- Startseite
- Über Madeleine
- Bilder von Madeleine
- Michaela
- Texte zum besseren Verstehen
- Hambacher Forst
- Alternativer CSD in Köln 2014
- Transgender-News
- hochsensibel
- Interessante Links
- Erläuterung zum Romanprojekt
- Roman / Inhaltsverzeichnis
- Roman / Teil 1: Macht und Ohnmacht
- Roman / Teil 2: Anarchonopolis
- Roman / Teil 3 Aufstand der Bildungsfernen
- Datenschutzerklärung
Gebrannte Kinder
Kristin war nicht das einzige Gebrannte Kind, das auf dem Terrain der Abtei Zuflucht suchte und fand, mit der vagen Hoffnung auf ein kleines Glück, auf einen Hauch besseren Lebens.
Es waren derer viele die in der Folge an die Pforte klopften und um Einlass baten. In der Mehrzahl alles Menschen die auf die eine oder andere Weise aus dem Leben gefallen und nicht mehr imstande waren sich ohne fremde Hilfe wieder aufzurichten.
Noch waren die Zahlen überschaubar.
Noch konnte sich Elena den Schicksalen der Einzelnen persönlich widmen. Doch schon bald sah sie sich gezwungen einen erheblichen Teil davon zu delegieren.
Was ihr zwar ausgesprochen leid tat, aber es lies sich nicht mehr vermeiden. Denn die Zahl derer die um Aufnahme baten wuchs beständig an.
Auch Elena war nur ein Mensch, zwar mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet, aber immer noch ein Mensch aus Fleisch und Blut. Nur ihren außerordentlichen Kräften war es zu verdanken dass sie sich in der Lage sah oft bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeiten zu gehen, kein gewöhnlicher Mensch konnte stemmen, was sie sich täglich zumutete. In Madleen hatte sie eine verständnisvolle Lebensgefährtin die in zunehmenden Maße so manche Kröte zu schlucken hatte, denn oft blieb nicht mehr all zu viel an Zeit für einander. Die Gefährtin ertrug alles mit stoischem Gleichmut. Am Ende fanden sie immer wieder einen Weg.
Jene die da kamen waren sehr unterschiedlich.
Einige Beispiele sollen die Vielfalt verdeutlichen.
Inga etwa, war ein geradezu klassisches Schicksal das stellvertretend für unzählige weitere stand.
Als sie eines Samstagmorgen verzweifelt an der großen Pforte klingelte, bepackt mit ihren zwei kleinen Kindern und ein paar Habseligkeiten, die allesamt in einer Reisetasche Platz fanden, war sie auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Mann. Misshandelt, gedemütigt, erniedrigt. Ein Mensch der kaum noch etwas zu verlieren hatte, alles außer ihrem Leben vielleicht, doch was war das Leben einer Frau wert, deren Mann an einer geradezu paranoiden Eifersucht litt, einer Eifersucht, die sich in Gewaltexzessen offenbarte, die langsam aber sicher die Grenze des perversen überschritten?
Viele Männer aus den Reihen der ehemaligen Prekaschicht waren in ihrem Auftreten ausgesprochen gewalttätig, kaum imstande sich diesem von Kindesbeinen anerzogenen Leitbild zu entziehen. Die brutale Arbeitswelt des alten untergegangenen Melancholanien forderte „Ganze Kerle“ was immer man sich auch darunter vorzustellen hatte.
Schwächlinge konnten dem eintönig-gleichförmigen Arbeitsalltag nicht lange widerstehen und schienen dem Untergange geweiht. Eine Überlebenschance hatten wohl nur jene denen es gelang sich auf irgendeine Art einen Ausgleich zu verschaffen und welcher wäre wohl effektiver als seine ganze Wut, seinen Frust und seine Enttäuschung in den häuslichen vier Wänden Luft zu machen. Brutalität gegen Frauen und gegen Kinder wurde hier geradezu heraufbeschworen.
Die Revolution hatte daran kaum etwas geändert, im Gegenteil, der sich an schließende Bürgerkrieg hatte einer totalen Verrohung der Gesellschaft Tür und Tor geöffnet. Viele Männer waren als Soldaten schwer traumatisiert und fanden nicht wieder in ein bürgerliches Leben zurück, wenn es so etwas in einer Einparteiendiktatur überhaupt noch gab.
Erst viel später sollten eine ganze Reihe dieser Männer auf dem Boden der Alten Abtei unter der Obhut des sich neu formierenden anti-patriarchalen Männerbundes völlig neue Perspektiven eröffnet werden.
Doch davon war man in jenen Tagen noch weit entfernt, da Inga völlig verstört und verzweifelt Asyl bei den Schwestern fand.
Die körperlichen Blessuren unübersehbar. Von Kopf bis Fuß war ihr gesamter Leib mit den Merkmalen der dauerhaften häuslichen Gewalt gekennzeichnet. Es schien kaum noch eine heile Stelle zu geben.
Ihr rechtes Auge zu geschwollen, die Nase blutend, die Wangen zerkratzt. Der Vergleich mit dem Leiden Christi brauchte sich nicht zu scheuen.
Inga konnte sich nun fallen lassen und sich Elenas heilenden Händen überlassen. Um ihre beiden Töchter kümmerte sich Kristin, die gemeinsam mit einigen anderen jungen Frauen gerade im Begriff war eine alternative Kindertagesstätte einzurichten. Gemeinsam mit Elenas Tochter Tessa, Alexandras Zwillingen und etlichen andern Kindern denen es vergönnt war hier auf dem Gelände einer alternativen Lebensgemeinschaft aufwachsen zu dürfen, jenseits all der Diktate von Staat und Markt konnten sich die beiden erst einmal ungestört treiben lassen unter der Obhut der vielen neuen Tanten und auch einiger Onkels, die als neue Bezugspersonen in ihre Leben traten.
Die körperlichen Wunden waren schnell versorgt und schon nach kurzer Zeit begann sich eine Heilung abzuzeichnen. Die Verletzungen auf Ingas Seele hingegen bedurften einer langzeitigen Behandlung deren Erfolgt zunächst noch in den Sternen stand.
Zu tief wog das Trauma der Jahrelangen Erniedrigung.
Elena musste all ihre Kraftreserven mobilisieren um Inga die erlösende Linderung zu verschaffen. Es waren einige Nächte therapeutischen Beischlafes nötig um die neue Schwester ins Leben zurückzuholen. Elenas zärtliche Liebkosungen holten Stück für Stück die lange schon verschüttete Persönlichkeit zurück, die Inga einmal war, bevor sie unter der Fuchtel dieses selbstverliebten Machos zum gefühllosen Fleischbündel mutierte.
Eine Persönlichkeit die sich sehen lassen konnte. Inga war auf dem besten Weg zu einer Spitzensportlerin, diese Karriere hatte sie der vermeidlichen Liebe geopfert, im Vertrauen darauf das Richtige zu tun.
Ein folgenschwerer Irrtum, den sie teuer hatte bezahlen müssen. Ihre Ehe entwickelte sich zum Höllentrip von dramatischen Ausmaß. Björn, ihr Mann war krankhaft eifersüchtig und geradezu besessen von der Idee, seine Frau auf Schritt und Tritt überwachen zu müssen. Handgreiflichkeiten bestimmten den Alltag. Ging ihm etwas gegen den Strich, rutsche Ihm die Hand aus, eine Reflexreaktion wie er immer wieder versuchte die Angelegenheit herunter zuspielen. Er betrachtete Inga als seinen persönlichen Besitz, allzeit zu seiner Verfügung stehend. Ein eigenständiges Leben mit Freundinnen oder gar Freunden, mit Hobbys oder dergleichen mehr war unter diesen Bedingungen ausgeschlossen. Sein Wahn hatte sich in der Zeit derart gesteigert dass er schon in der belanglosesten Unterhaltung mit anderen Menschen einen Grund zur Eifersucht sah und sich zum Eingreifen genötigt fühlte.
Inga begann zu verkümmern, welkte wie eine Herbstrose dahin. Abgehärmt und hochgradig depressiv. Allein der Kinder wegen hatte sie ihn bisher noch nicht verlassen. Denn die hingen an ihrem Vater und er benahm sich den beiden gegenüber ausgesprochen korrekt und geradezu liebevoll. Doch irgendwann war der Rubicon überschritten und es ging einfach nicht mehr.
Schon lange hatte Inga Kontakt zu den Frauen in der Abtei gefunden, sich heimlich davon geschlichen um hin und wieder für ein paar kurze Augenblicke auftanken zu können, entspannen, durchatmen, Kräfte sammeln. Einfach mal das Gefühl auszukosten, was es bedeutete frei zu sein und tun und lassen können was ihr Spaß machte. Kam sie dann nach Hause wartete schon die nächste Abreibung und all die positiven Energien platzten wie Seifenblasen.
Sei mutig Inga, tue was du tun musst, dir und der Kinder wegen, ihr verdient ein anderes ein besseres Leben und die Alternative steht zur Verfügung. Tue es jetzt, bevor es zu spät ist.
So sprach eine Innere Stimme zu ihr und es kam der Tag an dem sie sich kräftig genug fühlte, deren Weisungen Folge zu leisten.
An jenem Samstagmorgen hatte Björn Inga auf ganz besonders brutale Art geschlagen, der Auslöser der von Nöten war um den entscheidenden Schritt zu tun.
Nun war sie also auf der anderen Seite der schützenden Mauer der Abtei. Die Schwestern würden dafür sorgen dass ihr Mann nie wieder eine Gelegenheit bekam Hand an sie zu legen
Mehrere Tage hintereinander hatte Björn an der Pforte randaliert und seinen Einlass gefordert.
Vergeblich.
Schließlich sah sich Elena veranlasst den ungebetene Besucher ein für allemal in die Schranken zu weisen.
„Du kannst meinet wegen jeden Tag kommen um lautstark deine Forderungen zu stellen, aber sei gewiss, niemand wird dir Einlass gewähren. Du bist auf dem Gelände der Abtei eine unerwünschte Person. Inga hat bei uns Zuflucht gefunden und sie wird bei uns bleiben. Dir ist es nicht erlaubt dich ihr zu nähern. Sie darf dich weder optisch noch akustisch wahrnehmen.
Was deine Kinder betrifft gilt eine andere Regel. Inga hat uns davon unterrichtet dass du dich ihnen gegenüber immer sehr liebevoll verhalten hast, das du an ihnen hängst und sie auch an dir. Du wirst deine Kinder in bestimmten Abständen sehen. Du bekommst sie hier an der Pforte übergeben, kannst mit ihnen einige Tage verbringen, danach wirst du sie einer der Schwestern übergeben. Wir werden dir das Recht auf deine Kinder nicht absprechen. Aber ein Recht auf Inga hast du ein für allemal verwirkt. Männer die Frauen misshandeln sind es nicht wert das man ihnen auch nur einen Sekundenbruchteil Aufmerksamkeit schenkt. Ich bin nicht bereit mit dir über irgendetwas zu diskutieren. Du hast meine Worte gehört, jetzt kannst du verschwinden.“
Das wirkte. Björn verharrte noch eine Weile vor der Pforte, wagte aber keine Widerpart, zog sich schließlich frustriert zurück.
Würde er versuchen sich gewaltsam Einlass zu verschaffen? Die Klostermauer umgab das ganze Areal, doch absolute Sicherheit konnte sie nicht garantieren. Des Nachts lies sich diese mit Hilfe einer Leiter leicht überwinden. Wachsamkeit war also stets geboten.
Entsprechend hoch war der Druck der auf Ingas Seele lastete. Jedes laute Geräusch löste bei ihr Panikattacken aus. Ob das kräftige Zuschlagen einer Tür, ein Schrei oder eine Männerstimme, das Trauma hielt Inga fest im Würgegriff.
Elena zog sich so oft es ihr möglich war mit Inga in den zum Meditationsraum ausgebauten Dachboden zurück. Raum der Stille, Ort der Einkehr und Selbstfindung. Manchmal auch von Madleen assistiert, führten sie hier allerlei Übungen durch, um Ingas Lebensgeister zu aktivieren. Konnten Elenas Energieströme dauerhafte Heilung spenden? Bewusst hatte die eine längere Zeitspanne eingeplant.
Und tatsächlich, nach einer ganzen Weile kehrte der Lebensmut zurück, gepaart mit Selbstachtung, Selbstbewusstsein und Freude über die neue Welt die von nun an ihr Zuhause sein würde.
Wohnen tat sie fürs Erste in Elenas privater WG, im Konventsgebäude direkt unterhalb des großen Meditationsraumes.
Nach einer Zeit wagte sie sich erstmalig wieder allein nach draußen, in der Natur die sie hier in unverfälschter Fülle umgab konnte sie weiter genesen. Zwar wich die Angst, die ihr noch immer wie eine Faust im Nacken saß, keinen Zentimeter, doch sie versuchte trotzdem ihre neue Welt zu erkunden.
Dabei entdeckte sie auch den erst kürzlich angelegten Sportplatz. Hier konnten sich die Kommunebewohner sportlichen Aktivitäten hingeben. In einem angebauten Geräteschuppen stieß Inga auf allerlei Geräte mit deren Hilfe sie den Plan der in ihrem Inneren reifte in die Tat umsetzen konnte.
Hier lag der Schlüssel zum Aufbruch. Sie wollte wieder trainieren, nach so langer Zeit. Langsam beginnen und sich immer weiter steigernd, bis sie wieder zu ihrer alten Form gelangte. Nicht sehr einfach, sie war jetzt Mitte dreißig und einige Jahre trennten sie von ihrer aktiven Zeit als Spitzenathletin, doch es kam auf den Versuch an. Hier in Elenas Reich sei kaum etwas unmöglich hatte sie immer wieder von verschiedenen Seiten gehört. Nun denn, einfach darauf ankommen lassen.
Das schöne Wetter des Frühsommers kam ihr entgegen. Tags darauf erschien sie im Sportdress und begann langsam ihre Muskeln zu stählen.
Am Anfang tat sie sich außerordentlich schwer den Einstieg zu finden. Der Muskelkater am Abend und Tags darauf signalisierten ihr, wie lange sie gezwungener Maßen hatte pausieren müssen. Aufgeben? Nie im Leben. Sie wollte es noch einmal wissen, konzentrierte sich ganz auf ihre Kräfte und plötzlich meldeten sich die zurück.
Die Zehnkämpferin versuchte sich in allen Disziplinen. Ob beim Speerwurf, beim Weitsprung, Hochsprung, Kurzstreckensprint, aber auch auf der Langstrecke und was es sonst noch gab.
Inga fand wieder zu ihrem verronnenen Ich. Sie begann sich zu verändern. Ihre Schönheit kehrte wieder und ihre Muskeln strafften sich. Der athletische Körper konnte es mit jenem von Elena allemal aufnehmen. Schließlich waren die beiden soweit, ihre Kräfte auf spielerische Weise mit einander zu messen.
„Also, wer zuerst oben am Sandsteinmassiv ist hat gewonnen. Bist du dir sicher dass du es mit uns aufnehmen willst!“ Sprach Elena zu ihrer Gefährtin als sie sich gemeinsam mit Inga am Eingang zum Konventsgebäude eingefunden hatte.
„Selbstverständlich bin ich bereit, was dachtet ihr denn. Ich hab vielleicht nicht so atemberaubende Muskeln wie ihr, aber mein Körper ist durchtrainiert genug um mich mit euch zu messen.“ Entgegnete Madleen selbstsicher.
„Ich finde es toll dass uns Madleen begleiten will. Ist doch nur ein Spiel, jede kann aufhören wenn es nicht mehr geht.“ Pflichtete ihr Inga bei.
„Na gut, meinetwegen. Aber denkt daran, es geht dort drüben steil bergauf, auf keinen Fall überfordern.“ Bestimmte Elena.
Dann setzten sie sich in Bewegung. Elena und Inga verfügten über fast die gleiche Körperkonstellation. Inga war nur geringfügig kleiner als Elena und ihre Muskeln waren denen von Elena ebenbürtig. Eine Augenweide diesen Körpern beim Wettstreit zu zu sehen. Madleens zarte geschmeidige Figur konnte sich damit nicht vergleichen, aber deren sinnliche Erscheinung konnte sich sehen lassen.
So lange sich der Weg vor ihnen ebenerdig erstreckte blieben die drei noch zusammen. Doch kaum hatte die Steigung begonnen, fiel Madleen zurück. Elena und Inga blieben gleichauf, so als seien sie geradezu darauf programmiert.
Überall am Wegrand hatte sich Schaulustige postiert um die drei Amazonen beim Wettstreit zu betrachten, dabei laut in die Hände klatschend und sie anfeuernd.
Elena hätte die Möglichkeit gehabt ihre geheimen Energien zu aktivieren. Doch sie tat es nicht, denn Inga vermochte das nicht. Allein deren ausdauerndes Training hatte sie so stark werden lassen. Eine sanfte Brise wehte den Frauen entgegen und verschaffte ihnen eine willkommene Kühlung, zog deren Haar nach hinten. Elenas kupferrotes, Ingas rotbraunes und Madlees rabenschwarzes kontrastierten perfekt zu einander.
Die letzten Meter bedeuteten eine enorme Belastung. Noch immer waren Elena und Inga gleichauf, während sich Madleen schließlich geschlagen gab und den Sprint einstellte.
Auf den letzten Meter gewann Inga schließlich die Oberhand und konnte den großen Menhir in der Mitte des Sandsteinmassives berühren.
„Gewonnen! Puuaah bin ich geschafft!“ Inga beugte ihren Körper weit nach vorn und stützte ihre Hände dabei auf die Oberschenkel, dabei tief ein und ausatmend. Elena die wenig später eintraf tat es ihr gleich.
„Gratuliere Inga, du hast mich geschlagen. Du bist eine ausgezeichnete Athletin. Großes Kompliment.“ Sprach Elena ihren Glückwunsch aus.
„Danke Elena! Aber ich hoffe ich habe es auch wirklich aus eigener Kraft geschafft. Nicht etwa dass du mich hast gewinnen lassen?“ Wollte Inge wissen.
„Nein, habe ich nicht! Großes Ehrenwort!“ Versicherte Elena während sie nach Luft schnappte.
„Ich glaube dir! Weißt du ich möchte einfach nur mit meinen Kraftreserven nach vorne stoßen. Wenn du mich gewinnen lässt wäre es nicht sehr schmeichelhaft für mich und kein echter Sieg.“ Fuhr Inga fort.
„Du kannst dir ganz sicher sein. Ich habe mit keinen Tricks gearbeitet. Nun lass dich umarmen Schwester.“
Die beiden Frauen schlangen ihre Körper eng aneinander und es folgte ein inniger Kuss.
„Ich bin mächtig stolz auf dich, schön dass du zu uns gefunden hast.“ Lobte Elena weiter.
In der Zwischenzeit hatte auch Madleen das Massiv erreicht. Sie stapfte relativ gemütlich den beiden entgegen.
„Hey ihr zwei, lass mir auch noch was übrig!“
Die beiden nahmen sie in ihre Mitte.
„Na, da muss ich mich wohl noch ganz schön strecken um solche Muskeln zu bekommen.“
Madleen packte beiden Frauen an die Oberarme, wie auf Befehlt preßten die ihre Arme so dass die gesamte Stärke zutage trat.
„Ätsch! Eines könnt ihr bestimmt nicht! Mich auf eure Schultern setzen!“ Stänkerte Madleen.
„Was? Na dass wollen wir doch mal sehen! Komm Inga auf und….“
Mit einem kräftigen Schwung hoben beide zugleich an und balancierten das schmächtige Rehkitz in der Luft.
„Schon gut, schon gut! Ich gebe mich geschlagen! Lasst mich wieder runter!“
„Hopp!“ Madleen wurde in die Luft geschleudert und sauste laut juchzend der Erde entgegen, landete aber sicher in den starken Armen der beiden Topathletinnnen.
„So ab geht’s nach unten! Erst mal duschen und dann kuscheln. Denn nach diesem Akt haben wir uns was besonders verdient.“ Verkündete Elena.
Der Abstieg erwies sich als bedeutend einfacher, den die drei, eng umschlungen gemächlichen Schrittes einschlugen.
Dabei wurden sie beobachtet. Eine hatte sich ihnen unbemerkt genähert. Fasziniert von den Frauen und deren Können. Doch sie traute sich nicht aus der Deckung. Noch nicht.
Diametral entgegengesetzt verlief hingegen Sonjas Auftauchen. Völlig unspektakulär hörte sich deren Lebensgeschichte an. Im Gegensatz zu Ingas dramatischen Eintreffens, hatte sich Sonja geradezu in die Abtei geschlichen, unbemerkt von den meisten nahm sie hier Quartier. Kein Mensch schien sich für sie zu interessieren. Die hochsensible 40 jährige faste nur ausgesprochen schwer Fuß in der Gemeinschaft. Wen wundert`s? Sonja war keine Frau die schlagartig die Blicke auf sich zu ziehen vermochte, keine Chantal, Kristin oder Madleen, schon gar keine Elena. Eine graue Maus, wie aus dem Bilderbuch. Sie umgab sich mit der Aura der alternden unantastbaren Jungfer. Ihr brünettes Haar straff nach oben zu einem Kränzchen gesteckt, gekleidet zumeist in ein hellgraues hoch geschlossenes Kostüm, erinnerte ihr Erscheinungsbild an das einer Gouvernante aus wilhelminischer Zeit.
Ihre aschfarbene Gesichtshaut und die dunklen Ränder unter den Augen taten ihr übriges.
Äußerst zurückhaltend auch die Art ihres Auftretens. Jede Bewegung schien im Voraus berechnet, so als sei sie von panischer Furcht erfüllt durch eine unbedachte Handlung oder Äußerung bei ihren Mitbewohnern anzuecken.
Kaum dass sie sich einmal an einer Unterhaltung beteiligte.
Warum sollte sie auch. Denn viel gab es eh nicht zu berichten.
Noch bis vor kurzem hatte sie bei ihren Eltern gelebt. Die waren ausgesprochen penibel und auf einen untadligen Lebensstil getrimmt. Sonja hatte sich dem seit sie zu denken begann widerspruchslos gebeugt. Eine eigene Persönlichkeit zu entfalten schien unter solchen Bedingungen so gut wie ausgeschlossen. Ihr Leben vorprogrammiert.
Es gab auch einmal einen Verehrer, doch der hielt es nicht lange aus. Denn Momente der Zweisamkeit waren ihnen nicht vergönnt. Die Eltern wachten mit unnachgiebiger Strenge über die Sittsamkeit der Tochter.
Erschwerend hinzu kam der Umstand, dass sowohl Vater, als auch Mutter von einer sehr schwachen Gesundheit geprägt waren. Die schiene die Krankheiten geradezu anzuziehen wie ein Magnet die Eisenspäne. Sie erwarteten von der Tochter Opfermut und Einsatzbereitschaft rund um die Uhr. Das schränkte Sonjas Handlungsspielraum in erheblichem Maße ein.
Sie war festgenagelt für ihr gesamtes Leben. Ein Entrinnen ausgeschlossen.
Doch nun ergab es sich dass Vater und Mutter unmittelbar nacheinander gestorben waren und die längst erwachsenen Tochter verweist zurückließen.
Konnte es für einen Menschen wie Sonja noch einen wie auch immer gearteten Einstieg in ein eigenständiges Leben geben?
Auf konventionelle Weise sicher nicht. Aber da gab es eben jene Gemeinschaft um Elena von der Sonja schon lange Kenntnis hatte und insgeheim schwärmte. Nie wäre ihr in den Sinn gekommen über diese heimliche Liebe offen vor ihren Eltern zu sprechen. Für die waren Elena und die Schwestern allesamt verruchte verkommene Subjekte ohne moralische Werte und Lebenspraxis.
Der Tod der Eltern bahnte ihr nun den Weg dorthin und sie zögerte nicht lange ihren schon lange gefassten Entschluss in die Tat umzusetzen.
Nun war sie hier und musste feststellen dass sie ihre Anpassungsfähigkeit wohl erheblich überschätzt hatte. Sie kam mit dem neuen Zuhause nicht zurecht, zu ungewohnt diese Umgebung. Die vielen Menschen, die Aktivitäten, dass übergroße Gelände mit seinen zahlreichen Möglichkeiten. Eine Reizüberflutung die alle Dimensionen zu sprengen drohte.
Auch die gewünschten Kontakte zu knüpfen blieb ihr verwehrt. Das brachte es mit sich das sie immer depressiver wurden und befürchten musste daran zu zerbrechen.
Auf welche Weise sollte sie sich denn ein bringen? Was gab es schon aus diesem unspektakulären Leben zu berichten? Nichts dass bei den übrigen Bewohnern auch nur einen Hauch von Interesse hervorzurufen vermochte. Während die anderen mit ihren Beziehungen protzten und sich einander in Aufschneidereien überboten, musste sich Sonja eingestehen, das sie all dem nichts entgegen zusetzen hatte. Spätes Mädchen, Jungfer, die zu kurz Gekommene, das waren noch die mildesten Bezeichnungen die ihr von den anderen verpasst wurden. Es gab aber auch solche die weit unter die Gürtellinie gingen und sie tief verletzten.
Das verstärkte ihre Isolation nur noch umso mehr
Sie hatte Elena nur wenige Male zu Gesicht bekommen, eher flüchtige Begegnungen. Die Meisterin schien, aufgrund der vielen Neuankömmlinge, unter permanenten Stress zu stehen.
Da blieb wenig Zeit für persönlichen Gedankenaustausch.
Eher zufällig wurde Elena auf die traurige Schwester aufmerksam.
Sehen, Analysieren, Erkennen, Schlussfolgern, Handeln. So lautete die Zauberformel nach der sich die Anführerin der Schwestern richtete.
Sonja hatte am Rande des alten aus grauen Natursteinen gemauerten Brunnen Platz genommen, der sich zur Linken des Konventsgebäudes befand und direkt an den Eichenhain angrenzte. Im Schatten der alten Baumriesen und beim zarten Klang der fließenden Wasserquelle gelang es Sonja für einen Moment abzuschalten und zur Ruhe zu kommen.
Den Blick zum Wasser geneigt bemerkte sie nicht wie sich Elena näherte und vor ihr zum stehen kam.
„Beruhigend nicht?“
„Äh.. ja äh. Sehr beruhigend!“ Antwortete Sonja erschrocken als sie in Elenas Gesicht blickte.
„Einsam?“ Diese direkte Frage traf ins Schwarze.
Mit dem Kopf nickend stimmte Sonja der Feststellung vorbehaltlos zu.
„Komm!“
Elena streckte ihr die Hand entgegen. Ohne weiter zu hinterfragen griff Sonja begierig danach und mit einem Satz hatte sie Elena zu sich gezogen.
Hand in Hand schritten sie in Richtung Konventsgebäude.
„Wie lange bist du jetzt bei uns?“ Wollte Elena wissen, nachdem sie die Kleine Pforte durchschritten hatten.
„Etwas über zwei Wochen!“ Antwortete die Angesprochene leise, fast flüsternd.
„Ich bin vor drei Tagen eher zufällig auf dich aufmerksam geworden. Warum bist du nicht zu mir gekommen wenn du Kummer hattest?“
„Ich …ich wollte mich nicht aufdrängen. Ich kann so was nicht. Du hast so viel um die Ohren und dann auch noch meine Probleme…“
„Deine Probleme sind mir sehr wichtig, so wie die aller anderen auch. Dafür müssen wir uns einfach die Zeit nehmen, trotz vieler unerledigter Aufgaben.“ Unterbrach Elena.
„Ich schaffe es schon, mach dir meinetwegen keine Sorgen. Zugegeben, es ist sehr schwer für mich. Ich bin so ein Leben nicht gewohnt. Hab halt einfach viel zu sehr zurückgezogen gelebt, die letzten Jahre.“ Begann Sonja den Versuch einer Erklärung.
„Die letzten Jahre? Ich würde doch wohl eher sagen, dein ganzes bisheriges Leben, oder?“
Elenas Feststellung schockte Sonja, beruhigte sie andererseits auch wieder, denn so konnte sie sich weitere Erläuterungen sparen.
„Natürlich hast du Recht! Mein ganzes Leben! Hab eben nicht viel zu bieten. Alles höchst unspektakulär. Ich kann mit keinem aufregenden Lebenslauf aufwarten. Nur zu hause hocken, bei den Eltern, wen interessiert das schon? Also halt ich lieber den Mund. Doch das hat zur Folge dass mich die andern schneiden, denn sie halten mich für arrogant und introvertiert.“
„Sag mal, hast du Lust bei mir, dass heißt bei uns in unserer WG zu wohnen. Rein zufällig haben wir gerade ein Zimmer frei. Neben mir, Madleen, der kleinen Tessa und Colette wohnt derzeit noch Inga bei uns mit ihren Kindern. Würde dir das gefallen?“ Bot Elena spontan an und lenkte das Gespräch in die gewünschte Richtung.
„Bei euch wohnen? Ja, wenn du meinst!“ Große Freude sprach aus Sonjas Worten.
„Ja ich meine. Wenn du magst kannst du später deinen Sachen holen und heute noch einziehen.“
Elena handelte richtig indem sie Sonja kurz entschlossen mit zu sich in ihre WG nahm und dort bis auf weiters wohnen lies um sie kennen und einschätzen zu lernen.
Für Sonja bedeutet dass die erhoffte Erlösung .
Fern vom Trubel des Gästehauses und den Sticheleien der anderen konnte sie nun in Ruhe zu sich selbst finden. Elena sah sich gefordert ihr dabei mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu helfen. Dabei war sie sich der Tatsache bewusst dass ihr mit Sonja ein ganz besonderer Menschen begegnet war. Ein hoch sensibeler Typ, zerbrechlich, leicht verletzbar und überaus zurückhaltend. Hier war Fingerspitzengefühl von höchster Präzision gefordert um die zutiefst verunsicherte Frau aus der Reserve zu locken. Vielen konnte sie bereits mit ihrer unkonventionellen Art auf die richtige Fährte bringen. Aber Sonja war nicht wie die anderen. Wenn sie mit ihr den therapeutischen Beischlaf praktizieren wollte musste sie sehr behutsam vor gehen, sich langsam Stück für Stück vorantasten.
„Sag mal warum trägst du dein Haar nicht offen?“ Lautete Elenas provokante Frage als sie ihr gegenüber Platz genommen hatte, oben im großen Meditationssaal, wohin sie sich mit Sonja zurückgezogen hatten.
„Aber ich habe die Haare immer auf diese Art getragen. Warum sollte ich das auf einmal ändern?“ Entgegnete die Verblüffte.
Ohne weitere Worte zu verlieren näherte sich Elena ihr ,berührte deren Haare und begann sie langsam zu lösen, soweit bis die feinen glatten Strähnen über Sonjas Kopf wallten bis über die Schultern hinaus. Sonja lies es geschehen, es schien als habe sie unendlich lange Zeit nur auf diesen Moment gewartet.
Im Anschluss öffnete Elena die oberen Knöpfe an Sonjas Bluse.
„Wa…warum tust du das?“ Machte sie sich wieder bemerkbar.
„Weil ich das Wesen vor mir besser kennen lernen möchte. Kannst du überhaupt atmen, wenn du dich derart einschnürst? Mich sollte nicht wundern, wenn ich bei dir auch noch ein Korsett vorfinde.“
„Das habe ich nicht nötig, bin auch so spindeldürr genug. Mit meinem Körper kann ich nicht angeben.“ Glaubte Sonja zu wissen.
„Das kann ich erst richtig beurteilen wenn ich den in natura zu Gesicht bekomme. Doch was ich derzeit wahrnehme braucht sich nicht zu verstecken. Du stellst dein Licht sehr tief unter den Scheffel Sonja. Gut, wenn du dich in den altbackenen Klamotten wohl fühlst will ich nichts gesagt haben. Aber das tust du nicht. Ich spüre ganz deutlich wie sehr es dich danach drängt dieser Panzerung zu entfliehen, die dich am Leben hindert. Du bist keines falls die graue Maus die du vorgibst. Dieses Image passt ganz und gar nicht zu dir.“
„Und du glaubst es ändert sich was, wenn ich mich auf andere Art kleide? Kann ich mir nicht vorstellen.“ Widersprach Sonja resigniert.
„Zugegeben, Kleidung ist zunächst einmal nichts weiter als ein paar Bahnen Stoff, auf ganz bestimmte Weise geschneidert und gefärbt. Doch du wirst stauen wenn dir auf geht welche Wirkung eine gut gewählte Art sich zu kleiden entfaltet. Eine eng an liegende Jeans, ein luftiges T-Shirt dazu dein wunderschönes Haar offen getragen, oder leicht als Pferdeschwanz nach hinten gebunden und die Knospe kann sich zur prächtigen Blüte entwickeln.“ Schlug Elena vor.
Doch schien das noch immer nicht zu überzeugen.
„Ich… ich kann das nicht! Ich bin so wie ich bin. Ich glaube nicht dass es an der Kleidung liegt.
Die Ablehnung durch die anderen wird nicht dadurch verstummen nur weil ich eine ausgewaschene Jeans trage. Nein, die Ursachen liegen tiefer.“
„Und wo glaubst du diese zu finden?“
„Ich habe es dir vorhin versucht zu verdeutlichen, aber du bist nicht darauf eingegangen. Ich, wie soll ich es ausdrücken? Ich bin hier ein Fremdkörper. Mit der verschlossenen Sonja kann niemand etwas anfangen. Ich sitze zwischen den Leuten und fühle mich wie hinein geborgt, wenn die von ihren Beziehungen und Affären sprechen, so als sei das das normalste auf der Welt. Für mich ist es das eben nicht. Ich hatte noch nie eine richtige Beziehung zu einem Menschen. Ich schäme mich dafür.“ Gestand Sonja nun und bahnte Elena auf diese Weise einen Weg zu ihrer Seele.
„Schämen? Aber warum willst du dich dafür schämen, Sonja? Die Welt muss sich dafür schämen, weil sie dich ausgeschlossen hat, aber nicht du! Und was die andern betrifft, unsere Aufschneider, da brauchst du dir wirklich keine Gedanken machen. Wer der Meinung ist mit seinen Affären und Liebesabenteuern in aller Öffentlichkeit an geben zu müssen, hat die meisten davon aus dem Reich der Phantasie geholt. So etwas braucht dich nicht zu beeindrucken!“
„Aber ich dachte dass diese Offenheit Teil eurer Lebensphilosophie ist, ich meine damit die Idee von der Freien Liebe die ihr praktiziert.“ Wunderte sich Sonja.
„Oh, da hast du etwas gründlich missverstanden. Klar, die ausländischen Boulevardmedien tun alles um uns in die Ecke einer Sexkommune zu rücken. Das ist es was sie sehen möchten um daraus Kapital zu schlagen. Wir lassen es geschehen, weil es uns ermöglich dadurch in der Öffentlichkeit präsent zu bleiben. Echte Freie Liebe funktioniert völlig anders. Eine Freie Liebe, die ihren Namen wirklich gerecht werden soll, wird einen Menschen wie dich niemals ausschließen, oder andere die es noch schwerer haben. Eine wirklich Freie Liebe versteht es alle Formen der Liebe zu einem großen Ganzen zu vereinen.
Agape , Eros und Sexus. Viele Polyamoristen glauben dass letztere von den drei genannten ausreicht, ein fataler Irrtum, mit zum Teil verheerenden Folgen. Solange es auch nur einen einzigen Verlierer gibt, hat die Idee der Freien Lieben ihr Ziel verfehlt. Aus diesem Grund stehen auch wir in der Kommune noch am Anfang und werden einen weiten Weg zurücklegen müssen, heimgesucht von vielerlei Rückschlägen.“ Versuchte Elena Aufklärung zu schaffen.
„Ich sehe schon, ich habe einen schweren Gang vor mir,“ seufzte Sonja. Ich will es versuchen.
Will mich ehrlich bemühen. Wenn…wenn du mir ein wenig dabei hilfst!“
„Ich bin da für dich wann immer du mich brauchst. Sei ohne Sorge, ich werde dich nicht überfallen. Komm erst mal wirklich an. Also als erstes holst du deinen Sachen, dass Zimmer direkt unter uns kannst du sofort beziehen.“ Elena wies mit dem Zeigefinger in Richtung Boden, dann fuhr sie fort mit ihrem Plan.
„Was die Kleiderfrage betrifft entscheide selbst, dir steht unsere große Kleiderkammer zur Verfügung, dort findest du alles was du brauchst, dann, wenn dir danach ist. Wenn du soweit bist um dich mir voll anzuvertrauen, gib mir ein Zeichen, dann bin ich bereit dich in das Land der Träume zu geleiten.“
„Du…du… meinst den therapeutischen Beischlaf?“ Antwortete Sonja mit zitteriger Stimme.
„Genau den! Wie gesagt, du entscheidest, wann du dich bereit fühlst. Vertrau mir! Vielen hier konnte ich auf diese Weise von ihren seelischen Nöten erlösen und ihnen neue Kraft verleihen. Warum sollte es bei dir nicht funktionieren? Die heilenden Kräfte, die meinem Körper inne wohnen, kann ich am besten auf diese Weise auf andere übertragen.“
„Ich… ich bin bereit! Ich meine … noch nicht ganz. In ….in ein…ein paar Tagen denke ich…
werde ich die Kraft dafür… auf…äh aufbringen …meine ich…“ Stotterte Sonja, die nun kurz davor stand völlig die Fassung zu verlieren.
Elena erkannte dass es Zeit war das Gespräch zu beenden, der Anfang war getan, nun benötigte Sonja Zeit alles gründlich zu überdenken.
„Mach dir keinen Stress! Lass dir Zeit! Soviel du benötigst! Jegliches zu seiner Zeit!“
Sanft legte Elena ihren Arm um Sonjas Schulter und deren Verkrampfung begann sich augenblicklich zu lösen.
Schnell hatte Sonja ihre Sachen aus dem Gästehaus geholt und sich in der WG einquartiert, lernte beim gemeinsamen Abendessen auch die weiteren Mitbewohner kennen. Madleen, Colette und Inga. Wieder musste sie sich auf eine völlig neue Umgebung einstellen, was ihr aber bemerkenswert leicht zu fallen schien. Schon seit Ewigkeiten hatte sie sich nicht mehr so geborgen und angenommen gefühlt. Und dafür sorgte nicht nur die Anwesenheit dieser Superfrau mit den kupferroten Haaren die zu ihrer Rechten Platz genommen hatte. Nein auch die anderen übten einen beruhigenden Eindruck auf sie aus. Ja selbst als die Kinder an der Tafel erschienen um von ihrem Müttern den Gute-Nacht-Kuss einzufordern, störte sie dass eigenartigerweise nicht im Geringsten. Kinder in ihrer Umgebung? Noch bis vor wenigen Tagen kam dass einer Horrorvorstellung gleich. Es ging etwas in ihr vor, noch konnte Sonja nicht deuten um was genau es sich dabei handelte, aber schon in den Folgetagen sollte sich Bahnbrechendes in ihrem Leben verändern.
Bereits 2 Tage später nahm sich Sonja Zeit für die prall gefüllte Kleiderkammer, die in der alten Schäferei am Ende des Geländes untergebracht war. Fast täglich gingen hier Kleiderspenden ein. Sonja suchte, probierte, betrachtete sich ausgiebig im Spiegel bevor sie sich endgültig entschied. Es war bereits später Nachmittag als sie mit einem ganzen Sack das Lager verließ. Ganz unterschiedliche Ware, eleganter als auch salopper Art, allesamt geschmackvoll, diese Kleider unterschieden sich ganz erheblich von dem, was sie bisher auf ihrem Leibe trug.
Nach etwa einer Woche spürte sie das dringende Verlangen Elenas Einladung an zu nehmen und lies ihr das vereinbarte Zeichen zukommen.
Es war ein Freitagabend als sie sich mit zittrigen Knien und Herzklopfen die Treppe zum Meditationsraum hinaufbewegte, zwischendurch immer wieder nach Luft schnappend, die Aufregung hatte ihren gesamten Körper erfasst.
Gekleidet war sie in ein dunkelgrünes luftiges Kleid aus feinem Leinen mit spitzen V-Ausschnitt, ein Buntes Seidentuch betone ihren Hals. Die eleganten Riemensandalen trug sie in der rechten Hand, nach Möglichkeit sollte der feine Teppich im großen Saal nicht mit Schuhen betreten werden.
Ihr Haar viel in langen Locken über ihre Schultern die Finger und Fußnägel im leichtes rosa lackiert. Sonja war schon jetzt kaum noch wieder zu erkennen.
Sanftes Dämmerlicht verbreitete eine mystische Atmosphäre. Ein Teelicht flackerte in einem roten Glas am Boden daneben ein Strauß frischer Schnittblumen, verschiedener Sorten.
Auf einer Matratze direkt daneben hatte Elena sich ausgestreckt und erwartete Sonja dort. Bekleidet nur in ein hauchdünnes hellblaues Negligee, so dass die prächtigen Konturen ihres Venuskörpers darunter deutlich in Erscheinung traten.
Sonja blieb am Ende der Treppe stehen.
"Da bin ich also!“ Entfuhr es ihr mit unsicherer Stimme, dabei nervös von einem Fuß auf den anderen wippend.
„Sonja? Ich hätte dich um ein Haar nicht wieder erkannt. Du siehst bezaubernd aus. Das Kleid steht dir ausgezeichnet!“ Sprach Elena während sie sich ihr näherte um sie zu begrüßen.
„Es sind zwar nicht Jeans und T-Shirt, aber es gefällt mir einfach gut.“
„Mit der Jeans und dem T-Shirt das ist nur so eine Metapher die ich oft benutze. Nein das Kleid passt gut zu dir. Bei der warmen Jahreszeit auch viel praktischer.“
Elena griff nach Sonjas Händen. Danach umarmte sie die immer noch ausgesprochen schüchtern wirkende.
„Komm lass es uns gemütlich machen!“ Lud Elena ein und geleitete Sonja zur Liegestatt.
„Welche Musik darf ich dir spendieren? Klassik oder moderne Schmusesongs?“ Wollte Elena wissen während sie sich zur Musikanlage auf der gegenüberliegenden Seite begab.
„Am liebsten Klassik!“ Wünschte Sonja.
„Dachte ich mir! Passt genau zu deiner Ausstrahlung! Wie wär`s mit Altmeister Bach?“
„Oh ja! Bach ist immer gut!“
Elena betätigte den CD-Player und ließ dort ein Medley von verschiedenen Bachwerken erklingen.
Danach entledigte sie sich ihrer spärlichen Bekleidung und begab sich zu Sonja und half ihr beim entkleiden.
Zunächst hielt sie ihren Schützling einfach nur in den Armen, dabei an der Wand lehnend und leicht hin und her wiegend, so wie sie den Einstieg in ihre Therapie immer einzuleiten pflegte.
Bei Sonja hatte sie sich eine besonders sanfte und behutsame Art ausgedacht.
Immer mehr versank diese in diesem Bad der Zärtlichkeit.
Schließlich wurde es immer direkter. Sonja überlies sich voll Elenas erfahrenen Händen.
Elena machte die verblüffende Entdeckung, dass Sonja tatsächlich noch Jungfrau war. Geschickt befreite sie die neue Schwester von dieser Barriere. Jene Entdeckung würde sie wie ihren Augapfel hüten, nicht einmal ihre engsten Vertrauten Madleen oder Colette durften davon erfahren. Dann übertrug sie auf die übliche Art ihre heilende Energie auf die neue Schwester.
Der Rest der Nacht gestaltete sich als ein wahres Fest der Liebkosungen. Sonjas Körper schien in Flammen aufzugehen.
Diszipliniert wie sie es in Jahren erprobte hatte verließ Sonja am Morgen danach das Liebesnest und begab sich eine Treppe tiefer auf ihr Zimmer.
Getaucht in ein Wechselbad der Gefühle musste sie das Erlebte erst einmal in Ruhe verarbeiten.
Die ganze Welt war aus den Fugen geraten. Sie bemerkte wie Elenas Kräfte in ihr zu arbeiten begannen. Am Besten erst mal für sich bleiben, denn sie vermutete richtig dass sich in den vor ihre liegenden Stunden erhebliches in ihrer Seele verändern sollte.
In den Folgetagen reifte Sonja zu einer echten Persönlichkeit und es bereitete allen mit denen sie näherKontakt hatte große Freude an ihrer positiven Veränderung teil zu haben, betrachten zu können wie sich die graue Raupe Stück für Stück ihre Kokons entledigte und zum sinnlichen Schmetterling mutierte.
Doch noch hatte sie einige Fallstricke zu überwinden. Die Einsamkeit schien ihr noch immer zuzusetzen, auch wenn man es nicht mehr in einer solchen Konzentration verspürte.
Elena war zwar nach wie vor bereit sich ihrer an zu nehmen wenn sie es wünschte, doch wollte sie sich nicht allzu tief in ihr Leben drängen. Auf keinen Fall durfte ein Abhängigkeitsverhältnis ihr gegenüber entstehen. Elena musste vermeiden dass sich Sonja zu tief an sie band. Die Dinge lagen auf der Hand. Sonja benötigte einen Menschen an ihrer Seite, einen Gefährten oder eine Gefährtin, die das Leben mit ihr teilte.
Doch wer wäre imstande ihr Leben reicher und lebenswerter zu machen?
Sonja bedurfte auch hier der Hilfe von außen, allein würde sie sich mit Sicherheit nicht auf die Suche begeben.
In Elenas Kopf begann die Suche nach geeigneten Kandidaten. Eine Zeitlang war sie sogar versucht Sonja in Colettes Obhut zu geben. Auf diese Weise könnte sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, denn schon lange glaubte sie Colette eine Lebensgefährtin zuführen zu müssen. Doch schnell verwarf sie dieses Ansinnen.
Dann aber wurde sie von der Wirklichkeit eingeholt und die Dinge nahmen ihren Lauf ohne dass sie ein zugreifen brauchte.
Der Kampf in Sonjas Seele setzte sich fort, die neuen positiven Energien lieferten sich mit den noch immer mächtigen Geistern der Vergangenheit wahre Gefechte.
Vor allem nachts lastete die Erinnerung schwer auf ihrem Gemüt.
Sie fühlte sich gut, aber andererseits vermisste sie ihre Eltern, an denen sie trotz allem immer noch hing.
So war es auch in dieser Nacht, als sie in ihr Kissen schluchzte, offensichtlich so laut das ihr Wimmern bis nach draußen auf den Flur dran.
Leise öffnete sich die Tür einen kleinen Spalt weit.
„Sonja? Alles in Ordnung?“ Hörte sie Ingas Stimme. „Habe ich mich also doch nicht verhört als ich glaubte jemanden weinen zu hören!“
Inga näherte sich dem Bett und nahm auf dessen Kante Platz.
Sonja richtete sich auf und blickte ihr mit tief geröteten Augen entgegen.
„Lass nur! Es geht schon! Es kommt eben immer wieder über mich. Ich kann nichts dagegen tun. Es wird wohl noch ne Weile dauern bis ich alles verarbeitet habe. Die Vergangenheit will einfach nicht loslassen!“
„Wem sagst du das! Kann ich absolut nachvollziehen. Letzte Nacht hab ich auch geheult. Ich hatte einen Alptraum. Mein Ex war hinter mir her und wollte mir eine Tracht verpassen. Ich flüchtet auf die Klostermauer zu, schaffte es aber nicht mehr. Zum Glück endete der Traum abrupt. Danach war es aus, dann rollten die Tränen wie ein Bach.“ Offenbarte sich Inga auf ihre lockere Art.
„Was musst du alles durchgemacht haben? Ich wage kaum daran zu denken. Dagegen wirken meine Probleme geradezu wie eine Lappalie.“ Glaubte Sonja zu wissen.
„Sag so was nicht! Deine Lasten wiegen ebenso schwer wie die meinen. Wir müssen beide kämpfen, du auf deine Weise ich auf meine. Wir sind hier in der Gemeinschaft auf einander getroffen. Irgendwie glaub ich nicht an Zufälle. Komm rutsch doch mal ein Stück zur Seite.“
Sonja folgte der Aufforderung und Inga entledigte sich ihrer Turnschuhe und schlüpfte unter die Decke, kuschelte sich ganz nahe an den Körper der anderen.
„Darf ich dir mal ne direkte Frage stellen?“ Wollte Inga wissen.
„Ja, frag doch einfach!“ Antworte Sonja.
„Warum beobachtest du mich eigentlich immer heimlich, wenn ich auf dem Sportplatz mein Training mache. Gibt es da einen bestimmten Grund?“
Ingas Frage schockierte Sonja zunächst. Sie fühlte sich ertappt. Was konnte sie wohl darauf entgegnen?
„Da hast du mich also entdeckt! Also ich…. Wie soll ich es ausdrücken. Ich finde dich… ich finde dich einfach schön. Ich fühle mich von deinem Körper angezogen. Diese Kraft, diese Muskeln, diese Geschicklichkeit und Ausdauer, ich bin einfach nur fasziniert.“
„Hey, danke! Wau da bin ich erst mal sprachlos.“
„Habe ich dich mit meiner Offenheit schockiert?“ Hakte Sonja ängstlich nach.
„Nein, aber nein! Im Gegenteil! Ich fühle mich geschmeichelt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Schon lange hat mir keiner mehr so ein schönes Kompliment gemacht. Aber warum versteckst du dich dann? Komm doch einfach das nächste Mal zu mir runter. Es sind ausreichend Bänke dort, du kannst mir beim Training zusehen, wenn du magst. Nein, ich hab ne viel bessere Idee. Warum wirst du nicht mein Coach?“
„Dein was?“
„Mein Coach! Trainerin, Betreuerin, eine die einfach dabei ist und mir zur Hand gehen kann.
Man sollte bei so einem harten Training, wie ich es mir zumute, niemals allein sein. Da kann leicht mal etwas schief gehen, dann ist es immer gut jemanden in der Nähe zu wissen. Na, wie wäre es?“ Ingas Angebot klang verführerisch.
„Ja! Natürlich möchte sich das! Du musst mir nur sagen was ich dabei zu tun habe!“ begeisterte sich Sonja.
„Ich möchte dir auch ein Geheimnis an vertrauen. Weißt du wovon ich träume?“
Einmal im Leben an der großen Olympiade teilnehmen!“ Gestand Inga.
„An der Olympiade? Du meinst die richtigen olympischen Spiele?“
„Ja, genau die! Weißt du, es kommt mir gar nicht darauf an unbedingt auf dem Treppchen zu stehen. Nein, einfach nur dabei sein und diese einmalige Atmosphäre spüren. Davon habe ich schon als Kind geträumt:“ Fuhr Inga fort.
„Du hast schon immer Sport getrieben?“
„Ja, das hat mir immer großen Spaß gemacht! Solange, bis mein Ex mir diese Flausen ausgetrieben hat. So pflegte er meine Leidenschaft immer zu betiteln. Seiner Meinung nach ist Sport reine Männersache.“
„Was für ein Blödsinn!“ Entfuhr es Sonja.
„Hab ich auch immer versucht ihm zu verdeutlichen, aber seine Argumente waren immer die schlagkräftigsten, im wahrsten Sinne des Wortes.“ Gab Inga zu verstehen, natürlich wusste Sonja was sie damit sagen wollte.
Sie umfasste mit beiden Händen und Armen Ingas Bauch und schmiegte sich eng an sie. Diese legte ihren rechten Arm um Sonjas Schulter und zog sie an sich, mit ihrer linken stich sie sanft durch deren Haar.
„Sag mal hat Elena auch mit dir den therapeutischen Beischlaf praktiziert?“
Wollte Inga wissen
„Vor etwa einer Woche. Es war wunderschön. Ich hab mich danach viel besser gefühlt, wenn ich auch noch an mir arbeiten muss und immer mit Rückschlägen rechnen muss. Aber es hat mir einen ganz gewaltigen positiven Schub versetzt.“ Gab Sonja zu verstehen.
„Schon nach dem ersten Mal sagst du? Hm, bei mir hat sie 3 Anläufe benötigt. Naja, ich bin eben auch ein recht harter Brocken, nach all dem was ich so hinter mir habe. Aber auf diese Weise war ich mit dieser tollen Frau dreimal nacheinander im Bett und da ist ja schon mal was. Ich kann mich nicht erinnern je soviel Zärtlichkeit und Wärme verspürte zu haben. Einfach eine Klassefrau.“
„Bei mir war es ähnlich. Ich hatte zwischendurch manchmal den Eindruck, Flügel zu bekommen und ab zu heben , so wohl ist es mir dabei ergangen. So einen Menschen wie Elena an seiner Seite zu wissen, ach wie phantastisch wäre das.“ Frohlockte Sonja und schmieget sich noch enger an ihre neue Freundin.
„Elena ist vergeben. Schade. Da müssen wir uns beide umorientieren. Aber es gibt noch ne Reihe anderer toller Frauen hier auf dem Gelände.“ Meinte Inga.
„Du möchtest eine Frau an deiner Seite?“
„Ja, da bin ich absolut sicher. Mit Männern bin ich erst mal für die nächsten hundert Jahre bedient.“
„Ach es ist so schön, dass wir uns so gut verstehen. Durch deine Anwesenheit ist es mir viel leichter gefallen mich in die WG hier zu integrieren. Du bist genau so neu hier wie ich.
Da brauchte ich mich unter den alten Häsinnen hier nicht so verloren vorkommen.“ Offenbarte sich Sonja weiter.
„Schade nur dass wir hier bald alles räumen müssen. Sicher, Elena wird uns nicht vor die Tür setzen und wir haben ausreichend Zeit uns nach einer neuen Bleibe auf dem Gelände umzusehen. Aber die Zimmer die wir bewohnen sollen nun mal als Gästezimmer dienen für Elena. Wenn es uns soweit besser geht werden wir um ziehen müssen.“ Machte Inga Sonja auf das Unvermeidliche aufmerksam.
„Ich darf gar nicht dran denken. Dann muss ich mich erneut umstellen. Keine Ahnung wie und auf welche Weise ich dann wieder leben soll. Das wird eine große Belastung für mich. Ich habe große Angst.
Es hat mir so gut gefallen hier. Wieder bahnten sich die Tränen ihren Weg über Sonjas Wangen.“
„Du willst damit sagen , dass du in dieser Hinsicht noch gar nichts unternommen hast?“
„Nein! Das macht es ja so schlimm. Ich hab einfach keine Ahnung wie es weitergehen soll.“
Totale Hilflosigkeit sprach aus Sonjas Worten.
„Ich schon! Auch mir fällt das nicht leicht. Ich würde auf jeden Fall lieber hier im Konventsgebäude bleiben und nicht in eines der Nebengelasse ziehen. Hier fühle ich mich sicherer. Du weißt doch. Mein Ex ist zu allem fähig, dem traue ich auch das Unmögliche zu.
Du, da kommt mir plötzlich eine ganz tolle Idee. Sag mal, was hältst du davon, wenn wir zusammenziehen? Wir zwei und die Kinder. Eine richtig kleine Familie. Wir bräuchten dafür nur ein Stockwerk nach unten auszuweichen. Genau hier drunter ist noch ne abgeschlossene Wohnung frei.Elena hat mir diese angeboten. Genug Platz für uns. Du bräuchtest nicht in ein Singlezimmer zu wechseln und müsstest dich nicht direkt in die Groß-WG einordnen. Wäre das etwas für dich?
Bot Inga spontan an.
„Ob… ob das etwas für mich wäre? Ja, sofort! Ach ich danke dir! Du bist so großartig!“
Sonja verabreichte Inga einen sanften Kuss auf deren Lippen.
„Entschuldige! Ist.. ist mir nur so rausgerutscht vor Freude!“ Bat Sonja sogleich um Verzeihung.
„Aber warum entschuldigst du dich denn? Ist doch in Ordnung. Ich empfand es sehr angenehm und erregend.“ Sanft fuhr Inga mit dem Handrücken über Sonjas Wangen.
„Ach und der Kinder wegen brauchst du dir keine Gedanken machen. Die mögen dich. Sie haben`s mir gesagt. Die Sonja ist eine ganz liebe Tante, meinte Lucy. Ist das nicht süß? Ja sie haben dich gern. Und ich tue das auch.“
Nun brach es vollends aus Sonja heraus. Inga hielt sie einfachfest in den Armen.
Nach einer Weile durchbrach sie die andächtige Stille.
„Ich freue mich auf das neue Leben. Ich teile es gern mit dir. Ich glaube da kommt auf uns beide etwas völlig unbekanntes zu.“
In dieser Nacht wurden Inga und Sonja ein Liebespaar. Langsam tasteten sie sich voran, ihr Kontakt wurde immer zärtliche rund inniger.
Hand in Hand marschierten sie in ein neues Leben. Zwei Schicksale, eine gemeinsame Zukunft.
Elena konnte mit dem Ergebnis zufrieden sein. Es hatte sich bedeutend besser entwickelt als von ihr erhofft.
So einfach konnte es sein. Am Ende wartete fast immer eine Lösung, auch wenn es am Anfang oft gar nicht danach aussah.
Frauen hatten es eben doch auf irgend eine Art leichter in der Kommune Fuß zu fassen, auch wenn sie wie im Fall Sonja viel Ballast über Bord zu werfen hatten.
Bei Männern sah die Sache komplizierter aus. Noch gab es kein vergleichbares männliches Pendant zur Schwesternschaft. Viele Männer kamen in die Kommunen, ebenso viele wie Frauen, auch wenn letzter Zeit ein leichter Frauenüberschuss zu verzeichnen war. Meist ging alles reibungslos über die Bühne, aber es gab zahlreiche männliche Problemfälle. Hier sah sich Elena oft vor große Herausforderungen gestellt.
Der junge Heiko war so ein typischer Fall. Gerade einmal 19 Jahre alt lebte er schon seit Monaten auf der Straße, hatte es verstanden sich geschickt Neidhardts Rekrutierung zu entziehen. Er gehörte zur verlorenen Generation, wie man die jungen Erwachsenen zu nennen pflegte. In ganz jungen Jahre wurde er noch Zeuge wie ein altes morsches dekadentes Staatwesen langsam vor sich hin rottete und schließlich in sich zusammenbrach. Er hatte den Staatsstreich des Blauen Orden erlebt, die Zeit der Räterepublik, den Bürgerkrieg, Neidhardts Machtergreifung, dessen Diktatur, die Rebellion der Dissidenten und nun die Zeit der Stagnation. Alles in allem ausgesprochen negative Eindrücke, die sich tief in seine Seele gruben. Diese Generation kannte nichts anders als Hoffnungslosigkeit und Demoralisierung, Entfremdung und Enttäuschung.
Reihenweise fielen gerade junge Männer aus dem Raster, unfähig, wieder Fuß zu fassen. Sie schlossen sich zu Gruppen zusammen und begannen das Leben auf eigene Faust zu gestalten, in Untergrund und Illegalität. Das brachte es mit sich, dass sie recht bald mit der autoritären Staatsmacht in Konflikt gerieten.
Anstatt sich ihrer an zunehmen, um ihnen eine echte Alternative zu bieten, verstand es Neidhardt lediglich die jungen Leute zu kriminalisieren und auszugrenzen. Es seien allesamt Rowdys, nur darauf aus, die Autorität der Staatsmacht zu untergraben und Unfrieden zu stiften.
Ihnen sei mit unnachgiebiger Härte zu begegnen.
Echte Vorbilder kannte diese Generation nicht. Ob es die Vertreter des alten Regimes waren oder jene der neuen Diktatur, allesamt Versager, korrupt und eitel, Leute, deren Erbärmlichkeit kaum noch zu überbieten war und Neidhardt selbst stellte derzeit die Spitze der Erbärmlichkeit dar.
Auch Heiko hatte nie eine wirkliche Kindheit besessen und schon gar keine Jugend. Seine Eltern waren maßgeschneiderte Opportunisten, Preka, die sich zunächst mit dem alten ,später mit dem neuen Regime engagierten, mimten auf bieder, korrekt und arbeitswütig. Eine Erziehung erhielt Heiko nie. Arbeiten, schaffen, raffen was sich einem bot. Mehr war nicht drin. In einer solchen Umgebung konnte keine Persönlichkeit reifen. Es kam wie es kommen musste. Auflehnung gegen die Eltern beantwortet mit deren schroffer kalter Ablehnung . Nachdem er sich geweigert hatte sich zu fügen, warf ihn sein Vater raus und er landete in einer jener berüchtigten Jugendbanden.
Doch selbst hier eckte er dauerhaft an, konnte sich nicht fügen. Wie gut, dass es da noch jene rätselhafte Kommune gab, jene Insel der Glückseeligen, die wie auf einer Wolke schwammen und nichts von all dem Frust mitzubekommen schienen der sich wie ein Narkotikum auf das Land legte.
So machte sich auch Heiko auf den Weg und schritt eines Tages voller Erwartung durch die große Pforte. Doch sein verpfuschtes Leben lies sich nicht abstreifen und somit brachte er es in die neue Gemeinschaft ein und schon nach kurzer Zeit sah es danach aus, dass er sich auch hier wohl nicht würde lange halten können.
Nur noch eine Frage der Zeit und er wäre gezwungen die Pforte in die entgegengesetzte Richtung zu durchschreiten um sein altes Leben wieder aufzunehmen.
Elena wurde schon recht frühzeitig auf ihn aufmerksam. Sie war bereit ihm zu helfen, doch wie sollte sie sich ihm nähern?
Elena pflegte normalen Umgang mit Männern, was die alltäglichen Begegnungen und die Konversation betraf. Was Männer reiferen Alters betraf, etwa ab 40 hatte sie auch keine Berührungsängste. Bedeutend schwerer tat sie sich jedoch wenn es sich um junge Männer handelte. In diesem Fall wahrte sie ausgesprochene Distanz, sie schien deren Nähe zu meiden, wie der Teufel das Weihwasser.
Der Grund für dieses Verhalten lies sich bei genauer Betrachtung ihrer Lebensgeschichte leicht herausfinden.
In jedem jungen Mann der ihr begegnete, ganz gleich ob Streber oder Looser, sah sie Leanders Antlitz. Sie behauptete zwar beständig dass sie ihr Trauertrauma überwunden hatte, doch dem war ganz und gar nicht so. In den Tiefen ihres Bewusstseins lastete der Schmerz um den Verlust bleischwer auf ihrer Seele und es gelang ihr nicht diesen dauerhaft zu verbannen.
Das quälende Warum wollte einfach nicht weichen.
Sie, die anderen Traumatisierten zur Seite stand und die meisten davon erfolgreich ins Leben
zu holen verstand, vermochte sich selbst nicht zu heilen. Wenn sie an Leanders Grab trat oder alte Erinnerungsstücke in ihren Händen hielt überkam es sie mit voller Heftigkeit und die Tränen flossen in Strömen. Sie verstand es nur meisterhaft dies vor den anderen zu verbergen.
Einer jedoch konnte sie nichts vormachen. Colette erkannte immer sogleich wenn etwas nicht in Ordnung war. Auch eine Seelsorgerin bedarf der Seelsorge. Auf Colette konnte sich Elena immer verlassen, sie war zur Stelle wenn sie ihrer bedurfte.
Dann nahm die 1,89cm große Frau Platz auf deren Schoß und weinte sich an ihrer Brust aus wie ein unglücklicher Teenager.
Auch Elena war auf ihre Art ein Gebranntes Kind.
Wer das in Betracht zog, konnte leicht verstehen warum sie die Gesellschaft junger Männern mied.
Sie hatte mit einigen den therapeutischen Beischlaf praktiziert, doch es fiel ihr ausgesprochen schwer sich dabei zu konzentrieren.
Bei Heiko schien sich auf seltsame Weise das Blatt zu wenden. Sie spürte ein eigenartiges Interesse an ihm und seinem Schicksal.
Sie war sich der Tatsache bewusst dass er wohl kaum imstande schien den ersten Schritt zu tun, indem er sie ansprach und um Hilfe bat. Also überwand sie sich und ging auf ihn zu.
Eine Gelegenheit lies sich leicht finden. Heiko hatte wieder einmal Streit mit seinen Mitbewohnern. Die WG in der er zunächst untergekommen war bestand aus unterschiedlichen Menschen, Männer und Frauen verschiedenen Alters und Herkunft.
Sie verteilten die Aufgaben autonom unter sich, wie es im allgemeinen üblich war. Gleichen Rechte und Pflichten für jedermann.
Heiko dachte nicht daran sich ein zubringen. Am Anfang lies man ihn gewähren. Er brauchte wohl bedeutend mehr an Eingewöhnungszeit als üblich. Doch irgendwann schien das Maß voll und die Beschwerden häuften sich. Das Tischtuch unwiederbringlich zerschnitten. Die WG-Bewohner baten Elena mit Heiko Fraktur zu reden.
Die erschien dann auch in der alten Mosterei, einem Nebengelass der Abtei, das wie viele andere auch als Wohnraum diente.
Sie klopfte an seinem Zimmer doch es tat ihr keiner auf, noch konnte sie ein „herein!“ vernehmen.
Sie öffnete die Tür und lehnte sich lässig an den Türrahmen. Hören konnte Heiko nichts denn der Walkman auf seinen Ohren lies keine Geräusche durchdringen.
Als er aber dann nach einer kurzen weile zufällig zur Tür blickte und die sinnliche Erscheinung dort wahrnahm schreckte er wie von der Tarantel gestochen in die Höhe.
Nicht im Traume hatte er mit diesem unangekündigten Besuch gerechnet. Es entsprach überhaupt nicht Elenas Art unangekündigt bei den Bewohnern zu erscheinen.
Wenn sie den Menschen etwas Persönliches zu sagen hatte wartete sie immer einen günstigen Zeitpunkt ab. Sprach die Leute an wenn sie die auf dem Gelände begegnete, oder lies denen ausrichte dass sie die Absicht hatte sich mit ihnen zu treffen.
Bei Heiko wollte sie eine andere Strategie ausprobieren.
„Elena hast du mich erschreckt! Warum dringst du hier ein? Was willst du von mir?“
Beschwerte sich der Überrumpelte.
„Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg eben zum Propheten kommen, wie es immer so schön heißt. Ich wollte schon lange Mal mit dir reden, da du dich derart von der Gemeinschaft abkapselst blieb mir keine andere Wahl. Was das Eindringen betrifft.
Möchtest du nicht auch bei mir eindringen?"
Heikos Kopf nahm die Farbe einer reifen Tomate an als er jene Worte hörte.
Was in aller Welt meinte die damit? War dass eine Einladung mit ihr Sex zu haben. Wollte sie ihm den Beischlaf anbieten?
„Ich.. ich weiß nicht wovon du sprichst. Lass mich einfach in Ruhe. Ich will niemanden sehen oder hören!“ Wies Heiko seinen Eindringling schroff zurück.
„Und da bist du dir absolut sicher!“
„Absolut!“
„Nun der Meinung bin ich nicht, ich kann deutlich spüren was dein Herz in diesem Moment zu dir sagt. Nichts wünschst du dir in diesem Augenblick mehr als dass ich die Tür von innen schließe und mich zu dir auf die Bettkante setze.“ Sagte ihm Elena wahr.
„Na meinetwegen. Wenn du schon mal hier bist. Dann setzt dich eben!“ Mimte Heiko den Supercoolen.
Elena ließ ich auf dem Bett neben ihn nieder.
„Schön hast du es hier, auch wenn das Zimmer mal ne gründliche Entrümpelung nötig hätte.“
Stellte sie fest, nachdem sie sich genauer umgesehen hatte.
„Wenn du gekommen bist um mir ne Standpauke zu halten, lass es lieber, ich hab da im Moment ganz und gar keinen Bock drauf.“ Wehrte Heiko ab, dann setzte er den Walkman wieder an seine Ohren und begann im Takte der zu vernehmenden Klänge hin und her zu schwanken.
Elena zog ihm das Ding wieder vom Kopf, dann drehte sie ihn zu sich und sah ihn auffordernd in die Augen, jener Blick dem keiner widerstehen konnte.
Das schien ihn auf einmal in Verlegenheit zu bringen, genau darauf hatte sie gehofft.
„Deine Mitbewohner haben sich über dich beschwert!“
„Ach so, daher weht der Wind und ich dachte tatsächlich für einen Moment du wärst um meinetwillen hier!“ Heiko entwand sich ihr und war im Begriff den Walkman wieder an zu legen. Doch Elena hinderte ihn daran.
„Heiko, warum lässt du mich nicht ausreden? Du weißt doch gar nicht was ich dir zu bieten habe.“ Erwiderte Elena.
„Das kann ich mir denken. Ihr wollt mich maßregeln mit eurer albernen Kommuneordnung.
Ha, da komme ich auf ein Gelände von dem es heißt, hier sei der Mensch wirklich frei, da gebe es eine anarchistische Gesinnung und so. Jetzt stelle ich fest, alles Lüge, alles Augenwischerei. Ihr seid auch nicht besser als die da draußen. Hier finde ich ebenso wenig Freiheit als unter Neidhardts Fuchtel.“ Beschwerte sich Heiko.
„Also wieder einer der den Begriff Anarchismus völlig falsch verstanden hat. Anarchismus ist eben alles andere als eine Einladung zu Chaos und Unordnung, sondern die höchst entwickelte Ordnung überhaupt. Aber deshalb bin ich nicht hier, darüber unterhalten wir uns ein andermal. Ich gebe dir gerne ein paar Extralektionen in Sachen anarchistische Philosophie. Zunächst aber müssen wir dein Wohnungsproblem lösen, denn wie es scheint, kannst du hier nicht weiter leben.“ Versuchte Elena sachlich auf ihn einzuwirken.
„Das denke ich auch. Mit denen bin ich von Anfang an nicht zurecht gekommen. Ständig diese Meckerei. Nichts konnte ich ihnen recht machen, was ich auch anpackte war falsch.
Da kann einem nur das große Kotzen kommen. Die können mich alle mal am Arsch lecken.“
Überbot sich Heiko in Kraftausdrücken.
„Gut da werden wir dich eben anderweitig unterbringen!“
„Ach und wo bitteschön soll das sein?“
„Bei mir! Sind gerade Gästezimmer frei geworden, da Inga und Sonja zusammen eine eigene WG gründen.“ Bot Elena an.
„Bei dir? Ist dass dein ernst?“
„Mein voller ernst! Warum sollte ich dich damit necken?“
Darauf konnte Heiko zunächst nichts erwidern und schwieg.
Er der totale Looser, der es wohl im Leben nie zu etwas bringen würde hatte gerade von einer der tollsten und genialsten Frauen der Welt die Einladung bekommen bei ihr zu wohnen. Das konnte nicht sein. Offensichtlich wollte ihm das Schicksal narren.
„Ich.. ich muss das erst mal verdauen!“
„Aber nicht dass du dir den Magen dabei verdirbst. Du kannst mir glauben. Wenn du magst kannst du deine Sachen packen und gleich mit mir kommen, oder später, wie du willst.“
„Aber es heißt, du würdest nur Frauen in deiner WG leben lassen, wenn die in Not sind. Gilt das nicht mehr, oder warum machst du bei mir ne Ausnahme:“ Heiko konnte sein Zweifel noch immer nicht begraben.
„Das möchte ich auch gerne wissen!“ Antwortet Elena, was ihn noch tiefer verunsicherte.
Elenas Antwort war ehrlich, sie konnte sich in der Tat nicht erklären warum sie ausgerechnet bei ihm die Prinzipien brach denen sie sich verpflichtet fühlte.
„Mein Angebot steht. Überlege es dir! Du kannst zu mir kommen oder es einfach bleiben lassen. Es ist allein deine Entscheidung. Aber lass dir nicht zu lange Zeit, ich muss spätestens bis Übermorgen deine Antwort wissen. Die Zimmer in meiner WG sind ausgesprochen begehrt, wie dir sicher nicht entgangen sein dürfte.“ Elena erhob sich abrupt und machte Anstalten das Zimmer zu verlassen.
Heiko hielt sie am Arm fest.
„Warte doch! Also ich würde dein Angebot schon in Anspruch nehmen, aber da müsste ich wissen wie es so bei euch läuft. Ich meine mit Regeln und so. Stimmt es was man sich über eure Freizügigkeit berichtet. Ich meine dass ihr…“
„Das kannst du vergessen mein Lieber. Bei mir, bzw bei uns herrschen strenge Regeln, las dir das gesagt sein. Wenn du dich nicht zu benehmen weißt fliegst du raus ist das klar? Denk nicht dass du uns dort dominieren kannst nur weil du glaubst ein Mann zu sein. Halte dich an die Abmachungen und es geht seinen Gang, wenn nicht, weißt du jederzeit wo du den Ausgang findest.“
Harte Worte, die ihre Wirkung nicht verfehlten. Heiko begriff welche einmalige Chance ihm hier geboten wurde. Er durfte am Tisch einer Göttin Platz nehmen und womöglich nahm sie ihn auch mal unter ihre Decke. Es hieß also sich zusammenreißen und alles tun was sie von ihm verlangten.
Als Heiko am 2. Tag nach ihrer Unterredung noch immer nichts von sich hatte hören lassen, glaubte Elena schon ihn aufgeben zu müssen, doch nichts desto trotz stand er schließlich am frühen Abend mit einem Rucksack seiner Habseligkeiten vor der Tür.
„Und? Gilt dein Angebot noch immer?“
„Nun sagen wir gerade noch. Ich war schon im Begriff mich anderweitig zu orientieren. Du hast Glück. Noch eine Stunde und du hättest wieder von dannen ziehen können.“
Darauf erwiderte er nichts, stand einfach nur da ohne sich zu äußern.
„Na komm schon rein, oder soll ich dich auf chinesisch einladen?“
„Sag nur dass du das auch beherrschst? Du sollst nen echtes Superhirn besitzen, erzählt man sich.“ Meinte Heiko während er durch die Pforte schritt sich dabei misstrauisch umsehend.
„Und wenn es so wäre, hast du Probleme damit?“ Erwiderte Elena während sie ihm voranschritt. Sie verspürte keine sonderliche Lust auf so eine Sinnloskonversation.
Doch wenn sie zu ihm durchdringen wollte um sie sein Gemüt ausreichend zu erkunde, musste sie sich weiter auf diesem Niveau bewegen.
Es ging die Treppe hinauf bis sie das obere Stockwerk erreicht hatten.
„Ganz schön geräumig habt ihr`s hier. Man, der Flur ist doch mindestens 100 m lang?“
Glaubte Heiko zu wissen.
„Nicht ganz exakt, es sind 90 aber du warst nahe dran. Hier befanden sich früher die Mönchszellen. Wir haben diese Etage so wie die sich direkt darunter befindliche zu Wohneinheiten umgebaut. Wenn du`s genau wissen willst. “ Klärte Elena auf.
Schließlich wies sie ihn in ein geräumiges aber spartanisch eingerichtetes Zimmer.
„Du kannst es dir nach deinem Geschmack einrichten, aber bedenke, es ist nur vorübergehend, verändere also nicht all zu viel. In einer halben Stunde essen wir. Madleen, Colette, meine Tochter Tessa und du.“
Elena wandte sich zum Gehen, blieb dann aber stehen um ihrem neuen Mitbewohner eine letzte Regel einzuschärfen.
„Ach ja, was du dir noch hinter die Ohren schreiben kannst. Halte dich stets an mich oder Colette.
Wage es nicht, Madleen dumm anzumachen, sonst lernst du mich auf eine Weise kennen, die dir ganz und gar nicht gefallen wird. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?“
„Ja,! Absolut!!“
„Sehr gut! Halte dich dran und wir werden bestens mit einander auskommen.“
Das saß! Elena hoffte damit alles gesagt zu haben und schloss die Tür von außen.
Das Abendessen verlief in ruhigen Bahnen, Colette und Madleen waren Heiko keine Unbekannten mehr, aber hier lernte er sie nun deutlich näher kennen. Heiko blieb den ganzen Abend über recht schweigsam, sprach nur wenn er ausdrücklich dazu aufgefordert wurde, offensichtlich begann er die Lektionen zu lernen. Oder war es die Umgebung die sich auf sein Gemüt begann auszuwirken. Jedenfalls schien von dem Großmaul nicht mehr all zu viel übrig geblieben.
Irgendwann hatte er sich zu Bett begeben, konnte aber aufgrund der viele Eindrücke die sich vor ihm auftaten keinen Schlaf finden.
Plötzlich öffnete sich die Tür, instinktiv zog er die Decke bis zu seinem Kinn. Er traute seinen Augen nicht, da stand sie, die Powerfrau bekleidet nur mit dem Morgenrock.
Ihren ruppigen Ton von vorhin hatte sie gegen eine sanfte sinnliche Stimme eingetauscht.
„Ich habe mich entschieden, dir den therapeutischen Beischlaf schon in der ersten Nacht anzubieten. Ist sonst eher unüblich, aber ich möchte es jetzt, ich denke du hast nichts dagegen einzuwenden?“
„Ich? Nein, komm nur rein. Ich war nur so überrascht, ich habe nicht schon heute Nacht damit gerechnet. Aber wenn du schon mal da bist.“
Elena streifte ihre spärliche Bekleidung ab und bot ihre erotische Erscheinung dar.
Heiko stockte der Atem, er war nicht imstande auch nur einen Ton hervorzubringen.
Sie bettete sich neben Heiko und wartete bis dieser sich von seiner Kleidung befreite.
„Du bist wunderschön! Ich hätte nie damit gerechnet dir einmal so nahe zu kommen. Und was geschieht jetzt mit mir?“ Es war eine Mischung aus Ängstlichkeit, Faszination und Begierde die aus seiner Stimme sprach.
„Ich werde deiner Seele den Frieden bringen den sie benötigt um hier dauerhaft zu leben. Du wirst von all dem Unrat befreit der sich mit der Zeit dort abgelagert hat. Die Dämonen der Vergangenheit verlieren ihre Macht über dich.“ Erklärte ihm Elena während sie dabei sanft seine Brust streichelte. Allein schon diese Art der Berührung brachte ihn an den Rand der Ekstase. Was würde wohl geschehen, wenn sie richtig in Fahrt kam?
Er akzeptierte recht schnell die ihm zugewiesene passive Rolle und überlies sich ganz der erfahrenen Meisterin
Elena nahm seinen Kopf in beide Hände und küßte ihm auf die Stirn, die Augen und schließlich auf den Mund. Lange schon hatte sie dass bei keinem Mann mehr getan, jene besonders zärtliche Geste war ansonsten den Frauen und hier vor allem den Schwestern vorbehalten.
In dieser Nacht brach sie gleich mit mehreren Grundsätzen.
„Vertrau mir! Überlasse dich mir und ich werde dich über die Schwelle tragen, hinein in dein neues Leben.“ Versicherte Elena während sie sich auf ihm platzierte. Seine Erregung ragte ihr verräterisch entgegen.
Dann begann sie ihren Tanz auf ihm zu vollführen. Heiko kam es wie eine außerkörperliche Wahrnehmung vor, was sich ihm hier darbot.
Er entlud sich mit voller Kraft in ihr. Dann verließen ihn die Kräfte. Elena streckte ihren athletischen Körper über ihn und begann ihn zu liebkosen, flüsterte dabei ihre magischen Worte in sein Ohr, die sie, in der Hoffnung auf Heilung, schon so oft bei diesem Akt gesprochen hatte.
Lange lagen sie noch so beieinander. Elena war über ihre eigene Empfindung höchst überrascht. Das was sie selbst empfunden hatte überstieg weit die Erfüllung einer Pflicht, daher hatte sie es auch nicht sonderlich eilig ihn zu verlassen. Sicher, ihr verlangte auch nach Madleens Körper in diesem Moment, doch sie wusste diese sicher in Colettes Armen aufgehoben, wie immer wenn sie diesen Akt bei anderen vollzog.
„Wie fühlst du dich?“ Wollte sie wissen, während sie durch sein schweißnasse Haar strich.
„Habe mich nie im Leben besser gefühlt! Das hat mir gut getan! Ich danke dir!“ Sprach er mit leiser Stimme.
„Spürst du schon eine Art Veränderung?“
„Hm, schwer zu sagen, ich bin irgendwie noch total im Rausch!“
„Das ist normal! Ich denke in den Folgetagen wirst du mehr in Erfahrung bringen!“ Glaubte Elena zu wissen.
„Daran könnte ich mich gewöhnen. Komm doch einfach öfters zu mir!“ Heiko schmiegte sich ganz eng an Elenas Körper. Die schlang ihre Arme um ihn und zog ihn zu sich.
„Das kann ich mir vorstellen. Du bist nicht der erste und mit Sicherheit auch nicht der letzte, der oder die sich während der Therapien in mich verliebt!“ Erwiderte Elena.
„Ist ja auch ne ganz ungewöhnliche Art von Therapie, die du da anbietest.“
„Das soll wohl auch so sein. Nun wird es für dich heißen, langsam aber sicher Abstand herzustellen. Wir können uns wie gute Freunde zueinander verhalten, uns auch berühren, herum flaxen und was weiß ich nicht noch alles. Deine Geliebte werde ich nicht. Mein Herz ist vergeben und das ist gut so. Ich will dir keine falschen Hoffungen machen. Aus diesem Grund sage ich es direkt.“ Gestand Elena frei heraus. Er würde mit dieser Tatsache leben müssen, und je eher er es begriff desto besser.
„Nun, Hoffnung habe ich mir eigentlich gar keine gemacht. Ein Looser wie ich und so ne Powerfrau wie du? So schlau bin ich auch.“
„So habe ich das nicht gemeint,Heiko! Soziale oder Intellektuelle Unterschiede spielen keine Rolle. Wäre mein Herz frei, wer weiß, was hätte werden können. Ist es aber nun mal nicht.“ Versuchte sie die Sache zu deuten.
„Ich werde damit fertig! Auch wenn ich die nächsten Tag sicher noch ein wenig von den Socken bin.“
„Da ist gut! Das ist sehr gut!“ Sprach Elena während sie seinen Rücken graulte.
„Du wirst jemand finden, der oder die zu dir passt. Ich denke da liegt eines deiner Probleme.
Ich werde dir dabei helfen, wenn du magst.“
„Nach dir ne andere lieben? Dürfte sich als schwierig erweisen!“
„Ach das wird schon, wenn wir nur intensiv danach Ausschau halten.“
„Du bist so schön! So wunderschööööön!“
Nun war es Zeit für den Abflug. Er war dabei sich in sie zu verlieben. Sie musste dafür sorgen, dass diese Liebe in den rechten Bahnen verharrte und nicht etwa Unglück hervorrief, das am Ende der ganzen Gemeinschaft zum Schaden gereichen könnte.
Sie erhob sich und lies die Beine auf den Boden gleiten.
„Ach bleib doch noch ein bisschen. Nur noch ein Viertelstündchen!“ Flehte Heiko und Bitterkeit machte sich in seiner Stimme bemerkbar.
„Ich muss gehen, leider! Ich verharre schon länger bei dir als ursprünglich geplant. Ich habe meine Pflicht erfüllt. Nun bist du an der Reihe. Klebe nicht zu sehr an mir Heiko, das macht die Sache nur kompliziert. Befreie dich von deiner Neigung zu mir.
Nutze die Zeit um in dich zu gehen.“
Dann war sie auch schon verschwunden und lies ihn mit all seine Fragen und aufgewühlten Gefühlen zurück.
Die Gefahr war groß, das sich Heiko verrannt hatte. Eine Tatsache die bei Männern immer wieder vorkam. Aus diesem Grund praktizierte sie den therapeutischen Beischlaf auch unter ganz andern Vorzeichen als bei Frauen.
Männer sahen in Elena oft nur einseitig ein Sexsymbol, vermochten nicht wie Frauen tiefer zu schauen und in die allumfassende Liebe vorzudringen. Ein großes Manko, doch wie sollte sie dem Abhilfe schaffen? Heiko würde mit ihr auch in den nächsten Tagen in der WG zusammenleben. Sie konnte ihn nach diesem Erlebnis unmöglich vor die Türe setzen.
Die baldige Beschaffung eines Gefährten oder einer Gefährtin stand auf der Tagesordnung, das war nicht ohne Risiken. Ging es gut, hatte sie erfolgreich an einer Konfliktlösung gearbeitet und alle gewannen dabei. Ging es aber daneben und diese Beziehung scheiterte nach kurzer Zeit, könnte damit unter Umständen eine Katastrophe heraufbeschworen werden. Denn nichts verletzt einen Menschen nun mal derart wie verschmähte Liebe.
Doch nicht nur Heiko wurde in dieser Nacht von einer schweren Last erlöst,sondern auch Elena. Sie hatte den Liebesakt sichtlich genossen, war nicht nur als Therapeutin sonder auch als Frau in sein Bett gestiegen. Der Bann auf ihrer Seele schien gelöst. Elena hatte sich damit selbst befreit.
Von nun an würde sie jungen Männern wieder offener begegnen können, sich ihnen vorbehaltlos nähern und durfte sich auch erlauben etwas Positives dabei zu empfinden. Ihr Trauma war gebrochen.
Die vergangene Nacht hatte also zwei Menschen den Frieden mit sich selbst gebracht.
Schon am Folgetag begann die sich Wirkung ihren Weg zu bahnen. Heiko schien wie ausgewechselt. Da war kaum noch etwas zu spüren von jenem bockig-trotzigem, das ihn bisher gekennzeichnet hatte.
Freundlich und hilfsbereit begegnete er den andern und brachte ihnen die Achtung entgegen, die ihnen gebührte.
Es tat richtig gut ihn auf seinen Weg zu begleiten.
Die Partnerwahl sollte sich hingegen als schwierig erweisen.
Wer käme in Betracht?
Zunächst galt es das Geschlecht auszuwählen. Ein Mann, eine Frau eine Kundra?
Erneut schwebte ihr Colette vor. Warum nicht einen jungen Mann an ihre Seite stellen, der ihr den Hof machen und sie wie seine Königin behandeln würde. Doch erneut verwarf sie diesen Gedanken. Für Colette sollte es etwas ganz besonders sein.
Schon seit geraumer Zeit betätigte sich Elena als Kupplerin. Es bereitet ihr Freude Menschen einander näher zu bringen die unter Einsamkeit und Ausgrenzung litten. Sie konnte auf diesem Gebiet beachtliche Erfolge aufweisen.
Inga und Sonja hatten sich gefunden. Sonja hätte sie sich durchaus an Heikos Seite vorstellen können. Die wesentlich ältere Frau hätte gut für einen Ausgleich in seinem Leben sorgen können.
Einen männlichen Partner? Wie wäre es damit? Genau! Elena überlegte und war sich sicher, hier fündig geworden zu sein. Ein älterer erfahrener Mann, kultiviert und gebildet wäre die richtige Wahl. An dessen Seite konnte der jugendliche Heißsporn lernen und reifen.
„Ansgar!“ Schoss es ihr wie ein Blitz durch den Kopf. Warum war sie nicht gleich darauf gekommen? Der alte Gefährte, aus den ganz frühen Tagen zählte zu den
Gründungsmitgliedern der Kommune und verfügte über all diese Fähigkeiten. Und er war selbst einsam, zumindest glaubte Elena das zu wissen.
Er betonte zwar immer dass es ihm gut ging und sie sich keine Sorgen machen brauchte, wenn sie sich nach seinem Befinden erkundigte. Seine Arbeit in der Verwaltung besorgte er gewissenhaft und er führte ein stilles unauffälliges Leben. Aber er zog sich in der letzten Zeit des Öfteren zurück, beteiligte sich nur noch wenig am gemeinschaftlichen Leben. Es zog ihn in die Natur, an die stillen Orte, die es auf dem Gelände der Abtei zum Glück in ausreichendem Maße gab. Die letzte Zeit benötigte er bei seinen Gängen eine Gehhilfe. Die Verletzung an seinem Bein, eine Hinterlassenschaft aus dem letzten Bürgerkrieg, hatte ihn zum Behinderten gemacht.
Er suchte keine Gefährtin, obgleich es eine ganze Reihe Kandidatinnen gab. Elena wusste, das seine Vorliebe jungen Männern galt. Und hier hatte sie den potentiellen Partner gefunden.
Ein junger, gut aussehender kräftiger Mann würde den vereinsamten Kämpfer wieder aufbauen, Freude und Glück in seine vier Wände bringen.
Wie sollte sie diese völlig unterschiedlichen Charaktere zusammenbringen? Bei Frauenpaaren gelang ihr das ausgezeichnet und auch Heterobeziehungen konnte sie schon stiften, bzw. kitten, wie etwa jene von Ronald und Alexandra an denen sie mit Beharrlichkeit arbeitete.
Bei Männerbeziehungen lagen die Dinge etwas anders. Sie glaubte dass ihr als Frau die Kompetenz fehlte. Nun würde sie einen Versuch wagen um sich auch auf diesem Gebiet zu beweisen.
Es bedurfte eines langen Atems. Aber Elena glaubte an den Erfolg ihres Vorhabens.
Schon in nächster Zeit würde sie die Weichen stellen.