“ Beschwerte sich Betül.

„Ich kann sie einfach nicht überzeugen, dass sie ihren Auftritt heute meisterlich bestehen wird.“ Wandte sie sich Chantal zu.

„Betül hat Recht, du wirst dich ausgezeichnet schlagen, Colette davon bin ich überzeugt. Wäre doch gelacht, jetzt da ich die Werbetrommel die letzten Wochen so laut geschlagen habe.“ Pflichtet ihr Chantal bei

 

In der Zwischenzeit waren die drei Erwarteten erschienen und strömte zum Tisch.

„Hey Chantal, wir suchen dich schon überall. Wird Zeit zum Aufbruch.“ Sprach Eve zu ihrer Frau.

„Also Kyra und Eve, ich komme immer wieder ins Staunen, wenn ich euch zusammen sehe. Ihr seht euch so verblüffend ähnlich. Das glaubt kein Mensch, dass ihr keine leiblichen Schwestern seid.“ Stellte Colette zum wiederholten Male fest.

„Naja, man weiß ja nie so recht. Möglicherweise sind wir` s ja sogar, ohne es zu wissen.“ Entgegnete Kyra mit ironischem Unterton.

 

„Wir setzen das auch gezielt ein. Ich singe in der Zwischenzeit fast so gut wie Kyra. Wir wollen uns mal austauschen während der Darbietung. Mal sehen ob die Leute es merken.“ Gab Eve zu verstehen.

„Jetzt aber los! Wir sehen uns dann später Colette!“ Chantal erhob sich und trieb zur Eile an.

„Ja, bis später wir kommen dann nach, so kurz vor dem Mittag!“ Meinte Colette.

 

Die vier entfernten sich und strebten dem Ausgang entgegen.

„Wir müssen uns auch noch vorbereiten, die Rede noch mal durchgehen und so weiter.

Ich möchte nur wissen, wo Androgyna wieder steckt. Ich hatte in Erinnerung, dass sie mit uns frühstücken wollte. Naja, hat sie dem Anschein nach wieder vergessen.“ Stöhnte Betül.

 

Die drei frühstückten noch zu Ende, bevor sie sich ins Foyer begaben, wo Androgyna bereits auf sie wartete.

Hier begannen sie alles noch einmal in Ruhe einzustudieren.

 

 

Unterdessen trafen Chantal, Eve, Kyra und Alexandra und Kim auf dem Gelände des Böckingparks in Köln ein.

Es war früher Vormittag und versprach wettermäßig ein schöner Tag zu werden. Die Angst, dass es womöglich ausgerechnet an diesem Tag wie aus Eimern regnen könnte, erfüllte sich  zum Glück nicht.

Noch waren nicht viele Menschen im Park unterwegs. Erst ab dem späten Vormittag musste mit den ersten Besuchern gerechnet werden, die Veranstaltung war für 13 Uhr angesetzt, natürlich immer mit einem Zeitrahmen versetzt.

 

Die Rednerbühne stand bereits. Viele freiwillige Helferinnen und Helfer aus verschieden politischen Gruppen der Stadt Köln und Umgebung hatten ihre Bereitschaft bekundet die Großdemo mit vorzubereiten und bei deren Ablauf zu helfen. Allein wäre die kleine akratasische Exilgemeinde dazu  kaum imstande.

Die vier begutachteten voller Zufriedenheit die hergerichtet Bühne.

 

„Wau, selbst die Musikinstrumente stehen schon bereit.“ Begeisterte sich Kyra, nachdem sie die Plane zurückgeschlagen hatte.

„Ja, viel brauchen wir da wohl gar nicht mehr zu tun?“ Meinte Alexandra und erklomm die Stufen zur Plattform.

„Da hätten wir eigentlich gar nicht so früh herkommen müssen.“

„Naja, ist doch schönes Wetter. Einfach hier sein und zunächst abwarten was geschieht. Ich denke es könnte schon bald hektisch werden. Es ist trotzdem noch allerhand zu tun.“ Bemerkte Chantal.

Eve telefonierte von ihrem Handy aus und brachte in Erfahrung, dass ein Teil der Initiativen und Gruppen sich bereits auf dem Weg zum Park befanden.

 

„Also wir haben recht getan, so schnell hierher zu kommen. Ich denke in der nächsten halben Stunde werden die ersten eintreffen.“

Nun begann das Warten. Die vier nahmen auf dem Boden im Gras Platz. Tatsächlich, nach etwa 20 min trafen die ersten ein. Dann ging es Schlag auf Schlag. Immer mehr strömten auf das weiträumige Gelände und besetzten den Platz. Viele führten akratsische Fahnen bei sich oder selbst angefertigte Transparenten.

 

Schon nach kurzer Zeit schien die Hälfte des Parks mit Menschen gefüllt und der Zustrom wollte kein Ende nehmen.         

Auch die ersten Polizeiautos waren in der Ferne zu erkennen und bald schwebte ein Helikopter auffällig über ihren Köpfen.

 

„Na für die Sicherheit ist schon mal gesorgt!“ Meinte Chantal, während sie ihren Blick zum Himmel richtete.

„Aber die vielen Leute. Ich kann es gar nicht fassen. Das…das werden ja immer mehr. Ich hätte nie gedacht, dass wir so große Aufmerksamkeit erregen. Ist gerade erst 11.30 Uhr und der Platz schon fast gefüllt. Wenn das so weitergeht, platzt bald alles aus den Nähten.“

Begeisterte sich Alexandra

 

„Um so besser! Ich denke es wird ein entscheidender Tag. Danach kommt niemand mehr an uns vorbei.“ Freute sich Kyra und rieb sich die Hände.

„Komm lass uns auf die Bühne gehen. Ich denke es wäre nicht schlecht, schon mal ein paar Klänge ertönen zu lassen, wenn auch nur Probehalber.

Weitere Helfer erschienen und halfen dabei alles was noch von Nöten war in der rechten Weise zu installieren.

„Die Hauptsache ist, dass Colette bei guter Verfassung ist. Sonst können wir alles vergessen heute.“ Warf Chantal ein.

„Ist sie wieder krank? Du warst, bevor wir abfuhren bei ihr. Wie wirkte sie auf dich? Erkundigte sich Alexandra.

 

„Sie hat wieder ihren Durchhänger. Betül meinte, dass sie eine schlimme Nacht hinter sich hat. Na, das übliche eben. Sie hat Angst das sie versagen könnte und so weite rund so fort.“

Klärte Chantal auf.

„Auch das noch. Dabei hängt alles von ihrem heutigen Auftritt ab. Nicht auszudenken, wenn sie wirklich alles verpatzt.“ Seufzte Alexandra.

„Wem sagst du das?“

„Buuuuaaaaaahhhhhh….“ Kreischte Kyra in das Mikrofon, um es auf ihre bekannte Weise auszuprobieren. Chantal zuckte dabei zusammen.

„Ach mensch! Sag mal, muss das unbedingt sein, dass du uns so erschreckst. Das geht einem ja durch Mark und Bein.“

 

„Na, probieren geht vor studieren, wie es so schön heißt. Jetzt sind alle wach. Nun kann es von mir aus losgehen.“ Antwortete Kyra in ihrer flapsigen Art.

 

Auf dem noch freien Feld steuerte ein Polizeiwagen vorsichtig durch die Menschenmenge. Schließlich hielt er an einem Seitenweg mit Blick auf die Menge, die sich von der Straße her näherte.

Die Tür öffnete sich und Olivia entstieg dem Gefährt, schlug die Tür zu und machte ein paar Schritte. Dann holte sie ihr Fernglas hervor und richtete den Blick in die immer dichter werdende Menschenmenge.

Doch die Person ,die sie zu erhaschen glaubte ließ sich nicht finden. Sie blickte auf die Uhr, noch war Zeit. Sie konnte also noch hoffen das Eichhörnchen hier auftauchen würde.

 

Die Gruppe Aktivistinnen und Aktivisten aus dem Hambacher Forst näherte sich unterdessen von der anderen Seite und strebte auf die Haupttribüne zu.

„Hey Eichhörnchen. Wir sind schon da. Ich denke wir bleiben hier. Haben von hier aus alles in bester Blickrichtung. Wo willst du denn noch hin?“ Rief Rabenfeder ihrer Kameradin hinterher.

„Ich will mich nur noch mal ein wenig umsehen. Bleibt wo ihr seid ich komme gleich zurück.“ Antwortete Eichhörnchen, dabei den Blick nervös nach allen Seiten richtend.

„Na dreimal darfst du raten wen die wohl sucht.“ Warf Stechpalme ein.

 

„Du meinst ihre Freundin, die Polizistin?“ Wunderte sich Rabenfeder.

„Na genau die!“

„Aber ich dachte das wäre vorbei? Die haben sich doch gestritten. Ist schon ne Weile her, als sie mit verheulten Augen in den Wald zurückkam.“ Erinnerte sich Stechpalme.

„Ne, nix vorbei! Die glaubt zwar wir wissen es nicht. Aber naja, wo die Liebe hinfällt. Scheint sie mächtig erwischt zu haben.“ Versuchte Rabenfeder aufzuklären.

 

„Das wird noch nie was! Ist doch zu blöd, ne militante Baumbesetzerin und ne Polizistin. Hat man so was schon gehört?“ Mischte sich nun auch noch Thymian in das Gespräch ein.

„Ist schon ungewöhnlich. Ich hätte das auch nie für möglich gehalten. Aber wie du siehst, sie kann nicht loslassen. Da hilft auch eine noch so gute politische Agitation nicht weiter.“

Antwortete Stechpalme.

 

Eichhörnchen kämpfte sich durch die Menge. Blieb immer wieder stehen, richte sich auf die Zehenspitzen, konnte aber auch dadurch keinen besseren Überblick bekommen. Frustriert ließ sie sich auf dem Boden nieder, kramte ihr Handy hervor und wählte Olivias Nummer. Doch es tutete ins Leere.

 

Einige Meter weiter hatte sich der Übertragungswagen des deutschen Fernsehens platziert.  

Als Berichterstatter fungierte auch dieses Mal, wie immer, wenn es um Akratasien/Melacholanien ging der rasende Reporter Harry Hastig.

Die Kamera wurde eingestellt. Harry ergriff das Mikro und stelle sich in Positur. Dann begann er seine erste kurze Reportage:

„Ja meine lieben Zuschauer und Zuschauerinnen. Wie wir unschwer feststellen können, hat sich der Böckingpark schon weit vor der anberaumten Zeit gefüllt. Es strömen dauerhaft neue Zuhörer auf die Wiese. Wir können davon ausgehen, dass sich bis zum Beginn der Veranstaltung in etwa einer Stunde viele weitere Menschen hinzugesellen werden.

Das Interesse ist übergroß, obwohl noch nicht einmal genau feststeht, ob Colette, die genderqueere anarchistische Königin im Exil heute überhaupt sprechen wird. Es wird gemunkelt, sie habe gesundheitliche Probleme. Das wäre außerordentlich schade. Deshalb steigt die Spannung hier auf dem Platz ständig weiter an. Wir können vorerst nur abwarten.

Ich informiere sie weiter, sobald Neuigkeiten durchsickern.“

 

Eine Gruppe mit Trommeln betrat die Wiese und strebte ebenfalls in Richtung Zentrum Das laute Getrommel überlagerte sogar die Sprechfetzen, die aus Richtung Tribüne zu ihnen drang. Aus einer anderen Ecke hob plötzlich ein Schwall Luftballons vom Boden und schwebte in den Himmel.

Die Besucherzahl ging schon jetzt weit in die Tausende. Keiner war noch imstande Menschen zu zählen, die weiter und weiter auf den Parkzustrebten.

 

In der Akademie herrschte ebenfalls nervöse Stimmung.

„Colette, wir müssen los. Wir sind jetzt schon spät dran. Gut, so pünktlich fange Demos in der Regel zwar nicht an und Kyra wird sie mit ihren heißen Klängen schon bei Laune halten. Aber trotzdem müssen wir jetzt langsam aufbrechen.“ Mahnte Betül

„Ich weiß, ich weiß! Es ist zum wahnsinnig werden. Ich….ich komme nicht klar. Ich…ich weiß nicht was ich anziehen soll. Es ist zum Mäusemelken. Ich muss doch eine gute Figur abgeben, da kommt es auf jedes Detail an. Ich….ich bin im Focus der ganzen Welt. Du weißt doch wie die Pressefritzen sind.“

Colette zitterte vor Anspannung.

 

Betül sah sich zum Einschreiten genötigt.

„So, hier hast du dir alles schon bereitgelegt. Warum bleibst du nicht einfach bei deiner ersten Wahl? Die erweißt sich oft als die Beste.“

„Ja, natürlich! Aber wie wird das Wetter heute? Bin ich zu dick angezogen, komme ich schnell ist schwitzen, das ist sehr belastend. Zu dünn angezogen, wird mir kalt und das ist gefährlich. Dann die Haare, die müssen gebändigt werden….“

Betül lies sie nicht mehr weiter sprechen.

 

„Genauso wie du jetzt vor mir stehst ist es richtig. Die Haare sind gut frisiert, deine Baskenmütze drauf, ja, genau das ist dein Markenzeichen.“

„Nicht vielleicht doch besser ein Tuch?“

„Nein bleib bei der Mütze. Siehst du, perfekt. Das ist die Königin von Akratasien, wie sie leibt und lebt. Wir können los. Alles bereit.“

 

Betül drang zur Eile, damit sich Colette nicht am Ende doch noch in Frage stellte.

Betül öffnete die Tür und rief laut in den Flur.

„Aaaaaaaaaaaandrogynaaaaaaa!“

Die gerufene erschien sogleich.

„Alles klar Betül, bin schon lange bereit. Machen wir uns auf den Weg?“

„Ja, warum bist du nicht schon rübergekommen. Ich brauche deine Hilfe Colette muss auf schnellsten Weg hier weg, sonst droht sie zu wanken.“

„Oje, ist es so schlimm?“

„Komm!“

Sie traten gemeinsam in das Zimmer.

„Hallo Colette! Alles in Ordnung? Wir sollten jetzt auf schnellsten Weg aufbrechen.“ Sprang Androgyna Betül gleich zur Seite.

Colette saß am Schreibtisch und studierte nochmals ihr Manuskript für die Rede.

 

„Äh ja äh. Na gut, dann müssen wir wohl!“ Colette erhob sich.

„Komm Androgyna, wir werden unsere Königin gemeinsam begleiten. Du auf der einen Seite ich auf der anderen. Wir haken uns bei ihr unter und geben ihr sicheren Halt.“ Bot Betül an.

„Wirklich? Ich darf ganz vorn dabei sein? Das ist aber sehr lieb von dir Betül.“ Bedankte sich Androgyna

„Wir müssen zusammenarbeiten, können jetzt keine Konkurrenz in den Vordergrund stellen.

Du weißt wie wichtig dieser Auftritt für uns alle ist.“

„Ich bin mir dessen bewusst. Ich werde alles tun was unserer Colette helfen kann.“ Erwiderte Androgyna.

 

„Fein, dann also los. Lukas fährt uns, der wartet mit dem Kleinbus unten startbereit auf unser Erscheinen.“

Sie betraten den Flur.

 

„ Denieeeeeese!“ Rief Betül in die Weite.

Die Gerufene erschien umgehend.

„Na was ist? Wir starten jetzt! Kommst du nun mit?“ Wollte Betül wissen.

„Ja natürlich! Ich bin bereit für unseren Ausflug, schon seit geraumer Zeit.“ Antwortete Denise.

Sie benutzen den Aufzug nach unten, durchschritten die Pforte, gingen die Treppe hinunter.

Lukas hatte den Kleinbus schon gestartet.

Denise öffnete die Tür. Colette, Betül und Androgyna nahmen auf der hinteren Bank Platz.

Denise stieg vorne ein.

Lukas trat auf das Gaspedal und ab ging die Post.

 

  

Derweil kamen unaufhörlich weitere Menschen auf den Böckingpark. Eichhörnchen war noch immer damit beschäftigt sich den Weg durch die Massen zu bahnen, es schien zwecklos. Sie würde Olivia wohl in diesem Gedränge nicht finden können.

 

Die gesuchte befand sich in unmittelbarer Nähe und spähte weiter durch ihr Fernglas, legte es aber dann frustriert beiseite, weil die Menschenmassen den Blick immer deutlicher versperrten. Dann rutsche ihr vor Freude das Herz in die Knie. Sie blickte auf Eichhörnchen, die in etwa 10 m Entfernung den Kopf ständig hin und herbewegte.

Olivia hastete auf die Geliebte zu umschlang deren Taille und zog sie mit einem Ruck aus der Menschenansammlung.

Eichhörnchen erschrak zunächst. Olivias Gesicht war unter der Sturmhaube verdeckt. Doch der Blick in diese wundervollen hellblauen, leuchtenden Augen signalisierten ihr sofort dass die Frau ihrer Träume vor ihr stand.

 

Olivia zog sich die Haube vom Kopf. Eichhörnchen strahlte über das ganze Gesicht.

Auch das Antlitz der Polizistin ließ ihr süßes Lächeln erkennen.

„Olivia, du bist hier. Ich….ich hab schon nicht mehr geglaubt dass ich dich heute treffe, aber gehofft habe ich es.“

„Ich auch. Ich habe mich heute eigens dafür einteilen lassen, weil ich davon ausging das du kommst.“ Sie richtete den Blick nach unten.

„Es…es tut mir so leid. Ich habe doch alles nicht so gemeint. Ich wollte dich nicht verletzen mit dem was ich sagte… „

Eichhörnchen ließ sie nicht ausreden, sondern fiel ihr gleich um den Hals.

 

„Du bist mir nicht mehr böse? Da fällt mir ein Stein vom Herzen, ach was sage ich ein ganzes Gebirge. Alles wieder in Ordnung? Ja?“

„Alles ok! Vergessen! Wir haben uns gestritten! Kein Problem, kommt in den besten Familien vor. Ich bin so froh, dass ich dich wiederhabe. Die zwei Wochen waren eine Tortur für mich.“

Erwiderte Olivia, dann nahm sie Eichhörnchens Gesicht in beide Handflächen und küsste sie leidenschaftlich.

 

„Hmmmm, das tut gut! Oh, ich habe Qualen erlitten, musste immer nur an dich denken. Wie es dir so geht und so. Was du gerade machst. Es hat so wehgetan. Scheißpolitik, darüber wollen wir uns nicht mehr streiten. Ist das ok für dich?“

„Also ich fange nicht damit an, versprochen! Aber wir werden dieses Thema nicht vollständig umschiffen können. Es gibt immer Situationen, wo wir darüber stolpern. Wir müssen damit leben und uns beide anstrengen, wenn wir eine Dauerbeziehung wollen.“ Versuchte Olivia zu erklären.

„Ich möchte so gern für immer mit dir zusammen sein, nicht nur so sporadisch. Glaubst du wir bekommen das geregelt irgendwann?“ Wollte Eichhörnchen wissen.

 

„Das ist eine schwierige Frage. Ich möchte es genauso gerne. Jeden Morgen neben dir aufwachen. Aber unsere Lebensentwürfe sind so total verschieden. Wir müssen beide mächtig an uns arbeiten, damit wir dass schaffen. Aber meine Liebe zu dir ist ungebrochen.“ Olivia nahm Eichhörnchen wieder in die Arme und küsste sie noch einmal voller Zärtlichkeit.

 

„Hey, denk daran, du bist in Uniform. Ich glaube deine Kolleginnen und Kollegen werden davon ebenso wenig angetan sein wie meine Genossinnen und Genossen. Ich hab deswegen ohnehin schon viel Diskussionen.“ Mahnte Eichhörnchen.

Olivia ließ die Geliebte los und blickte in deren Augen.

„Sag nur, das ist dir peinlich? Mir überhaupt nicht. Ich stehe zu unserer Liebe. Soll nur einer was sagen, dem geige ich ordentlich die Meinung.“

 

„Entschuldige! So war das nicht gemeint. Auch ich stehe zu dir, keine Frage Das wäre ja noch schöner. Ich habe mir nie reinreden lassen, ganz egal in welchen Belangen auch immer. Ich habe nur Angst das wir uns wieder wegen dieser Schießpolitik in den Haaren haben.“

 

„Nun, der Tag heute hat uns zusammengebracht. Ich bin hier vor allem wegen dir, weil ich dich sehen wollte, andererseits auch wegen Colette. Ich möchte hören was sie zu sagen hat. Seit ich sie vor ein paar Wochen auf der Wiese habe reden hören, gehen mir ihre Worte nicht mehr aus dem Sinn. Wenn ich auch nicht allem zustimmen kann, was sie vertritt, so kann ich ihr doch in den meisten Belangen folgen.“ Bekannte Olivia. Eichhörnchen nahm das mit Wohlwollen zur Kenntnis.

„Das ist toll. Ich glaube wir raufen uns bald zusammen. Oh, ich liebe dich so sehr.“

 

„Was Akratasien angeht, oder Melancholanien wie auch immer, liegen unsere Meinungen gar nicht weit auseinander. Übrigens auch die vieler meiner Kollegen und Kolleginnen. Auch die sind der Ansicht, dass das was dort gerade abgeht eine große Sauerei ist. Dieser Diktator gehört abgesetzt und zwar so bald als möglich.“

 

„Ja, wir hoffen alle, dass er so bald als möglich die Fliege macht. Ich muss jetzt zu den anderen. Die warten schon dort drüben.“ Eichhörnchen wies mit dem Zeigefinger in die Richtung.

„Macht es Sinn, wenn ich danach warte. Oder hast du noch zu tun?“

„Ich nehme mir einfach die Zeit. Keine Sorge ich bekomme das hin mein Schatz. Für dich mache ich das Unmögliche möglich.“ Antwortete Olivia. Ein dicker Kuss zum Abschied und beide strebten in entgegen gesetzter Richtung davon.

 

 

„Also, ich habe gerade mit Betül telefoniert. Die sind schon auf dem Weg. Aber bis die hier eintreffen wird es noch dauern. Bedenkt, die müssen auch noch durch die Menschenmassen rudern.“ Sprach Chantal, nachdem sie das Handy in der Tasche verstaut hatte.

„Aber wir können nicht länger warten. Wir sind bereits 20 min über der Zeit.  

 Seid ihr alle bereit? Ich begrüße alle, gebe die kurze Einleitung. Sage natürlich, dass es möglicherweise zu Verzögerungen kommt. Dann könnt ihr erst mal mit der musikalischen Darbietung beginnen.“

„Wir sind bereit. Keine Angst. Wir haben alles genau abgestimmt. Genug um eine Zeit lang zu überbrücken und dann gibt es auch noch die anderen Redebeiträge zwischendurch.“

Entgegnete Kyra. Die vier Bandmitglieder begaben sich an ihre Instrumente.

Chantal schritt zum Mirko und begann mit der Eröffnungsrede. Sie machte das sehr souverän und professionell, wie immer.

 

Unterdessen sauste der Kleinbus mit seiner prominenten Besatzung durch die Straßen von Köln. Sie hatten die akratasische Fahne aufgesteckt, um nicht noch gestoppt zu werden. Verzögerungen waren immer einzuplanen. Der Straßenverkehr einer Großstadt hatte seine Tücken. Colette wurde derweil immer nervöser und hielt permanent Betüls Hand.

Endlich waren sie am Ziel und Lukas parkte den Wagen in einer Seitenstraße.

Als die Königin mit ihrem kleinen Gefolge dem Wagen entstieg brandete ihr frenetischer Beifall entgegen.

 

„Danke, danke euch allen, für diese Begrüßung. Aber ihr werdet verstehen, dass wir nicht alle auf euch eingehen können. Wir sind schon spät dran. Später gibt es sicher noch Gelegenheit mit Colette zu reden.“ Bedankte sich Betül bei denen die Colette versuchten in Beschlag zu nehmen.

Dann bahnten sie sich einen Weg durch die Reihen dabei unterstützt von einem halbe dutzend Ordnern, die versuchten eine Gasse zu bilden.

 

 

Auch der Reporter Harry Hastig hatte die akratasische Exilkönigin entdeckt und sprach in die Kamera.

„Ja, meine Damen und Herren. Der Jubel ist groß. Colette ist mit kleinem Gefolge eingetroffen und bewegt sich auf die Rednertribüne zu. Das ist alles andere als einfach, immer wieder wird sie aufgehalten und in Gespräche verwickelt. Das bringt es mit sich das ihr mit Spannung erwarteter Redebeitrag noch auf sich warten lässt. Aber so ist das nun mal auf solchen Veranstaltungen. Der Zeitfaktor ist eine Unbekannte. Aber die Stimmung ist gut, die musikalische Darbietung hervorragend und das Wetter spielt auch mit. Was wollen wir mehr. Warten wir es ab.“

 

Endlich hatten sie das Zentrum des Parks erreicht, auf dem sich die Tribüne befand.

Kyra war voll in ihrem Element und würgte ihre Gitarre in voller Inbrunst als Begleitung ihres ohrenbetäubenden Gesanges.

Chantal sprang von der Bühne und schritt den Ankömmlingen entgegen.

„Endlich! Ich dachte schon ihr kommt gar nicht mehr durch. Ganz schönes Gedränge hier, nicht wahr?“

„Ja, wir hatten Mühe und Not durchzukommen. Nie im Leben hätte ich mit so viel Menschen gerechnet.“ Bestätigte Betül.

„Ich hoffe nur, ich werde sie nicht enttäuschen!“ Stimmte Colette wieder ihren Klageton an.

 

„Erst Mal rauf auf die Tribüne. Da kannst du noch ein wenig verschnaufen Colette. Kyra und die andern haben alles im Griff.“ Lud Chantal ein.

Sie schritten um die Bühne. Zum Glück war der Aufgang im hinteren Bereich und nicht gut einsehbar. Colettes erster Patzer blieb den meisten verborgen. Es waren nur wenige Treppenstufen, aber Colette blieb an einer mit der Fußspitze hängen und wäre um ein Haar die Treppe nach oben gestützt. Im letzten Moment griff Androgyna zu und verhinderte den Sturz.

„Langsam Colette, nicht so hastig. Alles gut! Wir haben alles im Griff. Du kannst dich voll auf uns verlassen.“

 

„Na, wenn du es sagst Androgyna, dann wird es wohl stimmen.“ Die Königin war nach wie vor in keiner guten Stimmung.

Sie blickte sich nur um und stieß einen tiefen Seufzer aus. Zum Glück war Kyras Gesang derart laut das keiner ihn hören konnte.

Die Bühne war in der Mitte mit einer Plane geteilt und auch seitlich mit solchen verhangen.

Somit fiel auch der zweite Patzer der Königin nicht auf. Als sich Colette auf einen Klappstuhl setzen wollte, brach die Lehne nach hinten ab und der Stuhl krachte in sich zusammen. Mit Mühe und Not konnten Betül, Androgyna und Chantal Colette wieder auf die Beine helfen.

 

„Ein schlechtes Omen! Ich habe genug! Geht denn heute alles schief? Ich wusste es , ich wusste es! Wäre ich nur zuhause geblieben!“ Schimpfte die Königin vor sich hin.

„Mit ihrer Stimmung ist es wohl nicht zum Besten? Sie hat wohl einen schlechten Tag erwischt?“

Glaubte Chantal festzustellen.

„Nicht nur sie, Chantal! Nicht nur sie! Es ist wieder mal zum Verzweifeln mit ihr. Ich weiß mir langsam keinen Rat mehr. Ich mache drei Kreuze, wenn das alles überstanden ist.“ Klage Betül.

 

Unterdessen hatten die ersten Vorredner das Wort ergriffen und sich in kleinen Redebeiträgen an die Versammelten gewandt. Auch Eichhörnchen ergriff das Wort, sprach für die Delegation, die zahlreich aus dem Hambacher Forst angereist war.

„Liebe Colette, ich freue mich riesig, dich heute wieder zusehen. Du bist uns im Forst und auf der Wiese immer willkommen. Little Akratasia wächst und gedeiht. Die kleine Baumhaussiedlung, die den Namen eures Landes trägt, ist zu einem wichtigen Symbol geworden. Die Verbindung steht und wir wollen sie so lange wie möglich aufrechterhalten.

Ja, wir fühlen uns auf eine gewisse Weise zugehörig zu dem Land, das derzeit noch nicht gibt.

Aber wir hoffen, dass ihr bald wieder in eure Heimat zurückkehren könnt. Wir hoffen vor allem, dass Dagmar bald wieder in Freiheit ist und alle die bei ihr sind. Unser aller Solidarität gehört denen die um des Kampfes für Freiheit und Gerechtigkeit leiden müssen.“

Tosender Beifall ertönte. Banner wurden nach oben gehoben, worauf Dagmars Freiheit gefordert wurde.

 

Olivia beobachtete alles aus einer gewissen Distanz, aber nahe genug ,um sich ein objektives Bild von der Stimmung zu machen. Die da sprach war ihr Mädchen, ihr Eichhörnchen, ihre Anja. Sie war erfüllt mit unendlichem Stolz diese mutige junge Frau lieben zu dürfen, für die würde sie, wenn es sein musste auch barfuß durch die Höllen gehen.

 

 

Die Vertreter weiterer Gruppen und Initiativen betraten die Bühne und gaben Statements ab oder einfach nur Grußworte.

Immer wieder erschallen Jubelchöre. „Es lebe Akratasien! Lang lebe Colette! Wir wollen Colette! Freiheit für Dagmar! Lang lebe Elena!

„ Und so weiter und so fort.

Es schloss sich eine weite Musikeinlage an, im direkten Anschluss sollte Colettes Redebeitrag folgen.

 

Erfüllt von schmerzender Nervosität schritt die Königin hinter dem Vorhang wie ein aufgescheuchtes Huhn auf und ab, dabei hastig ihr Manuskript durchblätternd.

„Ich kann es nicht! Nein, ich kann es einfach nicht! Ich fühle mich außerstande zu reden. Das wächst mir alles über den Kopf. Ich hätte mich nie darauf einlassen sollen. Ich bin dazu nicht geeignet. Elena ist es die hier stehen sollte, sie versteht es die Massen zu begeistern. Nicht ich!“

 

Betül, Androgyna und Chantal schauten sich nur an.

Betül trat auf die Königin zu, nahm ihre rechte Hand und küsst diese.

„Du schaffst es meine Königin! Ganz bestimmt wirst du es schaffen. Wir sind alle bei dir. Meine Kräfte und mein Segen sind auf dich gerichtet. Du wirst sprechen! Du bist stark, das warst du immer, wenn du es dir auch nie eingestehen konntest.“

„Wir alle glauben an dich! Du wirst sie überzeugen! Danach wird alles anders. Dann werden sie unsere Anliegen nicht mehr einfach vom Tisch wischen können. Du kannst uns nicht im Stich lassen.“ Pflichte ihr Androgyna bei.

 

„Das ist lieb von euch. Ich bin mir der Tragweite voll bewusst. Es tut mir unendlich leid wenn ich euch enttäuschen muss. Aber ich kann es einfach nicht.“ Lehnte Colette weiterhin ab.

 

„Du hast schon ganz andere Probleme bestanden. Sie auf dein Leben. Wie hast du angefangen, wie arm, einsam und verlassen. Und was bist du heute? Eine Königin! Eine Prominente. Ein Mensch, den man achtet, zu dem am aufblicken kann. Heute wirst du alles mit deiner Rede krönen.“ Schloss sich Chantal an.

 

„Das ist es ja! Es kommt auf einmal alles in mir hoch! Mein ganzes erbärmliches Leben, es ist alles wieder da. Sie…sie werden lachen über mich.“

 

„Niemand wird über dich lachen! Du bist genderqueer, ich bin genderqueer. Alle genderqueeren, transidenten und nicht-binären, ja alle queers blicken in diesem Augenblick auf dich. Du wirst sie alle aus dem Dunkel ihres Lebens in das Licht bringen.“

Meinte Androgyna.

 

Plötzlich verstummte Kyras Gesang. Beifall brandete auf, dann riefen die Massen nach Colette.

„Hörst du das, meine Königin. Sie rufen nach dir! Sie wollen dich! Verstehst du? Dich und keine andere. Und du wirst jetzt zu ihnen sprechen.“ Sprach Betül und ihr Tonfall klang deutlich härter.

„Ich möchte, aber ich kann es nicht. Ich schaffe es nicht!“

„Doch du schaffst es. Du kannst es!“ Widersprach Betül energisch.

„Nein, ich gehe nicht da raus! Ich will nicht. Ich will nicht. Nein!“

 

Betül trat zu ihr und eine Zornesfalte bildete sich auf ihrer Stirn. Sie erhob den Zeigefinger und wies damit in Richtung Rednerpult.

„Du gehst jetzt da raus, oder ich bin ernsthaft böse mit dir!!! Ich werde nicht zulassen, dass du dich, uns alle und ganz Akratasien bis auf die Knochen blamierst!“

„Nein, ich will nicht!“ Colette stampfte, während sie sprach, heftig mit dem Fuß auf den Boden.

Plötzlich packte Betül sie an den Hüften, drehte sie um und schob sie zum Schlitz, der den Vorhang trennte, durch den sie zu gehen hatte, wollte sie die Bühne betreten.

Schließlich gab sie der Königin einen Schubs und die befand sich augenblicklich auf der sichtbaren Seite der Plattform wieder.

Beifall ertöne von allen Seiten, Hochrufe und Klatschen.

 

Colette blickte in die Menge und wurde von einer ungebändigten Kraft erfüllt. Sie reckte die Arme weit in die Höhe. Spreizte Zeigefinger und Mittelfinger beider Hände auseinander, bildete die Form des Victotyzeichen.

Der Jubel schwoll zunächst noch lauter an, dann aber verstummte er abrupt und machte einem andächtigen Schweigen Platz.

Atemberaubende Stille senkte sich herab, in Erwartung was jetzt wohl folgen könnte.

Colette trat an das kleine Pult und platzierte dort ihr Manuskript, blätterte kurz darin, legte es aber dann beiseite.

Sie blickte in die Menschenansammlung.

 

Betül im Hintergrund verweilend, ballte die Fäuste, schloss die Augen, atmete tief durch.

„Gib ihr Kraft! Bitte, gibt ihr Kraft! Mache sie stark und souverän!“

 

„Nein, ich bin eigentlich keine große Rednerin. Ich bin auch keine große Königin, das war ich nie und wollte es zu keiner Zeit sein. Schlichtheit war schon immer meine Leidenschaft. In ihr habe ich große Genüssen gefunden, deren Beschreibung ich mir nicht anmaßen will.“ Begann Colette schließlich ihre Rede. Die Versammelten hingen wie gebannt an ihren Lippen.

„Ich wurde zur Königin, weil eine ungewöhnliche Zeit, ungewöhnliche Entscheidungen erforderlich machte. Die Freiheitstöchter wollten ursprünglich etwas ganz anderes. Freiheit und Gerechtigkeit, Harmonie und Verständigung war unser Ziel. Es sollte keine Herrscher mehr geben und keine Beherrschten. Eben Freiheit pur. Stattdessen bekamen wir eine Anarchistische Monarchie. Viele können sich bis zu diesem Tag nichts darunter vorstellen. Anarchie und Monarchie vereint- Ein Antagonismus!

Aber Freiheit pur? Kann so etwas überhaupt funktionieren? Ist das nicht eine uferlose Utopie?

 

Die Freiheit, Freiheit zu erlangen ist eine ständige Herausforderung. Wirkliche Freiheit kann wohl nur um den Preis des Leids errungen werden. Das mussten wir in den vielen zurückliegenden Monaten auf schmerzliche Art und Weise erfahren.

Ich denke aus aktuellem Anlass ganz besonders an jene von uns Schwestern, die zu dieser Stunde besonders schrecklich zu leiden haben.

Dagmar, Julia und all die anderen. Sie sind der Tyrannei auf brutalste Weise ausgeliefert. Wir alle bangen um ihr Leben, um ihre Gesundheit. Ich bin bei euch liebe Schwestern, ich möchte euer Leid tragen, euch in die Arme schließen, eure Tränen trocknen. Verzagt nicht! Bleibt tapfer! Auch wenn sich das aus sicherer Entfernung so leicht dahinsagen lässt. Unser Streit von damals ist vergessen. Was ihr auch getan habt, vergeben. Ihr gehört zu uns, ihr habt nie aufgehört zu uns zu gehören. Ihr werdet wieder frei sein, ihr werdet zurückkehren, in unsere Gemeinschaft, daheim in Anarchonopolis.“

 

Wieder brandete frenetischer Jubel auf. „Freiheit für Dagmar! Nieder mit Cassian! Nieder mit der Diktatur!  Lang lebe Colette! Lang lebe Elena! Lang lebe Akratasien!“

 

Colette erhob die Arme und sogleich verstummte der Jubel.

 

„Das Leid senkt sich tief auf uns herab und verdunkelt unsere Seelen, macht uns mutlos und depressiv. Doch wir dürfen ihm niemals nachgeben.

Akratasien liegt im Würgegriff eines finsteren Tyrannen, doch dessen Tage sind gezählt.

Cassian hau ab, verschwinde, kriech zurück in dein Rattenloch aus dem du einst gekommen. Leichen pflastern deinen Weg zur Macht. Du hast die Menschen lag genug gepeinigt. Der Hass, der von dir ausgesandt wurde, nun wendet er sich gegen dich, kommt auf dich zurück mit voller Wucht und wird dich wie ein Sturmwind hinwegfegen.

 

Madleen, meine liebe Madleen, ich rufe zu dir von dieser Stelle, heirate diesen Mann nicht, er ist dein Unglück, flieh, solange dir noch Zeit dafür bleibt. Komm zurück! Komm zu uns, wir sind deine Familie. Alles vergeben. Niemand wird dich deshalb anklagen. Du bist uns jederzeit willkommen.

 

Auch Elena wird wiederkehren.  Ich verkündige euch große Freude. Sie lebt! Sie ist nicht gestorben. Sie hat sich bei mir gemeldet vor ein paar Tagen. Sie wird ihren Platz bei uns wieder einnehmen und ihr Glanz wird wieder leuchten, heller als der Sonnenschein!“

 

Nun kannte der Jubel keine Grenzen mehr. Von überall drangen die Freudenschreie zur Tribüne.

„Hoch Elena!“ Die akratasischen Fahnen flatterten im Wind.

 

„Ja alles wird sich zum Guten wenden. Das Tal der Tränen ist durchschritten und Freude wird wiederkehren in jedes Herz.

 

Woran nun könnte das liegen? Blicke ich zu euch, in die Menschenmenge, die sich da vor mir eingefunden hat, beantwortet es meine Frage.

 

Ihr alle, die ihr heute gekommen seid, hier in diesem schönen Park,oder auch zu Hause an den Bildschirmen, ihr alle seid die Totengräber der Tyrannei, in Melancholanien, das in Kürze wieder voller stolz den Namen Akratsien tragen wird und überall auf der Welt  wo mutige Menschen gegen jede Form von Tyrannei aufbegehren.

Erst hier in der bitteren Enge des Exils bin ich zu der Erkenntnis gelangt was das Wort Akratasien oder Akratasia, wie immer wir es auch nennen mögen, tatsächlich bedeutet. Ich habe erst hier gelernt dessen vollen Sinn erfassen können.

 

Ist es nur die Bezeichnung für ein Land, ein kleines bisher kaum beachtetes Land am Rande Europas. Nein, es ist mehr, viel ,viel mehr. Es ist ein Universum, ein Universum der Ideen und Lebensweisen, die einmal unsere ganze Welt umspannen könnten. Wenn? Ja, wenn wir es  nur wollen.  

 

Ich frage euch alle. Wollte auch ihr in Akratasien leben?“

 

Ein ohrenbetäubendes „Jaaaaa!“ wehte Colette entgegen. Jubelrufe garniert mit Beifall, in die Hände klatschen, Hubkonzerte.

 

„Wenn ihr in Akratasien leben wollt, dann müsst ihr es erschaffen, jeder und jede einzelne von euch ist dazu aufgerufen. Akratasien ist überall! Überall dort wo sich Menschen dem Unrecht, in welchem Gewande es auch immer daherkommen mag in den Weg stellen.

Überall dort wo die Idee der Freiheit, der Gerechtigkeit, der gegenseitigen Hilfe und Solidarität, der Harmonie und der Verständigung die Oberhand gewinnt und die Mehrheit der Menschen mit sich reißt.

 

Ein langer Weg. Wo könnte er seinen Ausgang nehmen?

 

Fangen wir zunächst in unseren Herzen an. Da liegt der Schlüssel zum Glück verborgen, nur in der Liebe, der grenzenlosen, alles umfassenden Liebe. Denn ohne Liebe gibt es keine echte Gemeinschaft. Das wollten wir immer erreichen. Es ist uns teilweise gelungen, im engen Kreis von Anarchonopolis. Doch darüber hinaus sind wir bisher nicht weit gekommen.

 

Doch wir dürfen nie aufhören an das Unmögliche zu glauben. Es ist nach wie vor ein Traum, der mich tief im Herzen bewegt.

Stellt euch einmal vor, alle Menschen würden sich verstehen, ohne Angst und in jeden Land würden nur noch weiße Fahnen wehen. Wäre das nicht wunderbar?

 

Ich sage nur eines,Herz an Herz, vielleicht kommt irgendwann die Zeit? Wir können es nur schaffen Herz an Herz.

Wir sind nur stark zusammen, gemeinsam sind wir Flammen und brennen für die Freiheit und die Liebe.

Was für eine Welt, wäre dann nicht Eden jetzt und hier, ja schon im hier und jetzt verwirklicht?

Wir erreichen diese Welt nur Herz an Herz. Wir müssen völlig neu beginnen. Mit vereinten Herzen werden wir unbesiegbar sein.

 

Das Herz ist, das eine den Verstand dürfen wir dabei aber niemals außer Acht lassen.

 

 

Akratasien ist überall!

Überall dort wo Menschen beginnen sich ihres Verstandes zu bedienen*. Wo Menschen anfangen die Sklaverei der Dummheit zu überwinden. Das ist der erste Schritt bevor wir überhaupt daran denken können, die Welt vom Unrecht zu befreien.

Ich persönlich verfahre nach einem festen Grundsatz: Nie eine Sache als wahr anzunehmen, bevor ich sie offensichtlich als solche erkannt habe.

Cassian hat auf schamlose Weise die Unwissenheit und die mangelhafte Bildung weiter Teile der Bevölkerung Akratasiens ausgenutzt um auf deren Fundament seine Diktatur errichten zu können.

 

Bildung ist der Anfang und das Ziel jeder Revolution. Gebildete Menschen zweifeln, hinterfragen, laufen nicht gleich jedem Rattenfänger nach, der versucht mit klugen Reden auf sich aufmerksam zu machen.

Ein großer Teil der Bevölkerung Akratasiens war außer Stande unseren Ideen zu folgen. Es ist unsere Schuld, auch die meine, ganz besonders, ich bekenne mich dazu.

 

 

Was die Menschen nicht begreifen, wollen sie vernichten. Die Akratie, die wir durchzusetzen gedachten, war vielen Bewohnern Akratasiens nicht vertraut. Es ist uns nicht gelungen die Mehrheit von deren Vorzügen zu überzeugen. Wir zogen uns darauf hin zurück und überließen die Menschen sich selbst. Ihr seid frei zu tun was euch beliebt, dachten wir. Nun, dann tut es auch.  Ein folgenschwerer Irrtum. Wir haben die Menschen allein gelassen und nicht auf ihre Wünsche und Sorgen reagiert. So wuchs die Unzufriedenheit. Aber unzufriedenen Menschen sind gefährliche Menschen.

Das wurde uns zum Verhängnis.

 

Es bedurfte des harten Brotes im Exil um uns zur Erkenntnis zu führen. Nun könnte sich uns bald schon eine zweite Chance bieten. Wir wollen sie ergreifen, wollen versuchen, die Fehler von damals nicht zu wiederholen. Ob uns das gelingen wird? Wir wissen es nicht.

Noch steht es in den Sternen.

 

Akratasien wird wieder Realität, es wird aus den Ruinen auferstehen und wieder wie ein Regenbogen leuchten.

Doch wir schaffen es nicht allein. Wir brauchen euer aller Hilfe. Ja, glaubt nicht, dass ihr damit nichts zu tun habt, weil ihr weit weg, im Ausland lebt.

Nein! Akratasien ist überall! Akratasien geht alle etwas an. Wie ich eben schon sagte. Überall auf der Welt gibt es Unrecht und Unterdrückung.

 

Überall versinkt der ungebändigte Wunsch nach Freiheit im Sumpf der Tyrannei.

Doch, nur auf einem Sumpf wachsen Lilien.

 

Wer in Dreck liegt, kann gut in die Wolken schauen. Doch muss das so bleiben? Können wir nicht zu den Wolken aufsteigen, oder noch besser sie zu uns auf die Erde holen?

Das Unmögliche möglich machen? Ein weltweites Akratasien schaffen?

 

Ist doch ein alter Hut, werden mir sicher viele entgegenhalten. War alles schon mal da. Haben so viel vor euch versucht und sind dennoch immer wieder nur gescheitert.

 

Richtig, die Gefahr lauert uns auf bei jedem Schritt, den wir tun. Es bedarf einer weiteren Revolution, aus dem ein neuer Staat hervorgeht.

Das haben viele Revolutionen vor uns auch versucht. Doch, sobald der neue Staat zur Realität wurde, hatten die Revolutionäre ausgedient. Viele Ideale scheiterten. Nicht wenige kehrten sich gar in ihr Gegenteil.

Der Grundirrtum aller Revolutionäre besteht darin zu glauben, man müsse nur das üble vorhandene beseitigen, das Bessere entstehe daraufhin, weil nun ungehemmt, von ganz allein.

Das Gute, das Bessere muss gezielt gesucht und gestaltet werden und das muss in absoluter Freiheit geschehen

Leider aber ist die Menschheit, in ihrer Mehrheit nicht in der Lage in grenzenloser Freiheit zu leben. Sie bedürfen der Anleitung. Sie beginnen zu delegieren, suchen nach starken Männern, a la Cassian. Das mündet in den meisten Fällen in die negative Autorität.

 

Das zu verhindern, dazu sind alle aufgerufen. Doch auch das geht nicht ohne ein Minimum an Machtausübung. Auch das mussten wir schmerzhaft zur Kenntnis nehmen und unsere Lehren daraus ziehen. Die Anarchistische Monarchie wurde aus einer solchen Erkenntnis geboren.

Ziel ist die positive und natürliche  Autorität. Die stellen wir gezielt gegen jede Form von negativer künstlicher Autorität Aber auch die darf nicht zum Selbstzweck verkommen.

 

Macht braucht Kontrolle. Und zur Kontrolle sind alle aufgerufen, nicht nur die auf Zeit gewählten Kontrolleure. So könnte Akratie funktionieren. Wo sie tatsächlich funktioniert, da ist Akratasien.

 

Wir kommen nicht umhin alle einzubeziehen. Wer die Gesellschaft wirklich verändern will darf sich nicht nur in der Mitte bewegen. Auch die Ränder gehören dazu. Vernachlässigen wir diese kommt es uns, wie am Beispiel Akratasien, teuer zu stehen.

Gelingt es uns nicht die Radikalen zu integrieren, werde sie uns entgleiten.

Die radikalen Vertreter der Akratie, Dagmar und ihre Gefolgschaft werden in unsere Reihen zurückkehren, wir werden uns versöhnen und in Zukunft zusammenarbeiten. Ein großer Erfolg.

 

Das ist der eine Rand. Doch was tun wir mit dem Gegenüber? Cassians Anhänger? Die gibt es weiter nach wie vor. Es gelang uns, damals in Folge der sanften Revolution Neidhardts Gefolgsleute zu integrieren.  Die waren, wenn auch zähneknirschend dazu bereit.

Auch den Parteigängern der Patrioten strecken wir die Hand zur Versöhnung entgegen, wenn  es auch vielen von uns, vor allem jenen, die unter deren Diktatur sehr zu leiden hatten, schwer fallen wird.

Es gibt immer Menschen, die anders ticken, Menschen, die aus welchem Gründen auch immer nicht einer Meinung mit uns sind, auch die gehören dazu.

Die Freiheit ist eben nun einmal auch die Freiheit der jeweils anders Denkenden.***

 

Versöhnung ist möglich, wenn wir sie tatsächlich wollen.

Gelingt uns das, dann hätten wir tatsächlich Akratasien. Erst dann. Gelingt das in einem anderen Winkel dieser Welt, so existiert auch dort Akratasien.

 

Wenn ihr dann nachhause geht, nehmt diese Worte mit und bewahrt sie euch in euren Herzen.

Beginnt schon jetzt die akratasische Idee im Kleinen zu verwirklichen. Die Revolution fängt im eigenen Herzen an. Ist sie dort vorhanden, kann sie nach außen dringen und beginnen, sich in Kleinigkeiten zu verwirklichen.

Schafft dort, wo ihr zuhause seid, viele kleine Akratasien. Ist das einmal gelungen, könnt ihr ausziehen in die Welt und es im großen Umfang  zu versuchen. Dann macht ihr aus der Welt ein großes vereinigtes Akratasien.“

 

Stille! Stille von allen Seiten. Colette endete ihre Rede abrupt. Sollte sie noch etwas sagen? Wenn ja was? Sie hatte ihrer Meinung nach alles gesagt. Alles was ihr wichtig erschien und es schien angekommen.

Nach dem Schweigen brandete der Jubel auf, noch größer, noch bombastischer als je zuvor.

Hochrufe, Trillerpfeifen, Händeklatschen, dann setzten von verschiedenen Seiten die Trommeln ein.

Die Begeisterung kannte keine Grenzen. Colette hatte sich mit dieser Rede unsterblich gemacht. Die Aussage „Akratasien ist überall!“ Wurde zur geflügelten Redewendung, überall dort wo es darum ging einen Traum zu verwirklichen. Einen Traum von einer gerechteren und liebevolleren Welt.

 

Colette stand noch immer am Pult und ließ den Jubel auf sich wirken. Viele Zuhörer drängten nach vorn, um einen Blick aus der Nähe auf sie zu erhaschen. Polizei und Ordner hatte alle Hände voll zu tun, um dem Gedränge Einhalt zu gebieten.

Colette grüßte noch mal in die Menge, dann verschwand sie hinter dem Vorhang.

Betül, Androgyna und Chantal begrüßten sie voller Freude, auch Kyra, Alexandra, Eve und Kim umringten sie wie die jungen Küken ihre Glucke.

Betül ging vor ihr auf die Knie und küsste immerfort ihre Hände.

„Du warst wunderbar! Erhaben und voller Würde. Bitte, verzeih mir, meine Königin, dass ich so hart und herabsetzend zu dir war. Ich wusste mir einfach keinen Rat mehr. Ich weiß auch nicht was über mich gekommen ist, so mit dir zu reden. Es tut mir unendlich leid.“

 

„Nein, nein! Es gibt für dich keinen Grund um Verzeihung zu bitten. Du hast vollkommen richtig gehandelt. Ich habe mich wie ein trotziges kleines Mädchen benommen. Es war gut, dass du mir ordentlich den Marsch geblasen hast. Dir gebührt unendlicher Dank, durch dein kluges Eingreifen hast du die ganze Situation gerettet.“

„Das freut mich! Ich habe die ganze Zeit für dich gebetet. Die Rede wird in die Geschichte eingehen. Davon bin ich überzeugt. An dir kommt niemand mehr vorbei. Du hast dir die Herzen der Welt erobert.“ Begeisterte sich Betül weiter.

„Das verdanke ich nur dir. Du bist es die mich immer wieder aufbaut, immer dann, wenn ich in Versuchung gerate den Mut zu verlieren. Du bist meine Sonne, die gute Fee an meiner Seite. Was wäre ich ohne dich und deine grenzenlose Liebe.

Was war ich, bevor du in mein Lebens tratest? Nur ein psychisch und physisch zerstörter Mensch, den das Schicksal zum Leben verdammt hatte. Erst durch dich wurde ich zu einer Person und schließlich zur Persönlichkeit.“

 

Es folgte eine Umarmung und ein leidenschaftlicher Kuss.

 

In nicht all zu weiter Entfernung hielt der Reporter Harry seine Lobeshymne auf Colette in die laufende Kamera.

„Meine verehrten Damen und Herren an den Bildschirmen. Ich finde kaum die rechten Worte, um das auszudrücken was mich zur Stunde bewegt. Ich glaube es ist nicht zuviel an Pathos, wenn ich sage. Hier, in diesem Park wurde soeben Geschichte geschrieben. Diese Rede war das Beste, das ich seit Jahren zu hören bekommen habe.

Wir können uns nur in Ehrfurcht verneigen vor dieser wunderbaren Frau, die heute die Herzen der Menschen endgültig erobert hat. Sie hat allen gebeugten und erniedrigten Menschen dieser Welt Hoffnung gegeben. Natürlich vor allem den Menschen in Akratasien, ja sie haben richtig  gehört, ich verwende bewusst diesen Namen, denn die Tage des dort herrschenden Diktators sind gezählt. Diese Rede wird wesendlich dazu beitragen ihn noch rascher aus dem Amt zu jagen. Und wir alle klatschen Beifall.

Und die Nachricht ,dass Elena am Leben ist und womöglich schon bald hierher kommen wird, mehrt die Freude weiter.  

Wir wünschen der Exilgemeinde eine baldige glückliche Heimkehr nachhause.“

 

Eichhörnchen hastete durch die Menschenmenge auf die Tribüne zu, um nur ein kurzes Dankeswort an die Königin zu richten. Ihr war bewusst, dass Colette in diesem Moment wenig Zeit für längere Konversationen aufbringen konnte.

„Colette, Colette! Ich bin es, das Eichhörnchen aus dem Hambacher Forst!“ Sie streckte der Königin die rechte Hand entgegen.

„Eichhörnchen! Das ist eine Freude dich hier zu sehen. Bist du allein hier oder sind noch andere aus dem Wald gekommen?“

„Oh ja, ein ganzes Dutzend. Du warst wunderbar! Das hat gesessen! Die Worte werden noch lange in mir wirken. Danke! Danke! Und nochmals danke!“

Eichhörnchen wurde auch von Androgyna und Betül begrüßt.

„Ist jetzt leider nicht viel Zeit für ein tiefer führendes Gespräch. Ich besuche euch bald wieder im Wald. Nein, wir werden euch besuchen. Es kommen noch andere mit, Betül möchte den Wald auch kennen lernen.“ Kündigte Colette an.

„Hey, ich freue mich riesig auf euch. Sagt kurz Bescheid, wann ihr kommt, damit wir was vorbereiten können.“

Eichhörnchen umarmte Colette noch mal, dann war sie auch schon in der dichten Menschenansammlung abgetaucht.

Sie wühlte sich weiter durch, bis sie auf Olivia traf, ihr einen dicken Kuss auf die Wange setzte, so dass die Angebetete erschrak.

 

„Hey, so erschrocken? Oder gibt es da noch eine die dir einen sanften Begrüßungskuss von der Seite verpassen könnte?“

„Da bist du ja, hab dich schon gesucht! Ne, sei ohne Sorge, neben dir wirkt jede andere wie eine graue Maus im Nebel.“ Gab Olivia zur Antwort.

 

„Und, wie war es? Wie hat sie auf dich gewirkt, unsere anarchistische Königin?“

Erkundigte sich Eichhörnchen neugierig.

„Absolut Spitze! Ich bin ein gehöriges Stück weiter in meinem Entwicklungsstadium. Mensch bin ich froh, dass ich mich rechtzeitig gemeldet habe, um dabei sein zu können.“

„Juchu! Eichhörnchen fiel der Frau ihrer Träume um den Hals.

„Dann gibt es wieder Grund zur Hoffnung. Am liebsten möchte ich gleich mit dir auf und davon. Am besten auf eine Insel im tiefen, blauen Meer. Mit dir ganz allein. Hmmmmm, welche verführerische Vorstellung.“

 

„Na, es muss keine Vorstellung bleiben. Wir können das durchaus realisieren, wenn du Lust hast, natürlich und meine stolze Aktivistin mein Angebot annimmt. Was die Hoffnung betrifft, die entfaltet sich im Moment in bester Form. Ja, Colette hat uns beiden gutgetan und mich bestärkt noch weiter in die Offensive zu gehen.“ Bekundete Olivia.

„Eine Offensive? Na, da bin ich mal gespannt.“

„Also meine liebe Anja, ich möchte dich meinen Eltern vorstellen. Was hältst du davon?“

„Hmm, kommt ein wenig plötzlich, so förmlich gleich würde ich sagen. Kommen die denn überhaupt  klar mit….“

„Keine Sorge, die sind supertolerant. Die haben schon lange akzeptiert, dass ich keine Schwiegersöhne mit nach Hause bringe. Dafür aber Schwiegertöchter von Format. Ich könnte mir vorstellen, dass du ihnen auf Anhieb gefällst und umgedreht natürlich.“

„ Hmmmm…na gut! Abgemacht! Ich wage es! Wenn es dir etwas bedeutet, mache ich mit. Meine Eltern sind leider nicht tolerant. Da brauchen wir gar nicht hinzugehen. Deshalb bin ich damals von zuhause ausgerückt.

Es folgte ein noch heißerer Kuss.

 

Auf der anderen Seite bahnten sich derweil Gabriela und Kristin gemeinsam mit der kleinen Aisha den Weg durch die Menschenmenge.

Ein Fortkommen war nur im Schritttempo möglich. Das Gedränge ungebrochen.

„Meinst du wirklich es war klug hierher zu kommen. Puuh, da brauchen wir bestimmt ne halbe Stunde, um oben anzukommen?“ Sorgte sich Gabriela.

„Natürlich war es richtig zu kommen. Wenn wir auch aufgrund der Entfernung weniger gehört haben. Du hast gestern doch selbst gesagt, dass es ein geschichtsträchtiges Datum wird, Frau Historikerin. Also mussten wir einfach dabei sein.“ Erwiderte Kristin.

 

„Klar, du hast natürlich Recht. Aber wir hätten früher aufbrechen müssen. Die Kleine wird ja auch immer quengeliger.“

„Kein Wunder, die will zu ihren Mamas. Ich glaube die hat inzwischen schon Verstand genug, um sich dessen bewusst zu sein, was ihr Mama Colette heute hier dargeboten hat.“

„Findest du?“

„Ja, finde ich! Nicht war meine kleine Prinzessin:“

 

„Mama, will zu Mama. Mama!“

„Welche Mama sie wohl meinst?“ Wunderte sich Gabriela.

„Na ist doch egal! Ich denke, wenn sie Mama sagt, meint sie damit alle beide,“ Glaubte Kristin zu wissen.

„Auch ne Möglichkeit!“

„Komm lass uns gehen! Ich hoffe wir treffen die noch auf der Tribüne an.

Kristin griff nach Gabrielas Hand, auf der anderen Seite hielt sie nach wie vor Aisha und zog beide mit sich in das Menschenstrudel.

 

Die junge sportliche Kristin erwies sich als die perfekte Anführerin um ihre beiden Begleiterinnen sicher zu lotsen.

Das war alles andere als einfach. Immer wieder mussten sie größeren Gruppen ausweichen, die ihnen entgegenkamen und auch den einen oder anderen Umweg einschlagen.

Endlich sichteten sie die noch immer gefüllte Tribüne, auf deren Plattform noch alle versammelt waren.

„Sie mal Aisha, dort! Kannst du sie sehen? Da, da ist Mama Colette und daneben? Erkennst du sie?“ Wies Kristin in die Richtung

„Mama Be….tüüüül!“ Kam es wie aus der Pistole geschossen.

„Genau! Und da gehen wir jetzt hin! Komm Gabriela!“

Schließlich fanden sie sich vor der Bühne wieder.

 

„Hey, was macht ihr denn hier? Das ist aber ne Überraschung.“ Begrüße Betül die Ankömmlinge. „Sieh mal Colette, hier möchte dir noch jemand ihren Dank aussprechen.“

„Häähhh, ….wer? A..Aisha?!. Da freue ich mich aber ganz besonders. Komm! Komm her meine Kleine!“ Stellte Colette hocherfreut fest.

Kristin reichte der Königin die Kleine und Aisha streckte ihrer Mama Colette die kleinen Ärmchen entgegen.

 

„Hmmm, meine kleine Prinzessin, mein kleiner Sonnenschein.“ Colette liebkoste die Tochter auf innige Weise, dann trat Betül zu den beiden.

Geistesgegenwärtig eile Kyra zum Vorhang und zog ihn auf. Die Kleine Familie geriet in den Focus der noch immer versammelten Menschenansammlung.

 

Der Jubel brandete wieder auf und es entlud sich von allen Seiten ein Blitzlichtgewitter.

Die Zeitungen des Folgetages hatten ihren Aufmacher.

 

„Na wenn das keine rührende Story wird?“ Raunte Gabriela

 

Nach einer Weile bedeutete Colette Androgyna sich ihnen zu zugesellen. Nach kurzem Zögern kam sie der Bitte nach.

„Hier ist dein Platz. Du gehörst zu uns, in unsere Familie.“

„Ich fühle mich tief geehrt, ich könnte heulen.“ Androgyna kämpfte mit den Tränen.

Betül reichte ihr die Hand und drückte die von Androgyna.  Anerkennung. Androgyna war angekommen. Betül konnte sie akzeptieren.

Polyamory ist ein schwierig Ding. Es bedarf vieler Anläufe und kennt zahlreiche Bruchlandungen. Doch wenn es gelingt, kann es den Weg ins Paradies bedeuten.

Auch dass eine deutliche Botschaft dieses Tages.

 

 

 

 

** Zitat von Immanuel Kant (1724-1804) Hab Mut dich deines Verstandes zu bedienen 

 

 

*** Zitat von Rosa Luxemburg (1871-1919) Freiheit ist immer auch die Freiheit der

       Andersdenkenden