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Larissas Opfergang
Madleen schreckte nach oben. Sie atmete hastig und ihr Herz raste. Schweißperlen standen ihr auf der Stirn. Sie blickte sich um, alles friedlich und in wohltuende Stille gehüllt.
Tessa atmete ruhig neben ihr im Bett. Erst einmal sammeln und zu sich kommen. Sie befand sich im Hotelzimmer des gemütlichen Landgasthofes, in dessen Mauern sie sich gemeinsam mit Tessa vor 5 Tagen einquartiert hatte. Jener Landgasthof in den österreichischen Alpen jenseits der Grenze. In Sicherheit, außerhalb der Reichweite von Cassians Häschern. Schon wieder einer dieser Alpträume, düster, furchterregend und von einer Unglaublichen Brutalität erfüllt. Ein Gefühl tiefer Erleichterung durchfuhr ihren Körper.
Alles nur geträumt. Doch die Erlebnisse dieser Schreckensvision wirkten noch eine ganze Zeitlang weiter in ihrem Bewusstsein und sorgten dafür, dass sich die Nachtruhe so schnell nicht wieder einstellte.
Leise erhob sich Madleen, um Tessas Nachtschlaf nicht zu stören, begab sich ins Badezimmer, feuchte sich das Gesicht und trocknete sich ab. Danach nahm sie einen Schluck Mineralwasser, ihre Kehle fühlte sich an wie ein ausgetrockneter Bachlauf.
Sie nahm wieder auf der Bettkante Platz und durchforstete ihre Gedanken.
Was hatten diese Alpträume zu bedeuten? Was wollten sie ihr sagen. Sie sah sich im Kerker, in der Folterkammer, den Schikanen der Foltermeisterin auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Hätte man sie auf der Flucht gefasst, dann wäre es durchaus denkbar, dass sie jetzt jene Qualen zu erleiden hätte, die Dagmar hinter sich hatte.
Nein, sie hatten es geschafft. Sie und Tessa waren in Sicherheit. Jeden Tag könnten sie aufbrechen und nach Deutschland weiterreisen, dort auf die Schwesternschaft im Exil treffen, Versöhnung mit den Menschen die ihren Herzen so nahe standen. Es lag einzig und allein an ihr wann sie diesen Schritt in die Tat umzusetzen gedachte.
Larissa!! Larissa war nicht hier! Die neu gewonnenen Geliebte war nicht bei ihr, die weilte noch in Melancholanien, befand sich mit Sicherheit in großer Gefahr. Das war der Wermutstropfen, der keine so rechte Freude in ihr aufkommen lassen wollte.
Sie vermisste die Geliebte unendlich und die Sorgen um ihr Leben lähmten zunehmend ihren Verstand.
Larissa hatte sich geopfert. Sie wollte Elena und Madleen nicht im Wege stehen, wie sie sagte.
Madleen würde in Elenas Arme zurückkehren und alles wäre wieder so wie früher. Lag in diesem Opfergang die Lösung der komplizierten Situation? Wohl kaum! Madleen hatte sich unsterblich in Larissa verliebt. Das war keine abgeschlossene Episode, kein Flirt am Rande, den man schnell zu den Akten legen konnte. Madleen fühlte sich zudem verantwortlich für Larissas Leben und deren Wohlergehen.
Doch nun war sie von ihr getrennt, konnte ihr nicht helfen, würde schon bald nach Deutschland weiterreisen, dort auf Elena treffen.
Sie musste das Schlimmste fürchten, nämlich dass sie Larissa nie wieder sehen würde. Bei diesem Gedanken stach es in ihrer Brust, so als habe ihr jemand einen scharfen Dolch ins Herz gestoßen.
Madleen legte sich wieder hin. Es war kurz nach 3 Uhr nachts. Noch ein Stückweit Zeit bis zum Aufstehen.
Unruhig wälze sie sich hin und her. Den Rest der Nacht schlaflos verbringen, oder in den nächsten Alptraum fallen? Das war hier die Frage. Eine Alternative könnte es wohl kaum noch geben.
Madleen erhob sich zeitig. Die Träume der Nacht wirkten nach. Es viel ihr schwer etwas zuwege zu bringen, geschweige dem sich auf die Zukunft zu konzentrieren. Doch genau das wurde jetzt von ihr erwartet. Ein paar Tage ausspannen, zur Besinnung kommen, sich neu orientieren, das war ihr gegönnt. Doch einmal würde sie eine Entscheidung treffen müssen. An diesem Morgen sah sie den Augenblick für gekommen.
Tessa hatte sich ebenfalls erhoben, sie war das Frühausstehen gewohnt und kam allmorgendlich gut aus den Federn.
„Also Tessa! Wenn wir gefrühstückt haben, werden wir uns um unsere Abreise kümmern.
Was sagst du dazu? Würde dir das gefallen?“ Fragte Madleen die Ziehtochter als diese aus dem Badezimmer kam.
„Abreisen? Geht es wieder heim nach Anarchonopolis? Oh, wie schön!“
„Noch nicht ganz, mein Engel. Erst einen Umweg über Deutschland machen, genau über Köln. Dort treffen wir auf Tante Colette und die anderen. Ja und womöglich auch auf die Mutti, wenn sie dort schon eingetroffen ist!“
„Echt? Das wäre toll!“ Begeisterte sich Tessa.
„Würdest du dich freuen, endlich die Mutti wieder zu sehen?“ Stellte Madleen die alles entscheidende Frage.
„Ja! Natürlich freue ich mich. Sie war lange weg!“
Das klang nicht sehr begeistert. Elena schien Tessa entfremdet. Darin lag eine große Gefahr.
„Sie wird sich auch freuen dich endlich wieder zusehen, davon bin ich überzeugt! Wagte Madleen eine Zukunftsprognose.
„ Kann sein! Wenn nicht ist es auch nicht schlimm, du bist ja meine Mama.“
Tessas Aussage schmerzte, auch wenn sie Madleens Stellung deutlich aufwerte. Im Grund stand ihr Madleen immer erheblich näher, trotz der Tatsache, dass sie gar nicht ihre Mutter war.
„Wir werden immer zusammengehören, du, ich und die Mutti! Ganz gleich was auch immer geschehen mag.“ Versuchte Madleen zu beschwichtigen.
Tessa schwieg. Ein Schweigen das wohl mehr Aussagekraft besaß als alle Worte.
Weitgehend schweigend nahmen sie auch ihr Frühstück ein. Dazu begaben sie sich in den gemütlichen Frühstücksraum in Parterre.
Im Anschluss ging Madleen zur Rezeption, um dort nach einer günstigen Zugverbindung in Richtung Deutschland zu forschen. Das nahm kurze Zeit in Anspruch. Sie waren abreisebereit. Es war noch so viel an Geld vorhanden, dass Madleen nicht auf den Preis zu achten brauchte, der bei einer kurzfristigen Buchung womöglich heftig war.
Es war Cassians Geld, das Geld eines Verbrechers. Sie brauchte sich dafür nicht zu schämen.
Sie fanden eine günstige Verbindung für den folgenden Morgen.
Mit einem zufriedenen Gesicht begab sich Madleen auf ihr Zimmer. Tessa wartet dort bereits.
„So mein Schatz. Alles geregelt. Wir werden dann morgen Vormittag von hier abfahren. Wenn alles gut verläuft, könnten wir schon am späten Abend unser Ziel erreichen.“
„Dann müssen wir wohl packen?“ Wollte Tessa wissen.
„Ja, aber das hat Zeit. Viel haben wir ja nicht mitzunehmen.“
„Und was machen wir heute?“
„Nun heute machen wir uns noch einen schönen Tag. Was hältst du von einer Wanderung?“
„Oh ja, das macht Spaß!“ Begeisterte sich Tessa.
„Also dann! Auf auf! Mach dich bereit. Wir essen unterwegs zu Mittag. In etwa einer Stunde machen wir uns auf den Weg. Ich muss nur noch der Tante Colette eine Nachricht senden.“ Erklärte Madleen.
„Gib der Tante Colette einen dicken Kuss von mir:“
„Das werde ich, und zwar einen gaaaaaanz dicken.“
Madleen setzte sich an das Notebook, dass sie sich hier ausgeliehen hatte und schrieb einige wichtige Zeilen an Colette.
Es war nicht das erste Mal, dass sie den Kontakt herstellte. Sie hatte die Königin bereits von Akratasien aus kontaktiert. Um nicht aufzufallen, hatte sie das über Larissas Notebook getan.
Aber das waren nur flüchtige Sympathiebekundungen.
Nun hatte sie erstmals etwas ganz Konkretes, das sie Colette mitzuteilen gedachte, etwas von enorm positivem Charakter. Sie wollte ihre baldige Heimkehr ankündigen.
„Liebe Colette, meine Königin, die einzige, zu der ich stehe und immer gestanden habe. Ich komme zurück. Ja, du hast dich nicht verlesen. Ich komme heim. Schon morgen am späten Abend könnten wir bei euch sein, wenn alles gut verläuft. Ich komme nach Hause, auch wenn sich unser Zuhause derzeit im Exil befindet. Bitte vergib mir! Ich habe meine schweren Fehler erkannt, meinen Verrat an dich, an Elena, an den Freiheitstöchtern, an Akratasien.
Ich bitte euch alle um Verzeihung, soweit es so etwas überhaupt geben kann. Nehmt mich wieder auf in eure Mitte, dort wo ich hingehöre, dort wo mein Platz ist. Ich will alles tun, um Wiedergutmachung zu leisten. Bestrafe mich, ich akzeptiere es, aber bitte weiß mich nicht ab.
Ich bin nur bei den Schwestern ein wahrer Mensch. Nur bei euch werde ich Frieden finden. Vor allem Frieden mit mir selbst.
Die Entscheidung liegt bei dir, meine Königin. Ich lege mein Schicksal in deine Hände.
Diene ewige Tochter Madleen.“
Während des Schreibens traten Madleen die Tränen in die Augen. Es war eben einfach zu emotional. Aber sie war froh sich zu diesem Schritt durchgerungen zu haben. Geschafft! Die mail versandt. Madleen schaltete das Notebook aus.
Banges Warten. Wie würde Colette darauf reagieren?
Eine Lange Wanderung war jetzt die beste Möglichkeit die Zeit zu überbrücken.
Madleen und Tessa bereiteten alles vor, dann begaben sie sich auf den Weg in die schöne bergige Landschaft der Alpen.
Sie verbrachten fast den ganzen Tag in der Natur. Es wurde ein schöner Tag. Ausreichend Proviant hatten sie mitgenommen, so dass sie unabhängig waren.
Madleen konnte die ganze Zeit über nie richtig abschalten. Ein Teil ihrer Gedanken war immer bei der mail, die sie Colette hatte zukommen lassen und welche Reaktion die wohl auslösen würde.
Es war schon später Nachmittag als sie in den Landgasthof zurückkehrten.
Madleen konnte es gar nicht erwarten ihr Notebook in Gang zu setzen. Doch dann zögerte sie.
Was, wenn die Antwort negativ ausgefallen war? Angst bemächtigte sich ihrer. Das wäre kaum auszudenken.
Dann klickte sie ihre Nachrichten an und tatsächlich hatte Colette bereits in der Mittagszeit reagiert.
„Liebe Madleen, ich bin überglücklich das zu hören. Komm! Komm einfach zu uns zurück.
Du warst nie draußen. Ich habe die Hoffnung niemals aufgegeben. Nun ist es so weit. Ich kann meine Gefühle kaum beschreiben, so sehr hat es mich aufgewühlt. Ich breite meine Arme aus und heiße dich willkommen und die anderen werden das ebenso tun.
Eine wunderbare Neuigkeit habe ich für dich, solltest du es nicht schon anderweitig erfahren haben. Elena ist zurück. Sie ist vor wenigen Tagen hier eingetroffen und erwartet dich voller Sehnsucht. Sie hat nie aufgehört dich zu lieben. Ich selbst freue mich besonders darauf euch wieder als Paar zu erleben.
Dagmar ist auch hier, sie ist krank, aber auf den Weg zur Besserung
Sie hat uns von deinen mutigen Aktionen berichtet und wie du ihr beigestanden hast. Ja, das bist du, meine Madleen. Auch die Art wie du Cassian gründlich blamiert und vorgeführt hast, hat sich schon herumgesprochen.
Deshalb sage ich es nochmal. Komm! Lass alles stehen und liegen! Alles ist vergeben. Du bist die letzte, die noch erwartet wird, von allen sehnsüchtig erwartet Wir werden wieder eine große Familie, die Freiheitstöchter von Anarchonopolis.
Akratasien wird wieder leben!
Deine Königin des Herzens Colette!“
Madleen ließ den Tränen freien Lauf. Das war die erlösende Botschaft. Colette war ihr nicht böse, klagte sie nicht an. Sie würde wieder ein Teil der Freiheitstöchter sein, jener Gemeinschaft, der sie einst ihr Leben überantwortet hatte, jener Gemeinschaft, die für ihr Empfinden das Lebensideal schlechthin bedeutete. Und Elena: Sie war zurück, sie würde sie womöglich morgen schon in die Arme schließen können.
Der Alptraum zu Ende? Ein Neuanfang? Alles wieder gut? So wie früher?
Madleen musste sich eine Weile sammeln, um zu begreifen, dass sie das alles nicht nur geträumt hatte.
Immerhin hatte sie damals einen schweren Verrat begangen und ihren Anteil an Cassians Machtergreifung beigesteuert. Ihren Teil zum Zerfall der Schwesternschaft und das schwere Los des Exils. Ihren Beitrag an Elenas Verzweiflung, die um ein Haar in den Tod gegangen wäre.
Elena, jene Frau die sie liebte, mehr als ich ihr eigenes Leben.
„Elena ich komme! Ich komme wieder zu dir. Elena, meine große Liebe. Meine einzig große Liebe! Niemand wird uns je wieder trennen! Wir werden wieder ein Paar, besser und vertrauensvoller als je zuvor.“ Sprach Madleen zu sich selbst.
Doch kaum das sie ausgesprochen hatte, stach es kräftig in ihren Herzen. Einzig große Liebe?
Nein, da gab es noch jemand anderen. Zwar erst seit einigen Wochen. Aber diese Liebe war ebenso echt und authentisch. Larissa!
Die hatte sich geopfert. Sie wollte Madleens großer Liebe zu Elena nicht im Wege stehen.
Sinnlos geopfert! Dabei war doch in Anarchonopolis alles möglich. Auch das man mehr als nur einer Person seine bedingungslose Liebe schenken konnte.
Doch Larissas Opfergang schien unumkehrbar.
„Larissa! Ich liebe dich doch ebenso! Genauso leidenschaftlich und voller Zärtlichkeit. Genauso wie Elena. Wo bist du jetzt, mein kleiner Spatz? Was tun sie jetzt mir dir? Etwas Schlimmes, Furchtbares? Ich mag gar nicht daran denken!“
Madleens Zwiespalt bohrte tief in ihrem Herzen. Wie nur konnte sie leben, lieben, die neue geschenkte Freiheit nutzen und ein sicheres Zuhause genießen, wenn Larissa gleichzeitig würde leiden müssen
Etwa zur gleichen Zeit wartete Larissa auf ihren Prozess. Sie war unmittelbar nach Madleens Flucht in Haft genommen wurden und befand sich in der Ordensburg in Gewahrsam. Bisher war alles noch glimpflich verlaufen. Sie war in einem recht großen Zimmer untergebracht und konnte täglich mehre Stunden im Freien verbringen.
Cassian hatte noch nicht endgültig über ihr Schicksal entschieden. Hinter vorgehaltener Hand wurde gemunkelt, dass er sie womöglich an Madleens Stelle als Gespielen gebrauchen wollte.
Mit Liebe hatte das selbstverständlich nicht das Geringste zu tun, noch bedeutend weniger als dessen Beziehung zu Madleen. Larissa als bloßes Sexobjekt, seinen Launen und perversen Neigungen voll ausgeliefert.
Der Tod könnte nicht schlimmer sein.
Es würde auf eine Entscheidung hinauslaufen. Entweder Unterwerfung und ein Weiterleben in Schande, tiefer Demütigung und sexueller Ausbeutung oder dem Tod.
Larissa brauchte nicht lange zu überlegen, um zu wissen, dass sie sich für Letzteres entscheiden würde.
Seit ihrer Gefangennahme vor drei Tagen wurde sie täglich zu einem Verhör beordert. Auch die fanden bisher erstaunlicherweise in gemäßigter Atmosphäre statt.
Sie saß dort mehreren männlichen Offizieren des Blauen Orden gegenüber, die sie mit Fragen überschütteten.
Geständnis! So lautete das Zauberwort. Doch warum? Sie hatte alles gestanden, hatte all das man ihr zu Lasten legte zugegeben und betont, dass sie nicht bereute und es jederzeit wieder tun würde. Sie bekannte sich zu ihrer Liebe zu Madleen und bekundete, dass sie für die, wenn es sein musste alles auf sich nehmen würde.
„Du bist dir offensichtlich nicht der Konsequenzen bewusst, die dein Handeln nach sich ziehen kann. Du bist eine Hochverräterin und für Hochverrat kann es nur eine Strafe geben. Ich wundere mich über den Umstand, dass Cassian so viel Geduld mit dir aufbringt nach all dem was geschehen ist. Nun gut, das liegt natürlich an der derzeitigen Situation im Land. Unser geliebter Anführer ist ständig gefordert Aufruhr und Verschwörungen niederzuschlagen. Aber glaub nur ja nicht, dass er dich vergessen hat.“
„Ich… ich bin mir im Klaren über alles… Ich…ich weiß was auf mich zukommt.“ Begann Larissa zu stottern, wie immer, wenn sie unter großem Druck stand.
„Na umso besser! Dann kannst du dich auch auf das einstellen, was dich erwartet, wenn du Cassian noch einmal verärgern solltest.“
„Wie könnte ich ihn denn noch einmal verärgern?“ Wollte Larissa wissen.
„Du verärgerst ihn immerfort!“ Sprach der Offizier mit deutlich strenger Stimme.
„Deine ganze Existenz ist ein Ärgernis. Die Art wie du bisher aufgetreten bist. Du sollst deine Tat zumindest bereuen. Aber das hast du bisher nicht getan. Wir haben bisher Milde walten lassen, wenn du aber weiter so verstockt bist, sehen wir uns gezwungen härtere Maßnahmen anzuwenden.“
Die Tür öffnete sich und zwei weitere Ordensangehörige betraten den Raum. Das galt wohl ebenfalls als Einschüchterung. Die beiden nahmen auf Stühlen Platz die sich im Raum befanden.
Nach einer Weile ergriff einer der beiden das Wort.
„Ich bringe Nachricht von Cassian. Wenn sie heute nicht bereut, sind die Sondermaßnahmen angeordnet. Und zwar unverzüglich.“
„Du hast es gehört! Letzte Chance den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Wir werden dich ansonsten in das Verließ bringen lassen zur Sonderbehandlung. Ich glaube ich brauche nicht zu erläutern, worum es sich dabei handelt.
„Nein, ich…ich weiß… was es bedeutet.“ Erwiderte Larissa.
„Umso besser! Dann können wir uns Erklärungen sparen. Also zum letzten Mal. Bereust du deine schändliche Tat?“ Lautete die Frage des Offiziers.
Larissa überlegte kurz. Ihr Schicksal würde sich jetzt entscheiden. Jetzt in den nächsten Augenblicken.
„Was wird geschehen, wenn ich bereue? Wird meine Haft dann zu Ende sein? Werde ich mich dann wieder frei bewegen können?“
„Wo denkst du hin? Natürlich nicht! Du bist und bleibst eine Hochverräterin. Aber deine Behandlung wird entsprechend verlaufen. Du wirst gut behandelt und Cassian wird dir dann ein entsprechendes Angebot unterbreiten, dass deine Lage noch einmal verbessern könnte.“
Natürlich war sich Larissa bewusst, wie das Angebot aussehen würde. Ihm zur Verfügung zu stehen, um es milde auszudrücken. Nein! Niemals!
„Und was ist? Ich warte noch immer auf eine Antwort!“ Drängte der Offizier weiter.
Larissas Herz raste. Eine Entscheidung womöglich über Leben und Tod.
„Ich…ich habe mich entschieden!“
„Na los! Raus damit!“
„Ich werde nicht darauf eingehen. Was ich getan habe, habe ich gern getan. Ich bereue nichts davon. Ich würde es jederzeit wieder tun. Ich habe es für Madleen getan. Ihr bin ihr in Liebe verbunden, für immer, bis in den Tod. Ich nehme die Konsequenzen an.“
„Soooo?“ Schrie ihr der Offizier entgegen.
„Bitte! Wenn es dein Wunsch ist, so sei er erfüllt. Dein verstocktes Wesen wird nicht von Dauer sein. Die Sonderbehandlung wird dich schnell zur Einsicht bringen. Davon bin ich überzeugt. Unsere Foltermeisterin hat schon Leute von ganz anderem Kaliber weichgekocht. Bei der hast du nichts zu lachen. Gut, bringt sie weg. Alle Verhöre werden von nun an auf der Folter vorgenommen.“
Bei dem Wort Folter wurde Larissa fast von einem Schock gelähmt. Sie würde diese Sonderbehandlung nicht lange durchstehen. Und dann wäre sie dort, wo Cassian sie haben wollte.
Aber sie hatte sich freiwillig entschieden. Ein zurück gab es nicht mehr.
Die beiden Ordensmitglieder forderte sie auf ihr zu folgen. Der Verhöroffizier grinste ihr nur schäbig entgegen, als sie den Raum verließ.
Sie schritten den Gang entlang die Treppe nach unten. Larissa zitterte an allen Gliedern. Ach, wäre ich doch tot, so wünschte sie es sich. Hätte sie doch alles nur schon hinter sich.
Der Atem fiel ihr immer schwerer und die Beine drohten ihren Dienst zu versagen.
Schließlich waren sie unten angekommen. Larissa kannte diese Räume schon flüchtig, von der Befreiungsaktion für Dagmar. Nie hätte sie sich träumen lassen so schnell wieder hier zu sein und nun selbst zu einer Klientin der gefürchteten Meisterin zu werden.
Sie waren schnell in der Hauptkammer angelangt. Die Wachleute führten sie vor eine große weiße Plane, nach einer Weile schoben sie diese beiseite. Zu erkennen war der Spanische Bock. Beim Anblick dieses furchterregenden Folterinstrumentes drohte ihr fast die Ohnmacht.
„Na? Mach dich vertraut damit. Den wirst du wohl bald besteigen. Ich wünsche es dir bequem da oben.“ Höhnte einer der Wachmänner.
Larissa ballte die Fäuste und schrie.
„Aaaaaaaaahhhhhhhhh…..“
Im Anschluss wurde sie in ihre Zelle geführt, dort wo bereits Dagmar ihren Behandlungen entgegensah. Sie fühlte sich allein, so fürchterlich allein und von allem verlassen. Keine Hoffnung mehr. Alles schien über ihr zusammen zu brechen. Sie war keine Heldin. Sie war nur ein kleines Mädchen, das sich im Dunkel fürchtete.
„Madleen, meine Madleen, wo bist du? Ich fürchte mich so sehr ohne dich.“ Sprach sie zu sich selbst.
„Ich werde dich nie wieder sehen, nicht in diesem Leben. Aber du hast mich reich beschenkt.
Es waren die schönsten Wochen meines Lebens. Die kann mir keiner nehmen.“
Larissa weinte bittere Tränen. Doch nach einer Weile hatte sie sich gefasst. Sie wollte stark sein. Ein naiver Vorsatz. Oder? Würde sie am Ende weit über sich hinauswachsen?
Etwa zur gleichen Zeit als Larissa im Kerker einer düsteren Zukunft entgegenblickte, befand sich Madleen schon auf dem sicheren Weg in Richtung Deutschland.
Am frühen Morgen waren sie mit einem Taxi gestartet, dann mit einem Regionalexpress nach Wien gefahren, dort hatten sie und Tessa zwei Stunden Aufenthalt, die sie mehr oder weniger gut überbrücken konnten. Schließlich ging es mit dem ICE weiter, direkt nach Köln. Am Anfang lief noch alles ohne besondere Vorkommnisse, später jedoch kam es aufgrund eines heftigen Unwetters immer wieder zu Verspätungen. Madleen bangte und betete, dass es nicht zu einem Totalausfall käme, das hätte ihr gerade noch gefehlt. Nein, über dieser Reise stand kein guter Stern, lag da etwa ein schlechtes Omen darüber?
War das die Strafe dafür, dass sie ihre treue und liebenswerte Gefährtin Larissa so einfach ihrem Schicksal überlassen hatte? Solche und ähnliche Gedanken schwirrten ihr wie ein Bienenschwarm durch den Kopf. Und ließen sie nicht zur Ruhe kommen.
Tessa ertrug alles mit fast stoischem Gleichmut, zumindest eine lange Zeit, worüber Madleen sehr erleichtert war. Doch irgendwann bei einem weiteren Halt auf freier Strecke verlor auch sie die Geduld.
„Wie lange müssen wir denn noch fahren Mama? Kommen wir heute noch an?“ Lautete die Frage welche Madleen schon die ganze Zeit bewegte.
„Das kann ich dir auch nicht sagen mein Schatz. Ich denke wir müssen mit allem rechnen. Es ist Sturm. Da kann noch alles Mögliche geschehen!“
„Müssen wir am Ende etwa laufen?“
„Ich hoffe nicht! Nein, so schlimm wird es wohl nicht werden! Es wird eben spät in der Nacht sein, wenn wir ankommen. Es könnte auch sein, dass wir noch mal in einem Hotel übernachten müssen. Aber das bekommen wir hin. Geld habe ich noch genug dabei. Und wenn wir einen Tag später ankommen, nicht so schlimm. Wir waren so lange weg, da kommt es auf einen weiteren Tag nicht an.“ Versuchte Madleen zu beruhigen.
Kaum hatte sie ausgesprochen, da setzte sich der Zug wieder in Bewegung.
„Siehst du? Es geht weiter! Hat es doch etwas gebracht, das wir uns Gedanken gemacht haben.“ Sprach Tessa, während sie neugierig aus dem Fenster blickte.
„Ja, das wird es wohl sein!“
„Was glaubst du? Wann wird der Zug erneut halten?“ Sorgte sich Tessa weiter.
„Das weiß es nicht mein Schatz. Ich hoffe nicht so bald.“
„Müssen wir vielleicht aussteigen und schieben, wenn es gar nicht mehr geht?“
Madleen musste leise lachen. Tessa war sehr aufgeweckt und immer für eine Überraschung gut.
„Nein, ganz bestimmt nicht!“ Madleen schlang ihren Arm um die Kleine und zog sie zu sich.
„Am besten wir machen jetzt die Augen zu und versuchen ein wenig zu schlafen. Das ist das Vernünftigste, dass wir im Moment tun können.“ Schlug Madleen vor.
Tessa gehorche, schloss die Augen und kuschelte sich in Madleens Arme.
Die Fahrt setzte sich erstaunlicher Weise eine längere Zeit ohne weitere Unterbrechungen fort.
Sie hatten in der Zwischenzeit schon lange die Grenze zu Bayern passiert und befanden sich auf deutschen Boden.
Nach einer Weile kam der Zug erneut zum Stehen, Madleen quittierte das mit einem tiefen Seufzer. Zum Glück war Tessa eingeschlafen und bekam von der neuen Pause nicht allzu viel mit.
Zum Glück ging es direkt nach Köln. Sie würden also nicht noch einmal umsteigen müssen. Allerdings mussten sie auch noch weiter nach Bensberg, dass sich ja außerhalb der Stadt befand. Wie sie dorthin gelangen würden, würden sie vor Ort erkunden müssen.
Nach einer Weile fiel auch Madleen in einen leichten Schlummer und bemerkte nicht, dass sich der Zug endlich wieder in Bewegung gesetzt hatte.
Es ging weiter in die endlos scheinende Nacht. Der Sturm nahm zu, erreichte zum Glück aber noch keine Orkanstärke. Die Geschwindigkeit beschleunigte sich und es hatte den Anschein, dass sich der Rest der Fahrt endlich ohne weitere Probleme gestaltete.
Als Madleen plötzlich erwachte stand der Zug schon wieder.
„Das kann doch nicht sein? Kommen wir denn heute gar nicht mehr weiter?“ Fluchte Madleen leise vor sich hin, um Tessa nicht zu wecken, die noch immer friedlich in ihren Armen schlummerte.
Doch wenige Augenblicke später ging die Fahrt weiter. Es war ein regulärer Halt.
„Wo waren wir?“
Madleen lugt durch die Fensterscheibe und konnte gerade noch das Bahnhofschild erhaschen.
Koblenz!“
„Koblenz? Da müssten wir doch bald am Ziel sein?“ Schätzte Madleen die Situation ganz richtig ein.
Wen alles glatt ging würden sie in etwa einer halben Stunde am Kölner Hauptbahnhof eintreffen.
Doch Madleen traute dem Frieden nicht. Noch immer waren unvorhersehbare Halte auf freier Strecke möglich.
Tessa atmete noch immer ruhig in ihren Armen.
Noch brauchte sie die nicht aufzuwecken.
Es ging weiter, nächster Halt Bonn. Nun hatte sie es bald geschafft.
„Bitte lass alles weiter gut verlaufen.“ Hörte sich Madleen flehen.
Und tatsächlich, nach einer Weile fuhren sie langsam in den Kölner Hauptbahnhof ein.
Jetzt weckte Madleen die Ziehtochter in ihrem Armen sanft mit einem Kuss.
„Wir haben es geschafft, mein Schatz! Wir sind in Köln angekommen!“
„Wirklich?“ Tessa blickte zweifelnd durch die Fensterscheibe und sah sich bestätigt.
„Los komm, wir müssen raus, schnell!“ Trieb Madleen zur Eile an.
Schließlich fanden sie sich auf dem Bahnsteig wieder.
Doch kaum am Ziel sahen sie sich mit der Frage konfrontiert, wie es nun weitergehen sollte.
Es war schon tief in der Nacht, 1 Uhr gerade überschritten.
Sie hasteten ein wenig über das Bahnhofsgelände. Schließlich erhielten sie noch eine Auskunft. Tessa war todmüde und entsprechend quengelig.
Wieder eine Weile warten, dann mit der S-Bahn eine Station zum Bahnhof Deutz. Dort angekommen zur Straßenbahn laufen, mit der Linie 1 nach Bensberg.
Doch die fuhr in der Nacht nur im Stundentakt. Fast 40 min warten an der Haltestelle, zum Glück befand sich diese untertage, so dass der Sturm ihnen hier nicht allzu viel anhaben konnte.
Tessa schlief auf Madleens Schoß ein, schreckte aber in regelmäßigen Abständen aus dem Schlaf.
Das Warten schien kein Ende zu nehmen. Und wenn die S- Bahn nun aufgrund der Witterungsverhältnisse nicht regelmäßig fuhr? Auch damit musste gerechnet werden. Die große Strecke geschafft und nun? Am Ende doch noch Probleme?
Es kam einer Erlösung gleich, als die Bahn einfuhr. Kaum noch Fahrgäste, Madleen und Tessa hatten den Großraumwagen fast für sich allein.
Letzte Strecke, auch diese Fahrt gestaltete sich zögerlich. Madleen ballte die Fäuste.
„Bitte las uns ankommen!“
Nach einer halben Stunde hatte sie ihr Ziel erreicht. Die Rolltreppe nach oben, dort angekommen fiel Madleens Blick auf die Akademie, die einer Festung gleich, auf dem Plateau zu ihrer Rechten thronte, so wie von Colette beschrieben.
„So mein Schatz. Jetzt müssen wir noch ein Stück laufen. Aber es ist nicht weit. Siehst du?
Dort oben müssen wir hin.“ Madleen wies mit dem Zeigefinger in Richtung Akademie.
„Bin so müde! Ich kann nicht mehr!“ Beschwerte sich Tessa.
„Ja, ich weiß. Es ist schwer. Auch ich bin total müde! Aber nur noch die paar Schritte, dann haben wir es geschafft.“ Versuchte Madleen zu beruhigen.
Sie liefen los. Der Sturm wurde immer heftiger. Blätter wirbelten ihnen entgegen und Fahnen verschiedener Art kämpften dagegen an von den Masten gerissen zu werden.
Madleen fasste Tessa an der Hand, fest, so dass sie sicheren Halt bekam. Die leichte Steigung hinauf, immer weiter. Erste Regentropfen mischten sich in den Wind. Endlich am Torhaus, sie passierten es, nun ging es im Innenbereich noch weiter nach oben.
Kein Mensch zu sehen, Kunststück so mitten in der Nacht und noch dazu bei einem solch heftigen Sturm.
Endlich oben. Madleen atmete tief durch. Geschafft! Tatsächlich, sie waren am Ziel.
„Sind wir jetzt endlich da?“ Wollte Tessa wissen und brachte sich bei Madleen in Erinnerung.
„Ja! Wir sind da! Wir haben es geschafft mein Schatz!“
Madleen hob Tessa nach oben und gab ihr einen dicken Kuss.
Die letzten Meter zum Eingangsportal. Natürlich geschlossen. Madleen klingelte. Das wäre es, wenn sie jetzt hier verharren müssten.
Doch nach kurzer Zeit wurde ihnen geöffnet. Eine junge Frau, die Madleen nicht kannte wollte wissen:
„Ja, sie wünschen? Zu wem möchten sie denn? Es ist Nacht, da werden sie keinen antreffen!“
„Ich bin Madleen! Ich werde erwartet! Es ging leider nicht früher. Verspätung bei der Bahn.“
„Ja, bei dem Sturm nicht ungewöhnlich! Aber kommen sie doch rein!“
Endlich! Von sicheren Mauern umgeben. Nun konnte der Sturm kommen.
„Nehme sie doch kurz im Foyer Platz. Ich versuche, ob ich Jemand erreiche.“ Bot die Frau an.
„Ich bin so müde! Ich will schlafen!“ Seufzte Tessa.
„Ja, nur noch einen Moment. Gleich bringe ich dich ins Bettchen.“
Es klingelte bei Colette, einige Male, denn sie und Betül lagen bereits in tiefem Schlummer.
Betül meldete sich.
„Ja, was ist denn? Was gibt es denn zu dieser späten Stunde?“ Wollte Betül wissen.
Die Empfangsdame meldete den Vorgang und erwähnte Madleen.
Betül fiel aus allen Wolken.
„Waaas? Madleen? Soll das ein Scherz sein?“
Die Frau von der bestätige ihre Aussage und rief Madleen kurzerhand ans Telefon, um endgültig Klarheit zu schaffen.
„Madleen? Bist du das wirklich?“
„Ja, Betül, ich bin es. Ich und Tessa. Wir sind gerade angekommen, todmüde. Wir waren den ganzen Tag unterwegs und haben es gerade noch geschafft, bevor der Sturm voll ausbricht.“
„Das….das ist ja großartig. Oh, wie ich mich freue. Ich kann es gar nicht fassen. Warte, ich…ich muss Colette wecken, die schläft. Buuaaah, die wird Augen machen.“
Colette hatte von all dem noch nichts mitbekommen und schlief friedlich neben Betül.
Die weckte die Königin mit einem sanften Kuss.
„Colette, wach auf! Wach auf meine Königin!“
„Wa…wa…was ist denn? Revolution, Erdbeben, oder was?“
„Noch ein Wunder! Stell dir vor Madleen ist gekommen! Sie ist hier und wartet unten im Foyer, zusammen mit Tessa.“
„Wie??? Ma…Ma…Madleen?“
Colette fuhr nach oben, so sehr, dass sie sich mit dem Kopf an der Schräge über ihr stieß.
„Auhuaahuu!“
„Langsam Colette, langsam! Ach, mensch auch das noch.“ Betül begann Colettes Kopf zu rubbeln und pustete auf die angestoßene Stelle.
„Verdammt! Warum muss das gerade jetzt passieren? Ich muss runter! Ich muss zu Madleen.
Ich habe doch nicht damit gerechnet, dass sie mitten in der Nacht hier ankommt.“
Die Königin schwang sich aus dem Bett und taumelte etwas.
„Ich…ich muss runter, auf der Stelle. Madleen ist da, was für eine Freude. Die letzte die noch fehlt.“
„Aber doch nicht so! Du bist nackt. Komm ich helfe dir beim Anziehen.“ Erinnerte Betül an die nicht zu übersehende Tatsache.
Die beiden hatten sich heftig geliebt und waren danach eingeschlafen.
„Ja, ja ,natürlich! Wo …wo ist mein Nachthemd, ja und den dunklen Morgenrock darüber, so wird es gehen.“
Betül half der Königin in die Kleidung. Im Anschluss zog sie sich selbst in Windeseile an.
„So, ich komme mit runter!“
Die beiden fuhren mit dem Aufzug nach unten. Madleen und Tessa saßen auf den Ledersesseln, die im Foyer aufgestellt waren. Tessa döste dem Anschein nach so vor sich hin.
„Madleen, meine Madleen, du bist es wirklich. Ich dachte schon Betül würde mir einen Bären aufbinden. Meine Freude kann ich kaum in Worte kleiden.“
Colette lief mit ausgestreckten Armen auf die beiden zu.
„Colette, meine Königin und meine große Schwester. Wie sehr habe ich diesen Moment herbeigesehnt.“
Tessa erwachte in diesem Moment.
„Sieh mal Tessa, da ist Tante Colette und Tante Betül. Ja wir haben es tatsächlich geschafft.“
Tessa rieb sich den Schlaf aus den Augen.
„Tante Colette! Tante Betül!“
„Hallo mein kleiner Spatz, Ach wie ich mich freue. Ach, wie ich mich freue!“
Colette umarmte zunächst die Kleine, bevor sie zu Madleen trat und sie in die Arme schloss. So verweilten sie einen Augenblick.
„Colette! Es…es tut mir alles so leid. Alles was ich getan habe. Ich schäme mich so! Ich möchte nur wieder zu euch gehören. Ihr alle seid meine Familie. Bei euch ist mein Zuhause. Ich weiß das ich es wahrscheinlich nicht mehr verdiene.“
Glaubte Madleen sich entschuldigen zu müssen.
Colette nahm Madleens Gesicht in beide Handflächen.
„Madleen, du bist hier und dass ist entscheidend. Du brauchst nicht um Verzeihung zu bitten. Wir alle haben dir längst vergeben. Und durch die Taten, die du in der Letzten Zeit begangen hast, ist ohnehin alles wieder im Lot.“
Madleen schluchzte in den Armen der Königin.
„Ich weiß nicht, wie ich dir jemals danken kann?“
„Indem du zurückgekehrt bist und wieder zu uns gehörst. Dagmar hat uns berichtet, wie sehr du dich um sie gekümmert hast und ihr zur Flucht verholfen. Und dein Hochzeitsgeschenk für Cassian ist in aller Munde.“
Madleen wendete sich Betül zu, um sie zu begrüßen.
„Betül, ich bin so glücklich auch dich wieder zu sehen!“
„Ich auch Madleen! Jetzt ist unsere Runde endlich wieder komplett!“ Erwiderte Betül, während sich die beiden umarmten.
Madleen wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht.
„Und Elena? Ist sie wirklich hier? Wo…wo ist sie?“ Stellte Madleen wohl die wichtigste Frage.
„Sie schläft! Hatte einen anstrengenden Tag heute. Ich weiß nicht, ob wir sie wecken sollten, oder ob wir die Überraschung für Morgen, bzw heute früh bewahren?“ Grübelte Betül nach.
„Ja, lasst sie schlafen! Ich denke, es wäre nicht gut sie zu wecken, auch wenn ich mich noch so sehr nach ihr sehne. Auf ein paar Stunden mehr oder weniger kommt auch nicht an. Ich bin todmüde und Tessa auch.“ Stimmte Madleen zu.
„Wir werden euch euer Zimmer zeigen, wo ihr heute schlafen könnt. Wie ich dir immer wieder geschrieben habe, stand ein Zimmer die ganze Zeit für dich zur Verfügung, in der Hoffnung auf baldige Wiederkehr.“ Antwortete Colette.
„Tessa, wir werden die Mutti morgen treffen, ist das OK für dich? Jetzt werden wir erst mal schlafen!“ Sprach Madleen zu Tessa.
„Ja! Ich bin so müde, möchte schlafen!“ Gab Tessa schlaftrunken zur Antwort.
„Dann kommt! Habt ihr viele Sachen dabei?“ Wollte Betül wissen.
„Nein, nicht viel! Wir mussten ja flüchten, da war nicht viel möglich. Müssen wir uns erst nach und nach besorgen.“
„Auch das bekommen wir hin. Lasst uns schlafen gehen. Morgen werden wir sicher viel zu erzählen haben.“ Entgegnet die Königin.
Gemeinsam betraten sie den Aufzug und fuhren in die oberste Etage, dort wo sich Madleens Zimmer befand, ganz in Elenas Nähe, die von der Ankunft ihrer Frau zu dieser Stunde noch nicht die geringste Ahnung hatte.
„So nun ruht euch erst mal aus. Schlaft, solange ihr mögt. Beginnt den morgigen Tag ausgeschlafen und bedächtig. Wie du siehst, ist es ein Doppelzimmer, trotz der Enge habt ihr, Elena und du, ausreichend Platz für euch und eure Liebe.“ Sprach Colette, nachdem sie das Zimmer betreten hatten.
Es folgte noch ein Gutenachtkuss, dann waren die beiden Ankömmlinge wieder unter sich.
Tessa ließ sich in die Federn fallen und schlief sofort ein.
Auch Madleen war todmüde, aber andererseits aufgewühlt. Sie konnte lange Zeit nicht in den Schlaf finden. Zu sehr gingen ihr die Gedanken durch den Kopf. Morgen würde sie Elena wieder sehen. Die lange Zeit der Trennung endgültig überstanden. Wie sehr hatte sie diesem Augenblick entgegengefiebert. Und nun? Nun hatte sie Angst. Das schlechte Gewissen plagte entsetzlich. Immerhin war sie eine Verräterin. Und dann war da noch die Sache mit Larissa; der neuen Geliebten die sie zurückgelassen, der Gedanke an sie verursachte die schlimmsten Schmerzen.
Madleen schlief tief und fest bis in den Vormittag hinein. Sie bemerkte daher nicht, dass sich Tessa schon früh zu schaffen machte und Betül nach ihr gesehen hatte. Sie ließ Madleen weiterschlafen und nahm die Kleine kurzerhand mit zu sich, Colette und Aisha.
„Na, da wollen wir mal sehen, ob die Aisha dich noch kennt. Die ist in der Zwischenzeit auch schon ein großes Mädchen geworden. Natürlich nicht so groß wie du, aber es wird. Ich glaube die wird sich freuen, wenn sie dich sieht.“ Meinte Betül, bevor sie die Tür zu ihrem Zimmer öffnete.
Tessa betrat den Raum und schritt schnurstracks auf die kleine Prinzessin zu. Die musste das neue Gesicht erst einmal verarbeiten. Es versteht sich, dass sie keine Erinnerung mehr in sich trug, immerhin war mehr als ein Jahr vergangen seit Madleen der Gemeinschaft den Rücken gekehrt hatte.
Doch nach einer Zeit des gegenseitigen Beschnupperns wurden die beiden sehr schnell miteinander warm.
Betül nahm das mit Freude zur Kenntnis.
„Na, was habe ich gesagt. Ihr zwei versteht euch. Ja, dann könnte ihr auch ne Weile miteinander spielen.“ Ruf mich doch einfach Tessa solltet ihr etwas brauchen, ich bin nebenan, bei Tante Colette.“ Sprach Betül, bevor sie die beiden mit gutem Gewissen allein lassen konnte.
„Ist Madleen schon auf?“ Wollte Colette wissen.
„Nein, sie schläft noch! Wir lassen sie auch, solange es geht. Sie hat sich die Ruhe verdient.“
Antwortete Betül.
„Nun, wie ich Elena kenne, wird die schon auf den Beinen sein. Ich werde mich gleich zu ihr begeben und ihr die freudige Nachricht zukommen lassen. Nun, Dagmar können wir dann erst mal im Zimmer lassen. Elena wird ja verständlicherweise bei Madleen übernachten wollen.“ Sinnierte die Königin.
„Ja, für Dagmar werden wir eine Lösung finden. Aber ich könnte mir vorstellen, die kommt von selbst, wenn sich die Dinge so weiterentwickeln.“ Glaubte Betül zu wissen.
Colette konnte damit dem Anschein nach nicht viel anfangen.
„Na, wie du meinst! Also ich mach mich mal auf den Weg. Tessa ist ja erst mal gut aufgehoben. Ich werde Elena mitbringen. Da kann sie in Ruhe ihre Tochter begrüßen.“
Colette machte sich auf den Weg und fand Elena wie erwartet schon in beschäftigt. Dagmar ruhte noch.
„Guten Morgen Elena! Kann ich dich einen Moment sprechen?“
Ja, natürlich! Komm doch rein!“ Lud Elena ein.
„Komm doch lieber vor die Tür. Es gibt Neuigkeiten!“ Gab die Königin zu verstehen.
„Ja, wenn du meinst!“
Die beiden traten in den Flur.
„So und was gibt es denn so Geheimnisvolles?“
„Hmm Elena ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Etwas sehr Positives. Etwas das dein Leben wieder vollkommen machen wird.“
Elenas Gesichtszüge veränderten sich.
„Nun spann mich doch nicht so auf die Folter, was ist geschehen?“
„Madleen und Tessa, sie sind hier!“
Elenas Augen vergrößerten sich und sie hielt sich die Hand vor dem Mund.
„Waaas? Wirklich?“
„Ja, wirklich! Sie kamen gestern, spät in der Nacht. Wir wollten dich nicht wecken. Ich denke du solltest dich auf die Begegnung ausreichend vorbereiten können.
Deshalb haben wir dich schlafen lassen.“
„Ich…ich…bin…fastungslos. Das ist…das ist… ein Wunder ist geschehen. Ich möchte zu ihnen! Wo sind sie?“
„Madleen schläft noch, es war sehr anstrengend für sie, die zurückliegenden Tage. Wir lassen sie auch, denke ich. Tessa kannst du jetzt schon begrüßen die ist bei uns.“
Ohne weitere Worte hastete Elena los. Den Flur entlang, um die Ecke und schon befand sie sich vor der Türe. Colette folgte bedächtigen Schrittes.
Elena hielt die Türklinke in der Hand, traute sich offenbar nicht sie zu betätigen. Angst stieg in ihr auf. Tessa, ihre Tochter, die sie so lange vernachlässigt hatte. Wie würde die Begegnung verlaufen?
„Was ist denn Elena? Warum zögerst du? Wollte Colette wissen.“
„Ich hab Angst! Ich möchte meine Tochter nicht so überfallen. Kannst du nicht vorgehen und sie schonend darauf vorbereiten?“
„Tessa ist im Bilde, sie weiß doch, dass du hier bist. Wir haben ihr auch gesagt, dass sie dich heute im Laufe des Tages treffen wird. Du kannst eintreten!“
Als Elena noch immer zögerte, öffnete Colette die Tür, nahm sie bei der Hand und führte sie in den Raum. Betül war gerade mit den beiden Kindern beschäftigt.
„Hey Tessa, guck mal wer der kommt! Das ist die Mutti!“ Wies Betül die Tochter darauf hin.
Elena stand wie angewurzelt an der Stelle und rührte sich nicht. Auch Tessa blickt nur wortlos herüber und machte vorerst keine Anstalten die Mutter zu begrüßen.
„Tessa, möchtest du der Mutti nicht Guten Tag sagen? Sieh mal, sie war so lange weg und konnte dich nicht besuchen. Nun ist sie wieder hier und freut sich auf dich. Freust du dich nicht auch.“ Versuchte Colette zu vermitteln.
„Doch! Ich…freue mich!“ Kam es recht abgehackt aus Tessa.
Elena musste mit den Tränen kämpfen, genau das hatte sie die ganze Zeit befürchtet. Die Zeit der Trennung schien sie der Tochter entfremdet. Erhielt sie nun die Strafe dafür, dass sie Tessa eine Rabenmutter war? Dafür, dass andere Dinge immer Vorrang hatten? Die große Elena, die sich für die ganze Welt verantwortlich fühlte, nur nicht für ihr eigenes Kind?
Politik vor Privatleben? War das die ganze Sache wert?
Schließlich fasste sich Tessa und ging zaghaft auf die Mutter zu. Elena ging in die Hocke, breitete die Arme aus, um die Tochter zu empfangen.
Tessa ließ es zu. Nach und nach schienen bei ihr die Erinnerungen einzusetzen. Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit, die im Nebel der Vergangenheit gefangen schien.
„Mutti!“
„Ja, ich bins, meine Kleine. Ich bin`s wirklich!“
Nun fielen sie sich in die Arme. Nach einer Weile begannen beide zu weinen.
Colette signalisierte Betül sich zu entfernen, um die beiden sich selbst zu überlassen. Leise verließen sie das Zimmer. Nun waren Mutter und Tochter allein.
„Mein Kleines, endlich habe ich dich wieder. Ich hab dich so vermisst. Bitte glaube mir! Ich hab dich wirklich vermisst, jeden Tag, jede Stunde. Verzeih mir! Ich war nie für dich da, wenn du mich brauchtest. Als du mit Madleen gegangen bist, hat es der Mutti das Herz gebrochen. Aber du hattest Recht. Sie war dir doch die bessere Mutter.“
„Madleen ist meine Mama!“ kam es kurz und knapp aus Tessa Mund.
„Ja, das ist sie und das wird sie auch immer bleiben.“
„Wirst du jetzt bei uns bleiben?“ Wollte Tessa wissen.
„Oh ja, für immer. Das verspreche ich dir! Wir werden uns nie mehr trennen, wir drei. Wir werden von nun an immer zusammen sein, was auch immer geschieht. Du bist mir das Wichtigste auf der Welt.“ Beteuerte Elena mit weinerlicher Stimme.
Tessa schien zu überlegen, ob sie den Worte Glauben schenken konnte. Zu häufig wurde sie in der Vergangenheit von der Mutter enttäuscht.
„Wirst… wirst du da sein? Wirklich da sein für mich?“
„Ja! Ja! Und immer wieder ja. Ich verspreche es dir! Versprochen ist versprochen und wird niemals gebrochen. Kennst du den Spruch noch?“
Tessa nickte.
„Ja nun will ich mich daranhalten! Für immer und ewig. Die Mama und du, ihr sollt von nun an die wichtigsten Menschen in meinem Leben sein.“
„Mutti, ich habe dich so lieb!“
„Ich dich auch! Ich dich auch mein Schatz!“
Elena drückte die Tochter fest an sich. Die Tränen flossen reichlich. Sie verharrte eine ganze Weile im Schweigen.
„So und nun wollen wir den Tag gemeinsam verbringen. Wir drei. Wenn die Mama aufgestanden ist, gehen wir gleich zu ihr.“ Sprach Elena. Dann nahm sie die Tochter bei der Hand und verließ das Zimmer. Die Augen noch immer stark gerötete von den vielen vergossenen Tränen.
Elena ging mit ihr durch das Portal und dann um die Akademie herum, durch den kleinen Wald. Jetzt war sie angebrochen, die Zeit der Wiedergutmachung. Endlich für die Tochter da sein. Ihre Verpflichtungen innerhalb der Schwesternschaft hatte sie noch nicht wieder aufgenommen. Dagmar war gut versorgt. Deren Verhältnis zu Annett wuchs von Tag zu Tag.
Annett ging voll in ihrer Tätigkeit auf. Also Zeit genügend vorhanden, sie mit der Tochter zu verbringen.
Die beiden alberten miteinander herum und vertrieben sich die Zeit.
Schließlich glaubten sie, dass es an der Zeit wäre Madleen aufzusuchen. Doch im Zimmer trafen sie sie nicht an. Die war in inzwischen aufgestanden, hatte von Betül erfahren was sich in der Zwischenzeit zugetragen hatte und im Anschluss in Ruhe gefrühstückt.
Als Madleen ein wenig orientierungslos durch die Gänge der Akademie lief, die neue Umgebung erforschend, stand sie plötzlich Annett gegenüber. Mutter und Tochter blickten sich eine Weile wortlos an. Schließlich ging Annett auf Madleen zu, verpasste ihr eine Ohrfeige, gleich darauf schloss sie die Tochter in die Arme und beide hielten einander fest umschlungen. Dabei wurden reichlich Tränen vergossen.
„Ich kann auch dich nur um Verzeihung bitten Mutter, so wie alle anderen. Ich weiß welche Fehler auf mir lasten. Ich werden noch ewig damit hadern.“ Sprach Madleen schließlich in die Stille.
„So was auch. Läuft einfach weg! Lässt uns allein. Ihre Mutter, Elena, die beste Partnerin die sich ein Mensch nur wünschen kann. Wirft sich diesem Scheusal an den Hals. So! Das musste ich loswerden. Nun ist es vergeben und vergessen! Ich freue mich so, dass du wieder zurück bist. Ich habe meine Tochter wieder und meine Schwiegertochter.“
„Alles wieder in Ordnung?“ Hakte Madleen nach.
„Ja, alles wieder in Ordnung. Du gehörst zu uns. Dagmar möchte dich auch begrüßen, sie hat davon erfahren, dass du zurück bist. Es war großartig, was du für sie getan hast. Komm doch einfach mit. Ich bin auf dem Weg zu ihr. Ich kümmre mich um sie, solange sie noch krank ist.“
„Ja, das wäre toll!“
Beide schritten gemeinsam den Gang entlang. Sie sprachen wenig. Die Beziehung zwischen den beiden war stetes ein wenig problemgeladen und würde in den Folgetagen noch wachsen müssen.
„Madleen!!!“ Rief Dagmar als sie ihre Befreierin zu Geicht bekam.
„Dagmar!“ Madleen ging auf das Bett zu und fiel Dagmar um den Hals. Die beiden küssten sich nach Schwesternart.
„Oh, wie ich mich freue, dass du es geschafft hast! Wenigstens du bist durchgekommen.“
„Ich werde dir das nie vergessen, Madleen. Du bist eine wahre Schwester. Wir sind wieder vereint unter glücklichen Umständen. Wenn ich an unser letztes Zusammentreffen denke. Ich bin gerade dabei alles was mir widerfahren ist aufzuarbeiten. Du kannst dir vorstellen das es wie ein Trauma auf meiner Seele lastet.“
„Ja, ich wünsche dir, dass du schnell wieder zu Kräften kommst. Das du wieder ganz die Alte wirst. Tapfer und voller Kampfesgeist. Wenn ich etwas tun kann, sag einfach Bescheid, ich bin bereit alles zu tun, was in meiner Macht steht. Ich habe einiges wieder gut zumachen. Beteuerte Madleen.
„Für mich hast du schon alles Menschenmögliche getan. Mehr als ein gewöhnlicher Mensch zu leisten vermag. Deine Mutter kümmert sich rührend um mich. Es ist eine Freude den Tag mit ihr zu verbringen. Aber komm, wann immer du magst, du bist immer willkommen, meine Retterin.“ Lud Dagmar ein.
„Ich habe noch einen schweren Gang vor mir. Die Versöhnung mit Elena. Ich habe ein wenig Angst davor. Deshalb muss ich dich schon wieder verlassen.“
„Natürlich! Das ist das Wichtigste von allen. Geh zu ihr. Auch sie hat sich aufopfernd meiner angenommen. Ich verdanke eurer ganzen Familie so viel. Gib ihr einen dicken Kuss von mir. Ihr alle seid jetzt meine Familie.
„Das werde ich tun, Dagmar. Und jetzt küsse ich dich noch mal!“
Die beiden fielen sich in die Arme.
„Deine Küsse haben mich am Leben gehalten. Damals, in meiner unglücklichen Lage. Du bist die Einzige, die mich auf diese Weise gesehen hat.“ Erinnerte sich Dagmar.
„Ja, umso glücklicher bin ich über den Umstand dich in Freiheit und Sicherheit zu sehen.“
Madleen warf Dagmar noch eine Kusshand zu, dann verlies sie, begleitet von ihrer Mutter das Zimmer.
„Also dann auf in den Kampf.“
„Na, ich glaube kaum, dass ihr einander die Augen auskratzen werdet. Du hast sie ebenso sehr vermisst, wie sie dich.“ Entgegnete Annett.
„Natürlich! Aber schwer ist es doch.“
„Versöhnt euch, und zwar richtig. Liebt euch heftig und mit Leidenschaft. Nehmt euch soviel Zeit wie ihr braucht dafür. Übermorgen muss Elena wieder zur Verfügung stehen, dann haben wir ein Heilungsritual für Dagmar. Elena, Betül und Ich werden versuchen Dagmar von ihrem Trauma zu befreien.“
„Das ist toll! Toll das du dich für Dagmar so engagierst. Ich wünsche euch gutes Gelingen dabei.“ Erwiderte Madleen.
„Wir reden später ausführlich über alles. Wir haben uns viel zu berichten, denke ich. Auch in meinem Leben bahnen sich Veränderungen an.“
„Ja, da bin ich aber gespannt!“
„Später sagte ich! Los! Geh zu Elena! Für die nächsten 24 Stunden seid ihr beurlaubt!“
Madleen machte sich von dannen.
„Na gut, die Mama ist schon aufgestanden. Wir werden sie eben später treffen. Komm wir gehen noch mal raus, das Wetter ist so schön!“ Sprach Elena und trat mit Tessa erneut vor die Tür. Noch mal eine Weile laufen. Nachdem sie die Akademie ein weiteres Mal umrundet hatten und sich wieder auf der Terrasse befanden, mit Blick auf die am Horizont befindliche Silhouette der Stadt Köln, erschrak Elena.
Madleen stand an der Rotunde, blickte in die Ferne, genoss den Ausblick.
„Hey, da ist ja die Mama!“ Meinte Tessa zu Elena, griff nach deren Hand und begann sie hinter sich herzuziehen. Elena folgte, aber es fiel ihr nicht leicht. Aber warum? Dort stand die Geliebte, nach deren Zärtlichkeit und Wärme sie sich so lange gesehnt hatte.
Madleen bemerkte nicht wie sich die beiden von hintern näherten. Erst als sie sich unmittelbar neben ihr befanden.
Elena stellte sich neben ihre Frau, Tessa griff nach Madleens Hand auf der anderen Seite.
„Na, da bist du ja Madleen. Wir beide haben dich schon die ganze Zeit gesucht.“ Sprach Elena die Frau ihres Herzens an, so als hätten sie sich gerade mal vor einer Stunde das letzte Mal gesehen.
„Ha…Hallo Elena, schön dich zu sehen!“ Erwiderte Madleen, dabei den Kopf schamhaft nach unten gerichtet.
Tessa wartete ungeduldig auf das was wohl als nächstes geschehen würde, blickte beständig von der einen zur Anderen.
Elena und Madleen blickten sich in die Augen, endlich brach das Eis und beide fielen sich in die Arme. Die Freude über das Wiedersehen schien grenzenlos. Sie schlangen die Arme um ihr Gegenüber, dann folgte eine wilde Knutscherei.
Immer wieder der Blickkontakt. Versichern das es eine reale Begegnung und kein Traumgesicht war.
„Madleen, mein Liebling, ich …ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich bin sprachlos. Wie…wie geht es dir? Alles in Ordnung?“
„Elena! Mir geht es gut! Alles wieder in Ordnung! Ich…ich möchte nur zurück zu dir. Bitte verzeih mir! Ich habe schwere Schuld auf mich geladen. Vor allem dir gegenüber. Ich…“
Sanft legte Elena den Zeigefinger ihrer rechten Hand auf Madleens Lippen.
„Alles vergessen! Alles ausgelöscht! Du bist wieder da! Alles andere können wir besprechen, später, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Mein Glück ist vollkommen, nur mit dir. Ohne dich war mein Leben nur die Hälfte wert. Jeden Tag hatte ich dein Bild vor Augen und es brach mir das Herz.“
Eine weitere Umarmung folgte. Lange hielten sie einander, wortlos, die Bedeutung des Augenblickes im Bewusstsein.
Tessa zupfte den beiden an der Kleidung.
„Ja, mein Schatz! Erst mit dir sind wir komplett.“ Elena hob die Tochter nach oben, Madleen half ihr dabei. Tessa in der Mitte, so standen sie beieinander.
„Ich bringe dir auch deine Tochter zurück, Elena. Verzeih, dass ich sie dir genommen habe.“
„Nicht meine, unsere Tochter, Madleen. Unsere gemeinsame Tochter. Wir drei gehören zusammen, auf immer und ewig. Nichts und Niemand soll uns jemals wieder trennen.“ Widersprach Elena.
Nach einer ganzen Weile gingen sie zurück in die Akademie. Tessa, die gemeinsame Tochter zwischen ihnen. Ein Bild des Friedens, des vollendeten Glücks.
Es gab eine Menge zu erzählen. Berichten über das was sie in der Zwischenzeit an Erlebnissen zu verbuchen hatten.
Doch sie ließen sich bewusst Zeit damit. Es war wichtig die andere nicht zu überfordern. Hier war Fingerspitzengefühl gefragt. Deshalb vermieden sie es vorerst die wichtigen Punkte anzusprechen, vor allem wenn Tessa anwesend war. Die Tochter sollte das Gefühl haben, das alles wieder im Lot war. Die einst zerstörte Familie wieder lebendig.
Die beiden Mamas wieder vereint, dass vor Zeiten jäh unterbrochene Familienidyll zurückerobert.
In einigen Monaten würde sie zu viert sein. Madleen wollte Elena so bald als möglich von ihrer Schwangerschaft berichten. Noch war sie nicht sichtbar, das würde sich aber bald ändern. Ja und noch vieles andere gehörte auf den Tisch. Larissa, die Liebe die sie zurückgelassen und um die sich sorgte.
Elenas Beziehung zu Neidhardt und was sich daraus entwickelt hatte. Die Veränderungen die beide in der Zeit der langen Trennung hatten erleben müssen.
Zu dritt verbrachten sie den Vormittag. Tessa genoss das in vollen Zügen. Am späteren Nachmittag waren die Mamas unter sich. Sie hatten Tessa zu Colette und Betül gebracht.
Tessa war diesen Zustand gewohnt. Sie war schon alt genug, um zu begreifen, dass ihre Mamas diese Zeit miteinander brauchten. Tessa wusste hier war eine Versöhnung im Gange die letztendlich auch ihr zugute kam. Deshalb konnte sie es akzeptieren.
Elena und Madleen waren für mehr als 24 Stunden völlig abgetaucht. Das verwunderte niemanden. Es gab in punkto Liebe jede Menge nachzuholen.
Sie gaben sich einander hin und tranken den Kelch der Leidenschaft bis zur Neige aus. Streicheln, küssen, liebkosen, ineinander eindringen. Höhepunkt reihte sich an Höhepunkt.
Am Morgen des Folgetages lagen sie beieinander. Elena hielt Madleen in den Armen, sanft ließ sie ihre Handfläche über deren Brüst gleiten. Diese sinnliche Weichheit, wie sehr hatte sie die vermisst.
„Wann ist es denn soweit?“ Wollte Elena wissen.
Madleen war nicht erstaunt über diese Frage. Man konnte Elena nichts verheimlichen.
„Du hast es bemerkt?“
„Natürlich, die herrlichen Rundungen deines Körpers die sich langsam anbahnen sind nicht auf ein übermäßiges Essen zurückzuführen“
„Im nächsten Frühjahr.“ Antwortete Madleen kurz und präzise.
„Es ist von Cassian?“
„Ja! Das lässt sich nicht verleugnen. Auch wenn es mir Angst macht.“
„Möchtest du das Kind überhaupt?“
Die wohl schwierigste Frage. Eine Frage die schwer, wie ein Mühlstein auf Madleens Seele lastete.
„Da sprichst du die heikle Frage an. Ich wollte es ursprünglich nicht austragen. Aber nun befinde ich mich in einem Zwiespalt. Darf ich über Leben und Tod entscheiden? Ja, es ist Cassians Kind, das Kind eines Diktators, eines Tyrannen. Doch trägt es keinerlei Verantwortung für dessen Taten.“
Zärtlich fuhr Elenas Handfläche über Madleens Bauch, ihr Zeigefinger kreiste um den Bauchnabel.
„Du allein musst entscheiden, Madleen. Aber wie immer deine Entscheidung ausfällt, ich werde sie akzeptieren und zu dir stehen.“ Erklärte Elena.
„Ich glaube ich habe mich schon lange entschieden. Ich möchte das Kind!“
„Dann möchte ich es auch. Es wird unser Kind. Deines und meines. So wie du Tessa als deine Tochter akzeptiert hast werde ich dein Kind, als meines anerkennen.“
Bekannte Elena. Madleen schloss ihre Arme um die Geliebte und küsste sie.
„Ich danke dir! So habe ich es mir gewünscht. Jetzt kann ich das Kind mit gutem Gewissen in die Welt setzen.“
„Wir stehen zusammen, so wie wir es uns einst geschworen. Nie wieder möchte ich auf dich verzichten. Die Zeit wurde mir unendlich lang. Die Beziehung zu Neidhardt, die ich aufgebaut habe wird natürlich auch ihr Recht fordern. Da werden wir einen Weg finden müssen. Aber es ist gut, dass du sie voll akzeptieren kannst. Das ist für mich sehr wichtig.“
„Für mich ist Neidhardt kein Nebenbuhler. Aber da gibt es auch jemand in meinem Leben.“
Bekannte Madleen.
„Aber Cassian ist doch keine Liebe für dich gewesen?“
„Um Cassian geht es dabei nicht! Der war nie ein wirkliches Problem. Ich habe ihn nie geliebt, auch wenn ich mir das eine Weile eingebildet habe. Da gab es eine wunderbare junge Frau. Larissa, ich habe sie zurückgelassen, in der Ungewissheit. Sie hat sich mehr oder weniger geopfert, im letzten Augenblick der Flucht. Es ist so unendlich traurig.“
Elena strich Madleen durch deren langes schwarzes Haar.
„Erzähle Madleen! Ich bin gespannt und lass nichts aus!“
Madleen schilderte ihre Liebesbeziehung zu Larissa. Wie sich alles zugetragen hatte und welch tragischer Verlauf gefolgt war. Dabei traten auch Tränen in ihre Augen.
„Ich habe mich an Larissa total verloren. Ich muss immerfort an sie denken. Das ich sie zurücklassen musste. Aber sie hatte einfach Angst, Angst uns beide beisammen zusehen und es nicht ertragen zu können.“
Beendete Madleen ihren Bericht.
„Das ist in der Tat tragisch, vor allem weil ihr Opfergang unnötig war. Du hast ihr doch von unserer polyamoren Lebenswese erzählt?“ Wollte Elena wissen.
„Natürlich! Immerfort. Aber sie konnte wohl damit nicht wirklich etwas anfangen. Sie war einfach so sehr auf mich fixiert. Ich war der erste Mensch, der ihr wirkliche Liebe und Zärtlichkeit zukommen ließ.“
„Ja und noch tragischer ist, dass in dieser Beziehung die Lösung liegt. Larissa kam zur rechten Zeit. Ich habe eine Beziehung zu Neidhardt begonnen, der macht sich im Übrigen ähnliche Gedanken wie Larissa. Wenn Madleen vor dir steht, hast du den alten Neidhardt schnell vergessen, so seine Worte ständig wiederholt. Ich hingegen machte mir Gedanken, wie ich meine Beziehung zu Neidhardt mit der zu dir in Einklang bringen könnte. Um nichts in der Welt möchte ich dich noch einmal vernachlässigen. Wenn ich aber zu Neidhardt gehe, lasse ich dich allein. Aber das bist du durch Larissa nun nicht mehr. Verstehst du? Durch ihre Gegenwart lässt sich alles ausgleichen.“
„Ja, das ist richtig. Aber nun ist es zu spät.“ Klagte Madleen.
„Hast du Kontakt zu Larissa?“
„Nein! Das ist es ja! Ich versuche seit Tagen sie zu erreichen. Sie geht nicht ans Handy. Wir wissen was es bedeutet. Sie haben sie eingesperrt. Oh, wenn ich mir das vorstellen.“
„Hmm, da können wir nur abwarten und hoffen. Ich verspreche dir alles zu tun, um Larissa zu helfen. Die Lage in Akratasien wird immer bedrohlicher. Das kann Hoffnung bedeuten, aber auch das Gegenteil.“
Elena schlang ihre langen arme um Madleen und zog sie zu sich.
„Sag mal, hast du ein Bild von Larissa?“
„Ja! Auf meinem Smartfon.“
Madleen griff auf das Nachtschränkchen und holte das Gerät, schaltete den Suchlauf.
„Hier! So sieht sie aus.“
Ein sanftes Lächeln bildete sich auf Elenas Gesicht.
„Hey, ist die süß! Du hast einen ausgezeichneten Geschmack. Keine Frage. Ich werde mich gut mit ihr verstehen. Ich mag sie schon jetzt, vom ersten Blick an. Ich werde ihr helfen, ihr und dir.“
„Ja, wenn wir nur schon Gewissheit hätten.“
Elena wollte etwas erwidern, doch in diesem Moment öffnete sich die Tür und Tessa steckte ihren Kopf durch den Schlitz.
„Hey Tessa! Guten Morgen mein Schatz! Komm! Komm zu uns!“ Lud Elena ein.
Die Kleine stürmte in das Zimmer und landete mit einem Satz im Bett zwischen den beiden Liebenden. Der Anblick zweier unbekleideter Frauen unter einer Bettdecke war ihr vertraut, sie war damit aufgewachsen.
„Entschuldige, dass wir dich so lange allein gelassen haben. Aber die Mutti und ich hatten uns wahnsinnig viel zu erzählen!“ Meinte Madleen.
„Komm in die Mitte! Jetzt wird ordentlich gekuschelt.“ Schlug Elena vor.
Tessa nahm in der Mitte Platz und genoss die Nähe der bedien Mamas in vollen Zügen.
„Sind wir jetzt für immer zu dritt?“ Tessa Frage war von Sorge erfüllt. Die Angst, dass sich die Mamas wieder trennen könnten, schwebte bedrohlich über ihrer kleinen Seele.
„Ja, das versprechen wir dir!“ Schwor Madleen.
„Allerdings könnte sich das bald ändern!“
Tessas kleines Gesicht war von Angst erfüllt.
„Was würdest du sagen, wenn du bald ein Schwesterchen oder Brüderchen bekommst? Würde dir das gefallen?“ Warf Elena ein. Sie war der Ansicht Tessa so bald als möglich mit diesem Umstand vertraut zu machen.
„Oh ja! Das wäre schön!“
„Du weißt doch woher die Babys kommen? Wir haben schon darüber gesprochen.“ Erinnerte Elena.
„Ja, sie wachsen in deinem Bauch, so wie ich auch.“ Wusste Tessa noch ganz genau und betastete Elenas nackten Bauch.
„Richtig! Aber nicht in meinem, sondern in Mama Madleens Bauch wächst ein kleiner Mensch heran.“ Klärte Elena auf.
„Ja? Wirklich? Geht das bei dir auch?“ Tessa blickte zu Madleen, die sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte.
„Ja, bei mir geht das auch!“
Tessa hielt nun ihre Handfläche auf Madleens Bauch.
„Da drin?“
„Genau! Da drin! Noch kannst du es nicht spüren, ist noch zu klein. Aber in einigen Wochen wird mein Bauch immer runder, dann wächst es und du kannst es von außen jederzeit streicheln.“ Meinte Madleen.
„Oh, ja. Ich freue mich, ich freue mich!“
Elena und Madleen waren froh, dass Tessa für ihr Alter schon so verständig war und diese Tatsache so gut verarbeitete. Sie würde noch weitere Personen kennen lernen, die in naher Zukunft die Familie erweitern sollten.
Für heute Nachmittag hatte sich Lucy zu einem Besuch angesagt. Sie hatte mit Elena telefoniert und erfahren das Madleen mit Tessa eingetroffen war und brannte darauf die beiden kennen zu lernen. Neidhardt rang noch immer mit sich, ob er die Gemeinschaft mit seinem Besuch beglücken sollte. Doch in absehbarer Zeit würde auch er dazugehören.
Alles war gesagt. Nun verbrachten sie noch eine Weile in den Federn neckten sich, machten eine Kissenschlacht, bevor sie sich erhoben und in den Tag schritten.
Oftmals liegen Freude und Leid eng beieinander. Der einen Freud, der anderen Leid, wie es in einem Sprichwort so trefflich heißt.
Während Elena, Madleen und Tessa sich des wieder gefundenen Familienglücks erfreuen konnten, begann für Larissa im fernen Akratasien, dass zu diesem Moment noch Melancholanien hieß, der Leidensweg.
Larissa blickte unaufhörlich auf den weißen Vorhang vor ihren Augen. Sie dämmerte in einer Art Halbschlaf vor sich hin. Die Tatsache, dass sie ein Leichtgewicht war, sorgte dafür, dass sie nicht so starke Schmerzen verspürte. Trotzdem war es fürchterlich. Seit langem schon saß sie auf dem Bock, splitternackt und schweißgebadet. Nun hatte es also sie erwischt. Hätte sie sich das träumen lassen? Nein, sie hatte mit einem schnellen Tod gerechnet aber nicht mit der Folter.
Sie versuchte die schlimmen Gedanken zu vertreiben, dachte an Madleen und die schöne Zeit mit ihr. Alles vorbei, alles dahin. Wenigstens befand sich Madleen in Sicherheit, das tröstete sie ein wenig in ihrem Schmerz. Sie wollte sich in ihr Schicksal fügen. Sie hatte dieses Opfer schließlich selbst gewählt.
Hätte sie eine andere Möglichkeit gehabt? Sie wollte nicht darüber nachdenken.
Am Vormittag musste sie die demütigende Musterung über sich ergehen lassen. So wie es vorgeschrieben war. Das hatte ihr schon den ersten Schlag versetzt. Larissa war immer etwas schüchtern. Die Tatsache vollständig nackt vorgeführt zu werden war eine schlimme Erfahrung.
Plötzlich wurde ruckartig der Vorhang zur Seite geschoben.
Helga, die Foltermeisterin stand vor ihr und blickt zu ihr auf.
„Jaaaa, da haben wir also meine neue Klientin. Entschuldige, dass ich dich erst jetzt begrüßen kann, ich wurde aufgehalten. Aber wie ich sehe, haben meine Assistentinnen dich gut platziert. Hast du es bequem da oben?“
„Nein… es tut ent…setzlich… weh!“Stotterte Larissa, während ihr der Schweiß über den Mund lief.
„Klar das soll es auch. Aber du wirst dich dran gewöhnen und dann ist es halb so schlimm.“ Antwortete Helga in ihrer gewohnt routinierten Art.
„Aber nun wollen wir uns erst mal richtig bekannt machen.“
Helga rückte den Hocker zurecht und nahm darauf Platz.
„Ich bin die Helga und werde in den kommenden Tagen damit beschäftigt sein dich zu foltern.“
„In..in…in…den fol…genden Tagen?“
„Ja, die folgenden Tage. Du wurdest in meine Obhut gegeben, damit ich dich foltere. Manchmal werden meine Assistentinnen dabei sein, aber meistens nehme ich dich allein in die Mangel. Wie lange? Nun das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Cassian hat es angeordnet, um dich zu einer Art Reue zu bewegen. Ich weiß nicht was er damit meint, aber egal. Die Verhöre finden hier statt, durch mich. Es kann sein das von Zeit zu Zeit Leute von der Geheimpolizei dabei sein werden.“
A…ber, ich…ich..ha..be doch schon alles gesagt…was wichtig ist… ich habe…alles gestanden. Was …will …man …den noch von mir?“
„Dich am Boden sehen Kindchen. Ja. So kann man es ausdrücken. Na gut! Erst mal zu den Personalien.“
Helga blätterte in ihrem Manuskript.
Also Larissa, Alter 24 Jahre. Ha, so alt wie meine Tochter. 1, 63 cm groß und 60 Kilo schwer.
Hmmm, guter Körperbau, ein wenig schlaksig, eine gewisse Neigung zur Magersucht würde ich sagen, aber guter Muskelaufbau. Du wirkst ein wenig knabenhaft, wenn da nicht die süßen kleinen Brüstchen wären und natürlich das hübsche feminine Gesicht.“
Helga griff mit den Handflächen Larissa Kopf und drehte den einige Male hin und her.
Dann zwickte sie ihr in die linke Brustwarze.
„Ah….aaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh….“ Stöhnte Larissa.
„Jaaa, das tut weh! Daran musst du dich gewöhnen, lieber gleich als irgendwann.“
Larissa versuchte gedanklich weiter gegenzusteuern. Erneut dachte sie an Madleen und was sie so alles mit ihr erlebt hatte. Doch stellte sie fest, dass es dadurch nur noch schlimmer wurde. Es blieb ihr nichts anderes übrig als sich ganz zu unterwerfen. Sie war keine Heldin, andererseits aber auch ein wenig abgehärtet. Das Trauma ihrer schweren Kindheit war noch lebendig. Ihre Stiefmutter hatte sie kaum weniger hart behandelt als die Foltermeisterin, die jetzt vor ihr saß.
Oft war sie als kleines Mädchen tagelang eingesperrt, bekam nicht richtig zu essen, wurde geschlagen und so weiter und so fort.
„Was …soll… ich tun? Was verlangst du von mir?“ Wollte Larissa mit zitteriger Stimme wissen.
„Brav! So gefällst du mir bedeutend besser.“ Helga zwickte Larissa in die Nase.
„Man erwartet von dir, dass du bereust, was du getan hast. Du hast die Möglichkeit die Prozedur schnell zu beenden, wenn du das tust.“ Lautete Helgas Antwort.
„Ich…ich…ich…habe …es gern getan. Für Madleen…ich würde es …immer wieder tun…
Ich…ver..danke Madleen alles. Sie war…so gut…zu mir. Ich…kann und will…sie nicht….verraten!“
Stammelte Larissa dabei heftig nach Luft schnappend.
„Wie du willst! Mir soll es nur recht sein. Dann habe ich dich womöglich für längere Zeit in Arbeit. Du gefällst mir. Ja, muss ich sagen, nachdem ich eine Weile deinen Körper betrachtet habe. Du bist ganz anders als die Klientinnen, die ich sonst bearbeite. Gerade das Jungenhafte an dir wirkt auf mich.“
Helga griff nach Larissas Brüsten.
„Ahhhhhhh…….aaaahhhhhhhhhhhh……“
„Das gefällt dir? Nicht wahr?“
„Jaaaaaaaaa!“
„Na siehst du! Wir werden uns schon vertragen.“
„Das…das…wäre mir….recht, aaaaahhhhhhhhhhh….. aber Madleen kann ich….nicht…verraten!“
„Du hattest eine Beziehung zu ihr?“
„Ja!“
Hast du mit ihr geschlafen? Hattet ihr Geschlechtsverkehr?“
„Ja!“
„Nun das erklärt natürlich alles! Weiß Cassian davon?“
„Ich…ich glaube ja!“
„Das ist gefährlich für dich. Es könnte sein, dass er sich dann an dir möchte. Das wäre gar nicht gut. Aber egal, im Moment hat er dich mir überlassen. Neue Anweisungen bekomme ich erst morgen. Es wurde angeordnet, dass ich das volle Programm bei dir anzuwenden habe. Ich weiß nicht, ob du verstehst, was das bedeutet?“
„Ich….ich…kann es mir denken!“
„Gut, dann brauche ich nicht weiter zu erklären. Wenn du nicht bereust, werde ich dich nicht schonen. Ich hoffe dir ist das bewusst? Ich frage dich noch einmal!“
„Es…es ist mir bewusst!“
„Na gut! Wie du willst!“
Helga stieg von dem Hocker und schritt um Larissa herum. Betrachtete deren Rücken, die Oberschenkel, die Beine, dann kniff sie ihr kräftig in den Po.
„Ahhhhhh….“
„Gut, ich lasse dich noch ne Weile hier sitzen. Das soll für heute erst mal genügen. Morgen werden wir eine Gangart drauflegen. Ich werde dich an den Balken hängen, von der Decke und deine Glieder ordentlich strecken.“
„Bitte….nimm mich hier runter…es tut so weh!“
„Bald mein Mäuschen, bald! Jetzt heißt es Zähne zusammenbeißen. Du bist nicht schwer, das kommt dir jetzt zugute.“
Helga holte erneut den Hocker und nahm darauf Platz.
„Hey du bist wirklich süß!“ Sie griff noch mal nach Larissa Kopf.
Larissa hatte zumeist die Augen geschlossen. Ihr Mund stand leicht offen und machte ihre Zähne sichtbar. Ihr Blick sah ein wenig entrückt aus, so als sei sie schon nicht mehr ein Teil dieser Welt.
„Lass uns doch eine Weile plaudern. Das tue ich üblicher Weise am ersten Tag mit meinen Klientinnen. Ich möchte etwas erfahren über die Frauen und Mädchen, die hier vor mir sitzen.“
„Ja…was…möchtest du wissen!“
„Nun, es heißt du seihst Gärtnerin gewesen. Stimmt das?“
„Ja…ich bin es noch immer!“
„Nun, im Moment bist du gar nichts mehr. Ich glaube kaum, dass du in diesem Beruf noch einmal arbeiten wirst. Du bist nicht einmal mehr eine Person. Du bist nur noch ein Objekt, das mir zu Folterung übergeben wurde.“
„Ja….w…wenn du…es sagst!“
„Du warst in der alten Abtei?“
„Ja….es hat….mir…sehr gefallen, dort.“
„Kann ich mir vorstellen.“
„Bitte….lass mich runter…“
„Na gut! Weil du mich so anflehst! Ist sonst nicht meine Art meinen Klientinnen nachzugeben. Aber weil du noch neu bist und weil du mir gefällst.“
Helga stieg vom Hocker.
Dann rief sie ihren Assistentinnen zu.
Kurz darauf wurde Larissa leicht nach oben gezogen. Helga schob den Bock nach hinten.
Larissa wurde nach unten gelassen, so dass ihre Füße den Boden berührten.
„Aaaaaahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh….“ Stöhnte Larissa vor Erleichterung auf.
Eine Assistentin erschien und begann die Handschellen zu lösen. Helga platzierte sich vor Larissa. Die taumelte stark als die Halterung gelöst waren. Es machte ihr große Mühe selbständig auf den Beinen zu stehen.
„So, nun hast du`s hinter dir. Für heute zumindest. Kannst du laufen?“
„Ja, es geht!“ Sprach Larissa mit Tränen in den Augen.
Helga griff nach den Händen ihrer Klientin.
„Sehr schöne Hände hast du. Kräftig, daran sieht man, dass du Arbeit gewohnt bist. Aber trotzdem elegant und feminin.“
Helga band die Hände mit einem Seil zusammen.
„So gehen wir!“
Sie zog Larissa wie einen Hund hinter sich her. Deren Fußsohlen patschten auf dem kalten Steinfußboden.
„Wo gehen wir hin?“ Wollte Larissa wissen. Sie hatte angenommen, dass sie in ihre Zelle gebracht würden, damit sie ausruhen konnte.
„Wir gehen zu mir, in mein Büro! Ich möchte noch ne Weile mit dir plaudern. Wie ich schon mehrmals betonte, du gefällst mir. Ich möchte deine Gesellschaft noch eine Weile genießen!“
Im Büro angekommen löste Helga die Fessel.
„Darf ich nicht in meine Zelle zurück. Ich bin so schrecklich müde und die Schmerzen sind auch noch da.“ Bat Larissa inständig.
„Bald, bald! Du wirst diesen kleinen miefigen Raum noch lange genug ertragen müssen. Sei doch froh für die Abwechslung. Bei mir wirst du immer eine finden. Du kannst dich auf die Pritsche da legen und dich ausruhen.“ Wies Helga an und Larissa gehorchte ohne weitere Fragen.
„Dann lass uns noch ne Weile plaudern.“
Larissa ließ es über sich ergehen.
Am Abend hatte Larissa endlich Ruhe, wenn man in einer solch deprimierenden Umgebung überhaupt von Ruhe sprechen konnte. Sie saß zusammengekauert auf ihrer Pritsche und sah apathisch auf die weißgetünchte Wand, in ihren Augen bildeten sich Tränen. All das Leid all die ausufernde Ungerechtigkeit zog in ihren Gedanken noch einmal an ihr vorbei.
Hatte sie ihr Leben tatsächlich verwirkt? Es schien so zu sein. Der Tod stand ihr vor Augen.
Tausend Mal schlimmer als der Tod ist das Warten auf den Tod. Vorher würde ihre Foltermeisterin noch jede Menge Spaß mit ihr haben.
Madleen, immer wieder Madleen. Ihr Bild erschien permanent vor ihren Augen.
Alles vorbei, Kaum das die Liebe eine echte Chance bekommen hatte.
Liebe ist wohl das wichtigste Wort der Welt und das am wenigsten verstandene.
Nun begannen die Tränen in Bächen aus den Augen zu strömen.
Etwa zur gleichen Zeit, in der einsetzenden Abenddämmerung kreisten mehrere Bussarde über den Türmen der Ordensburg. Anarchaphilia, die Göttin der Freiheit und Herrschaftslosigkeit erkundete die Lage.
Sie war außerstande weiter tatenlos zuzusehen, wie die unschuldige Larissa gequält wurde.
Larissa hatte genug gelitten. Ihr Leid war unnötig und nutze keinem und keiner anderen etwas.
Sie hatte als kleines Mädchen schon mehr als genug unter der Fuchtel der erbarmungslosen Stiefmutter zu leiden.
Anarchaphilia ersann einen Plan. Sie beeinflusste die Gedanken jener Offiziere, die einen Staatstreich planten. Dieser sollte aber erst in etwa 2 Wochen durchgeführt werden. Das war zu spät. Larissa befand sich in zu großer Gefahr, als dass sie auch nur zwei Tag länger der Tortur, die auf sie wartete, würde standhalten können.
Die Bussarde schwärmten aus und senkten ihre Energien in die Köpfe der Verschwörer, die sich daraufhin in Windeseile verständigten, ihren wagemutigen Plan vorzuverlegen.
Tags darauf wartete Larissa, nachdem sie die morgendliche Musterung über sich hatte ergehen lassen in ihrer Zelle auf die nächste Folter.
Man hatte ihr mitgeteilt, dass Cassian persönlich dabei sein wollte. Sie begriff sofort was das zu bedeuten hatte. Es würde keine Schonung geben. Es sollten die Elektroschocks angewendet werden. Larissa hatte Todesangst. Nackt, hungrig, frierend, zitternd saß sie in sich zusammengesunken und wartete darauf, dass die Zellentür sich öffnete.
Sie kämpfte erneut mit den Tränen. Sie wollte den Peinigern keine Genugtuung verschaffen.
Warum bin ich nicht schon tot, ging es ihr unaufhörlich durch den Kopf. Warum habe ich nicht alles schon hinter mir?
Sie hörte Schritte auf dem Flur, zuckte instinktiv zusammen, doch die gingen vorüber. Dann wieder Schritte, sehr hastig. Komisch! Was konnte das bedeuten?
Die Tür blieb geschlossen.
Währenddessen drangen Bewaffnete der regulären Armeeeinheiten in die Ordensburg ein.
Nach einer kurzen, aber heftigen Schießerei waren die Wachmannschaften des Blauen Ordens schnell überwältigt. Die Offiziere und Soldaten drangen in alle Bereiche der Burg vor, so auch in den Keller.
Die Türen der Zellen öffneten sich. Larissa schreckte zusammen. Die Tür stand offen, aber niemand trat ein. Sie versteckte sich unter der Pritsche und kauerte sich zusammen, obgleich sie erkannte, wie sinnlos das war.
Eine Spezialeinheit drang derweil in die oberen Stockwerke vor, in denen sich auch Cassians Privatgemächer befanden.
Sie fanden den Diktator in seinem Arbeitszimmer vor. Der völlig Überraschte leistete keinen Widerstand. Die Offiziere teilten ihm mit das er verhaftet sei und Anklage gegen ihn erhoben werde.
Sein Geheimdienst hatte versagt. Die waren bisher davon ausgegangen, dass die Verschwörer den Putsch erst in ein bis zwei Wochen durchführen wollten und selbst das schien noch ungewiss, deshalb wogen sie sich weitgehend in Sicherheit. Dies kam den Putschisten nun zugute.
Cassian wurde in den Keller gebracht und in unmittelbarer Nähe von Larissa eingesperrt.
Larissa saß noch immer unter der Pritsche und harrte der Ereignisse, die wohl noch geschehen konnten.
Plötzlich betrat ein Offizier die Zelle, blickte sich kurz um und konnte die nackte Larissa am Boden entdecken. Die senkte, von Furcht erfüllt den Kopf.
„Hallo? Du da unten! Keine Angst! Es ist vorbei! Du bist frei! Du kannst hochkommen!“
Larissa hielt sich die Hände vor die kleinen Brüste und kroch nach vorn.
„Ach so, du ist nackt! Hmm, wo haben wir eine Decke?“ Der Offizier trat nach draußen und kehrte kurz darauf mit einer Wolldecke zurück.
„So, wickele dich erst mal darin ein!“ Der Offizier half ihr dabei.
„Ich…ich weiß nicht, wo sie meine…Kleidung auf…aufbewahren!“ Stammelte Larissa teils vor Aufregung, teils aufgrund der Tatsache, dass sie entsetzlich fror.
„Na dann werden wir dir was anderes besorgen, wenn wir die nicht finden. Komm erst mal raus hier.“
Larissa folgte dem Mann auf unsicheren nackten Füßen. Als sie Schüsse hörte zuckte sie wieder zusammen.
„Keine Angst! Nur noch vereinzelte Widerstandsnester. Wir haben alles im Griff, der Orden kann dir nicht mehr gefährlich werden.“
Ein halbes dutzend Soldaten kamen ihnen entgegen und salutierten. Der Offizier sprach einen an.
„Ich habe eine Gefangene befreit. Sie braucht Kleidung seht mal zu, ob ihr rasch etwas findet.“
Sie traten in einen Raum, den Larissa nicht kannte. Offensichtlich ein Aufenthaltsraum für die Wachmannschaften.
„Komm setz dich erst mal!“
Larissa setzte sich und schlang die Decke dichter um ihren Körper.
„Wir werden schon was Passendes finden. Einen Moment wird es noch dauern.
Komm, trink erst mal einen warmen Kaffee!“
Er holte eine große Thermoskanne hervor und goss eine Tasse damit voll. Larissa nahm einen Schluck.
„Bist du hungrig? Ich hab auch was zu essen dabei.“
Er holte eine große Box mit belegten Broten hervor.
„Nimm! Es ist genug da! Meine Frau packt mir immer viel zu viel davon ein. Da könnte ich eine halbe Fußballmannschaft damit versorgen!“
„Danke!“
Larissa nahm ein Brot und aß mit großem Hunger.
„Wenn die Kleidung da ist, können wir dich gern nach hause fahren! Wo bist du denn daheim?
„Ich…ich lebe in der alten Abtei!“
„In der Abtei? Ganz allein? Aber da ist doch im Moment gar keiner!“
„Ich war…dort Gärtnerin, zusammen mit ein paar anderen. Ich…ich weiß nicht, wo die sich im Moment befinden!“ Antwortete Larissa noch immer etwas hastig.
„Also nach meinen Informationen ist die Abtei derzeit unbewohnt. Aber wenn du willst, können wir dich natürlich dorthin bringen. Aber so ganz allein auf dem Gelände? Ist dir das nicht ein wenig unheimlich?“
„Ja schon, aber es ist mein Zuhause. Ich…ich hab im Moment kein anderes.“
„Also vor den Blauen brauchst du dich nicht zu fürchten. Wir haben Order die Abtei zu bewachen, rundherum. Sollten doch welche von denen auftauchen, werden wir sie gebührend in Empfang nehmen. Du kannst ganz sicher sein.“
Nach einer ganzen Weile trat ein junger Soldat ein, salutierte und übergab ein Bündel mit Kleidung. Es war ein Jogginganzug, wie ihn die Soldaten bei ihrem Training gebrauchten, dazu auch Unterwäsche und was sonst noch dazu gehörte
Larissa griff danach. Die Größe schien zu passen. Sie trat hinter einen Schrank, öffnete die Tür und zog sich dahinter an. Alles war eine Nummer zu groß, aber es machte nichts, endlich nicht mehr nackt sein müssen, war das Wichtigste.
„So nun bin ich bereit!“
„Alles klar! Einen kleinen Moment wird es wohl noch dauern, bis ich ein Fahrzeug organisiert habe.“ Meinte der Offizier
Larissa nahm wieder Platz, noch immer mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. Noch war die Gefahr nicht gebannt, sie war noch lange nicht in Sicherheit.
Endlich nach etwa einer Dreiviertelstunde hatten sie ein Fahrzeug, das in die Richtung fuhr, organisiert.
Es handelte sich um einen Schützenpanzerwagen, mit acht Rädern.
Ein wenig komisch, aber sicher, dachte sich Larissa und stieg ein. Mit lautem Motor setzte sich der Wagen in Bewegung.
Larissa war froh über die Tatsache, dass der freundliche Offizier sie begleitete.
Schließlich kamen sie auf dem Gelände der Abtei an, die bald wieder den Namen Anarchonopolis tragen würde.
Larissa hatte schon während der Fahrt immer wieder aus der Luke gesehen.
„Wir sind am Ziel, ich wünsche dir alles Gute, Kleine. Und wie gesagt, wenn es Probleme gibt, einfach an die Wachmannschaften wenden, die haben strikte Order.“
Larissa bedankte sich, dann schritt sie auf das Gelände der Abtei. Ruhe, absolute Ruhe. Sie betrat das Konventsgebäude, auch hier war alles totenstill. Sie ging auf ihr Zimmer, alles noch wie gehabt. Es schien nicht durchsucht worden zu sein.
Sie schritt durch die Flure, kein Mensch weit und breit. Sie war tatsächlich mutterselenallein auf dem großen Gelände.
Cassian brauchte nicht lange in seinem eigenen Verließ auszuharren. Nach etwa 4 Stunden drangen Angehörige des Blauen Orden in die Ordensburg und befreiten ihren Herrn und Gebieter. Machten sich auf und davon. Tauchten unter. Nun waren sie die Gejagten, so schnell konnte sich das Blatt wenden.
Doch die Entmachtung war perfekt. Sie konnte nicht rückgängig gemacht werden. Nach vereinzelten Gefechten herrschte am späteren Nachmittag Ruhe in der ganzen Stadt. Die Gruppe der Verschwörer übernahm offiziell die Macht und erklärte über sämtliche Medien Cassian für abgesetzt.
Eine Art Stunde Null.
Larissa suchte ihr Handy, fand es schließlich auch. Sie drückte die Nummer in der Hoffnung, eine Verbindung zu Madleen herzustellen. Nach zwei fehlgeschlagenen Versuchen meldete sich die über alles Geliebte endlich und die Freude kannte keine Grenzen
Larissa berichtete noch einmal im Detail was sich am Tage zugetragen hatte und lieferte so den endgültigen Beweis für Cassians Entmachtung, die vorher schon Schlagezeile in den Medien war.
Madleen war außer sich vor Freude. Wusste sie doch nun die Geliebte in Sicherheit. Larissa ging, was ihre Erlebnisse betraf nicht weiter ins Detail. Die Folter erwähnte sich nicht, um Madleen nicht unnötig zu beunruhigen. Sie würde mit ihr darüber sprechen, wenn sie sich wieder von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen würden.
Larissa ging vor die Tür umschritt den Gebäudekomplex und setzte sich dann auf die kleine Natursteinmauer, die das Gelände umgab. Sie blickte in den blauen Himmel und dann über die Silhouette der Hauptstadt Manrovia.
Noch war das Gelände menschenleer. Larissa fürchtete sich nicht, sie genoss vielmehr die Ruhe. Noch war es hier wie ausgestorben. Bald schon, womöglich in ein paar Tagen, würde wieder Leben in die leerstehenden Mauern einkehren. Dann würde auch sie zu einem Teil der Freiheitstöchter, etwas das sie sich immer so sehr gewünscht hatte.
Larissa wartete auf die Geliebte, auf Madleen. Doch die würde nicht alleine kommen. Sie war wieder mit Elena vereint. jener Frau, die als eine der schönsten Frauen ihrer Zeit galt und mit der sie es niemals aufnehmen konnte.
Larissa war mit dem Leben davongekommen, wurde gerettet, buchstäblich in letzter Minute, doch was brachte ihr das?
Die schlimmen Erlebnisse, die sie in den letzten 48 Stunden über sich hatte ergehen lassen müssen, waren nichts im Vergleich zu der Psychofolter, die nun auf sie wartete. Glaubte sie zumindest. Madleen in den Armen dieser Superfrau zu sehen, selbst am Rande stehen zu müssen, übrig zu sein, trotz aller gegenteiligen Beteuerungen die Madleen immer wieder vorgebracht hatte, war der blanke Horror
Larissas Herz blutete schon jetzt, wenn sie nur daran dachte.
Die Meldungen über den Staatstreich in Akratasien schlugen in der Exilgemeinde wie eine Bombe ein.
Dass es so schnell kam, damit hatten sie nicht gerechnet. Doch Colette und Elena betrachteten die Ereignisse nüchtern und mit Augenmaß. Es gab keinen Anlass zu übereilter Euphorie.
Cassian war entmachtet und wohl ins Ausland geflüchtet. Das war eine positive Sache, die Hoffnung weckte.
Doch mehr außer der gemeinsamen Aversion gegen Cassian verband die Exilgemeinde nicht mit den neuen Militärmachthabern.
Schlimmsten Falls wurde nur eine Diktatur durch eine andere abgelöst.
In den folgenden zwei Tagen lag eine drückende Spannung über den Freiheitstöchtern. Was konnte wohl geschehen?
Doch am Abend des zweiten Tages traf die Nachricht ein, die alle aus den Wolken fallen ließen.
Die neuen Militärmachthaber boten den Schwestern Verhandlungen an. Damit verbunden die Aufhebung des Bannes. Colette, Elena und alle Schwestern durften in die Heimat zurückkehren. Die Abtei stand ihnen wieder zur Verfügung.
Das Exil war zu Ende. Endlich frei, endlich würde es wieder nach Hause gehen.