Triumph der Liebe

Langsam, aber sicher fand das Leben in Anarchonopolis wieder zu seinen Ursprüngen  zurück. Der Alltag kehrte wieder ein. Doch andererseits war den meisten bewusst, dass sich die Zeit nicht einfach zurückdrehen ließ, sie alle, jede auf ihre Art, einen Entwicklungsprozess durchlaufen hatten, den es in das neue Leben zu integrieren galt.

Sie hatten sich alle persönlich verändert, das Land hatte sich verändert, die Situation hatte sich verändert. Dem mussten sie Rechnung tragen.

Die Erfahrungen aus der Zeit des Exils konnte nicht einfach beiseite gewischt werden, um dann zur Tagesordnung überzugehen.

Die gesamte Gesellschaft befand sich nach Cassians Entmachtung in einer Phase des Umbruches.

Wieder einmal ein Provisorium, wie schon so oft in der akratasischen Geschichte.

Die Übergangsregierung saß fest im Sattel regierte und agierte mit Vorsicht und Fingerspitzengefühl.

Die Freiheitstöchter mit Elena an der Spitze nahmen das mit Dankbarkeit zur Kenntnis.

Das Land benötigte vor allem Ruhe und Ausgeglichenheit, nach all den Verwerfungen, die  Cassians Diktatur mit sich gebracht hatte.

Zeit zu überlegen, Zeit sich neu auszurichten, zu alten gewohnten Strukturen zurückzukehren, aber auch überflüssiges über Bord zu werfen, alte Zöpfe abzuschneiden.   

Es würde Veränderungen geben, so hatte Elena stets betont. Doch wie die im Konkreten auszusehen hatten, konnte sie im Moment selbst noch nicht sagen.

 

Elena war froh, dass alle zunächst damit beschäftigt waren, die Rückkehr ihrer Königin Colette aus dem Exil vorzubereiten, die nun unmittelbar bevorstand. Colette und ihr engeres Gefolge waren die letzten, die noch erwartet wurden.

Die ganzen zurückliegenden Tage waren damit ausgefüllt den triumphalen Wiedereinzug der Königin vorzubereiten, den es geben sollte.

Eine große Show die so ganz und gar nicht zu Colettes Wesen passte. Die Königin, die die Stille im Verborgenen liebte, große, glanzvolle Auftritte scheute und viel lieber aus der Distanz agierte, hätte diesem Ansinnen nie ihre Zustimmung gegeben, wäre sie davon in Kenntnis gesetzt wurden.

Colette ahnte nichts davon, glaubte einfach so wie jeder andere inkognito zurückzukehren und ihr Leben wieder aufnehmen zu können.

Elena und die anderen waren sich dieser Tatsache durchaus bewusst. Doch sie wollten einfach jene Person ehren, die nun schon zum zweiten Male allein durch ihre Präsenz und ihr Charisma wesentlich dazu beigetragen hatte, die Gemeinschaft der Freiheitstöchter vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren, sie in schweren Zeiten zusammenzuhalten und mit der Sicht auf eine bessere Zukunft zu trösten.

Colette war längst zu einer lebenden Ikone geworden, die es zu hegen und zu pflegen galt.

Die Tatsache, dass sie im Grunde das genaue Gegenteil einer wirklichen Herrscherin war, kam dem auf eigentümliche Weise entgegen.

Elena fragte sich oft, wie es wohl weitergegangen wäre, stünde jetzt sie statt Colette als Königin an der Spitze. Die Antwort war schnell gefunden. Sie wäre die alles Überragende, die Alleskönnerin, die Perfektionistin, die Unfehlbare, die strahlende Sonne, die Gottgleiche, die unangefochtene souveräne Instanz. Umschreibungen denen man noch viele weitere hinzufügen könnte.

All das war Colette nicht. In ihrer Schusseligkeit, ihrer Vergesslichkeit, ihrem unsicheren, nicht selten gar tollpatschigem Auftreten und nicht zuletzt ihren gesundheitlichen Gebrechen stand sie im diametralen Gegensatz zu Elena. Gerade das zeichnete sie aus, gerade das prädestinierte sie für diese Funktion. Colette war die geborene Antiheldin. Eine Person. die im Leben nie auf die Butterseite gefallen war, die sich ihren Weg an die Spitze auf härteste und nicht selten zerstörerische Weise hatte erarbeiten müssen, davon immer wieder von verheerenden Rückschlägen heimgesucht. Als transidente und genderqueer Außenseiterin, als verachtete Kundra, in ihrer Kindheit und Jugend von fast allem ausgeschlossen, hatte sie sich ihren Platz in der Gesellschaft erkämpft als sie die 50 längst überschritten hatte. Spät, aber nicht zu spät. Das sie sich schließlich doch noch frei entfalten konnte, zu einem Zeitpunkt als sie selbst schon lange alle Hoffnung aufgegeben hatte, verdankte sie der Gemeinschaft der Freiheitstöchter, von denen sie, nun wie eine Mutter verehrt wurde.

Nein Colette war nicht die strahlende unnahbare Heldin, doch gerade das machte sie zutiefst menschlich. Eine Person mit der sich alle identifizieren konnten, nicht zuletzt Außenseiter, Randexistenzen, Abgehängte und Looser aller Couleur.

Die Ehrung. die ihr nun zuteilwerden sollte, würde sie für ihr gesamtes Lebenswerk erhalten.

 

Nun also bewegte sich Colette mit ihren engsten Getreuen im letzten Reisebus zielgerichtet auf Akratasien zu.

Der Herbst sandte erste Vorboten. Es hatte abgekühlt und der Wind aufgefrischt. Zwar glänzte die Sonne noch am Firmament, doch begann ihre Kraft langsam, aber sicher nachzulassen. Der Herbst würden den Sommer endgültig vertreiben und die Herrschaft des Winters vorbereiten. Eine Tatsache die Colette ganz und gar nicht gefiel, doch was hatte sie dem entgegenzusetzen?

Nicht fiel? Oder? Einiges! Die Gemeinschaft von Anarchonopolis war zu neuem Leben erwacht, würde in den kalten, dunklen Wintertagen besonders zusammenrücken, einander tragen und ertragen. Die großen Räumlichkeiten mit ihren weit reichenden Möglichkeiten boten die ideale Plattform dafür.

Es wäre ihnen möglich weiter in sich zu gehen, sich philosophischen Themen zu widmen, ja auch ihre spirituelle Ausrichtung zu festigen und auszubauen. Neue Ideen zu entwerfen und alte Erfahrungen zu reflektieren.

Colette freute sich auf die alte Heimat, die sie in der Enge des Exils so lange vermisst hatte.

 

Sie hatte die Lehne an ihren Sitz zurückgeklappt und betrachtete, halb liegend, die Landschaft, die draußen in Windeseile an ihr vorbeizog und mit jedem Meter vertrauter wurde.

In absehbarer Zeit würden sie ihr Ziel erreichen.

„Aaach ja, endlich wieder daheim sein. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich freue endlich wieder heimatlichen Boden unter den Füßen zu spüren, Betül.“ Sprach Colette zu ihrer Frau, die sich eng anschmiegte.

„Oh doch, ich kann es mir vorstellen. Du und Anarchonopolis ihr seid eins. Das ist mir auch erst im Exil richtig bewusst geworden.“ Erwiderte Betül, nachdem sie sich ein wenig gestreckt hatte.

„Wird es wieder, wie es einmal war? Wird es Veränderungen geben? Auf was müssen wir uns einstellen?“ Wollte Androgyna wissen, die sich aus der dahinter liegenden Sitzreihe zu Wort meldete.

„Ich denke Elena, Madleen, Gabriela und all die anderen haben schon einiges in die Wege geleitet in den vergangenen Tagen. Sie haben uns den Weg bereitet, den wir nur noch zu gehen brauchen. Wir bekommen den Alltag zurück. Doch wie sich der gestaltet, steht noch in den Sternen. Die werden mich zum Staatsoberhaupt machen, das steht fest, dann werden harte Verhandlungen folgen.“ Glaubte Colette zu wissen.

„Das wird uns Zeit geben uns mit den Veränderungen vertraut zu machen. Ich denke diese Übergangszeit ist gut. Da purzeln wir nicht gleich wieder in die Verantwortung und haben somit auch Zeit genug für uns.“ Hoffte Betül und kuschelte sich noch enge an ihre Königin.

Wortlos erwiderte Colette die Zärtlichkeit.

Androgynas Frage riss die Königin erneut aus ihrem Tagtraum

„Aber du wirst die Amtsgeschäfte wieder aufnehmen. Schon in den Folgetagen. Ich fürchte da wird es mit der Ruhe erst mal dahin sein.“

„Jajajajajaja, natürlich! Aber immer mit der Ruhe. Die müssen der alten, müden Kämpferin auch mal Ruhe gönnen. Alles zu seiner Zeit. Erst mal ankommen, sich wieder einleben.

Heute läuft gar nichts mehr, wenn es auch relativ früh am Tage ist.“ Entgegnete Colette selbst sicher.

„Wie meinst du das?“ Hakte Androgyna nach.

„Na, wie ich es sage! Wir schleichen uns nach Anarchonopolis hinein. Heute will ich nichts mehr sehen und hören. In Ruhe ankommen, ausruhen, kurze Begrüßung durch die Schwestern, ja gut, meinetwegen. Aber nicht mehr. Hmmm. Ein schönes warmes Bad, das wird mir guttun. Das nehme ich als erstes, wenn wir zuhause sind. Und dann ist kuscheln angesagt. Nicht wahr meine Betül?“

„Nun ja, so könnten wir es machen, wenn nichts dazwischenkommt!“ Lautete Betüls Antwort.

Sie hatte ein schlechtes Gewissen. Selbstverständlich war sie eingeweiht und wusste um den grandiosen Empfang, den es gleich nach ihrer Ankunft geben würde.

„Was soll denn dazwischenkommen?“

„Nun, es kann immer unerwartetes eintreffen! Wir müssen auf alles gefasst sein, nicht wahr Androgyna?“ Betül richtete ihren Blick nach hinten.

„Ja sicher! Auf alles!“ Bestätige die Angesprochene, die Ebenfalls in Kenntnis gesetzt wurde.

„Ach du meinst wegen Cassian und seinem Anhang? Da würde ich mir keine allzu großen Gedanken machen. Der wird keinen Anschlag wagen! Nicht zu diesem Zeitpunkt!“ Wiegelte Colette ab.

„Nun ich mein auch nicht unbedingt Cassian. Es könnten doch auch andere Überraschungen geben, oder?“ Taste sich Betül weiter vor.

„Was für andere Überraschungen? Du sprichst in Rätseln, meine Betül. So, nun werde ich noch eine Weile vor mich hindösen. Gebt mir echtzeitig Bescheid, wenn wir uns der Heimat nähern.“ Colette lehnte sich mit einem tiefen Seufzer der Zufriedenheit zurück, schloss die Augen und harrte der Ereignisse, die noch kommen würden.

„Das will ich gerne tun meine Königin!“ Versprach Betül und lehnte sich ebenfalls zurück.

 

Der Bus setzte seine Fahrt zügig und ohne besondere Vorkommnisse fort. Und bald wurde die Silhouette der Abtei am Horizont sichtbar. Colette war aufgrund des ständigen Schaukelns eingeschlafen und bekam davon nichts mit.

Betül haderte weiter mit sich, ob sie die Königin schon jetzt wecken sollte, in der Zwischenzeit hatten sie schon die Vororte der Hauptstadt Monrovia erreicht. Dort waren schon viele Menschen auf den Straßen unterwegs, um in die Innenstadt zu strömen, dort wo das große Spektakel von Colettes Wiederkehr auf gebührende Weise gefeiert werden sollte.  

Je näher sie der Stadt kamen, desto dichter wurden die Menschenansammlungen. So sehr, dass es einfach auffallen musste.

„Colette! Colette, es ist so weit! Wie sind bald da!“ Sprach Betül sanft ins Ohr der Königin und küsste sie im Anschluss auf die rechte Wange.

„Hmmm? Oh, ja, danke dir mein Liebling!“

Colette erhaschte einen Blick aus dem Fenster.

„Ja, da oben, dort thront sie, die Abtei, mein Anarchonopolis. Ich habe dich wieder schönste aller Perlen und du hast mich wieder.“

Nach einer Weile bewegte sich der Bus in die Stadt, immer wieder stoppend, wegen der vielen Menschen, die sich auf den Straßen bewegten.

„Komisch, ist ja wie auf einem Jahrmarkt? So viele Leute unterwegs? Da muss ja was Besonderes im Gange sein.“ Wunderte sich Colette und drückte ihre Stirn gegen die Fensterscheibe.

„Na, ist es ja auch!“ Brachte sich Androgyna von hinten in Erinnerung.

„Wie meist du das?“

„Na, wenn die Königin aus dem Exil zurückkehrt? Ist das nichts Besonderes? Auch wenn es sich dabei um eine anarchistische Königin handelt. Königin bleibt Königin!“

„Ach Androgyna! Woher sollen die das wissen? Ich komme heute ganz inkognito hier an. Die werden es noch früh genug erfahren.“

Betül und Androgyna sahen sich an und schwiegen. Langsam schien Colette Verdacht zu schöpfen. Ihre sensitive Seele ließ sich nicht lange an der Nase herumführen.

„Hey ihr zwei! Ihr verschweigt mir was. Das sehe ich ganz deutlich. Was geht hier vor? Raus mit der Sprache!“

„Nichts was dich beunruhigen müsste, meine Königin. Alles in Ordnung!“ Versuchte Betül zu beruhigen, doch stattdessen schürte sie nur noch mehr Verdacht.

„Versucht mich nicht zu täuschen, das funktioniert bei mir nicht. Ich sehe es euch an, ihr brütet doch was aus?“

 

„Ach meine Königin.“ Betül schmiegte sich ganz in Colettes Arm.

„Ich kann nicht mehr hinter dem Berg halten, du hast Recht. Wie soll ich es sagen, es gibt einen Empfang für dich. Eine Begrüßung.“

„Eine Begrüßung? Natürlich! In Anarchonopolis. Elena, Madleen und die anderen werden selbstverständlich zugegen sein, wenn ich auf dem Gelände der Abtei eintreffe. Wir versammeln und kurz, vielleicht im Kapitelsaal, ich kann natürlich auch ein paar Wort sagen, wenn es gewünscht wird. Später essen wir zusammen und das wars.“

„Wenn du schon geplaudert hast Betül, dann musst du Colette nun auch die ganze Wahrheit beichten!“ Forderte Androgyna.

„Ganze Wahrheit? Was gibt es denn noch zum Kuckuck noch mal?“

„Gut! Gut! Du sollst alles wissen. Ich denke wir hätten es dir längst sagen müssen, damit du dich ausrechend vorbereiten kannst. Es gibt einen Staatsakt, mit Parade durch die ganze Stadt, einen Empfang durch die provisorische Regierung, auf einer Tribüne vor dem alten Parlamentsgebäude. Natürlich auch entsprechende Redebeiträge und….“

Stammelte Betül verlegen.

„Waaaas? Das kann doch nicht euer Ernst sein? Seid ihr übergeschnappt? Ein….ein..großes Primborium also…“

Colette warf einen Blick aus dem Fenster. Je näher sie dem Stadtzentrum kamen, desto dichter die Menschenansammlung.

„Jetzt verstehe ich. Deshalb also die vielen Menschen auf der Straße. Die haben sich meinet wegen versammelt?“

„Genau so ist es Colette!“ Bestätigte Androgyna.

 „Nein! Nein! Wie könnt ihr mir das antun? Ihr seid gemein, alle beide und wer sonst noch so dahintersteckt. Ihr wisst genau, dass ich solche großen Auftritte fürchte wie der Teufel das Weihwasser.“

„Es tut mir leid, meine Königin. Ich sehe es ein. Ich hätte da nicht mitmachen dürfen. Aber nun ist es zu spät. Da müssen wir durch. Die Schwestern wollen dich ehren. Du bist unsere Mutter. Du hast in der schweren Zeit des Exils alle behütet, alle gleichsam unter deinen Mantel genommen. Ihnen Hoffnung und Zuversicht auf eine bessere Zukunft geschenkt. Ein solcher Mensch wie du muss doch einfach geehrt werden.“ Versuchte Betül zu beruhigen.

„Ja, wenn ihr das wollt, meinetwegen. Aber im kleinen Maßstab. In Anarchonopolis. Mit einem guten Essen, mit einer Party oder so. in kleiner Runde, in Gemütlichkeit. Aber so…ich bin total erschüttert…ich…“

Colette wollte noch Worte hinzufügen, aber sie konnte es nicht mehr ausführen.

Kim, Denise, Lukas und viele andere näherten sich aus dem vorderen Teil des Busses.

„Colette, meine wunderbare Königin. Wir sind jetzt bald am Ziel angelangt. Wir werden auf dem Marktplatz vor dem Parlament halt machen, aussteigen und dich zur Ehrentribüne geleiten, die dort auf dich wartet. Dort sollst du bejubelt und gefeiert werden, vom amtierenden Staatsoberhaupt begrüßt, dann wirst du ein paar Worte sagen.“ Versuchte Kim eine verspätete Aufklärung, wie sie es so festgelegt hatten.

„Ich sagen jetzt überhaupt nichts mehr!“ Schmollte Colette vor sich hin.

„Was ist denn? Hab ich etwas falsch gemacht?“ wollte Kim erstaunt wissen.

„Nein, nein, Kim, alles richtig. Sie weiß es schon und ist ganz und gar nicht begeistert.“

Entgegnete Betül.

„Na, das ist ja ein Ding! Und? Was sollen wir jetzt machen?“ erkundigte sich Denise mit ihrem Schweizer Dialekt.

„Genau das, was beschlossen wurde! Was denn auch sonst. Ich werde meine Königin überzeugen und an ihrer Seite stehen.“ Gebot Betül in souveräner Haltung.

  

In der Zwischenzeit lenkte der Chauffeur den Bus auf den Marktplatz. Das war alles andere als einfach und erforderte große Geschicklichkeit, denn gerade hier drängten sich die Menschen auf ganz besonders engen Raum.

Schließlich kam das Fahrzeug zum Stehen und die automatischen Türen öffneten sich.

„Colette! Colette! Lang lebe Colette! Lang lebe Akratasien!“ drangen die Rufe von allen Seiten an die Ohren der Königin.

„Ja, jetzt heißt es auf einmal Hoch Colette. Wo waren sie denn alle als wir in Schimpf und Schande und unter den größten Demütigungen gezwungen waren das Land zu verlassen? Na? Da haben sie Cassian hochleben lassen und das aus voller Überzeugung.“

Meldeten sich die Erinnerungen zurück.

„Ja, genau das werde ich ihnen jetzt da draußen sagen!“ Colette erhob sich schwungvoll und betrat den Gang.

„Das wirst du nicht tun! Du wirst sie freundlich begrüßen, mit einem Lächeln, so wie sie dich begrüßen. Ich werde an deiner Seite stehen und nicht von der Stelle weichen.“ Entgegnete Betül, griff nach Colettes Hand. Ihre eleganten Finger hakten sich in die der Königin. Hand in Hand entstiegen sie dem Bus.

Draußen angekommen wurden sie schon von einer Menschenmenge umgeben, die sie fast zu erdrücken drohte.

Es war wie an jenem schicksalhaften Tag, als sie im Exil in Köln eintrafen und einer ungewissen Zukunft entgegenblickten. Im Gegensatz zu damals würden sie nun genau wissen, wo es hinging. In ihr altes Zuhause.

Ähnlich wie damals fanden sich auch an diesen Tag kräftige Männer. um Colette auf ihre Schultern zu wuchten

„Betül! Beeeeeetüüüül!“

Diesmal war Betül eingeweiht und wusste, dass die Männer Colette sicher durch die Menge tragen würden, hin zur Tribüne, die sich in etwa 50m Entfernung befand und auf deren Potest sich die Vertreter der Übergangsregierung eingefunden hatten.

Zwei weitere Männer hoben nun Betül auf ihre Schultern und trugen sie hinter der Königin her. Die Frau der Königin gehörte an deren Seite.

„Betül!“ Lang lebe Betül!“ Tönte es nun aus der Menge, als die die schöne Frau erblickten.

Colettes Träger hatten die Tribüne erreicht und stellten die Königin auf den Boden. Colette wartete auf Betül die kurz darauf eintraf. Hand in Hand schritten sie nun die Treppe hinauf. Betül achtete darauf, dass ihrer Frau kein Patzer unterlief.

Oben angekommen erhob Colette in souveräner Geste den rechten Arm und grüßte in die versammelte Menge, worauf hin ihr ein frenetischer Jubel entgegenbrandete. Dann legte die Königin ihren Arm um ihre Frau und zog sie zu sich. Der Jubel schwoll darauf hin noch einmal beträchtlich an.

Colette blickte sich nach allen Seiten um. Wo in aller Welt waren Elena und die anderen? Warum lassen sie mich in dieser Stunde allein? Ging es durch ihren Kopf.

 

Elena, Madleen und die Schwestern hatten sich aus dem Getümmel zurückgezogen und beobachteten das Geschehen von den Balkonen des Parlamentsgebäudes aus. Elena hatte ganz   

bewusst darauf verzichtet in die Öffentlichkeit zu treten.

Es war Colettes Tag, nicht der ihre. Ihre Stunde würde kommen, aber erst dann, wenn sie gerufen wurde.

Im Gegensatz zu Colette hatte sie bislang kein öffentliches Amt inne. Ob und wann das der Fall sein würde, stand im Moment noch in den Sternen.

Doch den Schwestern stieß diese Tatsache auf ein geteiltes Echo.

„Ich versteh nicht, warum du nicht auch auf der Tribüne da unten stehst. Ich bin der Ansicht, dass dir dieser Platz gebührt. Ganz gleich ob du nun schon eine Funktion innehast oder nicht.

Du hättest dich von den Militärs nicht so einfach abspeisen lassen sollen.“ Meinte Alexandra und wies mit dem Finger nach unten in Richtung Tribüne.

„Ich wurde doch gar nicht abgespeist. Ich habe freiwillig darauf verzichtet. Versteht doch, ich will mich einfach nicht mehr so in den Vordergrund spielen.“

„Das versteh wer will, ich jedenfalls nicht!“ Konterte Alexandra.

„Es ist Colettes Tag. Sie hat diese Ehre verdient. Ihr müsst bedenken, ohne ihren Einsatz, gäbe es die Freiheitstöchter überhaupt nicht mehr.“ Sprach Elena und lehnte sich weit über den Balkon, um eine bessere Sicht nach unten zu haben.

Die Jubelrufe drangen bis nach oben.

„Der Jubel gilt Colette und das ist richtig so. Sie war anwesend als die Not am größten war. Zweimal hat sie unsere Gemeinschaft vor dem Untergang bewahrt. Zweimal! Vergesst das nicht. Sie und nicht ich! Ich habe zweimal versagt!“ Rief Elena wieder in Erinnerung.

Bei Madleen stieß diese Aussage auf Widerstand.

„Aber Elena, du weißt, dass das nicht stimmt! Du hast nicht versagt, du warst krank, sehr, sehr krank, beide Male, das ist doch wohl ein Unterschied. Nein du hast auf keinen Fall versagt. Und Colette vertritt die gleiche Meinung.“

„Aber ich war nicht einsatzfähig, als die Gefahr am größten war.“ Entgegnete Elena kurz.

„Also zur ersten Krise, nach Neidhardts Machtergreifung kann ich nicht viel sagen, damals war ich noch nicht aktuell. Aber was die Zweite betrifft, Cassian, da habe ich weit mehr Schuld auf mich geladen.“ Gestand Madleen. „Ich habe dich im Stich gelassen, dich verraten und mich diesem Typ an den Hals geworfen. Damit hätte ich um ein Haar deinen Tod verursacht. Wenn also eine versagt, hat dann wohl ich.“

„Mich trifft ebensolche Schuld!“ Schaltete sich nun Dagmar ein. „Anstatt an deiner Seite zu stehen, dich zu unterstützen, dir den Rücken zu stärken und gemeinsam der Gefahr ins Auge zu sehen, habe ich dich allein gelassen und offen gegen dich opponiert. Gewissermaßen habe ich mich damit indirekt zu Cassians Komplizin gemacht. Während er dich von rechts anging, habe ich von links nachgelegt, dich gemeinsam mit ihm in die Zange genommen. Deine Lage damals war aussichtslos. Du warst fertig, mit den Nerven runter. Keine von uns wird dir das zum Vorwurf machen.“

„Ich danke euch für eure Worte. Natürlich habt ihr Recht. Lasst uns jetzt nicht daran denken und uns des Tages erfreuen. Ich hoffe Colette übersteht ihn gut.“ Bedankte sich Elena und versuchte das Thema zu beenden, das sie selbst erst angeschnitten hatte.

 

Unterdessen hatte Rudolf, der als vorübergehendes Staatsoberhaupt fungierte, das Wort ergriffen und Colette offiziell im Namen der neuen Regierung willkommen geheißen.

Er war ein General, ein Mann mittleren Alters mit schwarzem kurzem Haar und stämmiger Statur. Erwirkte seriös und über jeden Zweifel erhaben. In seiner Erscheinung das genaue Gegenteil eines Cassian. Ein Umstand, der es gestattete, dass er nun ins Glied zurücktrat.

 

„Liebe Colette, wir begrüßen dich in der Heimat. Sei uns allen willkommen. Der Jubel gilt dir, es ist dein Tag. Du bist gekommen um deinen Rang, der dir noch immer zustehet, wieder einzunehmen. Du sollst ab diesem Tag wieder unser formelles Staatsoberhaupt sein. Ich werde den Platz räumen, den ich vorübergehend einnahm und übergebe dir hiermit die Amtsgeschäfte. Welchen Titel du in Zukunft führen wirst, darüber werden wir in den folgenden Tagen oder auch Wochen verhandeln. Über das und noch vieles mehr. Es wird ein Neuanfang, dass ist uns allen bewusst. Wir alle sind froh den Diktator Cassian entmachtet zu haben und dem Land die Freiheit wieder gegeben zu haben. Er war unser gemeinsamer Gegner. Diese Gegnerschaft hat uns vorübergehend zu Verbündeten gemacht Nun gibt es den gemeinsamen Feind nicht mehr. Wir müssen einen Weg finden die Zukunft des Landes Melancholanien oder Akratasien gemeinsam zu gestalten. Das wird nicht leicht. Sehr unterschiedliche Vorstellungen werden aufeinandertreffen. Aber mit dir an der Spitze hege ich die Zuversicht das am Ende eine Einigung zustande kommen kann.“

Es wurde lauthals Beifall bekundet.

Rudolf hatte ausgesprochen was viele im Herzen bewegte. Cassian hatte sie in eine Allianz geführt, die im Moment noch bestand, sich aber jederzeit auflösen konnte. Colette stand ab jetzt an der Spitze aber eben vorerst nur provisorisch. Ein Provisorium wurde beendet, das nächste schloss sich an. Es würde jede Menge an Fingerspitzengefühl bedürfen, um die gespannte Situation zu meistern. Dessen war sich Colette bewusst.

„Genug meiner Worte. Wir alle sind gespannt was uns Colette zu sagen hat. Ich übergebe dir das Wort.“

 

Colette drückte Betüls Hand, die den Druck sanft erwiderte. Dann schritt sie zum Mikrofon, räusperte sich kurz und setzte an.

„Ich freue mich wieder hier zu sein, meine lieben Landsleute. Wie sehr habe ich eure Gesellschaft vermisst in der schweren Zeit des drückenden Exils. Aber so schwer es auch war. Ihr habt schlimmeres durchgestanden, denn ihr musstet Cassians Diktatur am eigenen Leib erfahren, konntet euch nicht entziehen, um unangefochten in der Freiheit zu leben. Mit den Freiheitstöchtern kehrt auch nun die akratasische Idee zurück, zurück zu ihren Ursprüngen.

Zurück zu ihren Wurzeln.

Ihr alle möchtet sicher wissen, welches Programm ich für die Zukunft im Gepäck habe. Es ist das Gleiche, wie vor Cassians Machtergreifung, die Vollendung der absoluten Freiheit, für jeden und jede von euch allen.“

Der Beifall setzte wieder ein.

Colette war dankbar für diesen Umstand, hatte sie so doch die Möglichkeit kurz ihre Gedanken zu ordnen, zu überlegen was es überhaupt noch zu sagen gab, was die Menschen nicht schon lange wussten.

„Ja, ihr habt richtig gehört! Die Gleiche Idee, angereichert durch die Erfahrung des Scheiterns, der Niederlage, der schwerwiegenden Fehler die unsererseits begangen wurden. Angereichert durch die Erfahrung des Exils.

Wenn ich euch jetzt sage, wir wollen uns bemühen die Fehler von einst nicht mehr zu begehen, werdet ihr zu Recht eure Zweifel hegen. Große Worte, schöne Theorie, die Praxis folgt doch anderen Gesetzmäßigkeiten. So habt ihr es alle erlebt in der zurückliegenden Zeit.

Akratasien wird leben, so habe ich stets betont und die Hoffnung darauf nie aufgegeben. Aber nun? Was können wir tatsächlich verbessern? Ich muss euch gestehen: ich kann euch darauf keine zufrieden stellende Antwort geben. Ich weiß nicht was die Zukunft wirklich bringt, so sehr ich mich auch bemühe in die Ferne zu blicken. Mein Vorredner hat es angesprochen. Es wird Verhandlungen geben über den zukünftigen Status des Landes und die Konzepte gehen weit auseinander. Wir alle sind aufgefordert uns nach Kräften einzubringen und das Beste für alle dabei rauszuholen. In der Sache wird es womöglich auch manchmal hart auf hart gehen. Wichtig aber ist dabei vor allem eines, dass wir einander in Liebe und Achtung begegnen. Das wir auf Augenhöhe miteinander sprechen. Lassen wir diesen denkwürdigen Tag der Beginn einer neuen Zeit werden. Auf dass am Ende unserer Leben zu einem Triumph der Liebe werde.“

 

Stille senkte sich herab, gespannte Stille, doch dann wurde sie von tosendem Beifall abgelöst.

Colette hob die Arme in die Höhe, so als wolle sie die Versammelten in die Arme schließen und segnen.

Betül trat zu ihr und schmiegte sich eng an ihre Seite.

 

„Bravo Colette! Wunderbar! Das waren die rechten Worte zur rechten Zeit!“ Begeisterte sich Elena auf dem Balkon weit oberhalb des Geschehens.

„Besser hätte sie es nichts ausdrücken können und ich ebenfalls nicht. Oh, wie sehr ich dich  liebe, unsere Königin der Herzen.“

 

Es wurden noch eine Reihe weiterer Grußworte gesprochen, Musik erklang, es wurde gesungen und getanzt. Die Anwesenden schienen alle in einer ausgelassenen Stimmung.

Endlich wurden Colette und Betül von der Tribüne geführt. Ein paar Wachposten bahnten ihnen eine sichere Gasse durch die Menschenmenge hinzu einem großen schwarzglänzenen Cabriolet.

Colette und Betül bestiegen das Auto und nahmen Platz. Dann startete der Fahrer und balancierte den Wagen geschickt durch die Ansammlung auf die Hauptstraße hinaus. Langsam ging es die Straße weiter, die aus der Stadt hinaus zum Plateau führte, auf dem die Abtei thronte. 

Bei dem Fahrzeug handelte sich um eine Karosse, die eigens für solche Auftritte präpariert wurde. Geräumiger Sitzbereich im hinteren Teil und eine silberne Stange, die es ermöglichen sollte, dass sich Colette während der Fahrt erhob und auch im Stehen fortbewegt werden konnte.

Nach einer Weile erhob sich die Königin auch und hielt sich mit der linken Hand krampfhaft an der Stange fest. Den rechten Arm erhob sie winkte den Menschen zu oder salutierte auch gelegentlich.

Ein wahrer Triumphzug. Colette fühlte sich auch wie ein siegreicher römischer Feldherr, der nach gewonnener Schlacht von der Bevölkerung in Empfang genommen wurde.

Für einen Moment ging Colette auch ganz in dieser Rolle auf und verlor für kurze Zeit die Scheu vor der Öffentlichkeit. Es schien, als hätte eine geheimnisvolle Macht von ihr Besitz ergriffen und gewährte ihr sicheres Geleit.

 

Folko, Ronald und ein paar andere Männer von Anarchonopolis folgten in sicherem Abstand in einem eigenen Fahrzeug.

„Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee war mit diesem Triumphzug. Nicht nur das er Colettes Wesen total widersprich, sondern auch weil die Königin eine geradezu ideale Zielscheibe abgibt.“ Sorgte sich Folko.

„Hmm, noch immer misstrauisch? Gut, ich kann dir zustimmen. Auch ich habe ein ungutes Gefühl im Magen, wenn ich das sehe.“ Pflichtete ihm Ronald bei.

„Ich muss einfach versuchen näher ranzukommen.“ Folko betätige das Gaspedal und beschleunige das Tempo leicht.

„Aber was können wir machen, sollte es tatsächlich einen Anschlag geben?“ wollte Ronald wissen.

„Ich fürchte nicht viel! Das ist ja das Problem.“ Antwortet Folko.

„Die Menschenmenge ist unberechenbar. Da können eventuelle Attentäter sicher untertauschen und verschwinden bevor wir etwas unternehmen können.“

„Auf der anderen Seite bietet sie aber auch Schutz. So oder so. Wir können nur folgen, beobachten und hoffen, dass alles in sicheren Bahnen verläuft.“ Erwiderte Ronald.

 

Endlich näherten sie sich der Abtei. Anarchonopolis der sichere Hafen gegen die Unbilden der Zeit.

Es ging alles gut. Anarchaphilias Schutzschild hielt. Der Wagen stoppte und schließlich konnten Colette und Betül entsteigen.

Die Königin blickte mit Tränen in den Augen zur Spitze des Glockenturmes, dann schweifte ihr Blick über das gesamte Gelände. Sie war angekommen, daheim. Endlich wieder zuhause in der sicheren Umfriedung. Daheim bei ihren Anvertrauten, daheim auf dem Terrain, das ihr so vertraut war. Das Exil war vorüber, tatsächlich, es war real und kein Traumgesicht.

Eine ganze Reihe von Pressefotografen hatte sich eingefunden, um das Ereignis der Nachwelt in vielen Bildern zu konservieren. Es blitzte von allen Seiten. Colette begann langsam aber sicher ungeduldig zu werden. Sie konnte so viel Aufmerksamkeit einfach nicht ertragen.

 

„Nun ist es aber bald genug, Betül. Wie lange soll diese Prozedur noch dauern.“ Beschwerte die Königin sich der Frau an ihrer Seite.

„Halt noch ei einen kurzen Moment durch. Elena und die anderen müssten bald eintreffen, dann gehen wir rein und dann ist für heute wirklich Schluss.“ Antwortete Betül, während sie dabei war auf ihrem Smartfon zu wischen.

Nur wenige Augenblicke später trafen Elena und viele der anderen Schwestern tatsächlich ein.

Elena ging auf die Königin zu umarmte und küsst sie.

„Willkommen zuhause Colette! Erst mit dir in der Mitte sind wir wirklich vollständig. Erst in diesem Moment gehört das Exil tatsächlich der Vergangenheit an.“

Dann drehte sie sich um und wandte sich den Fotografen und anderen Schaulustigen zu.

„Genug der Worte, genug auch der Bilder. Für heute soll es genügen. Die Königin möchte sich zurückziehen. Ich denke wir alle werden es ihr gönnen, nach so langer Zeit der erzwungenen Abwesendheit.“

Die Schwestern zogen sich mit Colette in ihrer Mitte in das Innere des Koventsgebäudes zurück.

Leicht enttäuscht, aber trotzdem voller Verständnis blieben die Vertreter der Medien zurück.

Unter ihnen auch der rasende Reporter des deutschen Fernsehens Harry Hastig.

Der Fernsehkamera zugewandt sprach er:

 

„Meine lieben Zuschauer und Zuschauerinnen zu Hause an den Bildschirmen in Deutschland.

Wieder einmal ist es mir möglich über die Freiheitstöchter einen kurzen Bericht zu geben.

Sie sind zurückgekehrt. Mit Colette in ihrer Mitte sind sie wieder vollständig versammelt. Dieser Tag markiert ein wichtiges Datum   

Wie Elena soeben ganz richtig betonte. Das Exil ist mit dem heutigen Tag endgültig Geschichte. Mit Colettes Rückkehr und der damit verbundenen Amtsübernahme ist die Rechtmäßigkeit wieder hergestellt. Sie sind zurückgekehrt zu den Ursprüngen, zurück zu den Wurzeln ihrer Bewegung. Nun kann das bunte Leben in den Mauern von Anarchonopolis erneut beginnen. Wird es Veränderungen geben, wie Elena in den vergangenen Tagen immer wieder betonte? Wenn ja welche? Es werden zähe Verhandlungen mit der provisorischen Regierung folgen, die den endgültigen Status des Landes festlegen sollen.

Nur wage Vermutungen über deren Inhalt kursieren derzeit. Spekulationen nur.

Wird Colette den Titel Königin tragen, Präsidentin oder wie auch immer? Wir wissen es nicht!

Welche Rolle könnte Elena einnehmen. Wieder als Kanzlerin? Nach einer repräsentativen Umfrage letzte Woche wünschen es 56% der Bevölkerung. Doch der Ausgang der Verhandlungen ist offen. 

Was ist mit Dagmar? Die ehemalige Terroristin zulassen zu den Verhandlungen, darüber wird derzeit gestritten. Wir können nichts vorhersagen.

Auch Neidhardts Rolle könnte interessant werden. Sollte er wieder aktiv in die Politik eingreifen. Bisher hat er das kategorisch ausgeschlossen und betont, bzw betonen lassen, dass er sich vollständig aus dem öffentlichen Leben herausnehmen will.

Fragen über Fragen.

Nur eines können wir mit Gewissheit sagen. Die Freiheitstöchter sind nun alle hier eingetroffen, können ihre Arbeit in der gewohnten Weise wieder aufnehmen und segensreich für ihre Umwelt wirken.

Anarchonopolis, diese kleine Insel der Glückseligen, wenn ich mal so vermessen sein will und diesen Ausdruck gebrauche, lebt wieder. Wir alle dürfen gespannt sein, auf welche Weise sich das Leben dort in Kürze wieder entfaltet.“

 

Colette hatte umringt von den Schwestern das Foyer betreten und bewegte sich den langen Korridor entlang.

Sie wurde immer nervöser und gereizter. Ihre sensitive Seele konnte den Trubel nicht mehr verarbeiten und sehnte sich nach Ruhe und Rückzug.

Elena hatte das längst erkannt und bewegte die Schwestern, die Königin in Ruhe zu lassen. Es würde noch genügend Gelegenheit geben mit ihr ins Gespräch zu kommen.

 

Schließlich befanden sich Colette, Betül und die kleine Aisha in ihrer Wohnung.

Immer wieder schossen Colette die Gedanken durch den Kopf, die Gedanken an die Zeit als sie hier hatte Abschied nehmen müssen.

Sie ging zum Fenster schob den Vorhang zur Seite und blickte auf die hohen Gipfel der Berge, den dichten Wald darunter, atmete mehrmals tief ein und wieder aus.

Betül nahm Aisha zur Hand und sie entfernten sich aus dem Zimmer, sie wusste wessen ihre Frau jetzt am dringendsten bedurfte, absolute Ruhe.

 

Colette ruhte den gesamten Nachmittag über. Auf ihre ganz bestimmte Art und Weise wurde sie nun wieder zu einem Teil der Gemeinschaft.

Erst am Abend suchte sie die Gemeinschaftsräume auf, sprach mit der einen oder anderen.

Schließlich fanden sich alle zum gemeinsamen Abend essen im Refektorium ein.

Auch hier vermieden die Schwestern Colette direkt auf ihr Befinden anzusprechen. Es wurde eher belanglose Konversation gehalten.

In der Zwischenzeit kannte alle Colettes Gewohnheiten und wussten wie sie zu reagieren hatten.

Colette ging im Anschluss durch die großen Räume der Abtei und verinnerliche die vertraute aber andererseits auch so auf ungewöhnliche Art neue Umgebung. Auf der einen Seite erschien es ihr als sei sie erst vor ein paar Tagen von hier aufgebrochen, auf der anderen jedoch erkannte sie viele Dinge, die ihr früher nicht aufgefallen waren.

Sie betrat die Basilika schritt das Kircheschiff entlang und im Chorraum schließlich lies sie sich auf ihren Sessel nieder, der an dieser Stelle die ganze Zeit auf sie gewartet hatte. Dort blieb sie sitzen bis weit in den dunklen Abend, betrachtete ihre Umgebung schaute aber auch in ihr Inneres

 

Als sie sich zu Bett begeben hatte öffnete sich die Tür und Betül betrat das Zimmer.

„Alles in Ordnung Colette? Oder brauchst du noch etwas?“

„Alles in Ordnung! Ich bin angekommen! Ich bin wieder hier! Nun bin ich auch wieder voll ansprechbar!“

„Das ist gut! Dann kann ich dir gleich dein besonderes Geschenk überreichen!“

„Ein Geschenk? Welches Geschenk?“ Wollte die Königin wissen.

„Mich!“ Betül streifte ihr Negligee ab und stand nackt im Raum, dann bewegt sich in verführerischer Bewegung auf Colette zu Ein Anblick, der jeden und jede die Sprache verschlagen konnte. Die feinen ausladenden geschwungenen Hüften, die leicht schaukelnden Brüste. Ihr pechschwarzes lockiges Haar hing ihr bis zur Taille.

Sie hatte sich zu Feier des Tages ganz besonders zurecht gemacht.

„Du hast dir nach diesem Tag eine besondere Entschädigung verdient meine Königin und nun sollst du sie bekommen.“

Betül schmiegte sich ganz an Colette, küsste und streichelte sie und nach kurzer Zeit waren sie im Liebesakt vereint.

Der Triumph der Liebe fand seinen Höhepunkt.

 

Am folgenden Vormittag kehrte endgültig der Alltag wieder ein.

Nach dem ausgiebigen Frühstück im Refektorium, erste gemeinsame Zusammenkunft aller Abteibewohnerinnen und Bewohner in der Basilika.

Colette und Elena hielten jeweils kurze Ansprachen, aber auch andere kamen zu Wort, wie etwa Madleen oder Gabriela.

Der Tagesplan wurde wieder aufgenommen. Er unterschied sich zunächst nicht wesentlich von jenem aus der Zeit vor dem Exil.

Die meisten kannten ihre Aufgabengebiete und würden ihre Arbeit darin wieder aufnehmen.

Es gab aber auch eine ganze Reihe neuer Bewohner, wie etwa die Volontärinnen und Volontäre die ihre Aufgaben zugewiesen bekamen. Das würde natürlich eine gehörige Portion Vorbereitung bedeuten.

Gleich im Anschluss traten die Arbeitsgruppen zusammen.

Sowohl jene, deren Aufgabe die Verwaltung und Gestaltung des Abteigeländes betraf, als auch jene von politischer Natur, die damit begannen die Verhandlungen mit der provisorischen Regierung vorzubereiten.

Der erste Tag in voller Besatzung in der alten Heimat fand somit eine gute Struktur.

 

Larissa schien davon wenig bekümmert. Sie betätigte sich wieder in ihrem Garten und war zufrieden mit ihrem Dasein. Es gab noch eine ganze Menge zu tun, denn immerhin galt es die gesamte Anlage winterfest zu machen.

Die alte Tätigkeit in der alten Umgebung, jedoch unter ganz neuen Vorzeichen.

Larissa war Teil der Freiheitstöchter und erlebte nun den ersten Tag ein volles Haus.

Die Arbeit im Freien würde im Winter wegfallen, aber zum Glück gab es ja noch die zahlreichen Gewächshäuser. Larissa war froh über diese Tatsache, hatte sie auf diese Weise eine feste Tagesstruktur. Tätigkeiten, die sie konnte und keinerlei Anleitung bedurfte.

Auch sie würde Helfer bekommen, einige von den Volontären hatte sich für die Gartenarbeit gemeldet. Somit war sie es die andere anzuleiten hatte. Larissa wusste nicht Recht wie sie damit umzugehen hatte.

Aber es schien zu funktionieren. Es waren junge Leute, etwa in ihrem Alter und sie schienen sich gut zu verstehen.

Sehr erstaunt war Larissa über die Tatsachen, dass sich auch Lucy eingefunden hatte, um ihr zur Hand zu gehen.

„Guten Morgen Larissa! Kann ich dir ein wenig helfen. Ist im Moment etwas langweilig für mich. Hab noch keine richtige Aufgabe gefunden. Da dachte ich mir, mich einfach bei dir nützlich zu machen.“

„Ja gerne! Kennst du dich denn mit Gartenarbeit aus?“ Wollte Larissa wissen.

„Na ein wenig. Aber so eine richtige Expertin wie du bin ich natürlich nicht.“ Gestand Lucy

„Ich sag dir einfach was du tun musst. Halte dich ganz an mich:“ Schlug Larissa vor.

„Das werde ich mit großem Vergnügen tun.“ Antwortete Lucy und folgte Larissa auf Schritt und Tritt.

Warum Lucy wirklich Larissas Nähe suchte, war leicht zu durchschauen. Lucy fühlte sich von Larissa angezogen und wollte in deren Nähe sein, suchte ständig nach Gelegenheiten ihr nahe zu kommen.

Sie arbeiteten gut zusammen und kamen ins Gespräch über dies und das, brachten dabei eine Menge in Erfahrung über das Leben der jeweils anderen, kamen sich dabei immer näher und vergaßen daher bald die Zeit.

 

Es war schon später Nachmittag als Larissa Feierabend machte und sich in die Wohnung begab die sie nun gemeinsam mit Elena. Madleen und Tessa bewohnte, Lucy verabschiedete sich von ihr mit einem dicken Kuss und entschwand ein Stockwerk höher zu Neidhardt, der aber gar nicht anwesend war.

Er hatte ihr einen Zettel hinterlassen, auf dem er sie unterrichtete, dass er sich die Umgebung ansehen würde und erst spät zurückkehren würde.

Lucy hatte die Wohnung für sich allein, ein Umstand, der ihr ganz gelegen kam.

 

„Hallo Larissa da bist du ja.“ Begrüßte Madleen die Geliebte ebenfalls mit einem Kuss.

Larissa konnte sich nicht entsinnen, jemals so viel geküsst worden zu sein.

„Na wird auch Zeit, dass du Feierabend machst. Ist ganz schön kalt geworden, die letzte Zeit.  Man merkt, dass der Winter kommt.“

„Ja, ich bin auch fast fertig mit dem Garten. Die Helfer kamen sehr gelegen. Auch Lucy war mit dabei, hab mich gut mit ihr unterhalten.“

„Das ist schön! Hey, du siehst durchgefroren aus.“

„Ach, es geht schon!“

„Komm ich lass dir Badewasser ein. Da nimmst du ein schönes heißes Bad.“ Bot Madleen an.

„Hmm, da sag ich nicht nein.“

Madleen eilte ins Badezimmer, um alles vorzubereiten. Larissa zog sich auf ihrem Zimmer die Arbeitskleidung aus. Wenig später planschte sie in der Wanne, eine Wohltat.

Madleen leiste ihr eine Zeit lang Gesellschaft.

„So, entspann dich weiter, lass es dir gutgehen. Ich bereite dann das Essen vor. Elena wird auch bald zurückerwartet. Mal sehen, wie weit die heute mit ihren Verhandlungen gekommen sind. Also bis gleich.“ Meinte Madleen, während sie Larissas Haaransatz im Nacken graulte.

 

Wenig später vernahm Larissa Elena Stimme aus dem Wohnzimmer. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen.

„Oh entschuldige Larissa, wusste nicht, dass du in der Wanne bist. Stört es dich, wenn ich kurz die Toilette benutze?“

„Nein! Komm nur!“

„Danke! Geht schnell. Hmmmm, verführerisch siehst du aus, mein kleiner Spatz. Aber so ist es  richtig, nach getaner Arbeit sollst du es dir gut gehen lassen. Würde gern zu dir in die Wanne steigen. Aber es gibt nach dem Essen noch ein Treffen unten im Kapitelsaal Im kleinen Format.“

Nachdem Elena ihr Geschäft erledigt hatte, beugte sie sich kurz zu Larissa und küsste sie.

Und noch ein Kuss, es würde nicht der letzte sein an diesem Abend.

 

Eine Weile danach trat Larissa, gehüllt in einen flauschigen Bademantel aus dem Badezimmer.

„Komm Larissa, es ist alles schon aufgetafelt, du kannst gleich mitessen:“ Lud Madleen ein.

„Soll ich mich nicht vorher anziehen?“

„Ach wo! Komm! Wir sind doch unter uns.

Larissa nahm Platz und rieb sich kurz die noch feuchten Haare.

„Wir nehmen uns Zeit, die fangen eh nicht so pünktlich an.“ Meinte Elena und lies sich an Larissas Seit nieder.

„Sag mal Larissa! Hast du dir schon Gedanken über deine Zukunft gemacht?“ Fuhr Elena weiter fort.

„Nein! Eigentlich nicht! Sollte ich?“

„Nun, du hast hier bei uns viele Möglichkeiten etwas aus dem Leben zu machen. Ich habe gestern auch mit Lucy darüber gesprochen. Der muss man in dieser Hinsicht etwas auf die Füße treten. Bei dir habe ich da keine Befürchtungen. Gab Elena zu verstehen.

„Elena meint, du kannst dir etwas aussuchen. Etwas studieren zum Beispiel, wenn du magst.

Die Abtei wird auch Teil der Universität. Du brauchst also gar nicht weit weg, kannst alles von hier aus erledigen.“ Fugte Madleen hinzu.

„Das…das ist sehr lieb von euch. Aber im Moment bin ich ganz glücklich mit dem was ich tue. Ich bin Gärtnerin, ich bin gerne Gärtnerin. Mir gefällt was ich tue, es macht mir großen Spaß.“ Lehnte Larissa ab.

„Natürlich Larissa! Wenn dir der Beruf Spaß macht, dann ist alles in Ordnung. Das kannst du  handhaben, wie es dir beliebt. Ein schöner Beruf. Ich kann dich gut verstehen.“ Erwiderte Elena.

„Wäre das ein Problem für dich Elena, weil du bald wieder Kanzlerin sein wirst. Naja, und dann mit einer einfachen Gärtnerin zusammenleben? Ist sicher nicht so günstig, oder?“

Befürchtete Larissa.

„Aber nein, nie im Himmel! So etwas gibt es bei uns nicht, Larissa. Bei uns zählt jeder Beruf, jede Tätigkeit. Kopfarbeit steht nicht über Handarbeit, so haben wir es uns einst geschworen.

Deine Arbeit ist gleich wichtig wie die meine. Außerdem steht noch gar nicht fest, ob ich tatsächlich wieder Kanzlerin werde.“ Antwortete Elena.

„Na, da wirst du dich kaum aus der Verantwortung nehmen können. Die Mehrheit der Bevölkerung will dich in dieser Funktion. Eine knappe Mehrheit im Moment, aber immerhin die Mehrheit.“ Rief Madleen in Erinnerung.

„Nun, so oder so. Wenn ich Kanzlerin werden soll, meinetwegen. Du Larissa tust das was du tun willst. Übrigens habe ich mir den Garten genau angesehen. Der sieht viel besser aus, als ich ihn in Erinnerung hatte. Du bist nicht nur einfach eine Gärtnerin, du bist eine Künstlerin auf dem Gebiet. Du kannst stolz auf dein Können sein.“ Lobte Elena und Larissa begann leicht zu erröten.

„Danke dir Elena!“

„Du kannst dich frei entfalten mein Schatz. Tue es als Gärtnerin. Solltest du aber einmal was anderes machen wollen, finden wir einen Weg.“ Sprach Madleen.

Die Tür öffnete sich und Lucy betrat den Raum.

„Sagt mal kann ich bei euch noch was zu essen bekommen? Neidhardt ist noch immer nicht aufgetaucht. Und für mich allein da oben, ist es ein wenig zu öde!“

„Komm, setzt dich Lucy! Es ist noch mehr als genug da. Lang ordentlich zu.“ Bot Madleen spontan an.

„Danke dir Madleen!“ Lucy platzierte sich an Larissas linker Seite, schmunzelte ihr dabei auf verführerische Art zu.

„Und Elena? Habt ihr politisch was ins Rollen bringen können?“ Wollte Lucy wissen.

„Nicht viel! Es geht noch immer um Verfahrensfragen. Wenn wir in diesem Tempo fortfahren, fürchte ich das wir im Frühjahr noch auf der Stelle treten.“ Klärte Elena auf.

„Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass wir in diesem Jahr noch weiterkommen. Nun, wir waren ja auf lange Verhandlungen vorbereitet.“ Fügte Madleen hinzu.

„Mir soll es recht sein! Ich hab es nicht sonderlich eilig. Von mir aus kann die Übergangszeit noch lange währen.“ Gestand Elena.

„Jey, das sind aber Aussagen, die so ganz und gar nicht zu der Frau passen wollen, die Elena heißt.“ Glaubte Lucy zu wissen.

„Ja, ich hätte auch nie gedacht, einmal so eine Meinung zu vertreten. Aber die Zeit und die damit verbundene Erfahrung haben mich eines Besseren belehrt.“

„Inwiefern?“ Hakte Lucy nach, während sie sanft ihren Arm um Larissa legte.

„Du bist doch Anarchistin Lucy. Dir ist doch sicher bekannt welche Gefahren darin liegen die Verantwortung für ein Staatswesen zu übernehmen, wenn man nicht ausreichend vorbereitet ist. Aus diesem Grund sind wir damals gescheitert. Und es könnte uns durchaus ein weiteres Mal passieren.“

„Das klingt aber nicht gerade optimistisch!“ Stelle Larissa fest.

„Ich will euch auf keinen Fall beunruhigen. Ich will damit nur sagen, dass wir dieses Mal bedeutend gründlicher vorbereiten müssen, uns viel mehr Zeit lassen und natürlich auch überlegen, welche Vorstellungen überhaupt noch zeitgemäß sind.“ Antwortete Elena.

„Wollt ihr die Akratie wieder einführen oder schwebt euch etwas anderes vor?“ Stellte Lucy die alles entscheidende Frage.

„Du bringst es auf den Punkt Lucy. Darum geht es. Akratie pur? Das wird wohl ein Wunschtraum bleiben. Wir haben die Anarchistische Monarchie, sie hat sich in der Vergangenheit bewährt. Auf sie werden wir zunächst zurückgreifen. Dann werden wir sehen, wie die Dinge sich entwickeln. Vor allem müssen wir darauf achten welche Vorstellung die Mehrheit der Bevölkerung hat. Ein Regieren an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei ist zum Scheitern verurteilt.“ Erläuterte Elena ihre Vorstellung.

„Elena meint damit, dass es eine Volksabstimmung geben wird in naher Zukunft. Die Menschen müssen die Möglichkeit bekommen die Staatsform selbst zu bestimmen, in der sie leben wollen.“ Spann Madleen den Bogen weiter.

„Abstimmen? Wählen? Klingt nicht sehr anarchistisch, oder akratisch, wie ihr es zu nennen pflegt..

Und was wäre mit dem Konsensprinzip?“ Brachte Lucy vor.

„Mit dem Konsensprinzip ein Land regieren? Das ist illusorisch. Zugegeben. Ich glaubte auch einmal daran. Aber ich habe es schon lange aufgeben müssen. Schon damals, als wir die anarchistische Monarchie einführten. Ich denke die Kombination ist sehr gut gewählt und daran müssen wir weiterarbeiten.“

„Ich muss gestehen, dass ich mich mit solchen Dingen überhaupt noch nicht auseinandergesetzt habe. Da werde ich ein gehöriges Stück aufholen müssen.“ Gab Larissa unverholen zu, so als ob sie sich dieser Tatsache schämen müsste.

„Nicht weiter tragisch Larissa! Ich dafür umso mehr. Stehe gern jederzeit zur Verfügung. Wir können alles bequatschen was dafür wichtig ist.“ Bot Lucy an, dann salutierte sie, zog Larissa zu sich und gab ihr einen Kuss auf die Wange, worauf die wieder errötete.

Es ging also weiter mit den Küssen, hörten die denn heute überhaupt nicht mehr auf?

 

Nach dem Essen zogen sich Elena und Madleen rasch um und begaben sich in den Kapitelsaal, dort wo eine kleine Zusammenkunft stattfand. Es waren die Alten, gleichsam die Veteraninnen der Bewegung die sich trafen und nochmal austauschen wollten, ein gemütliches Beisammensein mit Gästen. Auch Neidhardt war geladen, ob er erscheinen würde war nicht sicher.

Colette thronte auf dem Sessel an der Stirnseite und es kam den meisten so vor, als seien sie nie im Exil gewesen, sosehr hatte der neue und zugleich gewohnte Alltag sie wieder im Griff.

 

Larissa zog sich auf ihr Zimmer zurück. Traurig und einsam. Der Enthusiasmus der ersten Tage begann sich langsam zu verflüchtigen. Sicher, Elena und sie mochten sich, mochten sich sogar sehr. Aber die letzten drei Nächte hatte Elena bei Madleen verbracht. Es ging kein Weg daran vorbei, die beiden waren noch immer jenes Traumpaar von einst und sie würden es wieder werden. Neidhardt machte sehr zu Larissas Leidwesen kaum seine Ansprüche auf Elena geltend. Er war einfach nicht in der Stimmung und voll damit beschäftigt sein neues Leben zu gestalten. Warum ging Elena dann nicht zu ihm, um es ihm leichter zu machen? Auch wenn Larissa Neidhardt nur zweimal flüchtig begegnet war, fand sie schnell Vertrauen zu ihm, war er doch im Prinzip so etwas wie ihr Verbündeter. War Elena bei ihm, war Madleen frei, so jedenfalls hatte es Elena versprochen.  Doch bisher schien das nicht so recht zu funktionieren. Theorie und Praxis! Da hatten sie es wieder.

Neidhardt war kein junger Mann mehr. Er sehnte sich im Moment nach Ruhe und Abgeschiedenheit. Elena hatte ihm eine der leerstehenden Einsiedlerhäuschen angeboten. Ein Angebot, von dem er umgehend Gebrauch machte, trotz der Tatsache, dass der Winter vor der Türe stand.

Neidhardt drohte als Verbündeter auszufallen. Ihm schien es zu genügen, wenn Elena ihn hin und wieder aufsuchte.

Zu dritt die Nacht verbringen war auch keine Dauerlösung.

Was also konnte Larissa tun, um ihre Einsamkeit unter Kontrolle zu bringen?

Während sie noch überlegte, klopfte es an die Tür.

 

„Ja? Wer ist da?“

Lucy erschien und salutierte wieder in ihrer saloppen Art.

„Bin zur Stelle! Dachte mir, dass du vielleicht ein wenig Gesellschaft brauchen könntest?“

„Äh, ja äh…gern! Komm doch rein!“ Lud Larissa ein.

„Mit dem größten Vergnügen.“

Lucy schritt durch das Zimmer und setzte sich auf die Bettkante.

Seit etwa drei bis vier Tagen hatten sich die beiden angefreundet und kamen ausgezeichnet miteinander zurecht. Doch Lucys Art wies deutlich darauf hin, dass sie mehr als nur Freundschaft begehrte.

„Schön, dass du gekommen bist. Komisch kurz bevor du an die Tür klopftest, dachte ich an dich.“ Meinte Larissa.

„Hmmmm, das ist schön. Ich freue mich dass du an mich denkst.

Na? Und wieder eine Nacht allein, wie ich sehe?“ Erkannte Lucy Larissas Problem.

Larissa senkte nur betrübt den Kopf.

„Du brauchst nichts zu sagen, dein Schweigen ist sehr deutlich, viel deutlicher als viele Worte.“

„Madleen wird auch diese Nacht bei Elena sein. Ich muss mich damit abfinden. Dabei war die erste Begegnung mit Elena so schön und so voller Hoffnung auf eine Lösung.“

Klagte Larissa.

„Ja, so ist dass, wenn du eine Göttin liebst. Das tue ich auch, also macht uns dieser Umstand zu Leidensgenossinnen.“

„Wie meinst du das Lucy!“

Lucy rutschte nähe ran Larissa heran und legte sanft ihren Arm um deren Schulter.

„Pass auf Larissa! Du liebst Madleen, ich liebe Elena. Beide sind Göttinnen, ja das sind sie.

Eine Göttin zu lieben ist keine Schande. Viele tun das. Wir haben es dabei noch gut, denn unsere Göttinnen leben in unmittelbarer Umgebung. Aber dass was eine Göttin nun mal kennzeichnet, ist dass sie über allen Dingen steht, kaum erreichbar, eine Hutnummer zu groß für uns.“

„Aber ich liebe Madleen so sehr. Sie war die erste Frau in meinem Leben und sie war so zärtlich und so liebevoll zu mir. Ich hänge so an ihr und komme nicht von ihr los. Ich…ich will es auch gar nicht.“ Sprach Larissa mit einem Seufzer in der Stimme.

„Oh da bist du besser dran als ich. Du hattest wenigstens Sex mit deiner Angebeteten. Mich hat Elena noch nicht in ihr Bett gelassen. Madleen wird dich weiter lieben, da bin ich mir sicher. Ihr werdet euch wieder lieben. Aber jegliches zu seiner Zeit. Im Moment fährt sie voll auf Elena ab.“

„Ja, das ist mir klar. Ich muss mich eben in Geduld üben und warten.“

„Eine noble Einstellung, aber eine die weh tut. Wir beide werden unsere Göttinnen weiterlieben. Ich hoffe, dass Elena mich bald mal antreten lässt. Aber wir müssen beide bedenken. Elena und Madleen, das ist eine Institution. Die beiden gehören zusammen, die sind ein Traumpaar. Die sind sich selbst genug. Wir sind nur Nebenbeziehungen. Und müssen damit leben. Ich kann das auch. Wenn? Ja wenn es da noch eine Beziehung gäbe.

Hey Polyamory, das leben die hier. Ach was rede ich, die zelebrieren das geradezu.“

Schwärmte Lucy.

„Ja ich weiß! Aber ich bin so froh, dass ich Madleen gefunden habe. Das war ein absoluter Glücksfall. Ich bin ihr unendlich dankbar, dass sie mich in die Geheimnisse der lesbischen Liebe eingeführt hat. Ohne sie hätte ich dieses Gefühl nie kennengelernt, wäre weiter Männern nachgelaufen, die mich am Ende doch wieder nur verachtet hätten, ausgelacht und gedemütigt. Ich bin nicht halb so schön wie Madleen, erst recht nicht wie Elena und auch nicht so wie du. Ich finde nicht einfach an der nächsten Straßenecke eine neue Liebe.“

Offenbarte sich Larissa der neuen Freundin.

Lucy zog sich noch ein Stück weiter zu sich.

„Hey hey! Nun mach aber mal halblang. Sicher, du bist keine Madleen und keine Elena. Aber deshalb bist du doch nicht hässlich. Ich könnte mir vorstellen, dass Madleen dir das auch schon gesagt hat. Du siehst gut aus, hast eine tolle Figur.

Du bist ein Mensch und keine Göttin. Du darfst deine Göttin weiter lieben, aber du brauchst einen Menschen an deiner Seite der dich aufrichtig liebt.“ Widersprach Lucy energisch.

„Ja sicher. Ich hab auch über diese polymamoren Dinge nachgedacht. Schön, wenn sie funktionieren. Aber welche würde mich denn wollen?“

Die alles entscheidende Frage, auf die Lucy nur gewartet hatte.

„Hmmmmmm…überlegen wir mal. Wer könnte für dich in Frage kommen. Welche könnte neben deiner Göttin Madleen eine einigermaßen gute Figur abgeben?“

Lucy lehnte sich weit zur Seite und auf ihrem Gesicht bildete sich ein schelmisches Lächeln.

„Wir leben hier in einem Paradies. Ja, so kann man Anarchonopolis mit Recht bezeichnen. Ich hätte es nie geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen Augen sehen könnte. Völlig unterschiedliche Frauen, aber alle von einer sinnlichen Erotik. Jungejunge, das haut mich täglich erneut vom Hocker. Ich brauche nur loszuziehen und mich umsehen.“

„Ja du! Das ist mir klar. Aber ich doch nicht. Das ist etwas ganz Anderes.“ Widersprach Larissa.

„Hey! Du wertes dich schon wieder ab. Das hast du aber gar nicht nötig.“

Lucy hielt Larissas Kopf in den Handflächen, zog sie zu sich und küsste sie.

„Du? Du würdest mich wollen?“

„Wau! Endlich fällt der Groschen. Ich dachte du kämst da niemals drauf. Larissa ich bin verknallt in dich, seit ich dich das erste Mal sah. Es ist einfach passiert. Ich kann mich nicht dagegen wehren und ich will es auch gar nicht. Also ich will mich jetzt nicht in schwulstigen Sprüchen ergehen, aber anders kann ich es nicht erklären. Im Gegensatz zu dir hatte ich schon viele. Mit 14 ging die Post das erste Mal richtig ab. So ging es weiter. Ich nahm mir was ich wollte. Eine fürs Bett war stets zu haben. Aber so richtig was fürs Herz? Dann traf ich Elena. Es funkte gewaltig. Nicht weiter verwunderlich. Elena ist eben eine Göttin. Gibt es überhaupt Menschen, die sie nicht anbeten? Ich lebte mit dem Bewusstsein. Dann kam ich hierher und du liefst mir über den Weg. Seitdem fahren die Emotionen in mir Achterbahn.“

Larissa errötete erneut. Lucys Geständnis machte sie tief verlegen. Es lag auf der Hand. Die Art wie Lucy in den zurück liegenden Tagen den Kontakt suchte deutete darauf hin. Nun war es raus. Lucy war direkt und kam stets schnell auf den Punkt. Langes Herumreden war ihre Sache nicht.

 

„Ich will dich nicht überrumpeln Larissa! Dich nicht anbaggern, so wie ich es üblicherweise tue, wenn mir eine gefällt. Du bedeutest mir etwas. Das ist ein ganz anderes Paar Schuhe. Deshalb lass ich dir Zeit. Zeit zum überlegen. Die Entscheidung liegt bei dir.“

„Du…du machst mich ganz verlegen, Lucy. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Ist alles so neu und ungewohnt. Es ist noch nicht lange her, ein paar Monate, bevor Madleen in mein Leben trat. Da lebte ich wie in einer Dunkelkammer. Ich war traumatisiert. Meine Stiefmutter und wie sie mich quälte, die Schulkameradinnen wie sie mich hänselten. Dann suchte ich Halt bei jungen Männern. Doch die spielten nur mit mir, nutzen mich aus, gebrauchten mich und wenn sie meiner überdrüssig waren, ließen sie mich wie eine heiße Kartoffel fallen. Mit Liebe hatte all das nichts zu tun. Ich glaubte nicht mehr an die Liebe. Bis Madleen mich zu sich nahm. Da öffnete sich die Pforte zum Paradies. Dann kam Elena und nahm mich ebenfalls in die Arme.

Nun auch noch du! Ich kann das alles nicht so schnell verarbeiten.

So viel Glück? Ist das alles wahr? Ist das real?“

„Es ist real! So wahr wie ich jetzt neben dir sitze. Lass dir Zeit! Ich kann warten! Es macht mir nichts aus!“

Larissa tastete mit der Hand auf der Bettdecke, bis sie Lucys Hand erreichte, griff nach ihr. Die Finger krallten sich in einander und drückten sich ganz fest.

So saßen sie eine ganze Weile, bis Lucy das Schweigen brach.

 

„Also ich war auch nicht gerade auf Rosen gebettet. Einen Vater hatte ich als Kind nicht, Neidhardt ließ meine Mutter im Stich, hat sich verkrümelt, lebte außerhalb meiner Reichweite. Ich war als Kind ganz glücklich, erkannte frühzeitig, dass ich Mädchen liebe. Kontakt zu Jungen habe ich nie gesucht. Warum auch? Wie ich eben schon sagte, lebte ich mein Lesbischsein frühzeitig aus. Meine Mutter starb als ich 16 war. Vorbei die Kinderzeit, sie steckten mich noch in ein Heim, ich hielt es dort nicht lange aus und verdrückte mich. Lebte auf der Straße, kam dann in verschiedenen WG`s unter. Ja so hing ich einfach rum machte politische Aktionen, Hausbesetzungen und so was eben, kam immer wieder mit den Bullen in Konflikte, die sperrten mich auch mehrfach ein.

So ging es weiter. Dann suchte ich Kontakt zu meinem Vater im fernen Akratasien. Ich wusste nicht, dass er zu dieser Zeit mit Elena lebte. Ich fiel aus allen Wolken als ich Antwort von ihr bekam. Sie drängte Neidhardt den Kontakt zu mir aufzubauen. Dann lerne ich die beiden kennen. Verknallte mich in Elena. Dann kamen wir hierher.

Auch ich muss das alles verarbeiten. Das ist supergeil hier. Ich bin auf einer Insel im Strom der Zeit, ein erotisches Schlaraffenland. Ich habe hier ungeahnte Möglichkeiten mein Leben doch noch in den Griff zu bekommen. Elena drängt mich das Abitur nachzuholen. Naja, vielleicht tue ich das auch.

Ach ja, und schließlich treffe ich dich. Da wird mir klar, was mir bisher stets fehlte, ein Mensch an der Seite, einfach so zum Liebhaben. Eine mit der ich durch dick und dünne gehen möchte. Du bist wie geschaffen dafür.“

Larissa Augen füllten sich mit Tränen, Lucys Offenbarung hatte sie tief getroffen.

Lucy fuhr mit dem Handrücken sanft über Larissas linke Wange.

„Ich weiß nicht Lucy. Ich möchte…schon, aber… Glaubst du, dass es funktioniert? Und es würde dir nichts ausmachen, wenn ich auch Madleen weiter liebe?“

Lucy strahlte über das ganze Gesicht.

„Nein Larissa, natürlich nicht! Das ist kein Problem für mich.

Hey, weißt du was du eben getan hast?“

„Nein! Was denn?“

„Du hast mich gerade zum glücklichsten Menschen auf der Welt gemacht, ich bin superhappy.“

Lucy nahm Larissa in die Arme und drückte sie fest. Larissa schmiegte sich eng an Lucy.

Beide streckten ihre Beine aus, ihre Zehen spielten miteinander.

„Und? Und jetzt? Was wollen wir jetzt tun?“ Flüsterte Larissa Lucy ins Ohr.

„Das bestimmst alleine du! Wenn du magst, kann ich bleiben die ganze Nacht. Wenn nicht dann gehe ich. Mach dir keine Gedanken. Ich kann das verkraften. Wenn du Zeit zum überlegen brauchst, keine Ursache.“

Larissa überlegte kurz. Ihre Entscheidung würde eine weitere große Veränderung mit sich bringen.

Larissa griff Lucy sanft in den Nacken und graulte deren Haaransatz, was diese mit einem wohligen Stöhnen honorierte.

„Ich… ich möchte das du bleibst!“ Sprach Larissa die alles erlösende Formel.

„Jippijey!“ Ließ Lucy einen Jubelschrei fahren. Dann packte sie Larissa und bette sie ganz sanft auf die Matratze. Beugte sich über sie und begann sie zu küssen, wild und leidenschaftlich, ergänzt durch eine Umarmung.

Das setzte sich eine ganze Weile fort. Schließlich erhob sich Lucy und stand neben dem Bett.

„Was? Was ist denn?“ wollte Larissa wissen.

„Nichts! Mich stören nur die Klamotten:“

Lucy begann sich zu entkleiden, bis sie nichts mehr auf dem Leibe trug, außer den zahlreichen Tätowierungen und piercings.  Lucys Körper war muskulös und kräftig, doch die vollen Brüste und die deutlich ausladenden Hüften, betonten eindeutig die Weiblichkeit. Ihr Haar hatte sie an beiden Schläfen etwa 5 cm abrasiert und die die verbliebenen Haare in der Mitte des Kopfes, mittels Gel, hart nach oben gestylt, sie glänzten in einem dunklem blau.

Zaghaft trennte sich auch Larissa von ihren Kleidern, entblößte ihre kleinen Brüste. Ihr schlanker Körper wirkte etwas schlaksig, doch gerade darauf fuhr Lucy im Moment ganz besonders ab.

Lucy kletterte auf das Bett und streckte ihren Körper über Larissa aus, Arme und Beine ineinander verschlungen strebten sie dem Liebesakt entgegen.

 

Wieder hatten sich zwei gefunden, zwei die noch wenige Tage zuvor nichts von der Existenz der anderen wussten. Zwei deren Herz doch schon anderweitig gebunden, nun das Wagnis einer Zweitbeziehung eingingen. Das polyamore Netz wurde weiter geknüpft. Ein neuer Seitenstrang wurde aufgetan. Ein Netz dessen Ende nach wie vor offen war und dessen Ziel noch lange nicht absehbar erschien.

 

Die Wochen vergingen. Inzwischen hatte der Winter Einzug gehalten. Im Hochgebirge schon Ende Oktober. Der erste Schnee hüllte das Gelände der Abtei wie in einen Mantel aus Staubzucker. Mit dem Schnee kam die Kälte und mit der Kälte das Zusammenrücken, die Zeit der Gemütlichkeit, der Besinnlichkeit, der Einkehr.

Der große Gebäudekomplex von Anarchonopolis lies viele Aktivitäten zu, die nun nicht mehr im Freien möglich waren.

Auch der Winter hatte seine schönen Seiten.

 

Die Verhandlungen zogen sich wie nicht anders erwartet, in die Länge. Es dauerte, bis die Verfahrensfragen geklärt waren und sich die Verhandlungspartner dem inhaltlichen widmen konnten.

So war es zum Beispiel längere Zeit ungewiss, ob Dagmar als Verhandlungsteilnehmerin in der Runde akzeptiert würde. Die Militärmachthaber sahen die Ex-Terroristin nicht gern am Runden Tisch.

Doch Elena lies sich nicht darauf ein, erinnerte die Offiziere daran, dass sie, während ihres Staatsstreiches ebenfalls gewaltsam vorgegangen waren, um Cassian aus dem Amt zu fegen.

Das zeigte Wirkung. Dagmar wurde schließlich akzeptiert.

Die Bildung einer neuen Regierung wurde ins Visier gefasst, doch schon nach kurzer Zeit wurde der Punkt vertagt. Es wurde deutlich, dass im Winter nicht mehr damit gerechnet werden konnte.

Alle Hoffnungen konzentrierten sich auf das folgende Frühjahr. Elena hatte es nicht eilig und war froh über die lange Übergangsperiode. Sie wollte nicht so bald wieder mit Aufgaben eingedeckt werden, die drohten ihr die Luft zum Atmen zu nehmen.

Die Zeit würden sie und die andern nutzen, um in sich zu gehen und gründlich Vorbereitungen zu treffen.

Das neue Akratasien sollte auf sicherem Fundament stehen, die Fehler des ersten Versuches mussten unbedingt vermieden werden.

 

Beschlossen wurde ferner im Frühjahr eine Volksabstimmung durchzuführen, um den endgültigen Status des Staatsoberhauptes festzulegen. Sollte Colette weiter den Titel Königin tragen? Wenn ja, wie lange würde sie regieren? Auf Lebenszeit? Oder sollte es in bestimmten Abständen Wahlen geben? Darauf einigten sie sich relativ schnell.

Auf welche Weise würde eine neue Regierung bestimmt? Sollten schon jetzt einige der Freiheitstöchter, allen voran natürlich Elena, als Ministerinnen in die Übergangsregierung aufgenommen werden? Oder wäre es besser damit ebenfalls bis zum Frühjahr zu warten?

Sie entschieden sich schließlich für Letzteres.

Die Übergangsregierung setzte durch das es im Frühjahr/Frühsommer Wahlen geben sollte aus der schlussendlich eine neue Regierung hervorgehen konnte.

Die Einführung der Akratie stand somit nicht mehr auf der Tagesordnung. Aber immerhin hatten die Aktivistinnen und Aktivisten die Chance so viel als möglich an basisdemokratischen Strukturen auf den unteren Ebenen zu entwerfen, um so zumindest eine langfristige Option zu bekommen.

 

Die Verhandlungen wurden an verschiedenen Orten abgehalten. Zum einen im „Grauen Wunder“ wie Neidhardts ehemaliges Parteihauptquartier noch immer genannt wurde und indem sich jetzt die Regierungszentrale befand, oder in den Räumen der Abtei. Elena sah letzteres natürlich am liebsten. Auf heimischem Terrain ließ es sich immer noch am sichersten verhandeln. Unter keinen Umständen wollten die Freiheitstöchter in die Ordensburg gehen, das konnten sie Dagmar nicht zumuten. Viele zeigten eine deutliche Aversion gegen diese Bastion der Unmenschlichkeit.

Die Ordensburg stand im Moment leer. Über deren weitere Nutzung würde man sich später verständigen.

 

Neidhardt war bisher allen Treffen ferngeblieben. Auch die Tatsache, dass viele seiner ehemaligen Parteigänger und Untergebene heute wieder in Amt und Würden waren, die Übergangsregierung unterstützen, sich neu organisierten und auf einen Erfolg bei künftigen Wahlen hofften, konnte ihn nicht überzeugen.

Ich bin ein Relikt vergangener Tage, ein Dinosaurier, mich gibt es im Prinzip doch gar nicht mehr. So oder ähnlich klangen stets seine Entschuldigungen. Auch Elena vermochte nicht ihn umzustimmen und ließ ihm seinen selbst gewählten Rückzug genießen.

Regelmäßig, in bestimmten Abständen, suchte sie ihn auf, leistete ihm Gesellschaft, schlief auch mit ihm, wenn er es wünschte.

Doch er hatte einfach das Verlangen sich im Moment so weit als möglich keiner großen Gesellschaft zu stellen. Elena respektierte es, wenn sie es auch bedauerte.

 

So hatte sie mehr Zeit Für Madleen, deren Schwangerschaft, nun schon deutlich sichtbar, weiter voranschritt. Ihr Kind wurde im zeitigen Frühjahr erwartet. Madleen wurde nun langsam aber sicher in ihren Bewegungen schwerfälliger ,musste sie viele ihrer Aufgaben delegieren. Trotzdem bleib sie präsent. Larissa stand ihr hingebungsvoll zur Seite und hütete sie wie ihren Augapfel. Mit dem Sex wurde es nun immer schwieriger. Aber zum Glück hatte Larissa nun in Lucy eine zweite Geliebte, die ihr viel Zärtlichkeit schwenkte.  Auch Madleen hatte Lucy inzwischen liebgewonnen und, nach kurzer Irritation als Larissas Gefährtin akzeptiert. Lucy half bereitwillig mit und unterstützte Madleen ebenfalls tatkräftig. Sicher nicht ganz ohne Eigennutz, hatte sie doch so die Möglichkeit in Larissas Nähe zu sein. Die drei unternahmen viel gemeinsam, soweit dies Madleens Zustand erlaubte. Wenn Elena frei hatte, waren sie zu viert. Der Weg frei, um aus der Dreierbeziehung bald einen Vierer zu machen?

Das würde sich in der Zukunft erweisen.

 

Colette hatte ihre Regierungsgeschäfte aufgenommen und begann ihren Tagen eine dem- entsprechende Struktur zu geben. In der großen Basilika führte sie wieder ihre „Audienzen“ durch, ganz offen, ohne große Aufmachung, volksnahe, wenn auch Ronald und seine wieder belebte Volkmiliz an allen Ecken für Sicherheit sorgte. Cassian hatte noch immer zahlreiche Anhänger, mit denen stets gerechnet werden musste.

Auftritte außerhalb der Abtei waren eher selten. Colette wurde nach besten Kräften unterstützt, von Betül natürlich und von Androgyna, die in einem ständigen Wettstreit miteinander traten.

Aber auch viele vor allem jüngere Schwestern boten sich zur Unterstützung an.

 

Colette und Betül, die Königin und die Frau an ihrer Seite. Betül lehnte nach wie vor den Titel Königin ab, weil sie die Meinung vertrat, dass er ihr nicht zukäme. Trotzdem waren die beiden zu einer festen Institution geworden. Ein Traumpaar?  Kein gewöhnliches: Keines von der Sorte, die auf den Titelseiten der Boulevardpresse erschienen. Colette war eine Transfrau die langsam auf die 60 zuschritt, ein Altersunterschied von 26 Jahren trennte sie von ihrer Partnerin. Eine Partnerin von erlesener Schönheit und Anmut. Das Exil hatte sie noch enger zusammengeschweißt. Zwei, die trotz der Gegensätze durch dick und dünn gingen. Sehr zu

Androgynas Leidwesen. Auch Androgyna liebte Colette. Sie hatte sich ihr mit Leib und Seele verschrieben und würde ihr, wenn es sein musste bis ans Ende der Welt folgen.

Kein Problem sollte man meinen, schließlich hatten sie ja Polyamory. Doch so einfach war die Sache in diesem Falle nicht.

 

Colette stimmte sich immer mehr auf die Hauptbeziehung ein. Eine kleine Familie, Betül und die Tochter Aisha, dass war es was sie begehrte.

Colette erkannte Androgynas Leid und sie suchte verzweifelt nach einer Lösung.

 

„Androgyna, du darfst dich nicht so quälen. Ich weiß, dass du mich liebst. Ich liebe dich doch auch. Aber du darfst dich nicht so abhängig von mir machen. Sieh mal. Betül und ich sind einfach weit aneinandergewachsen, in der letzten Zeit, ich möchte vor allem Zeit mit ihr und Aisha verbringen. Aber du stehst abseits und das tut mir unendlich weh. Polyamory kann eben auch starke Schmerzen verursachen. So ist es in deinem Fall. Also, ich bitte dich inständig dir eine Zweitbeziehung zu suchen. Sieh in die Spiegel, du bist sehr schön und anziehend. Ich kenne etliche vor allem unter den Jüngeren, die dich verehren und mit Freuden mit dir gehen würden. Deshalb braucht sich, was unsere Beziehung angeht, nichts zu ändern. Du bleibst trotzdem in meiner unmittelbaren Umgebung. Direkt an meiner Seite.“

„Nein! Ich kann und ich will nicht. Du, nur du bist mein Leben Colette. Ich habe mich dir verschrieben, mit Haut und Haar. Ich will dich und keine andere. Dir allein gehört meine ungeteilte Liebe.“ Lautete die eindeutige Antwort.

Colette senkte betroffen den Kopf.

„Das habe ich befürchtet. Ich versteh dich ja, aber es ist nicht gut. Du leidest und wenn du leidest, dann leide ich mit dir. Über mir lastet ständig ein schlechtes Gewissen, vor allem dann, wenn ich die Zweisamkeit mit Betül genieße. Auf diese Weise trifften wir erneut in den Wahnsinn. Kaum das wir wieder zurück sind, die alten neuen Probleme.“

„Liebe ist Wahnsinn, endloser Wahnsinn. Aber ohne sie wäre die Welt öde und leer. Ich habe mich diesem Wahnsinn verschrieben. Ich habe mich zu weit aus dem Fenster gelehnt. Ich kann und will nicht mehr anders:“ Androgynas Geständnis schockieret Colette sehr. Dass es so schlimm um die Gefährtin stand, hatte sie nicht ahnen können.

„Komm lass uns ein Stück laufen.“ Schlug Colette vor.

„Draußen? Aber es ist kalt. Wir haben Winter. Du wirst dich erkälten! Du weißt doch wie anfällig deine Gesundheit zu dieser Jahreszeit ist.“ Warnte Androgyna.

„Hast du es bemerkt?“ Lautete Colettes Frage.

„Was?“

„Du sorgst dich schon wieder um mich. Das ist schön. Es ist schön zu wissen, dass sich eine um meine Gesundheit sorgt. Du bist immer bei mir, achtetest darauf, dass es mir gut geht, dass mein Fuß nicht an einen Stein stößt, wie es in einem Spruch so schön heißt. Ich danke es dir, indem ich zu meiner Betül geh und dich der Einsamkeit ausliefere.“

Colette umarmte Androgyna schmiegte sich an den etwa einen halben Kopf größeren schlanken und eleganten Körper.

 

Androgyna schien diesen Augenblick sichtlich zu genießen.

„Hmmmmmm, das ist gut. Das entschädigt mich ein stückweit für die erlittene Qual.“

„Ja, aber es reicht nicht Androgyna. Du brauchst noch eine Person, eine die in der Lage ist die Leere in deinem Herzen zu füllen.“

„Nein! Ich will nicht! Mach dir keine unnötigen Gedanken. Ich komme klar damit. Wenn es auch nicht leicht für mich ist, zugegebenermaßen, aber ich werde es verkraften.“ Widersprach Androgyna erneut.

„Nein, das schaffst du eben nicht und das ist dir auch bewusst. Du kannst mir nichts vormachen. Du bist ebenso hochsensibel wie ich, so wie alle von unserer Art.* Ich spüre, wie es dich quält. Gut, dann tue ich etwas, was ich sonst stets vermeiden möchte. Ich befehle dir als Königin dir eine Gefährtin zu suchen. Wenn du dich mir so ganz und gar verschrieben hast, wie du immer betonst, kannst du dich diesem Befehl nicht entziehen.“

„Das ist nicht fair Colette. Nein, das ist ganz und gar nicht fair.“ Entgegnete Androgyna, während sie sich eine Träne aus dem Auge wischte.

„Doch ist es! Weil es uns beide entlasten wird. So und nun lass uns etwas laufen. Wir gehen nicht weit und richtig angezogen sind wir auch.“

Sie befanden sich im Chorraum der Basilika, die im Winter stets ausgekühlt war und es einige Stunden brauchte, bis die Fußbodenheizung für eine leichte Erwärmung sorgte.

Colette hakte sich bei Androgyna unter und gemeinsam schritten sie aus dem Chorraum, das Kirchenschiff hindurch, bogen dann zum Seitenausgang, der in den Kreuzgang führte. Dann umschritten sie mehrfach den Kreuzhof, der den innersten Punkt der Basilika bildete.

„Betrachte die Sache doch mal so!“ Setzte Colette nach kurzem Schweigen wieder an.

„Du hast es doch recht einfach. Bei deiner Ausstrahlung, bei deinem Charisma, deiner Anmut hast du es leicht die Herzen der Menschen zu erobern. Auf keinen Fall hast du es nötig an mir, an der alternden Schachtel zu hängen.“

Androgyna hob an, um energisch Einspruch gegen die Selbstabwertung der Königin zu erheben. Doch Colette hindert sie daran.

 

„Nein, lass mich ausreden. Es ist so wie es ist. Ich bin umgeben von lauter Schönheit und Anmut. Es ist eine Freude durch Anarchonopolis zu schlendern und so viele schöne Menschen zu sehen. Vor allem so viele schöne junge Frauen. Und noch viel schöner ist es von denen hofiert zu werden. Wie sie freundlich, aufrichtig und hochachtungsvoll mit mir umgehen. Ich spüre die Zärtlichkeit und Wärme, die von ihnen ausgeht und ich weiß, dass die wahrhaftig ist und nicht gespielt. So einfach ist das heute. So einfach ist das hier, in Anarchonopolis, dieser Insel im Ozean der Widrigkeiten. Das war nicht immer so.

Als ich in deinem Alter war, da gab es kein Anarchonopolis, keine Zuflucht für die Ausgegrenzten und Verachteten, da gab es keine Elena die wie eine leuchtende Sonne am Horizont erscheinen konnte, um den Menschen ein Signalfeuer zu geben.

Es gab auch keine Colette, ich selbst war mir damals fremd, war ohne Orientierung. Dieser Name wurde erst viel später mein Programm.

 

Die heteronormative und binäre Gesellschaft lag drückend wie eine Panzerplatte auf den Seelen und verschlang, wie ein Moloch alles was sich nicht in ihr Denkschema fügen wollte. Ich war unten, im Dreck, Aussatz, das Unterste vom Unterstem. Selbst den Tieren wurde mehr Persönlichkeit zugesprochen, als den verachteten Kundras, so wie sie uns damals nannten.

Diese Bezeichnung gilt heute als diskriminierend und soll nicht mehr verwendet werden. Ich finde es schade. Ich führe sie als Selbstbezeichnung weiter. Auch Begriffe wie schwul oder queer waren ursprünglich Schimpfworte, die zur Selbstbezeichnung wurden.

Ich war eine Nichtexistenz, eine die schlichtweg nicht vorkam, eine die übersehen wurde, oder, wenn sie denn ins Blickfeld gerät, der Lächerlichkeit preisgegeben. Clown oder Hure, das waren die einzigen Betätigungsfelder, die sie uns ließen.

Demütigung durch Männer? Schlimm, ja! Weitaus schlimmer jedoch was Menschen unseres Schlages damals durch Frauen zu ertragen hatten. Ausgeschlossen aus allem. Ihr gehört nicht zu uns. Ihr seid das Letzte, schlüpfrige Kerle mit schlüpfrigen Fantasien. Spanner, die sich nur in Frauenräume einschleichen wollen, um sich voyeuristisch zu befriedigen. Waschlappen, Weicheier, Schlappschwänze die keinen hochkriegen.

Gefühle? Die standen uns nicht zu. Warum auch? Für sie waren wir allesamt geistesgestört und Geistesgestörte kennen keine Gefühle, so die damals gängige Meinung.

Was hätte ich damals nicht alles gegeben, nur für einen einzigen Moment der Zärtlichkeit, für eine Berührung oder nur ein liebes Wort der Anerkennung. Einmal nur in den Arm genommen werden, gestreichelt werden oder gar geküsst. Frauen meiner Generation waren dazu nicht in der Lage, sie ekelten sich vor uns, vor dieser Ausgeburt an Abartigkeit und Perversion. Und die Männer? Für die waren wir nur Frischfleisch, mal was anderes, etwas was Mann gebraucht und dann schnell beiseite schiebt, so dass nur ja niemand etwas merkt.

So verbrachte ich meine Kindheit, meine Jugend, meine besten Jahre, letzteres in Anführungszeichen.

Selbst als ich dann als eine der ersten zu den Freiheitstöchtern stieß, damals in unserem ersten Domizil in der Laubepiepersiedlung und sogar die erste Zeit hier in der Abtei war ich die Randfigur, das hässliche Entlein, das um Anerkennung kämpfen musste. Du warst damals noch nicht hier und kannst es nicht wissen.

Wie es dann weiterging, ist dir ja bekannt. Nach Neidhardts Machtergreifung fiel mir die Verantwortung für die stark geschrumpfte Gemeinde zu, da Elena aufgrund ihrer Erkrankung ausfiel. Ich rettete damals Anarchonopolis zu ersten Mal. Gedankt wurde mir das nicht. Im Gegenteil, ich wurde aus der Gemeinschaft herausgemobbt. Wieder allein, wieder auf mich gestellt. Ich wurde kurzzeitig Neidhardt Parteigängerin, so tief war ich gesunken, dann kam es auch mit ihm zum Bruch. Ich ging ins Ausland, einsam wurde es um mich. Und? Ich lernte Betül kennen. Das abgrundtief Negative gebar in sich das Gute, das Positive. Elena holte mich zurück und nun erst begann mein Aufstieg, da hatte ich die 50 bereits überschritten. Sie machten mich zur Königin, doch die Einsamkeit blieb. Blieb, bis Betül zu mir kam. Und schließlich kam Aisha, das größte Geschenk. Ich habe eine Tochter. Erfüllung. Ich bete darum sie noch aufwachsen zu sehen, wie sie sich zu einer wunderschönen jungen Frau entwickelt. Zum Ebenbild ihrer Mutter.

Eine Entwicklung die ich an meinem Leib nie erfahren durfte.“

 

Inzwischen hatten sie den Kreuzgang mehrmals umrundet, bogen wieder in das Kirchenschiff ein und ließen sich in einer Bankreihe nieder.

„Colette, das ist es doch was ich meine. Gerade weil du so viel hast durchmachen müssen, möchte ich an deiner Seite stehen. Für dich da sein. Dir einfache Dienste erweisen, im alltäglichen, aber auch in der Liebe. Ich möchte dir folgen, wohin du auch gehst. Wenn es sein muss auch bis in den Abgrund der Hölle.“ Gab Androgyna kurz zur Antwort.

„Aber ich will nicht, dass du für mich in die Hölle gehst. Ich möchte das du lebst, liebst und es dir wohl sein lässt.“

„Lieben? Lieben kann ich nur dich! Nur dich allein!“

Androgyna umfasste Colettes Taille und sank vor ihr zu Boden.

„Wärst du vor Betül in mein Leben getreten, dann wäre alles anders gekommen. Aber dann gäbe es Aisha nicht. Die Tochter meines Herzens. Das Schicksal hat es so bestimmt und wir alle müssen damit leben.“

„Das Schicksal! Es ist hart und grausam. Ich möchte doch nur bei dir sein. In deiner Nähe. Zur Stelle, wenn du mich brauchst:“ Beteuerte Androgyna erneut.

„Aber das wirst du doch auch weiter. Wie oft soll ich es noch wiederholen, es ändert sich nichts zwischen uns. Nur das wir das Polynetzwerk erweitern, indem du dir eine Gefährtin suchst.

Oder einen Gefährten? Letzteres wohl eher nicht, du trägst die Labrys** so wie ich und auch dir weißt sie den Weg.“

„Lass uns einfach nicht mehr darüber reden. Lass mir Zeit. Ich werde eine Entscheidung treffen. Das ist mir bewusst. Ich hoffe das es die Richtige sein wir.“

 

Androgyna erhob sich und verlies umgehend die Basilika. Colette sah ihr lange nach und blieb noch eine Weile sitzen. Warum nur musste sie Menschen verletzen, sie die doch so viel an Verletzung hatte erfahren müssen und nur allzu gut verstehen konnte, was es hieß, wenn die Liebe nicht ihr Ziel erreicht?

Entscheide bald Androgyna und entscheide gut! Erfüllt mit diesem Gedanken erhob sich schließlich auch Colette und verlies die Basilika.

 

Die Wochen vergingen und sie näherten sich dem Jahresende. Es war inzwischen Dezember und die Winterstürme fegten rau und wild über das Land. Schnee, wohin das Auge blickte, so dass es trotz des extrem frühen Einbruchs der Dämmerung, nie richtig dunkel werden konnte.

Das reflektierte Licht hüllte die Abtei und die gesamte Umgebung in einen mystischen Zauber.

Advent, Zeit der Einkehr, Zeit der Besinnung, Zeit des Zusammenrückens. In diesem Jahr war es den Freiheitstöchtern wieder möglich diese Zeit in entsprechender Weise zu begehen.

Die politischen Aktivitäten waren für kurze Zeit ausgesetzt. Erst im Januar wollten sie damit fortfahren.

Die beste Gelegenheit sich auf das Weihnachtsfest einzustimmen. Endlich, nach zweimaligem Aussetzen, konnten sie es wieder in ihrer gewohnten Art feiern. Es sollte wieder einen Weihnachtsmarkt geben, festliche Konzerte, natürlich auch Empfänge, dazu jede Menge an Besuchern.

Der Duft von frischen Backwaren zog durch das altehrwürdige Gemäuer des Konventsgebäudes.

Doch Zeit des Zusammenrückens, das heißt auch Konflikten mehr nicht so leicht aus dem Wege gehen können, wie etwa im Frühjahr oder Sommer. Polyamory bedeutete stets einen Drahtseilakt.

Neben Colette, Betül und Androgyna mussten sich auch andere dem Problem stellen.

 

Während draußen ein besonders heftiger Schneesturm wütete, klopfte Kristin an Betüls Wohnungstür.

Betül öffnete.

„Kristin? Was ist denn mit dir? Warum weinst du?“

„Ich…ich bin schwanger!“

„Schwanger? Aber das ist doch großartig. Warum die Tränen? Wir sind in Anarchonopolis. Keine junge Frau braucht sich hier wegen einer Schwangerschaft zu sorgen es sei denn sie hat gesundheitliche Probleme. Das ist bei dir aber ganz und gar nicht der Fall.“

„Bei mir ist es aber doch ein Problem: Darf ich reinkommen?“

„Natürlich! Komm rein! Lass dich erst mal umarmen!“

Betül schloss die Wohnungstür, küsste Kristin, dann schloss sie die Freundin in die Arme und strich mehrmals sanft mit den Handflächen über deren Rücken.

„Hey, du bist ja ganz nass? Natürlich, du bist durch den Wintersturm gelaufen. Der Weg von der Försterei hierher ist nicht gerade kurz. Komm, setz dich auf s Sofa. Wenn du magst, kannst du gern die Beine hochlegen. Möchtest du was trinken? Ich setze gern Teewasser auf. Oder lieber Kaffee, richtig stark?“ Bot Betül spontan an.

„Ja, ein heißer Tee wäre gut! Ach, es tut so gut bei dir zu sein. Es ist schade, dass wir die letzte Zeit so wenig Kontakt zueinander hatten.“

„Ja, ich habe dich auch sehr vermisst. Aber wir waren beide so sehr in unsere Aufgaben vertieft, dass wir es nicht schafften. Aber jetzt! Jetzt bis du hier. Dann lass hören was du auf dem Herzen hast. Also körperliche Beschwerden scheiden aus. Dein sportlich- muskulöser Körper strotzt vor lauter Gesundheit. Dann lass mich raten. Es ist die Seele, die dir zu schaffen macht?“ Fragte Betül. Wahrend sie im Begriff war den Tee zu bereiten.

„Ja, da liegst du vollkommen richtig. Und das nicht zu knapp.“

„Die Frage nach dem Vater erübrigt sich. Es ist von Klaus, oder?“

„Natürlich! Wer sonst käme in Frage. Nach anderen Männern habe ich keinen Bedarf. Es ist mit ihm schon schwierig genug. Ach, ein Leben zu dritt ist oft sehr stressig.“ Bekannte Kristin.

„Das kann man wohl sagen. Ich kann da ein Lied davon singen. Aber wir wollen über dein Problem reden. Ich wundere mich nur. Ihr wolltet doch ein Kind und dass seit geraumer Zeit schon, wenn ich mich entsinne. Warum also nun die Tränen?“ Erkundigte sich Betül, dann nahm sie auf dem Sofa Platz und schlang ihre Arme um die Freundin.

„Gesprochen! Ja, in aller Regelmäßigkeit. Ich hatte immer Bedenken und sträubte mich lange Zeit dagegen. Es war Gabriela die mich drängte, immer und immer wieder redete sie auf mich ein.

Du darfst nicht mehr so lange warten Kristin, du bist Ende 20, das beste Alter für eine Schwangerschaft, so ihre Worte. Es wird unser Kind, deines und meines. Wir werden dessen Mütter sein.“ Begann Kristin ihr Problem offen zu legen

„Ja und? Das ist doch die richtige Einstellung. Was hat sich denn auf einmal geändert.“ Versuchte Betül in Erfahrung zu bringen.

„Kaum das ich empfangen habe und der Schwangerschaftstest das Ergebnis offenbarte, änderte sich Gabrielas Einstellung geradezu sprunghaft. Plötzlich verhält sie sich mir gegenüber kalt und abweisend, geht mir geradezu aus dem Weg. Gestern nun, da platzte es aus ihr heraus. Dein Kind wird einen Vater haben und du wirst seine Mutter sein. Ich habe damit nichts zu tun. Ich wünsche dir und Klaus alles Gute für eure Elternschaft. Sprach sie zu mir. Oh Betül, ich weiß nicht was ich tun soll es ist alles so schrecklich.“ Kristin sank verzweifelt in Betüls Arme.

„Hmmmm, das ist in der Tat ein harter Brocken. Ich verstehe dein Problem. Da haben wir es wieder, Theorie und Praxis gehen oft gegensätzliche Wege. Eine vertrackte Situation.“ Betül trocknete mit einem Tuch Kristins Augen.

„Und wie Betül! Und wie! Du weißt doch wie sehr ich Gabriela liebe, wie ich sie verehre.“

„Ich würde sagen du betest sie regelrecht an.“

„Genauso! Da kommt alles wieder hoch in mir, auch die Zeit, die ich schon lange vergessen glaubte. Was war ich denn, bevor ich hier her kam, bevor Gabriela mich aufnahm und mir den Weg in ein neues Leben bereitete? Ein Flittchen, eine Hure, eine Prostituierte die ihren Körper verkaufte. Gabriela hat mich aus dem Dreck geholt, mir einen Lebenssinn geschenkt. Sie hat mich alles gelehrt was das Leben ausmacht, die beste Lehrerin, die ich mir vorstellen kann. Ich habe das Abitur bei ihr nachgeholt und begonnen zu studieren. Ohne ihre Hilfe hätte ich das nie zustande gebracht. Und ich lernte erst in ihren Armen was wirkliche Liebe ist.“

„Eure Geschichte ist bekannt. Ihr seid seither verbunden wie Pech und Schwefel. Und das wird so bleiben. Gabriela hat einen schlechten Tag gehabt, oder auch ein paar schlechte, auch sie muss die neue Situation erst verdauen, Du solltest nicht voreilige Schlüsse daraus ziehen.“ Wiegelte Betül ab, dann erhob sie sich, um den Tee zu brühen.

„Aber es tut so entsetzlich weh! Ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten. Ich musste einfach zu dir kommen.“

„Das beste was du tun konntest. Jetzt bist du hier und wir machen es uns erst mal gemütlich.“

Betül platzierte die Teekanne auf den Tisch, dazu Teegläser, Honig und was sonst noch benötigt wurde.

Betül setzte sich wieder, hob Kristins Beine an und legte deren Füße auf ihren Schoß, zog die Strümpfe aus und begann Kristins Füße zu massieren.

„Was sagt eigentlich Klaus dazu?“

„Na was schon? Ich habe meine Schuldigkeit getan. Ihr wolltet ein Kind, ich habe es euch geschenkt. So! Nun seht zu und macht das Beste daraus.“

„Na, das hört sich nicht gerade nach einem glücklichen werdenden Vater an. Wirklich nur Pflichterfüllung? Eine Gefälligkeit, weil es ohne seinen Zusatz nun mal nicht funktioniert?

Es ist doch auch sein erstes Kind, obwohl er schon fast 50 ist.“ Stellte Betül mit Verwunderung fest.

„Wahrscheinlich gerade deshalb, Betül. Er hatte sich längst mit der Tatsache abgefunden, kinderlos zu bleiben. Mit Gabriela ist er über 20 Jahre verheiratet. Die beiden sind im Grunde längst nur noch gute Freunde, auch wenn sie gelegentlich noch miteinander schlafen. Und ich? Er wollte ursprünglich mich zu seiner Geliebten machen und suchte bei mir was ihm Gabriela nicht geben konnte. Dann jedoch verliebte ich mich in Gabriela und sie in mich.***

Wir leben ein sehr kompliziertes Dreierverhältnis. Ich schlafe natürlich auch mit ihm, von Zeit zu Zeit. Sollte er sich von mir zurückziehen, gut, könnte ich akzeptieren. Aber Gabriela?

Nein, die möchte ich um keinen Preis verlieren.“

„So ist das mit den Mehrfachbeziehungen. Fluch und Segen dicht beieinander. Wem sagst du das?

Colette und ich und da ist auch noch Androgyna. Es ist kein wirkliches Dreieck, denn eine Seite ist nicht geschlossen. Androgyna und ich haben keine Liebesbeziehung zueinander. Glaub nur ja nicht dass das einfacher wäre. Im Moment ist die Spannung groß und Colette hat Androgyna regelrecht befehlen müssen sich eine Gefährtin zu suchen, ich bin gespannt, wann sie das in die Tat umsetzt.“ Erwiderte Betül, während sie Kristins Zehen dehnte.

„Warum hast du eigentlich keine Beziehung zu Androgyna? Sie ist eine blendende Erscheinung. Ihr Name Programm. Androgyn das hat doch was ganz Spezielles.“ Wunderte sich Kristin.

„Ich bin mit Androgyna durchaus befreundet, ich denke das können wir, trotz der Spannung zwischen uns sagen. Aber Colette ist auch androgyn, non-binary, genderqueer, oder wie auch immer wir es nennen wollen. Die Beziehung zu ihr genügt mir. Ich bin auf sie fixiert. Einen Mann brauche ich ebenso wenig wie du. Eine Frau als Zweitbeziehung ist wünschenswert. Deshalb bedaure ich es ja, dass es zwischen uns damals nicht so richtig weiterging.“

„Nun, was nicht ist kann noch werden, Betül. Jetzt bin ich erst mal hier. Wer weiß, was sich daraus entwickelt.“

„Komisch irgendwie! Colette und Gabriela, die Frauen denen wir unsere Liebe geschenkt, haben und die uns vor Zeiten mehr oder weniger verkuppelt haben. Gut, das hat einen bestimmten Grund. Beide sind gesundheitlich angeschlagen, beide sind von der Furcht erfüllt, dass sie, sollten sie sich aus dieser Welt verabschieden uns verwaist zurückzulassen.“

„Ein wenig gruselig ist das. Um ein Paar werden zu können müssten die Personen, die wir über alles lieben erst das Zeitliche segnen?“ Kristins Bedenken, war nicht ganz von der Hand zu weisen.  

„Jaja! Makaber! Oder?“

„Ach ist das alles kompliziert.“ Glaubte Kristin zu wissen.

„Wir leben in komplizierten Zeiten. Moderne Weltanschauung ist nicht selten gewöhnungsbedürftig. Wir haben die polyamore Lebensweise gewählt, nun müssen wir auch mit ihr leben.“

 

In der Zwischenzeit hatte sie ihren Tee getrunken und das Gebäck geknabbert, das Betül dazu serviert hatte. Sie machten es sich weiter bequem und kuschelten aneinander, als plötzlich das Telefon läutete.

Betül schritt in den Nebenraum und meldete sich. Kurze Zeit später erschien sie wieder und verkündete, dass Gabriela am anderen Ende war. Kristin erschrak. Sie hatte ihr Handy ausgeschaltet und vergessen es wieder zu aktivieren.

Sie eilte in den Nebenraum und ergriff mit zitternder Hand den Hörer.

Gabrielas Stimme war von tiefer Besorgnis erfüllt.

„Oh Kristin, mein Liebling. Wie bin ich froh dich zu hören. Ich konnte mir denken, dass du bei Betül bist. Ich habe mir große Sorgen gemacht. Du alleine draußen, bei diesem Sturm.

Kristin, ich…ich habe mich dämlich benommen. Meine Reaktion ist unentschuldbar. Ich bitte dich um Verzeihung. Ich weiß auch nicht was in mich gefahren ist. Ich liebe dich doch von ganzen Herzen. Dein Kind wird unser Kind, so wie wir es besprochen haben. Ich freue mich darauf und werde dich mit ganzer Kraft unterstützen. Bitte sei mir nicht mehr böse.“

Kristin vernahm die Worte mit großer Erleichterung. War jetzt wirklich alles wieder im Lot?

„Ich danke dir Gabriela! Ich liebe dich doch auch. Es hat so wehgetan! Aber wenn wirklich wieder alles in Ordnung ist, dann ist es gut Oh, wie bin ich froh und glücklich. Ich bin gleich bei dir. Ich mache mich umgehend auf den Weg.“

„Nein Kristin tue das nicht! Bleib wo du bist! Der Sturm hat sich zu einem heftigen Orkan entwickelt. Bleibe über Nacht bei Betül. Morgen sehen wir uns wieder und dann wird alles gut. Mach dir um meinetwegen keine Gedanken. Ich bin gut versorgt. Ich habe es mir mit Klaus gemütlich gemacht. Mach du es dir mit Betül gemütlich. Das ist mein Wunsch im Augenblick.“

„Ja wenn du meinst! Dann bleibe ich! Ist vielleicht auch das Beste im Moment!“

„Der Meinung bin ich auch. Also dann mein Schatz. Einen ganz dicken Gutenachtkuss von mir und von Klaus soll ich dir das Gleiche bestellen. Also, wir sehen uns morgen. Das heißt wenn der Sturm vorüber ist.“

Kristin verabschiedete sich noch einmal und legte den Hörer auf

 

„Buuuuaaahhh! Mir fällt ein tonnenschwerer Stein vom Herzen.“ Kristin pustete tief aus.

„Hab ich dir doch gesagt. Sie hatte einfach einen schlechten Tag. Sie möchte, dass du über Nacht bleibst? Da bin ich ganz ihrer Meinung. Ich hätte dich auf keinen Fall nach draußen in den Sturm gelassen. Also dann! Das Schicksal hat entschieden. Die Nacht gehört uns Kristin, wenn du willst. Eine wunderbare Gelegenheit.“

„Ob ich will? Natürlich! Gerne! Ich freue mich! Aber was ist mit Colette?“

„Kein Problem! Polyamory präsentiert seine guten Seiten. Wie gut das es Androgyna gibt. Ich eile nur schnell rüber in ihr Zimmer. Colette ist noch bei dieser Besprechung im Rekreationsraum.“

Betül eilte durch den Flur bis zu Androgynas Zimmer, klopfte an, dann trat sie ein.

„Androgyna, könntest du die Nacht bei Colette verbringen? Ich muss mich um Kristin kümmern.“

„Ja natürlich! Ist sie schon oben?“

„Nein, aber sie wird bald kommen. Sage ihr doch bitte was geschehen ist.“

„Tue ich gern! Du kannst dich auf mich verlassen.“

Betül schritt auf Androgyna zu, die erhob sich in Erwartung was wohl gleich geschehen mochte.

Betül umarmte Androgyna und küsste sie im Anschlus.

„Ich überlasse sie dir von Herzen. Alles wird gut. Ich habe dich doch auch gern.“

Betül verließ das Zimmer mit erleichtertem Gewissen.

Wieder bei Kristin bereiteten sich die beiden auf die Nacht vor. Betül und Colette hatten jede für sich ein Zimmer, wenn sie auch meist miteinander schliefen.

 

„Ich muss Aisha vorbereiten! Kommst du mit?“

„Selbstverständlich!“

Aisha bewohnte, seit sie wieder zurückgekehrt waren ein eigenes kleines Kinderzimmer, direkt neben Betüls Schlafgemach.

„Hallo mein kleiner Schatz. Sieh mal, wen ich mitgebracht habe. Tante Kristin ist da, sie wird bei uns schlafen heute Nacht.“

„Oh ja….Tante Tine, Tante Tine:“

Kristin begrüßte die Kleine. Aisha mochte sie sehr und krallte sich gleich an ihr fest.

„Hey komm kleine Prinzessin. Hui, Bussybussybussy. Ich bleibe heute Nacht bei euch. Huch, da draußen braust ein böser, böser Sturm, der die Tante Tine sonst vom Boden fegt.“

Sie beschäftigten sich noch eine Weile mit Aisha nahmen sie kurz mit zu sich ins Bett erzählten Geschichten oder knuddlten sie einfach.    

Nachdem sie die Kleine wieder auf ihr Zimmer gebracht hatten und Aisha fest schlief, entkleideten sich beide, schlüpften unter die Decke, schlagen Arme und Beine ineinander.

„Wenn`s draußen stürmt und schneit, ist es unter der Decke besonders gemütlich.“ Sprach Kristin und versank dabei in Betüls Armen.

„Hmmm, schön dass wir wieder mal richtig zusammen sind. Oh, wie ich das vermisst habe. Unter diesen Gesichtspunkt hat sogar ein Sturm was Positives.“

Während draußen der bitterkalte Sturm über das Gelände der Abtei fegte, wurde es im Schlafzimmer immer heißer.

Sie liebten sich heftig und leidenschaftlich bis in den Morgen. Einen Morgen der deutlich besseres Wetter im Gepäck hatte.

 

 

 

 

  

 

   *  transidente, genderqueere, oder nicht-binäre Menschen sind in den meisten Fällen

       hochsensibel veranlagt (bessere Bezeichnung sensitiv)

 

 

  ** Labrys-  eine Doppelaxt, die traditionelle Waffe der legendären Amazonenkriegerinnen

       ist heute allgemein anerkanntes Symbol in der lesbischen Szene, sowie vieler radikaler

       feministischer Gruppen

 

*** siehe Teil 2 Anarchonopolis- Kapitel  14 -  Das Wunder um Gabriela und Kristin