Stoßtrupp ins Jenseits

Der Mond stieg auf. Er wölbte sich groß und fahl, wie er am Himmel schwebte, mit einem seidenen Faden an die Erde gebunden. Seine Scheibe starte blind auf die Nachtwelt, über die er wachte.
Das ganze Szenario wirkte so gespenstisch wie der Anlass für Dagmars Flucht durch die Nacht. Sie glich einer Walküre nach deren wilder Jagd.
Sie trat das Gaspedal und beschleunigte ihr Tempo. Zum Glück waren die Straßen zu diesen Zeiten wie leergefegt. Mit Gegenverkehr kaum zu rechnen. Ansonsten wäre sie mit Sicherheit längs im Straßengraben gelandet.


Cathy auf dem Beifahrersitz kniff von tiefer Furcht erfüllt die Augen zusammen.
Die Angst stand ihr noch immer ins Gesicht geschrieben.


Angst ist ein so zentrales und dabei so leicht manipulierbares Gefühl, dass sie zu unserem besten Freund und zugleich zu unserem schlimmsten Feind geworden ist. Waren das nicht die Worte, die ihr Dagmar immer wieder so eindringlich ans Herz gelegt hatte?


Cathy hatte bei ihrer ersten Aktion versagt und somit ihre Prüfung nicht bestanden. Es war eben jene Angst, die ihr Handeln blockiert hatte. Eine lähmende Angst, die sie fast in den Wahnsinn trieb. Der Brandsatz, den sie auf das Parteibüro von Cassians Patrioten werfen sollte, blieb an diesem späten Abend kalt. Sie hatte diesen in höchster Erregung in einer Mülltonne entsorgt, die sie bei ihrer panischen Flucht beinahe umgerannt hatte.


Eine kleine Wolke des Verhängnisses schien sich über ihrem Kopf zu bilden
Dagmar, die im Fluchtauto einige Straßen weiter auf sie gewartet hatte, ahnte sofort, dass  Cathy die Aktion gründlich vermasselt hatte, nachdem sie in höchster Verzweiflung bei ihr erschienen war. Die Wachmannschaft der Patrioten hatte sie entdeckt und sogleich die Verfolgung aufgenommen. Nur mit großem Glück gelang es die Jäger nach einer rasanten Verfolgungsjagd  abzuschütteln.
Cathy war in einem Ozean von Kummer versunken. Sie wagte gar nicht Dagmar in die Augen zu blicken, die die ganze Zeit kein einziges Wort gesprochen hatte.
Erst als sie sicheres Terrain erreicht hatten wandte die sich ihr zu.


„Nun gut! Du hast es versaut! Hätte ich  mir denken können. Du bist nicht in der Lage deine Aufgabe auszufüllen. Du hast versagt, kärglich versagt! Ich bin tief enttäuscht von dir. Mit deiner zögerlichen Handlung hast du dich und mich in Gefahr gebracht und somit auch die gesamte Gemeinschaft.“
Tief betrübt lies Cathy den Kopf hängen.


„Ich.. ich hatte Angst, eine Scheißangst. Die haben mich entdeckt. Ich sah mich schon in die Falle tappen. Da geriet ich einfach in Panik. Ich konnte es nicht. Einen Brandsatz auf ein Gebäude werfen ist eine Sache. Aber Menschen vor sich zu haben, die am lebendigen Leibe in Flammen aufgehen eine andere. Ich will nicht zu einer Mörderin werden.“
Versuchte Cathy sich zu verteidigen, in dem Bewusstsein, dass sie mit dieser Ansicht bei Dagmar nicht viel erreichen konnte.


„Wir alle sind Mörder. Krieg ist immer Mord, kaltblütiger Mord. Wir befinden uns im Krieg.
Im Krieg mit Cassian und seiner verruchten Bande. Das scheinst du noch immer nicht kapiert zu haben.  Wir haben uns den Kampf nicht ausgesucht. Wir sind in diese Lage gezwungen.  Und dementsprechend auch zum Morden.“


„Verzeih mir! Ich…ich will es besser machen. Versprochen. Gib mir einen anderen Auftrag, den ich besser erfüllen kann. Dann werde ich nicht mehr versagen.“ Begann Cathy zu betteln.
„Wer einmal versagt läuft Gefahr es erneut zu tun. Du bist ein Risiko, für dich und die anderen. Gut, lass uns jetzt nicht mehr davon reden. Das tun wir in den Folgetagen, dann im Rat mit den anderen. Ich will im Moment nichts mehr von dir hören.“


„Gib mir noch mal eine Chance, bitte!“ Flehte Cathy weiter.
„Schluss jetzt! Ich habe mich genug geärgert. Ich will kein Wort mehr hören.“
Dem war nichts hinzuzufügen.


Die letzten Kilometer verbrachten die beiden im eisigen Schweigen. In rasender Fahrt bog Dagmar in das Waldgebiet ein und es kam einer Erlösung gleich, als sie sich endlich auf heimatlichem Terrain wiederfanden.


Cathy entstieg dem Auto und schritt schnurstracks mit gesenktem Kopf dem Hauptgebäude entgegen. Für heute hatte sie genug. Sie hastete die Treppe hinauf stürmte auf ihr Zimmer und warf sich auf ihr Bett. Ein böses Omen. Daran bestand nicht der geringste Zweifel.
Es dauerte nicht lange bis Laura erschien in der Tür erschien.


Die um einiges ältere und erfahrene Kämpferin war nicht nur Cathy Kümmerin, sondern seit einiger Zeit auch deren Lebensgefährtin. Cathy hatte unter deren Fuchtel sehr viel lernen können, was für ein Leben einer Untergrundkriegerin von Bedeutung war. Sie hatte sich deren Willen völlig untergeordnet und folgte ihr mit stoischer Hingabe. Hart war das Training, oftmals bis zur völligen Erschöpfung. Cathy akzeptierte das, da sie um den Erfolg einer solchen Tortour wusste.


Schließlich war es auch die Aussicht auf die Belohnung, die ihr nach Beendigung jener Strapazen am Abend und in den Nachtstunden zuteilwurde, wen sie sich in den Armen der Geliebten entspannen durfte.


„Nun, ich brauche wohl nicht zu fragen, wie es ausgegangen ist. Du hast es vermasselt? Habe ich Recht. Du konntest es nicht?“
Cathy unterdrückte ein Schluchzen.
„Du sagst es! Es ist gründlich schief gegangen. Ich habe mich dämlich angestellt.
Na. jetzt bin ich bei Dagmar erst mal unten durch.“
Tränen des Zornes erfüllten ihre Augen.


„Laura lies sich langsam auf der Bettkante nieder.
„Hmm… da kann man nichts machen. So läuft das eben. Ich verstehe es zwar nicht, denn in der Ausbildung warst du gut, sehr gut sogar. Aber Theorie und Praxis sind eben doch zwei paar Schuhe:“
„Ich war eben nicht gut genug. Du musst mich noch härter rannehmen. Mache mit mir was du willst, ich akzeptiere alles. Nur lass mich besser werden, damit ich es nicht erneut verbocke.“
Laura quittierte die Aussage der Gefährtin mit einem Lächeln.


„Bist du so versessen darauf noch mehr von mir geschliffen zu werden? Wir werden sehen. Ich glaube nicht, dass es daran liegt und das ist dir auch bewusst, mein Engel. Stimmts?
„Ja sicher! Ich konnte es nicht. Ich habe es auch Dagmar gesagt. Die Angst ist einfach über mich gekommen. Ich sah Menschen, Lebewesen, so wie ich, die sich bewegten, die atmeten. Es war an mir zu entscheiden, ob ich einen Brandsatz zünde und auf sie werfe.


Ich habe es schlichtweg nicht vermocht. Hätte ich schneller gehandelt, wären die Leute womöglich noch nicht vor mir erschienen und ich hätte nur das Gebäude getroffen.
Da siehst du, dass es eben doch ein meiner Kondition liegt.“
„Ach Unsinn, deine Kondition ist ausgezeichnet. Du hast dich in den letzten Wochen prächtig entwickelt, wenn es auch sicherlich noch einiges zu tun gibt. Es ist die seelische Verfassung, die sich noch entwickeln muss. Du musst dich auf das Leben einer Guerillakämpferin einstellen und das ist nicht leicht. Du hast mit deinem bisherigen Leben noch nicht ganz abgeschlossen, hast den Kampf noch nicht als deine Bestimmung akzeptiert. Da hilft auch noch so hartes Training nicht weiter. Diesen Schritt musst du ganz alleine gehen. Du bist noch nicht soweit. Man kann einer Entwicklung nicht vorgreifen.“

Lauras mahnende Wort traf die Sache auf den Punkt.
Cathys Vorstellungen vom Guerillakampf pendelten zwischen romantisierenden Kitsch und naiver Weltverbesserphantasie. Sie hatte im Grunde kaum ein tragfähiges Konzept für ihre Mitwirkung in einer Untergrundorganisation.


„Aber wie lange soll ich noch warten, bis ich soweit bin. Ich möchte mich bewähren und den anderen zeigen, dass ich es kann.“
„Das wirst du! Aber noch ist es zu früh. Du hast heute zum ersten Mal gesehen was geschehen kann, wenn du nicht richtig auf dem Posten bist.  Und dabei handelte es sich nur um eine relativ kleine Aktion. Nicht auszudenken was passiert, wenn wir in ein groß angelegtes Gefecht geraten. Ein kleiner Patzer und es ist aus.“ Laura schnippte mit dem Finger.
Deprimiert lies Cathy den Kopf hängen.


Laura rückte näher heran und nahm ihren Schützling in den Arm.
„Hey, nicht traurig sein. Wir bekommen das hin. Ganz bestimmt. Versteh doch. Dein Leben ist zu kostbar, um es leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Ich liebe dich und möchte noch viel Zeit mit dir verbringen. Keinesfalls möchte ich dich in naher Zukunft im Leichenschauhaus besuchen.“
Laura stubste mit dem Zeigefinger Cathys Nase.


„So! Und jetzt wird geschlafen. Du hast einen anstrengenden Tag hinter dir.“
Laura begann Cathy auszuziehen, weil ihre Gefährtin das ganz besonders mochte, gab ihr einen Klaps auf den Hintern und hüllte sie ganz in die flauschige Decke ein.
Zum Schluss folge ein dicker Gutenachtkuss.


„Schlaf schön, mein frecher Engel!“
Cathy griff nach Lauras Händen.
„Bleibst du denn nicht bei mir?“
„Heute Nacht nicht mein Schatz!“
 Ein Anflug von Traurigkeit legte sich auf Cathys Gesicht.


„Wir beide müssen gut ausgeschlafen sein morgen in der Frühe. Wir haben Plenum. Da geht es um viel. Bliebe ich jetzt bei dir würden wir uns bis zum Morgengrauen lieben.
Nicht traurig sein! Morgen Nacht sind wir wieder vereint. Ich verspreche dir dich dann besonders ranzunehmen. So wie du es am liebsten magst!“


Laura verlies eilig das Zimmer, um nicht doch noch schwach zu werden. Sie zog sich auf ihr Zimmer zurück, um sich ebenfalls zur Ruhe zu begeben. Doch wollte sich der Nachtschlaf  lange Zeit nicht einstellen. Sie erkannte immer deutlicher, wie sehr sie Cathy liebte. Diese Liebe bedeutete eine mächtige Zäsur in ihrem Leben.

Laura war inzwischen 40 und hatte ein bewegtes Leben hinter sich. Sie diente als Offizierin in der Armee des vorrevolutionären Melancholanien und konnte zahlreiche Ausbildungen absolvieren. Sie war Söldnerin. Kein leichtes Leben für eine Frau. Ständig hatte sie sich in einer Männerwelt zu behaupten und zu beweisen. Deshalb nahm sie alle Gefahren auf sich, die sich ihr boten. Immer die ersten sein. Zahlreiche Auszeichnungen konnte sie erringen.


Sie wurde eine echte Draufgängerin und glaubte sich gut aufgehoben in dieser Szene.
Doch das morsche politische System des alten Melancholanien behagte ihr nicht. Irgendwann erkannte sie, dass sie den falschen Leuten die Treue geschworen hatte und brach mit ihrem Leben und wechselte die Seiten Zunächst schloss sie sich Neidhardts Revolutionären an, doch dessen Dogmatismus und vor allem seine ablehnende Haltung Frauen gegenüber stießen sie ab. Sie sah sich in zunehmendem Maße desillusioniert und heimatlos, bis sie schließlich zu Elenas Anhang stieß. Es war jene Zeit als die Urkommune gerade im Begriff war in die Abtei umzuziehen.


Am Anfang lief alles gut und sie wähnte sich endlich auf dem rechten Weg. Von dieser Gemeinschaft schien tatsächlich etwas völlig Neues auszugehen. Im Gegensatz zu vielen anderen aber begegnete ihr dort keine Liebe, wenn man von einigen kurzen Episoden einmal absah. Das tat weh und lies sie immer tiefer in die Isolation geraten. Ihre Seele verhärtet sich wie Leder, das in der Sonne brüchig wurde. Dabei war sie gar nicht unansehnlich. Ihr Körper war durchtrainiert, überaus kräftig und beweglich. Sie schien komplett aus Muskeln zu bestehen, wirkte aber trotzdem feminin und anziehend. Aber ihre forsche Art und Direktheit lies sie mit nicht wenigen in Konflikt geraten. Kompromisslos folgte sie ihren Idealen und sah ihren einzigen Lebensinhalt im Kampf.

Dem hatte sie sich voll ergeben. Nach Elenas Machtübernahme und den damit einhergehenden Veränderungen konnte sie mit vielen Neuerungen nichts anfangen und geriet in den Dunstkreis von Dagmars militanten Flügel. Sie zählte zu deren ersten Anhängerinnen. Laura hatte immer eine unerschütterliche Selbstsicherheit besessen und fügte sich in ihr Schicksal. Es war ihr gleich was mit ihr geschah. Wenn sie bei einer Aktion ihr Leben lassen musste, sollte es eben so sein. Dann würde sie endlich jene Ruhe finden, die ihr im Leben bisher nicht zuteilwurde. Sie war Realistin genug, um zu erkennen, dass der Guerillakampf den sie zu führen gedachten ohne Aussicht auf Erfolg war. Sie konnten mit ihren Aktionen Cassians Regime nicht wirklich schaden, im Gegenteil, es bestand die Gefahr, dass sie den Tyrannen durch diese Handlungen nur noch mehr Anhänger in die Arme trieben.


Das Leben sickerte so vor sich hin, hier in dieser selbst gewählten Abgeschiedenheit. Laura hatte endgültig mit allem abgeschlossen und die Hoffnung auf Besserung zu den Akten gelegt. Für eine Terroristin, wie sie es war, nach der im ganzen Land gefahndet wurde gab es kein Morgen. Ein ständiges Warten auf ein Nichts, ein warten auf den sicheren Tod oder lebenslängliche Gefangenschaft. Ob sie wollte oder nicht, sie war verdammt zum Krieg.

Das änderte sich schlagartig als Cathy hier auftauchte. Laura fing sofort Feuer. Diese junge Frau, die so ganz und gar nicht in dieses Umfeld zu passen schien hatte das Herz der müden Kriegerin im Sturm erobert.


Auf einmal erkannte sie, dass sie verschüttet gelebt hatte, quasi am Leben vorbei. Wie aus heiterem Himmel geriet das Leben noch mal in Bewegung und wurde nicht wie bisher, in Stillstand verharren.  Das Leben hatte plötzlich einen Sinn und der hieß Cathy
Dabei konnte es kaum größere Gegensätze geben, sowohl was das Erscheinungsbild als auch den Charakter der beiden betraf.


Die um 12 Jahre jüngere Frau entstammte einem gut bürgerlichen Elternhaus, war behütet und umsorgt aufgewachsen und bekam stets was sie wollte. Eine kleine Prinzessin. Alles schien nach Plan zu laufen.


Der Mann den sie heiratete war ganz nach dem Geschmack der Eltern, gebildet und erfolgreicher Unternehmer, einer der ihr alles bieten konnte und jegliche Verantwortung für ihr Leben von den Schultern nahm. Seine Gesinnung stockkonservativ, ein glühender Anhänger von Cassians Regime. Cathy hingegen liebäugelte schon als Teenager mit den Töchtern der Freiheit und deren revolutionären Ideen wenn auch überwiegend aus romantischen Gesichtspunkten. Sie wollte sich beweisen, wollte selber etwas zuwege bringen, doch auf welche Art und Weise wusste sie nicht.
Ihr Leben wurde zusehends von tödlicher Langeweile bestimmt.


Eines Tages hatte sie die Nase voll und brach aus. Da es die Großkommune nicht mehr gab, suchte sie nach Alternativen.
 Über eine Freundin, die Julia flüchtig kannte erfuhr sie von dieser Geheimgesellschaft.  So kam sie hier an, vom Leben weitgehend unerfahren, naiv und etwas tollpatschig schien sie kaum einen Fettnapf auszulassen.


Doch gerade das war es was Laura so faszinierte. Vom ersten Tag an  fühlte sie sich zu Cathy hingezogen und tat alles um als deren Kümmerin ausgewählt zu werden.
Entsprechend groß war die Freude als sie das erreichte und noch viel, viel größer als sie bemerkte das die Jüngere ihre Gefühle zu erwidern schien.


Das war außerordentlich wichtig, denn es galt Cathys etwas pummeligen Körper einem harten Training zu unterwerfen. Laura schonte die Freundin dabei nicht und nahm sie hart ran, auch wenn sie ihr des Öfteren dabei leid tat. Aber diese Erfahrung war sehr wichtig.
Unter Lauras Händen begann sich Cathys Körper zu straffen und zu härten. Langsam bildeten sich die Muskeln aus und verdrängten die Fettpölsterchen. Einige Kilogramm Gewicht gingen auf diese Weise verloren.


Laura freute sich zwar einerseits über diese Entwicklung, auf der anderen Seite bedauerte sie es auch, denn es waren gerade jene Pölsterchen und diese herrlichen Rundungen, welche sie an der neuen Freundin so sehr mochte.


Ein nie gekanntes Gefühl überkam sie. Die Sorge um einen geliebten Menschen, war ihr bisher völlig unbekannt.
Lauras Furcht Cathy auf tragische Weise zu verlieren war groß und lies sie kaum noch zur Ruhe kommen.


Dieses herrliche Geschöpf mit dem rabenschwarzen Lockenhaar und den braunen Kulleraugen, dem zauberhaften Lächeln ,dem verführerischen Augenzwinkern mit den langen Wimpern und der spontanen, herzlichen Art mit anderen umzugehen. Jede Minute die Laura mit ihr verbringen durfte war ein Fest.
Doch dieses wunderbare Wesen war bedroht.


Immer deutlicher wurde sich Laura der schmerzhaften Erkenntnis bewusst, dass Cathy nicht zur Kämpferin geboren war. Vielmehr bedurfte sie des Schutzes und Laura würde ihn gewähren, koste es was es wolle. Sie selbst war es die Dagmar immer wieder darauf hinwies, das Cathy noch nicht genug Erfahrung gesammelt hatte, um an die Front beordert zu werden. Sie wollte unter allen Umständen die gerade erst gewonnen Geliebte in Sicherheit wissen.


Nachdem beide ihre erste gemeinsame Liebesnacht genossen hatten, war es endgültig um Laura geschehen.
Heimlich begann sie Pläne zu schmieden, um mit Cathy von hier zu fliehen. Einfach weg und mit ihr ein neues Leben beginnen. Irgendwo neu anfangen, etwas Sinnvolles tun
und das Leben mit der Partnerin genießen.


Für Cathy wäre sie bereit komplett umzudenken und ihr Leben neu auszurichten.
Doch das war alles andere als einfach. Wo sollten sie hin?


Im Lande konnten sie auf keinen Falle bleiben. Laura war eine steckbrieflich gesuchte Terroristin und auch nach Cathy würde mit Sicherheit längst gefahndet.
Bitter schmeckte der Kelch der Erkenntnis, dass sie in der Falle saßen, aus der es wohl kein Entrinnen gab. Nur diese Gemeinschaft bot im Moment noch einen gewissen Schutz.
Doch wie lange würde das so bleiben? So oder so, in ihrer beider Leben gab es keinen Platz für die Liebe. Schmerz legte sich wie ein kalter Mantel um ihr Herz.
Doch sie wollte ihre Ängste nicht offenbaren, schon gar nicht der Geliebten gegenüber.


Lange lag die furchtlose Kriegerin auf ihrem Bett und starrte zum Fenster hinaus, ihre Augen folgten dem Lauf des vollen Mondes der wie eine Silberglänzende Scheibe am Nachthimmel seine Bahn zog. Stunde um Stunde verging, ohne dass sich der Nachtschlaf einstellte.
Erst gegen Morgen fiel sie in einen leichten Schlummer, schreckte wenig später in die Höhe, als der schrille Ruf des Radioweckers sie in die Realität zurück beorderte.


Müde und den Kopf voller Sorgen erhob sie sich, unterzog sich einer Katzenwäsche und begab sich in den noch stillen Flur.
Auf halber Strecke kam ihr Dagmar entgegen.


„Guten Morgen Laura, wie immer früh zugange. Auf dich ist Verlass. Na, wenigstens eine auf die ich bauen kann.“
„Guten Morgen Dagmar! Ja, man tut was man kann.“ Erwiderte die Angesprochenen und beendete ihren Satz mit einem gähnen.
„Sag mal, ist Cathy schon auf? Habt ihr die Nacht gemeinsam verbracht?“


„Ich weiß nicht! Ich war nicht bei ihr. Ich wollte heute Morgen ausgeschlafen sein. Ich werde mal nach meiner kleinen Schlafmütze sehen.“
„Meinst du nicht, dass sie allein dazu imstande sein sollte? Mir scheint, du bemutterst sie ein wenig viel!“ Gab Dagmar zu verstehen.
„Dagmar, die Frau ist die Liebe meines Lebens, lass mir doch ein wenig Glück. Ich mache das gern. Na und bei der Ausbildung nehme ich sie hart ran wie du weißt, da hat sie sich einen süßen Ausgleich allemal verdient.“


„Na, wollen wir hoffen ,dass es fruchtet. Gestern hatte ich nicht den Eindruck. Dummes Ding, um ein Haar hätte sie alles vermasselt. Ich werde sie mir heute noch mal ordentlich vorknöpfen. So geht das nicht.“ Dagmars Gesichtsausdruck wirkte bedrohlich,
„Hab ich schon getan! Sie hat ihre Fehler erkannt und ist bereit ins Glied zurückzutreten. Sie ist einfach noch nicht soweit. Du solltest sie erst mal außer Acht lassen. Bei der geplanten großen Aktion Ende des Monats, sollten wie sie zuhause lassen.“


Beschwor Laura in der Hoffnung dass ihre Worte eindringlich genug waren.
„Ja, aber sie liegt mir doch ständig in den Ohren, sie endlich zum Einsatz kommen zu lassen. Versuche ihr das auszureden. Ich habe kaum noch Hoffnung für sie.“
Laura Herz machte einen Freudesprung als sie diese Worte vernahm. Hatte es Dagmar also endlich eingesehen.


„Oh das wird sie hart treffen! Aber ich werde sie schonend darauf vorbereiten. Lass mich nur machen, ich schaffe das schon.“ Entgegnete Laura.
„Gut, bis später dann. Wir sehen uns zum Plenum. Schubs dein Mäuschen aus den Federn damit sie ausgeschlafen ist und genau zuhört, wenn es um ihre Probleme geht.“
Dagmar verschwand in der Enge der Korridore.


Voller Zufriedenheit eilte Laura zu Cathys Zimmer.
Vom sanften Klopfen geweckt, schreckte diese in die Höhe.
„Verdammt! Hab ich etwa verschlafen?“


„Hmm, noch nicht ganz. Wenn du dich beeilst kommen wir noch nicht zu spät.“
„Au, Mist! Muss ich ausgerechnet heute verpennen. Ich eile, ich eile… wo… hab ich denn nur…“ Hektisch wie so oft suchte Cathy ihre Sachen zusammen.
„Mit dem duschen wird es wohl nix mehr, oder?“


„Ich glaube kaum. Spritz dir etwas Wasser ins Gesicht, das muss genügen. Du weißt das Dagmar kaum etwas mehr hasst als Unpünktlichkeit. Wir duschen heute Abend zusammen.“
Stellte Laura mit einem Schmunzeln in Aussicht.


„Wau! Lass es endlich Abend werden! Ich komme ich komme!“
„Dann bis gleich!“ Laura verlies das Zimmer.
Ja, so war sie, ihre Kleine. So voller Leben und ungezügelter Energie, immer etwas chaotisch und anarchistisch. Mit Cathy an ihrer Seite würde es nie Langeweile geben.
Deshalb musste sie leben. Leben um jeden Preis.

Dagmar schaute ungeduldig auf ihre Armbanduhr und ihr Blick schien sich zusehend zu verfinstern.
Alle waren anwesend, nur Cathy fehlte noch. Auf Lauras Stirn bildete sich eine Sorgenfalte.
Konnte sie nicht einmal pünktlich sein?


„Also wir fangen an: Wir können nicht immer nur auf Cathy warten. Dann hat sie eben das Nachsehen.“ Begann Dagmar.
„Ich werde mal nach ihr sehen!“ Bot Laura an und machte Anstalten sich von ihrem Platz zu erheben.
„Bleib sitzen, Laura!“ Befahl Dagmar, die Luft knisterte von ihrer Wut.


Die Tür sprang auf und die Erwartete hastete in den großen Saal.
„Entschuldigt meine Verspätung. Ich… ich wollte pünktlich sein…aber…!
Sie war so abgehetzt, dass sie kein weiteres Wort über die Lippen brachte. Um ein Haar wäre sie über Cyndis Tasche gestolpert, die etwas weit in den Gang ragte.
Dann lies sie sich neben Laura in der Bankreihe nieder.


„Wo warst du denn?
Mensch, ich zieh dir noch die Ohren lang.“
Laura zupfte an Cathys Ohrläppchen.
Die senkte nur betrübt den Kopf und versuchte nach Atem zu ringen.


„Nun beruhig dich erst mal. Du bist noch nicht zu spät. Wir wollten gerade anfangen.“ Flüsterte Laura in Cathys Ohr.
„Also, da wir vollzählig sind können wir beginnen.“ Setzte Dagmar an.
„Ihr wisst worum es geht! Unsere große Aktion steht ins Haus. Ich wollte, wir hätten noch mehr Zeit für die Vorbereitung. Aber die steht uns leider nicht zur Verfügung. Cassian festigt seine Macht immer mehr und es ist zu befürchten, dass die Repressionen schon in absehbarer Zeit zunehmen.


Auch wir werden dabei nicht verschont. Es ist davon auszugehen, dass unsre Tarnung bald auffliegt. Deshalb ist schnelles Handeln geboten. Wir können uns nicht mehr nur mit kleinen Scharmützeln begnügen. Wir bereiten uns seit langem auf großangelegte Gefechte vor.“
„Cathy kramte so laut in ihrer Tasche, dass es auffiel.


„ Sei doch leise!“ Mahnte Laura.
„Entschuldige!“
Plötzlich fiel deren Handy zu Boden, so dass alle aufschreckten.
„Was machst du denn? Hey, du hast ja dein Handy noch nicht reaktiviert Willst du das wir geortet und abgehört werden? Los schnell rein damit, bevor es die anderen merken.“
Wisperte Laura der Geliebten zu.


Dagmar räusperte ich laut.
„Also Laura und Cathy, könnt ihr euer Geflüster endlich einstellen? Ihr seid unmöglich.
Spart euch das doch für die Nacht auf. Da könnt ihr flaxen, auch necken, kitzeln und was weiß ich nicht noch alles. Aber hier ist jetzt endlich Ruhe.“
Um ihre Schelte deutlich zu untermauern schlug sie mit der Handfläche auf den Tisch.


„Alles in Ordnung Dagmar! Alles in Ordnung!“
„Ich will es hoffen! Laura, ich möchte später mit dir noch mal unter vier Augen sprechen.“
„Entschuldige, ich möchte nicht dass du meinetwegen Ärger bekommst!“ Flüsterte Cathy.
„Pssst!“


„Wie stellst du dir die groß angelegte Aktion vor? Was nehmen wir genau ins Visier? Wir haben mehrere Möglichkeiten? beraten“ Die Regierungszentrale oder doch lieber das Jagdschloss? Wir haben beide Varianten gründlich durchgecheckt.“ Erkundigte sich Carmen.
„Ich denke an einen Angriff auf die Hauptzentrale. Das Regierungsgebäude. Zu Beginn der Feierlichkeiten anlässlich Cassians Kaiserkrönung. Der Tag an dem er vor dem Marionettenparlament seine schwulstige Antrittsrede hält.


Eisiges Schweigen senkte sich herab. Eine beklemmende Atmosphäre setzte ein. Alle waren sich schlagartig bewusst, was das bedeutete und welch dramatische Folgen dass nach sich ziehen konnte.
„Die Regierungszentrale? Meinst du nicht, dass das nicht ein wenig über unsere Möglichkeiten geht? Für so eine Aktion benötigen wir mindestes noch zwei Monate Vorbereitungszeit. Das Jagdschloss können wir hingegen schon in ein paar Tagen nehmen.“
Gab Ilka zu bedenken.


„Ich finde das absolut cool. Genauso ist es richtig. Dagmar hat vollkommen Recht. Es ist Zeit für so eine Sache. Das wird die Verhältnisse im Land gründlich durcheinander wirbeln.“ Begeisterte sich Merit hingegen.
Laura lies den Kopf hängen und seufzte tief durch. Diese Aktion war ein Himmelfahrtskommando. Gleichsam ein Stoßtrupp ins Jenseits. Es würde unzählige Opfer geben.
„Laura was hast du? Ist dir nicht gut?“ Wollte Cathy wissen.


„Pssst! Las uns später drüber reden.“
„Ich möchte, dass ihr alle eure Meinung dazu kundtut.“ Forderte Dagmar auf.
Nach langem Zögern erhob sich Laura.
„Ich kann mich Ilka nur anschließen. Ich habe große Bedenken, gegen diese Aktion. Das ist Wahnsinn. Es wird unzählige Opfer geben und der Nutzen ist gleich null. Wir liefern Cassian die Munition, mit der er uns vernichten kann. Damit geben wir ihm einen Freibrief für alle möglichen repressiven Maßnahmen, die wir uns nur vorstellen können. Aber vielleicht möchte ich sie mir gar nicht vorstellen.“


„Aber genau das ist doch unsere Strategie. Wir wollen mit unseren Aktionen Cassian dazu zwingen noch brutaler durchzugreifen, um die Bevölkerung zu drangsalieren. Das könnte dann letztendlich zur Revolution führen.“ Hielt ihr Cyndi entgegen. Sie war wie Cathy ein Neuling und glaubte noch an jene Ideologie.
Dagmar sah sich in einer bedrängten Lage. Lauras Ablehnung kam ihr ganz und gar nicht gelegen. Die erfahrene Kämpferin hatte sie stets unterstützt und war immer auf ihrer Seite, wenn es darum ging das Unmögliche möglich zu machen.  Laura die Furchtlose, die sich nie schonte. Dagmar konnte sich denken, woran es lag.


„Nun gut wir haben deine Einwände gehört Laura. Schade, von dir hätte ich das am allerwenigsten erwartet. Nichts destotrotz werden wir diese Aktion starten. Es geht kein Weg daran vorbei. Ich möchte euch nicht damit überfallen. Ihr habt Bedenkzeit. Die endgültige Entscheidung treffen wir in ein paar Tagen. Ich möchte dass die Mehrheit entscheidet.
Dagmars autoritäres Machtwort saß wie immer und duldete schon in diesem Augenblick kaum noch Widerspruch. Die Bedenkzeit war im Grund eine Farce, sie hatte beschlossen und basta.
„Also Tagesordnungspunkt verschoben. Nun kommen wir zu einem anderen wichtigen Punkt.


Wer bei der Aktion, bzw. Aktionen, die noch folgen werden mit dabei sein wird. Es gibt einige unter uns, die noch nicht im ausreichenden Maße vorbereitet sind.
Fangen wir doch einfach mit dir an Cathy.“
Die lies vor Schreck den Stift zu Boden fallen, den sie gerade in der Hand hielt.


„Ja?“
„Nun Cathy, die Aktion gestern Abend war ein Schlag ins Wasser. Wie schätzt du dein Verhalten ein?“ Drang Dagmar auf die völlig Unvorbereitete ein.
„Nun….ähm… ich war… naja ich war nicht gut. Ich war gar nicht gut! Ich hab verpatzt.“
Stotterte Cathy, dabei Hilfe suchend zu Laura blickend. Die nur den Kopf senkte.


„Nicht gut? Du warst miserabel. Diese Aktion hätte ins Auge gehen können. Bist du dir dessen bewusst, dass du durch dein Verhalten unsere ganze Gemeinschaft gefährdet hast.“
Schrie Dagmar plötzlich und alle übrigen zuckten innerlich zusammen, so als ob gerade ein Meteorit eingeschlagen hätte.


„Ich… ich will mich bemühen alles was ich noch nicht weiß nachzuholen. Ich verspreche es!
Großes Ehrenwort. Ich werde hart an mir arbeiten. Laura wird mich schleifen, bis ich eine Kämpferin bin.“ Versuchte sich Cathy zu verteidigen, doch damit kam sie bei Dagmar nicht durch.
„Pappalapapp!“ Glaubst du dass es damit getan ist. Du bist eine Schande für uns alle. Sei froh dass ich dich nicht davonjage. Verdient hast du es allemal.


Ein Sturzbach bitterer heißer Tränen entquoll Cathys Augen. Sie suchte nach Worten, doch die ließen sich nicht finden.
Alle Augen waren auf sie gerichtet. Warum nur stand ihr die Gefährtin nicht bei?
Deren Gefühle schwankten zwischen Erleichterung und Wut. Erleichterung, weil es damit unmöglich wurde die geliebte Freundin einer Gefahr auszusetzen, deren sie nicht gewachsen war. Wut über die Art wie Dagmar mit dem Menschen umging, den sie über alles liebte.


„Lass es gut sein Dagmar. Ich denke Cathy weiß was sie falsch gemacht hat. Du solltest nicht so auf sie eindringen. Das hat sie wirklich nicht verdient. Damit wäre wohl allen bewusst, das Cathy nicht zum Einsatz kommt.“ Meldete sich satt dessen Carmen zu Wort.


„Nein! Ich will mit dabei sein! Ich möchte meine Chance. Ich verspreche euch, dass ich alles wieder gut mache! Ich werde lernen!“ Lehnte Cathy das Ansinnen verzweifelt ab.
„Kommt nicht in Frage! Du bist unfähig und eine Gefahr für uns alle. Ich stimme Dagmar in allem zu.“ Die Worte auf Merit Zuge waren wie stechende Wespen.
„Laura sag du doch mal was. Du kennst mich doch am besten. Ich werde es lernen, das hast du mir gesagt, immer und immer wieder. Ich werde besser! Sag es ihnen doch, bitte!“
Bettelte Cathy wie ein Kind um sein Lieblingsspielzeug.


„Nun Laura, Cathy hat Recht! Ich würde auch sehr gerne deine Meinung hören! Forderte Dagmar.
Tief in sich verspürte Laura die Kälte ihrer Worte.


Wie konnte sich Laura aus dieser Falle winden? Sie war gezwungen Dagmar beizupflichten, nur auf diese Weise konnte sie die Geliebte vor dem sicheren Tod bewahren.
„Nun, ich will ganz offen sein! Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass es mir nicht gelungen ist Cathy in ausreichender Weise für den Kampf vorzubereiten. Ihr Versagen als Schülerin ist mein Versagen als Lehrerin. Sie wird es schaffen, irgendwann, davon bin ich überzeugt. Doch im Moment ist sie noch nicht in der Form, die sie benötigt, um an einer schwierigen Aktion teilzunehmen. Es tut mir leid Cathy!“


Lauras Worte waren scharf und hingen bleischwer in der Luft.
Cathy traute ihren Ohren nicht. Das konnte nicht sein. Sie fühlte sich einsam und verlassen. Nicht einmal Laura glaubte noch an ihre Fähigkeiten.
Ein Stöhnen ohnmächtige Wut entrang sich ihrer Brust.


„Laura, warum sagst du das? Glaubst du nicht mehr an mich?“
Laura senkte nur betrübt den Kopf. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so schlecht gefühlt. Sie griff nach der Hand der Geliebten, doch die zog sie voller Wut zurück.
Ohne ein weiteres Wort stürzte Cathy aus dem Raum. Laura erhob sich und folgte ihr augenblicklich.


„Laura bleib hier! Lass sie gehen. Unser Plenum ist noch nicht zu Ende!“ Rief ihr Dagmar nach. Doch deren Worte verhallten ungehört.
Ich muss zu ihr! Ich muss ihr alles erklären. Ich muss ihr meine Ängste wissen lassen, damit sie versteht. Und ich muss ihr sagen, wie sehr ich liebe, obwohl ich das schon dutzende Male tat. Sprach Laura in Gedanken zu sich selbst.


„Cathy bleib doch mal stehen! Lass uns reden! Ich will dir alles erklären! Es ist nicht so wie du denkst!“ Rief ihr Lara nach.
„Las mich in Ruhe! Ich will dich nie mehr sehen! Mir dir bin ich fertig!“
Sie stürmte auf ihr Zimmer und schloss die Tür ab. Lauras verzweifelte Klopfen nahm sie gar nicht mehr war. Ihr Herz versank in den Tiefen der Verzweiflung. Sie verließ ihr Zimmer den ganzen Tag nicht mehr und überlies sich ihrer ohnmächtigen Wut.


Laura schritt unverrichteter Dinge davon, um wieder am Plenum teilzunehmen. Es versteht sich von selbst, dass sie den Worten in keinster Weise folgen konnte.
Nach Abschluss der Besprechung wollte sie sich erneut zu Cathy begeben. Womöglich hatte die sich in der Zwischenzeit etwas beruhigt.
Doch Dagmar hielt sie fest.
„Laura, ich muss mir dir reden! Ich glaube das hätten wir längst tun sollen!“
„ Im Moment bin ich kaum in der rechten Stimmung. Es hat schon genug Unmut gegeben. Ich möchte dem nicht noch weiteren hinzufügen.“ Lehnte die zunächst ab.
„Nein, jetzt ist der richtige Zeitpunkt! Gerade jetzt!“


„Also gut! Reden wir! Was willst du?“
„Was ist los mit dir Laura? Sag es mir, denn ich verstehe es nicht! Warum widersprichst du mir, wenn es um längst geplante Aktionen geht? Von allen hätte ich Einwände erwartet, aber nicht von dir. Ausgerechnet du. Die perfekte Kriegerin. Furchtlos und zu allem entschlossen.


Keine Gefahr konnte groß genug für dich sein. Und du hast sie alle gemeistert. Auf dich konnte ich mich stets verlassen. Du fürchtest weder Tod noch Teufel. So glaubte ich zumindest lange Zeit. Also was ist los?“


„Ach tu doch bitte nicht so als wenn du das nicht wüsstest!“ Erwiderte Laura genervt über diesen überflüssigen Vortrag.
„Natürlich weiß ich das! Seit du mit Cathy zusammen bist, erkenne ich dich nicht wieder. Du bist dabei dich in rasantem Tempo zu verändern.“
„Sie hat mir eben den Kopf verdreht! Bist du zufrieden mit der Antwort?“ Kaum hatte Laura ausgesprochen bereute sie die Worte schon. Wie konnte sie nur so etwas Dämliches sagen?
„Ja, das hat sie! In der Tat! Und zwar mit voller Leistung. Ich glaube, dass du in der Zwischenzeit ganz und gar ohne Kopf durch die Gegend läufst.  Sie hat dich verhext. Du wirst dir von Tag zu Tag immer fremder.“


„Ach nein! Ich mir fremd werden? Das kann ich gar nicht, weil ich nie wirklich bei mir zuhause war. Wer war ich denn? Die perfekt funktionierende Kampfmaschine. Gefühllos, per Knopfdruck jederzeit einsatzfähig. Immer alles nach System, immer alles nach Schema F. Den Tod nicht fürchten. Warum auch? Ich hatte nichts zu verlieren, außer meinem Leben. Ein Leben das mir immer fremder wurde.


Nein, dieses Wesen, dass dort eben heulend aus dem Sitzungssaal rannte ist zufällig der bezauberndste, liebenswerteste, netteste Mensch, der mir je begegnet ist und dass trotz ihrer Schwächen und Fehler. Seit ich sie liebe ist alles anders, das ist war. Sie hat mir die Augen geöffnet für die Schönheit des Lebens, dafür dass es auch noch anderes gibt, als kämpfen, töten, flüchten, untertauchen und erneut zuzuschlagen. Seit ich sie kenne habe ich das Leben gefunden. Nein, besser ausgedrückt, das Leben hat mich gefunden.“
Dagmar traute ihren Ohren nicht. Noch nie hatte Laura so direkt ihre Gefühle offenbart.


„Au weh! Dich hat es wirklich erwischt! Du glaubst was du sagst. Logische Argumente braucht man da gar nicht erst vorzutragen. Und wie soll es weitergehen? Hast du mal darüber nachgedacht?“
„Ich weiß es nicht! Keine Ahnung! Alles was ich weiß ist jede Minute mit ihr zu genießen, solange ich noch die Gelegenheit dazu habe. Ich bin zum ersten Mal im Leben glücklich. Ich stelle mir vor mit ihr ein stinknormales Leben zu führen. Ich habe die Action satt. Irgendwo nur wir selber sein. In der Abgeschiedenheit. Ein zuhause haben, ein Heim, dass ich mit ihr teilen kann.“


„Klar, mit eigenem Garten und nicht zu vergessen einen dicken fetten Gartenzwerg in der Mitte, als Symbol eures neuen Spießerlebens!“ Höhnte Dagmar, doch damit kam sie bei Laura nicht mehr durch.
„Aber selbstverständlich doch! Der Gartenzwerg wird unser Markenzeichen! Gib dir keine Mühe, Dagmar. Du kannst mich nicht beeinflussen. Ich weiß, du gönnst mir dieses kleine Glück nicht, diesen zarten Hauch von Gefühl in einer kalten steril gewordenen Welt.“


Dagmar legte sanft ihre Hand auf Lauras Schulter und fuhr in wesentlich sanfteren Tonfall fort.
„Das ist nicht wahr! Selbstverständlich gönne ich dir dein Glück, von ganzen Herzen. Ich freue mich für euch. Ja, was glaubst du denn warum ich Cathy aus der Schusslinie nehme will?
Weil auch ich sie nicht verlieren will. Ich dachte das wäre ganz in deinem Sinne?“


„Das ist es auch und dafür danke ich dir. In dieser Angelegenheit sind wir einer Meinung und das ist gut.“
„Aber glaubst du wirklich, dass du in der Lage bist ein solides bürgerliches Leben zu führen, du, die du mit dem Kampf verheiratet warst. Glaubst du daran? Wo wollt ihr hin, ihr werdet beide gesucht?“


„Nun, ich lasse mich vom Kampf scheiden, so einfach ist dass, um neu zu heiraten. Ich bin mir voll bewusst, wie schwierig das ist, fast unmöglich. Ich denke es ist so gut wie sinnlos sich, um die Zukunft zu sorgen. Sie sollte ungewiss bleiben. Sie ist wie eine weiße Wand auf die wir unsere Sehnsüchte projizieren. Träumen darf ich ja wohl noch.
Du brauchst dir keine Gedanken zu machen, dass ich in naher Zukunft hier verschwinde. Ich bin mir der Aussichtslosigkeit voll bewusst.“


„Gut, dann wäre diese Angelegenheit geklärt! Lassen wir Cathy mal beiseite. Warum aber bist du gegen den Angriff auf das Parlamentsgebäude? Diese Aktion haben wir schon vor Zeiten besprochen.  Du warst dafür, als eine der ersten. Woher dieser Sinneswandel?“


„Weil es Wahnsinn ist, deshalb. Ich habe mir alles noch einmal durch den Kopf gehen lassen und bin zu der Einsicht gelangt, dass diese Aktion nichts bringt. Wir können den Tyrannen auf diese Weise nicht zu Fall bringen. Wir müssen einfach die Entwicklung in der Bevölkerung abwarten. Die ist noch nicht soweit. Wenn für Cassian die Zeit gekommen ist zu fallen, wird er fallen. Ich denke, die kommt schneller als er sich das vorstellen kann. Es gibt für alles eine Zeit und die Kunst ist es, sich für das zu entscheiden, was nötig ist. Wenn du keine Weise bist und keine Närrin, dann bist du nur ein dem Käfig entkommener Vogel. Ich bin einfach des Kämpfens müde.


Es muss andere Wege geben. Attentate und Anschläge bringen uns nicht als Ziel.“
„Also wirst du mich im Stich lassen?“
Laura sah sich außer Stande diese direkte Frage zu beantworten.


„Ich werde da stehen, wo ich immer war! Mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen. Ich kann dir nur empfehlen, alles noch einmal zu überdenken. Höre auf den Rat der andern, vor allem der Erfahrenen, denn deren Positionen sind den meinen nicht unähnlich. Die Neuen, die noch nicht lange bei uns sind, können dir dabei kaum eine Hilfe sein, deren Einschätzung ist rein emotional und nicht von logischen Gesichtspunkten untermauert. Lass ab von deinem Vorhaben! Entzünde kein Feuer, wenn du es nicht löschen kannst.
Dagmar konnte ihre Enttäuschung kaum verbergen.


„Ausgerechnet du! Nein, ich fasse es noch immer nicht. Das sind Worte die Elena nicht besser hätte vorbringen können. Du bist inzwischen ganz auf ihrer Linie.“
„Und? Wäre das so falsch? Ich beginne sie immer mehr zu verstehen. Auch wenn ich nach wie vor vieles an ihrem Tun nicht gutheißen kann. Am Ende hatte sie doch den richtigen Weg eingeschlagen.“


„Nun, ich denke, dem brauche ich nichts mehr hinzuzufügen.“
Dagmar drehte sich auf dem Absatz um und lies Laura zurück.
Das Unheil war vorprogrammiert und lies gleichsam wie ein schwarzer Vogel seine  Schwingen über ihren Köpfen kreisen.


Laura musste erst einmal an die frische Luft, das Gespräch hatte ihr eine Menge abverlangt. Doch es war wichtig. Zum ersten Mal hatte sie Dagmar gegenüber beharrlich ihren Standpunkt vertreten. Sie konnte kaum davon ausgehen, dass die sich davon beeinflussen lies. Aber sie hatte den Anfang gemacht und würde dort weiter machen, wo sie aufgehört hatte.
Sie glaubte nicht mehr an die Gewalt. Man konnte nicht mit der gleichen Hand auf Menschen schießen und ein Wesen wie Cathy lieben.
Plötzlich kam es wie eine Erleuchtung über sie. Elena hatte Recht mit ihrem Weg des gewaltlosen Widerstandes, auch wenn der noch so sehr mit spitzen Dornen gepflastert schien.
Wer Gewalt säht kann keinen Frieden ernten und auch keine echte Freiheit.


Viel zu lange hatte sie die Augen vor dieser Tatsache verschlossen. Doch manchmal muss man eben die Augen schließen, um besser sehen zu können.
Hier stand sie nun, die müde Kriegerin und fühlte sich hilflos wie ein Neugeborenes.
Sie hatte sich verloren und wiedergefunden.


Die Welt, die sich umgab, war noch die alte, doch nicht mehr die gleiche, weil Laura mit anderen Augen auf deren Oberfläche blickte.
Doch wie war das möglich? Es war die Begegnung mit Cathy, die sie auf diesen Weg gebracht hatte. Ohne deren Hilfe, hätte sie den neuen Pfad kaum betreten können.
Cathy, wo war sie? Sie musste zu ihr, sie in die Arme schließen, mit ihr die neu erworbene Erkenntnis zu teilen. Mit wem auch sonst.

Als sie an der Tür zu Cathys Zimmer angelangt war und nach einigem Zögern zaghaft klopfte, musste Laura feststellen, dass die Geliebte nicht anwesend war.
Wo konnte sie sein? Laura beschloss die Sache erst einmal auf sich beruhen zu lassen. Womöglich war es das Beste, wenn sie die Freundin heute mit sich alleine lies. Beide bedurften sicherlich des Abstandes, um mit sich ins Reine zu kommen.
Es konnte nur günstig sein, Cathy auf sich zukommen zu lassen, sosehr sie deren Gesellschaft auch vermissen würde.

In den nächsten Tagen gingen sich die Beiden so gut eben ging aus dem Weg. Wenn Laura Cathy sah, wich die ihr aus. Das tat sehr weh. Cathy schien sehr getroffen. Aber es half nichts Laura konnte nur abwarten und den Dingen ihren Lauf lassen.


Als sie sich schon fast damit abgefunden hatte, dass wohl alles aus und vorbei war. Klopfte es am Abend des zweiten Tages an ihrer Tür.
Als Laura öffnete fand sie Cathy vor sich. Die geröteten Augen verrieten ihr sogleich, dass in den zurückliegenden Tagen viele Tränen geflossen waren.
„Ich hoffe, ich störe dich nicht! Darf…darf ich reinkommen?“
Laura schmunzelte der Geliebten entgegen, was diese mit Erleichterung aufnahm.


„Komm rein!“
Cathy tat, wie ihr geheißen, barfuß wie sie war, trat sie ein, blieb sie stehen und senkte nur den Kopf. Laura schloss die Tür und nahm auf ihrem Sofa Platz.
„Ich… ich wollte mich entschuldigen. Es tut mir leid, was sich gesagt habe. Bist du mir noch böse?“
„Oh ja sehr sogar.“


Sogleich erhob sich Laura, schritt auf die Geliebte zu und schloss sie in die Arme.
„Ach was! War nur ein Spaß. Natürlich bin ich dir nicht böse. Das war ich nie. Was ist denn schon geschehen? Wir haben uns gestritten. Na und? Das gehört dazu. Wenn wir für den Rest unseres Lebens zusammenbleiben wollen, wird es sich nicht vermeiden lassen, das sowas hin und wieder geschieht.“
Cathys Augen strahlten.


„Danke! Danke dir! Ich glaubte schon, es sei alles aus. Das…das hätte ich nicht lange überlebt.“
„Ich auch nicht!“ Bestätigte Laura. Dann zog sie Cathy fest an sich und strich durch ihr langes schwarzes Haar. Die drückte ihre Stirn fest an Lauras Schulter.
„ Ich hab noch mal über alles gründlich nachgedacht. Du hattest Recht. Ich bin noch nicht soweit. Ich würde alle anderen in Gefahr bringen.“
„Schön, dass du es einsiehst! Das ist schon mal ein guter Anfang. Von nun an kann es nur noch besser werden.“


Cathy hob den Kopf und blickte mit ihren großen Kulleraugen zu Laura auf, die einen halben Kopf größer war.
„Und wie geht es jetzt weiter? Ich meine wir trainieren doch wieder zusammen, oder?“
„Ja natürlich! Wir können uns aber Zeit dabei lassen. Lass einfach alles in Ruhe angehen. Du wirst sehen, dann macht es viel mehr Spaß. Ich denke wir machen in unserer Freizeit auch ein paar Wanderungen. Das Wetter soll halten die nächsten Tage.“ Schlug Laura vor


„Ja, das wäre schön. Ich bin am liebsten mit dir allein.“ Gestand Cathy und lieferte Laura damit eine Vorlage. Der rechte Zeitpunkt die Gefährtin langsam auf eventuelle Veränderungen vorzubereiten.
„Könntest du dir vorstellen, dass das für immer so wäre?“ Wollte Laura wissen.
„Wie meinst du das?“ Erwiderte Cathy und lies sich dabei wieder ganz in Lauras Arme sinken.


 Wo konnte Laura ansetzen? Es war gar nicht so einfach ihren plötzlichen Sinneswandel in Worte zu kleiden.
„Ich denke die letzte Zeit des Öfteren darüber nach, wie es mit uns weitergehen könnte. Wie leben wir? Wo leben wir? Seit ich dich kenne ist mein Leben mächtig durcheinandergeraten. Und das ist gut so. Mein kleiner Frechdachs, du hast mir gründlich die Augen geöffnet und dafür bin ich dir unendlich dankbar.“
Cathy erschrak.


„Wirklich? Das war nicht meine Absicht! Ich wollte dich nicht aus deinen Lebensgewohnheiten reißen!“
„ Kein Grund zur Entschuldigung! Du hast recht damit getan. Sie mich doch an. Was bin ich denn schon? Wer bin ich?“
„Du bist eine große Kriegerin! Eine gute Lehrerin, von der man vieles lernen kann, zu der ich aufblicken kann!“ Kam es wie aus der Pistole geschossen.
„Aber ich will nicht, dass du andauernd zu mir aufblickst. Ich will das wir auf Augenhöhe kommunizieren.“ Gab Laura zu verstehen.


„Auf Augenhöhe? Nun das können wir haben!“ Cathy erhob sich auf ihre Zehenballen wirkte dadurch ein Stückchen größer und blickte Laura tief in die Augen.
„Hey, mein Spaßvogel, du weißt genau wie ich das meine. Komm wollen wir uns nicht lieber setzen!“
Die beiden nahem auf dem Sofa Platz.


Laura setzte noch einmal an.
„Also noch mal von vorn. Aber jetzt im Ernst. Was siehst du wirklich in mir?“
„Na eine Lehrerin! Sagte ich schon. Und ich bin deine Schülerin! Und wir lieben uns! Damit wäre alles gesagt, denke ich!“
„Aber ich kann doch nicht immer nur deine Lehrerin sein. Das mag für einen gewissen Zeitpunkt funktionieren. Aber dauerhaft ist das keine gute Lösung. Das Leben verläuft nicht linear. Das Leben ist vor allem Geben und Nehmen. Ich kann dir etwas geben, du kannst mir etwas geben. Du kannst von mir lernen und ich von dir!“


„Aber was könntest du von mir lernen? Ich verstehe die Frage nicht.“ Wunderte sich Cathy.
„Zum Beispiel wie man aufrichtig liebt! Wie man liebevoll mit anderen umgeht. Wie man Menschen eine Freude macht, allein durch seine Anwesenheit. Eben all solche Dinge. Es ließe sich noch vieles hinzufügen.“


„Wie man liebt, willst du von mir lernen? Ausgerechnet von mir? Du bist die erste Frau, in die ich mich verliebt habe. Ich muss selbst damit klarkommen, mit den neuen Gefühlen und der Art eine Frau zu lieben. Ich denke, ich kann dir da keine große Hilfe sein. Du bist auch in diesen Dingen die Erfahrenere.“
Laura legte ihren Arm um ihre Liebste und schmiegte sich eng an sie.


„Oh, da täuschst du dich gewaltig! Es gab hin und wieder kleine Affären. Mehr aber auch nicht. Partnerschaft? Fehlanzeige! Die Richtige fürs Leben lies sich bisher leider nicht finden..
Du hingegen hast ein paar Jahre in einer Partnerschaft gelebt und bist mir um einiges voraus. Da könnte ich von dir lernen.“
„Ja schon! Ich habe mit einem Mann gelebt. Glaubst du, dass lässt sich miteinander vergleichen?“
„Warum nicht? Sicher gibt es in bestimmten Dingen gravierende Unterschiede. Andererseits aber auch viele Ähnlichkeiten!“
„Interessant! So habe ich das noch nie betrachtet“
Laura nahm Cathys Gesicht in beide Handflächen und küsste sie sanft. Dann rieben sie ihre Nasen aneinander.

Die Gelegenheit ein ernsthaftes Gespräch zu führen schien erst mal unterbrochen. Beide sehnten sich in diesem Moment nur nach bedingungsloser Nähe.
Schnell sprang der Funke über und beide entledigten sich ihrer Kleider. Laura löste ihre dunkelblonden Haare, die sie meist zu einem festen Knoten nach oben gebunden hatte und die glatten Strähnen fielen ihr über die Schultern.


Sie liebten sich mit inniger Sanftheit, empfindsamer Behutsamkeit. Und als sie den Höhepunkt erreichten, da waren sie eins, Cathy flüsterte Lauras Namen und schmiegte sie bis in die letzten Fasern ihres Herzens.
In diesem Moment hatten sie das große Glück der Welt erfahren, ihrer Welt. Was auch kommen mochte, kein Mensch würde sie jemals dieses Schatzes berauben können.
Ruhig schliefen sie ein, eingebettet in die ganze Zärtlichkeit der Liebe einer Nacht.
Es war noch sehr früh, kaum dass ein fahles Licht am Horizont die Ankunft des Tages verriet, als beide nacheinander erwachten.


Cathy rekelte sich in Lauras Armen und schnurrte dabei wie ein Kätzchen.
„Ist es schon Morgen?“ Entfuhr es ihr aus dem Halbschlaf.
„Ja, aber noch viel Zeit bis zum Aufstehen!“ Antwortete Laura und fuhr dabei mit ihrer Handfläche sanft über Cathys Bauch.


„Das ist gut, das ist sehr gut. Wenn nur ein wenig mehr Platz wäre. Schmale Betten sind der Liebe nicht sehr dienlich. Ich wünsche mir eine gaaanz breite Liege.“
„Wenn wir noch ein wenig schlafen wollen, müssten wir uns trennen. Du könntest auf dein Zimmer gehen?“
Laura schmunzelte bei dem nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag.


„Nein, nicht um alles in der Welt. Nicht nach diesem Erlebnis. Ich glaube so schön war es noch nie. Nein, ich bleibe bei dir, da nehme ich das schmale Bett gerne in Kauf.“
„Ja, ich denke so ein Streit birgt viel Positives in sich, wenn die Versöhnung danach immer so aussieht, kann man sich daran gewöhnen.“
„Ich glaub ich schlaf nicht mehr die Nacht. Hmmmmm. Ist so schööööön mit dir.“ Säuselte Cathy noch halb benommen.
„Nun, wenn wir ohnehin nicht mehr schlafen, könnten wir unser Gespräch wieder aufnehmen? Was meinst du?“ Schlug Laura vor. Ein durchaus sinnvoller Einfall, denn jetzt schien Cathy besonders aufnahmebereit.


„Mmmmmm! Wo waren wir stehen geblieben?“ Cathys Hand tastete nach Lauras steifen Brustwarzen.
„Wenn ich mich recht entsinne, brachen wir vorhin ab, als wir gerade dabei waren uns über unsere Erfahrung mit Beziehungen auszutauschen.“ Erinnerte sich Laura.
„Genau! Ich erinnere mich“ Gähnte Cathy lauf auf. „Ich wollte noch in Erfahrung bringen, was ich für dich bin. Was habe ich für dich getan?“

„Ich war tot und du hast mich wachgeküsst. Deine Liebe hat mich ins Leben zurückgebracht.
Ich möchte dich ewig lieben. Echte Liebe endet nie, sie wächst und wandelt sich, aber sie hört nie auf. Wenn wir uns auf diese Weise lieben, werden wir stark und können die Anfechtungen, die auf uns warten meistern.“


Cathy rückte immer näher zu ihrer Geliebten, es hatte den Anschein, als habe sie die Absicht  in ihren Armen zu versinken.
„Glaubst du, dass große Gefahr droht?“
Endlich schien Cathy auf dem rechten Pfad.
„Du hast Dagmar gehört. Wenn selbst die mit allem rechnet, dann können wir davon ausgehen, dass wir bald nicht mehr sicher sind. Deshalb habe ich schon vor geraumer Zeit damit begonnen über Alterativen nachzudenken. Auch das verdanke ich dir. Allein und nur mir selbst gegenüber verantwortlich, wäre mir ziemlich egal was mit mir geschieht. Ob ich sterbe, ob ich weiterlebe, zumindest für eine Weile, belanglos. Für dich lohnt es sich am Leben zu bleiben, und zwar solange es geht.“


„Aber was könnten wir tun? Wir sind beide geächtet. Du schon länger, ich seit Kurzem. Ich habe mein Leben verwirkt. Ich kann nicht zurück. Ich will auch gar nicht. Selbst wenn es möglich wäre. Zu meinem Mann etwa? Nachdem ich dich kennen lernen durfte? Niemals! Dann lieber sterben!“


Cathys Bekenntnis wirkte ebenso erschreckend wie befreiend.
Das Schicksal hatte sie zusammengeschweißt und den Weg, der vor ihnen lag, konnten sie nur gemeinsam gehen.
Cathy badete in ihrer neuen Liebe, ließ sich umfluten und dahintragen, wie ein Frühlingskranz an Beltane*
Sie wusste, viel Leid konnte daraus entstehen, Sehnsucht und Einsamkeit, aber auch so viel Freude und Glück.
Ihr junges Herz sprudelte über diesen Gedanken und der bleierne Nebel, der auf ihrer zarten Seele lastete, schmolz dahin im Sonnenlicht.


„Die einzige Tür, die uns offensteht, ist außer Landes zu gehen. Zu Colette und den Schwestern, die mit ihr in Deutschland leben. Das heißt ein Leben im Exil, das heißt Abschied nehmen für womöglich lange Zeit. Wärst du bereit?“


„Ich wäre bereit! Was bliebe mir auch anders übrig. Aber mit dir gehe ich, wenn es sein muss bis ans Ende der Welt. Wenn wir nur zusammenbleiben können, ist mir alles andere egal.“
Cathy staunte nicht schlecht über ihre spontane Bereitschaft alles hinter sich zu lassen.
Lauras Gefühl schwankte zwischen Glück und Besorgnis. Würde sie der Verantwortung der Geliebten gegenüber gerecht werden?


„Das wollte ich von dir hören, mein Liebling. Ich muss ganz sicher gehen, dass du dir der Tragweite bewusst bist, was da auf dich zukommen könnte. Ich habe vor etwa einer Woche Kontakt zu Colette aufgenommen. Elena ist nach wie vor verschollen. Niemand kennt ihren Aufenthaltsort, soweit sie überhaupt noch unter den Lebenden weilt. Colette wird uns nicht abweisen, sie war immer eine Art Mutter oder große Schwester für uns. Ich werde mich vor dem Schwesternrat für meine Taten verantworten müssen, dessen bin ich mir bewusst, aber ich bereit dazu und werde Wiedergutmachung geloben. Was sie auch von mir verlangen werde ich tun. Du bist zwar nie direkt bei den Töchtern eingetreten, aber als meine Partnerin
gehörst du de facto dazu. Möglicherweise musst du einen Antrag stellen, aber das ist reine Formsache. Wir sind möglicherweise in Gefahr von den deutschen Behörden verfolgt zu werden, da wir als Terroristinnen gelten. Es kann sein, muss aber nicht. Denn immerhin gilt die gesamte Schwesternschaft als anarchistisch und folglich als staatsgefährdend.“


Laura brach ab, sie wollte der Geliebten nicht zu viel auf einmal zumuten.
Cathy schwieg, es hatte den Anschein, als ob sie das Gehörte erst einmal verdauen musste.
Wenn sie auch stets behauptete sich der Gefahr bewusst zu sein, so recht glauben mochte es Laura nicht.


„Ist schon ein harter Brocken, würde ich sagen. Aber wie heißt es so treffend: Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen.“ Entgegnete Cathy.
„Nun, letzteres will ich nicht hoffen. Das droht uns aber mit Sicherheit, wenn wir im Lande bleiben. Du musst bedenken, dass Cassian unsere Gruppe zum Staatsfeind Nummer eins erklärt hat. Ein Umstand der Dagmar sehr gelegen kommt, hat sie damit Elena endgültig ausgebootet. Ein zweifelhafter Ruhm. Sollten sie uns fassen wird die Härte der Strafe alle Vorstellungskraft überbieten.“ Versuchte Laura weiter aufzuklären.


Langsam aber sicher bekam es Cathy mit der Angst zu tun. Die Alternativlosigkeit schien an die Wand geschrieben
„Halt mich fest! Ich habe Angst!“
Laura schloss beide Arme um die Gefährtin zog sie zu sich und drückte sie ganz sanft an ihren Körper.
„Ich wollte dir keine Angst einjagen mein Schatz. Aber es ist wichtig, dass du dir über alles im Klaren bist. Es wird hart, zweifelsohne, aber wir werden es schaffen. Du musst mir nur versprechen keine Dummheiten zu begehen, das wäre fatal.“
„Das werde ich! Großes Ehrenwort! Du kannst dich auf mich verlassen.“


Sanft fuhr Lauras Handfläche über die Wangen der Geliebten.
Sollte sie fortfahren mit der Aufklärungsarbeit oder es lieber erst einmal dabei belassen? Sie entschied sich für Letzteres.
In der Zeit, die nun folgte, würde sie viel nachdenken müssen. Der Plan in ihrem Kopf verdichtete sich langsam und nahm Formen an. Doch war sich Laura bewusst, dass Theorie und Praxis nicht so leicht unter einen Hut zu bringen waren.
Der Ausgang war so weit und offen wie eine Wüstenlandschaft.

In den Folgetagen lag die Spannung in der Luft. Laura und Cathy waren tagsüber, so wie die anderen mit ihren üblichen Arbeiten im Jugendbildungshaus beschäftigt, während sie nach Feierabend ihre große Aktion planten, die in immer bedrohlichere Nähe rückte.


Bittere Erfahrung hatte Laura gelehrt, dass es am besten für sie war, wenn die anderen möglichst wenig von ihrem wirklichen Denken und Fühlen erführen. So spielte sie weiter mit. Jene Rolle, die man von ihr erwartete.  Sie brachte sich voll in die Planung ein, auch wenn sie weiter zur Mäßigung riet. Die anderen schöpften kaum Verdacht, nur Dagmar schien sie in zunehmendem Maße mit einem Anflug von Misstrauen zu betrachten.


In ihrer knapp bemessenen Freizeit gelang es Laura und Cathy einige Wanderungen in die weitläufige Landschaft zu unternehmen, dabei weiter ihre Pläne schmiedend.
Seit geraumer Zeit trugen sie dabei Partnerlook. Olivgrüne Khakihosen, Schnürstiefel und der ungewöhnlichen Wärme entsprechend schwarze Muskelshirts.

Schließlich stand der Tag der Entscheidung bevor.
Am Abend zuvor trafen sich die Aktivistinnen im schalldichten Kellerraum des Nebengelasses, um alles noch einmal durchzuspielen.
Der Angriff auf das Parlamentsgebäude war überraschenderweise zu den Akten gelegt. Dagmar hatte umdisponiert und einen Alternativplan aus der Schublade geholt, den die Aktivistinnen schon vor längerer Zeit entworfen hatten, weniger aufwendig, aber nicht minder spektakulär.


Cassian hielt sich derzeit ganz in der Nähe auf. In etwa 15 km Entfernung gab es ein altes Jagdschloss aus den Zeiten des vorrevolutionären Melancholanien, dies wurde in den zurückliegenden Monaten in ein Schulungszentrum des reaktivierten Blauen Ordens umgewandelt. Am frühen Nachmittag des Folgetages sollte dort eine feierliche Einweihungs-zeremonie stattfinden. Der zukünftige Kaiser würde diese höchstpersönlich leiten.


Der wahnwitzige Plan bestand darin, dass abgelegene Gebäude anzugreifen und den Diktator, sowie möglich viele seiner Paladine zu ermorden.
Aufgrund der Tatsache, dass die gleichgeschalteten Medien allesamt anwesend waren ,um darüber Bericht zu erstatten, würde die Kunde über das Attentat binnen weniger Stunden die gesamte Bevölkerung erreichen.


Das erwartete Chaos sollte innerhalb kurzer Zeit zu einem vollständigen Zusammenbruch des Staatswesens führen. Somit hatten alle noch existierenden illegalen revolutionären Gruppen und Initiativen die Möglichkeit aktiv zu werden. In Folgedessen wäre es leicht die Akratie auszurufen und das Land in Besitz zu nehmen.
So Dagmars Hoffnung. Doch das war reine Theorie.


In Wirklichkeit war es ein Himmelfahrtskommando bei dem kaum Aussicht auf Erfolg bestand. Cassian umgab sich stets mit seiner Leibwache, dutzende erfahrener Kämpfer. Es würde in einem Fiasko enden. Alle Untergrundaktivistinnen schwebten in höchster Lebensgefahr.

Dagmar begann wie immer mit einer theoretischen Unterweisung.
„Sollte es eine Hoffnung auf einen Erfolg der Revolution geben, dann liegt er bei den Unterschichten, im Gewimmel der missachteten Massen, die über 70% der Bevölkerung ausmachen. Nur so kann eine Kraft entstehen, die nötig ist, um die Oligarchie um Cassian zu vernichten. Wäre sich diese Bevölkerungsmehrheit ihrer Stärke bewusst, brauchten wir gar nicht zu konspirieren. Die Masse müsste nur aufstehen und sich schütteln, wie ein Pferd , das Fliegen abschüttelt. Hätte sie Lust könnte sie auf diese Weise schon morgen die Führungselite in tausend Stücke schlagen. Aber die einfach gestrickten Menschen sind faul und träge und starren wie gebannt nach oben und auf das was von dort kommen könnte. Es liegt an uns den zündenden Funken zu liefern. Die Masse ist nur mit einem Paukenschlag aus ihrer Schläfrigkeit zu wecken.“


Laura traf etwas später ein und bekam nur noch diesen Schlussmonolog mit. Viel versäumt hatte sie dabei nicht. Es war eh immer das Gleiche.
„Wir alle sind bereit! Wir haben uns eingehend vorbereitet und sind zum Kampf entschlossen!“
Meldete sich Merit zu Wort.


„Wirklich alles? Ich gebe zu bedenken, dass auch diese Aktion ein äußerst gefahrvolles Unternehmen ist. Auch dort müssen wir mit vielen Opfern rechnen. Möglicherweise wird unsere gesamte Gruppe ausgelöscht. Seid ihr euch im Klaren darüber? Mahnte Laura mit aller Eindringlichkeit.
„Ich nehme deinen Einwand zur Kenntnis, Laura. Wir sind uns dessen bewusst, davon kannst du ausgehen. Sollten wir unser Leben lassen werden wir zu Märtyrerinnen und unser Zeugnis wird für viele Bespielgeben sein.“ Antwortete Dagmar, dabei von enthusiastischem Pathos durchdrungen.


„Wenn wir Cassian erledigen, sind seine Lakaien zunächst orientierungslos. Ohne sein Charisma vermögen die gar nichts. Das werden wir ausnutzen. Aber es muss schnell von statten gehen. Wir haben alle Untergrundinitiativen in Kenntnis gesetzt. Die stehen bereit und warten nur auf unser Signal.“ Gab Ilka zu verstehen. Auch sie schien vom Erfolg der Aktion überzeugt zu sein.


„Wir werden schon in den frühen Morgenstunden aufbrechen, die Dunkelheit ist unsere Verbündete. Dann legen wir uns in Lauerstellung. Wir pirschen uns von der Südseite heran, dabei müssen wir durch unwegsames Gelände. Doch das ist unser Vorteil, dort gibt es so gut wie keine Wachposten. Glaub mir Laura, ich war dutzende Mal dort in den letzten Wochen. Gut getarnt, versteht sich. Von da aus haben wir einen sicheren Zugang bis vor das Haus. Die Rednertribüne befindet sich direkt dem angrenzenden Wald gegenüber. Dickicht. Dornengestrüpp, alles ungerodet.“ Versicherte Julia.
„Ich glaube dir, Julia. Aber bei jenem Anlass wird es mit Sicherheit bedeutend mehr an Wachen geben, die werden jeden Stein umdrehen und jede Dornenhecke durchforsten, darauf kannst du Gift nehmen. Ich verstehe euch nicht! Wie könnt ihr nur so naiv sein?  Auch diese Aktion ist uns einige Nummern zu groß. Kaum geringer als die Sache mit dem Parlament.“ Wiederholte Laura ihre Bedenken und blickte anklagend in die Runde.


„Ich habe eben darauf hingewiesen, dass wir deine Bedenken zur Kenntnis nehmen. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“Wiegelte Dagmar mit abweisender Geste ab.
„Auch Ich habe ein kleines Bedenken vorzubringen!“ Schaltete sich nun auch Carmen ein.
„Du auch? Das ist wohl ansteckend?“ Brauste Dagmar auf.


„Ich habe da nur so eine Befürchtung, nämlich dass es möglich wäre, dass Cassian Madleen zu dieser Veranstaltung mitnimmt. Was…was sollten wir tun, wenn wir ihr plötzlich gegenüberstehen? Ich meine, sie war unsere Schwester. Was meint ihr dazu?“
Eisiges Schweigen. Die meisten ließen nur betrübt ihre Köpfe hängen.


„Das wäre traurig, sehr traurig! Aber wir können uns von diesem Umstand nicht von unserem Vorhaben abbringen lassen. Wir müssen unsere Aktion durchführen mit oder ohne Madlelen.“
Gab Julia zu versehen.
„Richtig! Der Meinung bin ich auch!“ Stimmte Merit zu. Doch das tat sie am laufenden Band, um sich als besonders radikal zu präsentieren.
„Madlleen war unsere Schwester! Heute ist sie nur noch eine Verräterin. Es hat nichts zu bedeuten. Wenn sie in die Schusslinie gerät, dann soll es eben so sein. Ich werde ihr keine Träne nachweinen.“ Gab Dagmar kalt und unbarmherzig zu verstehen.


Damit war alles gesagt und keine wagte mehr diesen heiklen Punkt anzusprechen.
Im Anschluss wurden noch Detailfragen erörtert. Alles schien genau geplant. Doch die Katastrophe zeichnete sich ab.
„Wir werden alle antreten, alle außer Cathy. Die hat sich als nicht brauchbar erwiesen und wird nicht mit uns kommen. Ich habe sie von der Liste gestrichen.“ Bestimmte Dagmar und blickte dabei auf Laura, die nickend ihre Zustimmung signalisierte.


„Also dann zieht euch jetzt zurück und ruht euch aus, es wird ein schwerer Einsatz für uns alle. Lang lebe Akratasien!“
„Lang lebe Akratasien!“ Schallte ihr das Echo aus allen Kehlen entgegen.


Die Zusammenkunft löste sich auf. Laura wollte noch einmal auf Dagmar zugehen. Beließ es aber dabei. Es hatte keinen Sinn. Die hatte sich festgelegt und nahm ihren eigenen Tod ebenso in Kauf wie den der anderen.


Laura hatte genau die richtige Entscheidung getroffen, als sie schon vor Tagen damit begonnen hatte ihre und Cathys Flucht vorzubereiten.
Ihre Habseligkeiten hatte sie vollständig zusammengepackt und die Geliebte angewiesen es ihr gleichzutun. Diese würde sie in einer kleinen Waldhütte verstecken, die sich auf halber Strecke von ihrem Hauptquartier in Richtung Jagdschloss befand. Dort sollte sich Cathy während der Aktion versteckt halten und auf sie warten. Laura würde allein ein eigenes Fahrzeug benutzen, dass sie in einiger Entfernung vom Ort der Aktion parken wollte. Dieses Privileg hatte sie in zähen Verhandlungen Dagmar abgetrotzt.


Auf keinen Fall wollte sie warten, bis sich die anderen in ihre verhängnisvolle Aktion stürzten, sondern versuchen sich vorher abzuseilen. Sie war eine gute Läuferin, trotzdem würde es viel Anstrengung erfordern, den Weg bis zum Fahrzeug zurückzulegen. Der weitere Plan bestand darin so schnell wie irgend möglich zu Cathy zu gelangen um anschließend mit ihr das Weite suchen. Jede Minute war kostbar, denn es würde nicht viel Zeit verstreichen, bis die Leibwache Alarm geschlagen hatte. Das ganze Land würde in Aufruhr geraten und die Sicherheitskräfte in den Folgetagen ein Schreckensregime errichten, vor dem niemand sicher war.


In der Theorie hatte Laura alles präzise genau durchgespielt, hatte sich vor Ort kundig gemacht, war die Strecke vom Jagdschloss bis zu ihrem parkenden Auto gerannt und hatte dabei die Zeit gestoppt.
Die Frage, ob die Waldhütte auch tatsächlich sicher war, konnte sie nicht beantworten und nur um diesen Umstand hoffen.

 
Sie konnte sich keine Fehler erlauben, sonst war das Leben jenes Menschen, den sie über alles liebte und ihr Eigenes in großer Gefahr. Außerdem durfte sie sich nichts anmerken lassen und musste nach außen hin weiter die coole, abgebrühte und routinierte Kämpferin spielen, obgleich sie in ihrem Inneren zitterte und bebte wie ein Teenager vor einer großen Prüfung.
Der Ausgang war völlig offen. Niemand konnte mit Gewissheit sagen, was der Folgetag bringen würde.

Unruhig wälzte sich Laura auf ihrem Lager hin und her, an Schlaf war nicht zu denken, auch wenn sie diesen bitter nötig hatte, wollte sie am nächsten Morgen einen kühlen Kopf bewahren.
Sie würde zeitig aufstehen und noch in der Dunkelheit aufbrechen. Es blieben nur noch wenige Stunden.
Laura erhob sich, verließ ihr Zimmer, schritt über den kleinen Flur und klopfte bei Cathy, trat ein und fand die Geliebte ebenfalls hellwach.
„Kannst du auch nicht schlafen?“ Wollte die wissen.
„Nein! Ist auch kein Wunder. Der morgige Tag wird die Entscheidung bringen. Leben oder Tod, Freiheit oder Kerker. Liebe oder endloses Leid.“
Cahty schluckte und war den Tränen nahe.


„Hast du alles wie vereinbart vorbereitet?“ Lautete Lauras Frage, die sie im Laufe des Tages mindestens ein dutzend Mal gestellt hatte.
„Ja habe ich! Aber das weißt du doch!“
Sie blickten sich eine Weile wortlos in die Augen.
„Lieb mich! Jetzt!“ Entfuhr es Laura plötzlich.
„Jetzt? Bei allem was uns bevorsteht?“
„Gerade jetzt! Es könnte das letzte Mal sein. Womöglich ist eine von uns morgen nicht mehr am Leben, schlimmsten Falles sind wir morgen beide tot.“ Lauras Prognose traf Cathy wie ein scharfes Schwert und nun konnte sie die Tränen nicht mehr halten. Sie breitete die Arme aus. 
„Komm! Nimm mich! Nimm mich ein letztes Mal!“


Laura warf sich in die Arme der Angebeteten. Sie entledigten sich ihrer Kleidung und liebten sich leidenschaftlich und voller Gefühl.
Über ihnen schwebte der Tod und streckte gierig seine knochigen Finger nach ihnen aus, doch er konnte ihrer nicht habhaft werden. Das Band der bedingungslosen Liebe lag wie ein schützender Mantel über beiden Körpern, die sich so eng miteinander verschlungen hatten, als wollten sie die Umarmung in diesem Leben nicht wieder lösen.

Gespenstische Ruhe auf der Straße, der kleine Tross aus vier Fahrzeugen beförderte seine menschliche Fracht dem Zielort entgegen.
Der volle Mond goss sein silbernes Licht auf die vor ihnen liegenden Landschaft und beleuchtete diese in ausreichendem Maße. Laura, die mit ihrem PKW am Ende des Konvoi fuhr, vermochte nicht zu sagen ob sich das günstig auf ihr Unternehmen auswirken konnte, oder eher ein schlechtes Omen war.
Die sonst so routinierte Kriegerin musste hart mit den Emotionen kämpfen, deren sie sich ausgesetzt sah.


Wenn nur alles schon vorüber war. Sie hoffte nur dass sich Cathy, wie vereinbart an alles hielt, was sie ihr aufgetragen.
In Windeseile bog Laura in die Einfahrt, die zur Waldhütte führte, die sie auch schnell erreichte. Der Schreck war groß, als sie diese betrat. Die beiden Rucksäcke waren zwar vorhanden, doch Cathy war nicht da. Was hatte das zu bedeuten?
„Verdammt!“ Entfuhr es Laura.


Sie konnte sich denken, was die Freundin im Schilde führte.
Sie lud das Gepäck in den Wagen und brauste so schnelle es ging davon.
Bald schon war das kleine Waldstück erreicht, dessen Inneres das kleine Jagdschloss in sich barg.
Die anderen hatten ihre Fahrzeuge schon in Abständen geparkt, um nicht aufzufallen. Trotzdem ging Laura davon aus, dass man sie längst im Visier hatte. Wie konnte Dagmar nur auf so dilettantische Art vorgehen?


Laura hastete zum ausgemachten Zielort.

Als sie sich nach einer Weile dem mit einer großen grauen Plane bespannten LKW näherte auf dem die meisten Platz genommen hatten konnte sie eine deutlich hörbare Auseinandersetzung vernehmen. Auch wenn alle im Flüsterton kommunizierten, waren ihre Stimmen nicht zu überhören.  Laura wähnte sich im falschen Film Waren die denn von allen guten Geistern verlassen. Eine solche Unvorsichtigkeit war durch nichts zu entschuldigen.


Als sie nahe genug gekommen war schlug sie mit einem Ruck die Plane zurück. Dabei fuhr ihr der Schreck bis in die Glieder. Der Grund für die Auseinandersetzung war kein geringerer als Cathy. Sie war entgegen allen Abmachungen mitgekommen.


Wie war das möglich. Sie musste sich heimlich eingeschlichen haben. Doch warum? Ihre Handlungsweise ergab keinen Sinn.
„Ich hätte mir denken können, dass es doch noch Ärger mit dir gibt. So dumm kann doch ein Mensch nicht sein. Du wirst uns alle in Gefahr bringen. Es ist ohne dich schon schwer genug.“ Schimpfte Dagmar und Laura konnte ihr in Gedanken nur beipflichten.


„Los alle absitzen und so unauffällig wie nur möglich in den Wald vordringen!“ Lautete Dagmars Befehl dann.
Dann richtet sie ihren Blick auf Laura.
„Es ist deine Aufgabe Cathy zu beaufsichtigen. Ihr werdet hier zurückbleiben. Kommt uns auf keinen Fall in die Quere. Sollten wir die Aktion überleben, werden wir später darüber sprechen.“ Dann stürmte sie davon. Gekleidet wie die anderen auch in ihren oliv-grünen Kampfaufzug, der sichere Deckung versprach. Schon nach wenigen Augenblicken war von der Gruppe nichts mehr zu sehen oder zu hören.


„Was in aller Welt hast du dir dabei gedacht? Warum ignorierst du meine Anordnung? Bist du jetzt komplett verrückt geworden? Ich muss Dagmar in allem zustimmen. Du gefährdest dich und mich und alle anderen. Als wenn es nicht schon traurig genug wäre, was hier vor sich geht.“ Hielt Laura ihrer Gefährtin eine ordentliche Standpauke.
„Ich wollte dabei sein! Ich bin kein Kind mehr, das man schützen muss. Ich bin ebenso viel wert wie alle anderen. Ihr wolltet mich ausschließen! Ich konnte nicht da in dieser Hütte sitzen und auf dich warten. Wenn es dich erwischt, was dann? Ich kann nicht ohne dich leben!


Wenn, dann sterben wir gemeinsam!“ Beschwor Cathy, die offensichtlich nicht mehr wusste was sie sagte.
„Du hast mir überhaupt nicht zugehört! Ich hatte nie vor mich an der Aktion zu beteiligen. Ich wäre jetzt schon auf dem Weg zurück. Nachdem die anderen außer Sichtweite sind, wollte ich mich absetzen. Das hast du jetzt gründlich vermasselt. Los komm! Wir müssen so schnell wie möglich zum PKW. Zum Glück habe ich unsere Rucksäcke schon eingepackt. Das könnte uns Zeit ersparen. Hier wird gleich die Hölle los sein.“

Laura hatte kaum ausgesprochen als aus dem Waldstück heftige Gewehrsalven an ihre Ohren
drangen. Eine Falle, die Wachposten nahmen die Aktivistinnen unter Beschuss, bevor sie überhaupt auf das Gelände vorgedrungen waren. Ein heilloses Durcheinander war die Folge.
In der Dunkelheit war so gut wie nichts zu erkennen. Eröffneten Dagmars Kriegerinnen das Feuer bestand die Gefahr die eigenen Leute zu treffen.
Es gab nur die Möglichkeit sich so gut es eben ging im Dickicht zu verschanzen. Doch was dann?
Unerbittlich forsteten die Wächter das Gelände durch. Scheinwerfer wurden in Betrieb genommen.


„Wir sitzen in der Falle. Was sollen wir tun Dagmar?“ Wollte eine völlig verschreckte Merit wissen.
„Kämpfen! Das ist das Einzige was uns noch bleibt. Kämpfen und in Würde untergehen. Lautete Dagmars Befehl. Alle die es hörten senkten nur betrübt den Kopf.
Immer mehr Bewaffnete drangen auf das Gelände vor und umstellten die kleine Gruppe Aktivistinnen.
In der Zwischenzeit erschien auch Cassian auf der Bildfläche, der bereits am Abend hier angekommen war.


„Wenn ein paar von denen draufgehen, dann können wir es nicht ändern. Aber ich will so viele wie möglich lebend. Ich habe mit ihnen etwas ganz Besonderes vor. Diese dämliche Aktion kommt mir sehr gelegen.“
Ordnete der Diktator an.


Wortlos salutierte der befehlshabende Offizier und gab den Befehl weiter
Genüsslich zündete sich Cassian eine Zigarre an und wartete ab.
Dagmar sah sich in einer ausweglosen Situation und gab den Befehl zum Rückzug.


Sie kämpften sich durch das Dickicht zu ihrer Ausgangsposition zurück. Doch kaum waren sie dort angelangt warteten dort schon zwei Dutzend Elitekämpfer.
„Eine Falle! Zurück! Zurück in den Wald, aber schnell!“
Dagmars Stimme hallte durch das nächtliche Gelände. Doch es war zu spät. Sie rannten und rannten, dabei immer wieder haltend und auf die Verfolger feuernd. Endlich erreichten sie eine Wiese und wähnten sich schon in Sicherheit. Doch das war ein fataler Irrtum.


Nun hatten ihrer Bedränger freies Schussfeld.
Sie ließen die Frauen eine kurze Weile laufen, dann schossen sie. Ein Massaker. Den meisten wurde in den Rücken geschossen und starben auf der Stelle.
Dagmar, Julia, Merit und Ilka konnten sich retten, wurden aber wenig später umstellt.
„Ergebt euch, oder wir machen kurzen Prozess, so wie mit den anderen.“


Sekunden, die Dagmar wie eine Ewigkeit vorkam. Was sollte sie tun. Heldenhaft sterben und zur Märtyrin werden, wie sie es ursprünglich geplant hatte? Dann wäre es vorbei, sie hätte mit dem Leben abgeschlossen und ihren Frieden. Sie wusste genau was mit ihr geschah, wenn sie denen lebend in die Hände fiel. Eine Horrorvision. Ewige Gefangenschaft in den neu entstandenen Verließen der Ordensburg. Folter und Vergewaltigung an der Tagesordnung. Öffentlich zur Schau gestellt werden vor den johlenden Kerlen, Cassians persönliche Trophäe.
Doch wie jeder Mensch hing auch sie noch ein Stückweit am Leben. Ein zartes Pflänzchen Hoffnung im erbarmungslosen Strudel der Hoffnungslosigkeit.
Sie senkte die Waffe und die anderen drei taten es ihr gleich.


„Vortreten, alle! Na, wirds bald!“
Sie traten mit erhoben Händen nach vorn.    
„So da hätten wir unsere Amazonen und die Anführerin ist uns ins Netz gegangen. Das wird unseren zukünftigen Kaiser aber ganz besonders freuen.“ Begrüßte sie der Kommandant auf zynische Art.


„Los schafft sie hoch zum Schloss.“
Dagmar stand wie die anderen noch unter Schock, sie hatte ihre Fassung verloren und trottete einfach hinter den Wachen her, bis sie auf der Veranda angekommen waren.
Als sie jedoch Cassian erblickt erwachte spontan die alte Kämpferinnennatur in ihr.


„Wenn du glaubst, dass du uns besiegt hast, irrst du dich gewaltig. Töte mich, dass ist mir gleich. Aber an meiner Stelle werden andere aufstehen. Hunderte, Tausende, sie haben dein Leichentuch schon lange gewebt. Du wirst uns nicht lange überleben.“
Ein Wachposten schlug ihr mit der Handfläche ins Gesicht.
„Schweig! Sprichts du so mit unserem Kaiser?“


„Aber lass sie doch! Sie amüsiert mich köstlich. Ja, Dagmar, so sieht man sich wieder. Damals hast du mich verfehlt. Der Schuss ging gründlich daneben. Damals bist du entkommen, heute jedoch nicht. Wenn du glaubst, dass ich dir ein schnelles Ende bereite irrst du dich gewaltig. Du wirst leben, lange leben und dir täglich den Tod wünschen. Ich habe etwas ganz Besonderes mit dir vor, lass dich von meinem Einfallsreichtum überraschen.“
Im Anschluss wurden die vier abgeführt in den Keller des Jagdschlosses gesperrt.

Währenddessen befanden sich Laura und Carthy auf der Flucht. Sie hatten den PKW erreicht und jagten auf der menschenleeren Straße durch den nächtlichen Wald. Lara forderte dem nicht mehr ganz neuen Fahrzeug eine Menge ab.


Plötzlich bemerkte sie in einiger Entfernung Blicklichter und drosselte ihre Geschwindigkeit.
„Verdammt! Straßensperre!“
Eine Vollbremsung folgte. Doch der Wagen kam nicht sogleich zum Stehen, drehte sich stattdessen auf der Fahrbahn mehre Male. Etwa 20 vor der Sperre stoppte er abrupt. Laura setze an neu zu starten und jagte in die Gegenrichtung davon.


Die Posten eröffneten sofort das Feuer und eine Gewehrsalve ergoss sich über ihnen.
Nach einer Weile begann das Auto zu stottern, verschiedene Funktionen setzten aus, die Geschwindigkeit verlangsamte sich deutlich.
„Ich glaube wir sind getroffen. Den Wagen hats erwischt.“
„Was sollen wir jetzt tun? Wollte Cathy wissen. Ihre Stimme voller Angst.
„Wir müssen von der Straße runter. Die nächste Abfahrt die sich bietet. Verdammt, wann kommt denn endlich eine?“


Die Beifahrerin blickte sich ängstlich um.
„Die folgen uns! Ich glaube die kommen immer näher!“
„Na, was dachtest du denn. Dann los! Halt dich gut fest!“
Plötzlich riss Laura das Lenkrad herum und jagte die Böschung hinunter. Es rumpelte gewaltig. Das ohnehin schon lädierte Auto bekam dabei den Rest.


Das Glück schien noch auf ihrer Seite, denn die Verfolger waren zu weit entfernt als dass sie den Ausbruch bemerkt hätten. Zudem war es sehr dunkel. Die beiden Fahrzeuge fuhren einfach vorbei.
„Die sind weg! Aber nicht für lange, die werden wiederkommen und dann womöglich den Wagen finden. Wir müssen raus. Schnell ,schnell. Pack deine Sachen.“ Cathy gehorchte widerspruchslos. In Windeseile hatte sie das Fahrzeug verlassen und jagten in das Waldstück.
„Schneller Cathy, schneller!“ Trieb Laura die Gefährtin zur Eile an.


„Ich kann nicht mehr, völlig außer Atem!“
„Ich glaube dir! Aber es geht um Leben und Tod.“
„Wo laufen wir denn hin?“
„Wenn ich das wüsste. Ich hab im Moment die Orientierung verloren. Auf jeden Fall solange bis wir ein sicheres Versteck gefunden haben.“ Klärte Laura auf, der inzwischen ebenso auch die Puste ausging.


Es ging weiter. Dunkelheit, wohin das Auge blickte, aber damit auch ein gewisses Maß an Sicherheit.
In einer Entfernung entdeckte Laura einen Hochstand und hielt auf ihn zu. Mit schmerzverzerrtem Gesicht folgte Cathy.
„Los rauf da!“ Befahl Laura.
Schon hatte sie die Stufen erklommen und schwang sich in die Höhe.


„Nun komm schon, die Luft ist rein. Niemand zuhause.“
Cathy folgte. Oben angekommen, brachte sie kein Wort mehr über ihre Lippen, und sank erschöpft in Lauras Arme.
„Ich….ich… bin… völlig fertig! Ich ….kann, nicht mehr….“
Laura packte Cathy an den Schultern und sprach beruhigend auf sie ein.
„Ganz ruhig Cathy. Wir sind erst mal aus dem Schussfeld. Hier oben sind wir vorerst sicher. Natürlich nur wenn wir uns abducken. Komm runter“


„Meinst du….nicht… die werden uns… gerade hier ausfindig machen.“ Gab Cathy noch immer atemlos zu bedenken.
„Ich sagte vorerst sicher. Wir haben von hier eine gute Sicht. Die Hauptstraße ist relativ weit entfernt. Ich werde wachen, du kannst dich eine Weile ausruhen, bis wir uns wieder auf den Weg machen.“


„Aber wohin denn und wie? Ohne Auto sind wir aufgeschmissen.“ Resignierte Cathy, dabei stahl sich eine Träne aus ihrem Augenwinkel.
„Sei doch nicht immer so pessimistisch. Wir werden es schon irgendwie schaffen hier fort zu kommen. Ich war Söldnerin, ich habe schon aussichtslosere Situationen durchgestanden.“
Laura spähte in die Ferne. Geistesgegenwärtig hatte sie vorsorglich ihr Nachtsichtgerät eingepackt. Das kam den beiden jetzt zugute.
Cathy schien einem Zusammenbruch gefährlich nahe und begann zu schluchzen.


„Ja, du vielleicht! Aber ich? Ich blöde Kuh, warum habe ich mich nur auf dieses Leben eingelassen. Meinem dämlichen Langweiler entfliehen und dem täglichen Einerlei. Das große Abenteuer habe ich gesucht, und nun? Wäre ich geblieben, wo ich war, gebe es jetzt keine Flucht und keine Ungewissheit. Es musste ja so kommen. Alles aus, alles aus, alles aus….“
Langsam steigerte sie sich in eine bedrohliche Hysterie.


Laura bückte sich, verpasste ihrer Geliebten eine Ohrfeige, um sie gleich im Anschluss in die Arme zu schließen.
Erschrocken hielt Cathy inne.
Mit zärtlich-ruhiger Stimme redete Laura auf sie ein.


„So, du bereust also deinen Ausstieg aus dem bürgerlichen Leben. Na gut. Du magst tatsächlich Recht damit haben. Dann würdest du nicht in dieser Patsche sitzen, das ist war.
Zuhause, beim holden Ehemann, in der schmucken Reihenhaussiedlung, mit Garten und einem extra dicken Gartenzwerg in der Mitte. Schutz und Sicherheit, ein geregeltes Leben und ein sicheres Einkommen. Gemütlichkeit jeden Tag. Behaglichkeit und eine funktionierende Heizung, wenn es kalt wird. Nicht schlecht. Wirklich nicht das Schlechteste.“
Cathy schluckte und wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus den Augen.


„Ja! Behaglichkeit und tödliche Langeweile. Ich wäre in Sicherheit, aber dafür hätte ich dich niemals kennen gelernt. Entschuldige! Ich habe mich gehen lassen. Ich verspreche mich zusammen zu nehmen.“
Sanft strich Lauras Handfläche über Cathys Wange.


„Ist schon in Ordnung! Schwamm drüber! Was ist eigentlich passiert? Hab ich schon vergessen. Wir kommen hier raus, ich verspreche es dir. Wir finden den Weg, auch wenn es schwieriger wird als gedacht. Wir müssen sehr vorsichtig sein. Wir warten noch eine Weile, dann brechen wir auf. Du musst dich darauf einstellen, dass wir weit laufen müssen. Es wird bald Tag. Ich weiß nicht, ob wir es riskieren können, per Anhalter zu fahren. Die Aktion ist mit Sicherheit schon in allen Kanälen präsent.“
„Ich vertraue dir! Du bist die Anführerin! Ich gehorche deinem Befehl Frau Offizierin!“


Cathy salutierte.
Laura drückte sie noch einmal ganz fest.
„Schön, dass du deinen Humor wieder gefunden hast. Damit ist schon viel gewonnen.“
Laura erhob sich und peilte erneut die Lage.
„Alles ruhig!“

Nachdem sie sich noch eine Weile verschnauft hatten, verließen sie ihr Versteck, schulterten ihre Rucksäcke und rüsteten sich zum Aufbruch.  
Sie schwebten in großer Gefahr, doch sie waren frei. Hand in Hand gingen sie scharfen Schrittes ins Ungewisse

Laure und Cathy umgingen das Schicksal das Dagmar und den andern nun bevorstand.
Die vier Gefangenen wurden im Morgengrauen in Richtung Hauptstadt abtransportiert. Auf sie wartete das Verließ in der Ordensburg. Sie waren ihren Peinigern schutzlos ausgeliefert und ein Entkommen unmöglich.
Die toten Kameradinnen waren bereits in der Nacht abtransportiert worden und in die Universität gebracht.
Die Leichen wurden entkleidet und nackt in aller Öffentlichkeit ausgestellt.

Damit sollte ein Exempel statuiert werden und eine abschreckende Wirkung auf die Bevölkerung erzielt.
Doch Cassian sollte sich täuschen, dieser Akt, sowie die Grausamkeit mit der Dagmar in den Folgetagen begegnet wurde, leiteten einen deutlichen Stimmungswandel in der Bevölkerung ein.
Cassian lies daraufhin seine geplante Hochzeit, nebst Krönungsfeier erneut verschieben.

Der Diktator hatte den Bogen überspannt und somit indirekt seinen Untergang heraufbeschworen.
Die Kämpferinnen waren am Ende doch nicht ganz umsonst gestorben.

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** Beltane: Frühlingsfest der alten keltischen Religion, in der Nacht vom 30.April zum 1. Mai