Alternativer CSD in Köln 2014

Diese Seite berichtet über den Alternativen CSD am 28.Juni 2014 in Köln

1. Positionspapier des Bündnis für einen Alternativen CSD in Köln

2. Redebeitrag von Madeleine auf der Demo am 28.Juni 2014 um 14 Uhr auf dem Neumarkt in Köln

3. Bericht über den Tagesablauf


 

    Positionspapier des Kölner „Bündnis für einen Alternativen CSD“

 

 

         Von wegen Karneval!- Echte Emanzipation ist viel toller!

 

CSD- vom Aufstand zum Volksfest!

Durch die Ausweitung der „Homo“-Ehe sind Homosexuelle in Deutschland seit letztem Jahr weitgehend rechtlich gleichgestellt. In einigen  Lebens-und Arbeitsbereichen muss die sexuelle Orientierung oftmals nicht mehr verheimlicht werden. Sogar eine der letzten Bastionen scheint gestürzt seit sich Hitzlsperger als erster Profifußballer unter dem Beifall von Angela Merkel, dem DFB und den meisten deutschen Medien geoutet hat.

Also ist Deutschland jetzt zum Traumland der Homosexuellen geworden? Noch ein bisschen am Adoptionsrecht herumschrauben, einige schwulenfeindliche deutsche Rapper zur Vernunft bringen und die künstliche Befruchtung erlauben dann leben die Homos in Deutschland genauso wie die Heteros?

So erscheint die Botschaft vieler Christopher-Street-Day-Demonstrationen und Pride Parades.

Anstatt wie vor 45 Jahren auf die Straße zu gehen um für die sexuelle Befreiung zu kämpfen, feiert die les-bi-schwule Community heute hauptsächlich, dass sie in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

 

Stonwall was a riot- CSD is a mainstream party

Ein Blick zurück: Am 28 Juni 1969 führte die New Yorker Polizei in der Stonwall Bar eine ihrer üblichen brutalen Razzien durch. Dabei nahm sie wie gewöhnlich die Personalien der Besucher auf und es kam zu Verhaftungen und Anklagen wegen „anstößigen Verhaltens“

Am 28 Juni wehrten sich zum ersten Mal Lesben Schwule und Trans-Menschen in der Christopher Street erfolgreich dagegen.

Der Tag ging als Christopher Street Day in die Geschichte ein. Und die LGBT-Bewegung nahm den Kampf auf gegen homo-und transphobe Gewalt, die Willkür staatlicher Behörden, eine rigide Sexualmoral und den Zwang Homosexualität verstecken zu müssen.

 

Besucht man heute eine CSD-Parade, bleibt vor allem der Eindruck: Hinter der Rosa-Glitzer-Rüschchen-Fassade sind Schwule und Lesben heute weitgehend im bürgerlichen Mainstream angekommen.

Differenz und politische Forderungen auf die Straße zu tragen ist unerwünscht. Tunten und Dragqueens rufen Gelächter, die kleine Lack-Leder-Formation abwertendes Gemurmel hervor:

Wir denken nachher, wir sind alle so.“

Der Rosa Winkel, als radikales und provokantes Symbol des Widerstands, scheint ersetzt durch Konzernwerbung und Parteienwahlkampf.

 

Mehr als rechtliche Gleichstellung

 

Natürlich wollen wir nicht zurück in die Fünfziger. Durch rechtliche Gleichstellung und wachsenden gesellschaftliche Akzeptanz ist das Leben vieler Homosexueller heute besser und einfacher als früher. Aber auch wenn einige Homos in den Genuss bürgerlicher Rechte kommen, bedeutet dies keine wesentliche Veränderung der Ausschlussmechanismen unserer Gesellschaft. Im Austausch für mehr Rechtssicherheit wird eine Anpassung an gesellschaftliche Normen vorausgesetzt.

Im Klartext: Homosexuelle ja, aber bitte nur möglichst angepasst, kompromissbereit und nur nicht zu radikal und schrill. Selbstverständlich auch mit deutschem Pass.

 

Das System der Zweigeschlechtlichkeit in Frage zu stellen, nicht monogam zu leben oder sexuelle Extravaganzen zur Schau zu stellen, ist in der Regel weder in Homo-Kreisen noch gesellschaftlich akzeptiert. Und rechtlich gibt es nach wie vor keine Möglichkeit eine andere gender-Identität als männlich oder weiblich zu wählen, oder die Kategorie „Geschlecht“ gänzlich abzulehnen.

 

Auch andere gesellschaftliche Machtverhältnisse wie ökonomische Ungleichheit, rassistische Ausgrenzung und Sexismus werden nicht angetastet: Schwule und Lesben mit Managergehalt stehen 400 Euro-Jobbern_innen gegenüber, People of Colour werden an Clubs abgewiesen, während der hippe Schwule seinen Cocktail schlürft. Frauen erleben auch auf queeren Partys wie gegrapscht und beleidigt wird. Unser Leben wird eben nicht nur durch unsere sexuelle Orientierung bestimmt.

 

Queer refugees not welcome

 

Doch während deutsche Bürger ihr Land als  Paradies der sexuellen Freiheit feiern, sind Homo-und Transsexualität immer noch keine ausreichenden Gründe um politisches Asyl und damit Schutz vor Verfolgung, Gefängnis oder Todesstrafe in Deutschland zu bekommen. Und dabei kämpfen Geflüchtete gleichzeitig an mehreren Fronten: Sie besetzen Plätze, treten in Hungerstreik, fordern die Abschaffung der Residenzpflicht, ein Ende der Abschiebung und Zugang zum Arbeitsmarkt; Gesundheitsversorgung und Wohnraum. Menschenfreundlich sind Staat und Bewohner_innen  des Paradieses vor allem zu deutschen, weißen Homosexuellen.

 

(K)Ein Geschlecht oder viele- nur keine zwei!

 

„Gott schuf den Menschen als Mann und Frau!“ So predigt nicht nur die Bibel: Medizin, Biologie, offizielle Dokumente, in denen „Herr“ oder „Frau“ in kleinen engen Kästchen anzukreuzen sind und jede Toilette des Landes wiederholen diese Message jeden Tag. Als wäre die Idee, das es nur zwei Geschlechter gäbe und jeder Mensch entweder Mann oder Frau sei, von der Natur vorgegeben und als seien es nicht Kategorien, die in den Hirnen von Menschen ausgebrütet wurden.

Doch neben Mann und Frau gibt es noch viele weiter geschlechtliche Konzepte:

Intergeschlechtliche, Transgender, Menschen die eine Geschlechtsangleichung erfahren haben oder nicht, und andere, die mit Geschlechtern spielen oder sich keinem Geschlecht zuordnen, wie Tunten, Dragkings, Dragqueens oder schwule Frauen und lesbische Männer.

 

Diese geschlechtliche Vielfalt hat keinen Platz in einem binären Geschlechtssystem, das alles als „krank“, „unnatürlich“ und defizitär erklärt, was sich nicht einordnen lässt. Die Zwangsoperationen an intergeschlechtlichen Kindern sind dabei nur die Spitze des Eisberges.

Wir haben es satt, ignoriert, beleidigt oder angefeindet zu werden. Wir sind wie wir sind. Und wunderschön!

 

Liebes, die Krise heißt Kapitalismus…

 

Die Finanzkrise der letzten Jahre zeigt wie anfällig der Kapitalismus ist. Wir sind wohl doch nicht am „Ende der Geschichte“ angekommen, wie Ökonomen nach dem Zusammenbruch des Ostblockes geglaubt haben. Alternativen zum Kapitalismus sind wieder denkbar und werden öffentlich gefordert. Bei den Protesten im Gezi-Park in Istanbul waren queere  und feministische Gruppen maßgeblich beteiligt und forderten eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft.

Nicht zufällig sind die Proteste in Ländern wie Spanien, Griechenland und der Türkei besonders stark. Die schlimmsten Auswirkungen haben die Bankencrashs auf die Menschen  im globalen und europäischen Süden: Der internationale Währungsfonds, die EU-Kommission und die europäische Zentralbank setzen mit Unterstützung der deutschen Regierung Kürzungsprogramme durch. Die Folgen sind Massenarbeitslosigkeit, fehlende Gesundheitsversorgung, Zwangsräumungen von Wohnungen und Wohnungslosigkeit.

Nicht zufällig erleben viele Länder gleichzeitig einen politischen Rechtsruck. Rassistische Verfolgungen und Abschiebungen nehmen zu, in immer mehr Ländern ist Homosexualität wieder strafbar und in Spanien wurde das Abtreibungsrecht so stark eingeschränkt, das es faktisch nicht mehr gewährleistet ist.

 

Home, sweet home?

 

Auch wenn die Auswirkungen in Deutschland nicht so drastisch sind: Die Krise macht auch vor unserem Leben keinen Halt.: Restriktive Hartz-IV-Gesetze, horrende Mietsteigerungen und Luxussanierungen in den Städten sowie Kürzungen in der soziale Infrastruktur verschlechtern die Lebensverhältnisse vieler Menschen.

 

Um bei der Arbeit funktionieren zu können brauchen wir umso mehr Erholung. Doch wer kümmert sich um die Reproduktion, um das Wieder-fit-sein? Ohne ausreichend KiTa-Plätze und angemessenen Versorgung von pflege-und hilfebedürftiger Menschen bleibt die emotionale, versorgende, erzieherische und haushälterische Arbeit mehrheitlich an Frauen hängen. Daran ändert auch nichts, dass manche heute genug verdienen, um die Arbeit abzugeben an andere, ökonomisch schlechter gestellte Frauen, die häufig keinen deutschen Pass haben.

 

Homophober Flashback:

 

Die Rechten trauen sich mit ihrem Protest gegen Homosexualität wieder an die Öffentlichkeit.

Die Reaktionen auf den Bildungsplan in Baden-Württemberg von selbst ernannten “Besorgten Eltern“ und christlichen Fundamentalisten zeigen auch eine reaktionäre Sehnsucht nach einer kleinen überschaubaren Welt der heterosexuellen Kleinfamilien. Es gibt eine neue Angst vor dem Verfall der vermeintlich geteilten christlich-abendländischen Werte und vor Überfremdung durch Homosexuelle- es ist fast zum Lachen.

 

Grenzenlose Solidarität und transgeniale Zustände!

 

 

Wenn wir am historischen Datum der Stonwall-Aufstände auf die Straßen gehen, blicken wir erinnernd an die queeren Vorkämpfer_innen für eine befreite Gesellschaft. Wir wollen mehr als nur eine sexuelle Befreiung. Wenn wir von Emanzipation sprechen, dann meinen wir keine Gleichstellungsbeauftragten und Wahlkampfblumensträuße. Wir reden über nichts weniger als darüber, das Zweigeschlechter-System über Bord zu werfen., nationale Grenzen abzuschaffen, den Kapitalismus vollständig zu überwinden und in Solidargemeinschaften statt in heteronormativen Kleinfamilien zu leben: Kurz gesagt eine grenzenlose, solidarische, transgeniale Gemeinschaft!

 

 

Unterzeichner sind folgende Initiativen die sich im Bündnis für einen Alternativen CSD zusammengeschlossen haben:

 

   

Queergestellt –

Cafe Queeria

Die Dritte Option

CoVen

Kingdom of Cologne

 

 

                                   Redebeitrag von Madeleine

 

Thema: Zur Situation von Trans-Personen (insbesondere Transfrauen) in unserer Gesellschaft und ihre Möglichkeiten, sich wirklich zu emanzipieren

 

(Als Transfrau beziehe ich mich im Folgenden vor allem auf die Situation der Transfrauen, die ich am besten beurteilen kann. Transmännern geht es natürlich ähnlich, wenn auch nicht gleich.)

 

 

Seit einiger Zeit sind die Boulevard-Medien um eine Attraktion reicher. Wir dürfen dort seit Kurzem neben den Vorzeige-Schwulen und Vorzeige-Lesben nun endlich auch die Vorzeige-Trans bewundern. Die tingelt von Talk-Show zu Talk-Show um dort über ihr Leben als Trans-Person zu berichten.

Wie dürfen wir uns eine solche Vorzeige-Trans vorstellen. Richtig, sie ist weiß, deutsch, akademisch gebildet (wenn möglich mit Doktortitel) vermögend, am besten mit eigenem Unternehmen und natürlich operiert. Selbstverständlich ist sie zudem ausgesprochen sexy, attraktiv und top gestylt.

Sie wird uns darüber Bericht erstatten, in welch wunderbaren toleranten Land wir doch leben. Sie wird uns weißmachen, dass sie nur von lauter freundlichen und hilfsbereiten Leuten, die ihr mit Achtung und Verständnis begegnen, umgeben ist. Sie wird uns darüber aufklären, dass sie, sobald sie in weiblicher Bekleidung erschien, sofort als Frau akzeptiert wurde und dass die Menschen ihre Geschlechtsangleichung ohne wenn und aber unterstützen.

Selbstverständlich wird sie uns darüber in Kenntnis setzen, dass die geschlechtsangleichende OP die einzige Option ist, die es gibt und Alternativen dazu schlichtweg nicht vorhanden sind.

Trans-Menschen, die es vorziehen, ohne medizinischen Eingriff ihr Leben zu leben kommen in einem solchen Weltbild gar nicht vor. Es gibt keine Frauen mit Schwanz! Basta! Eine weitere Diskussion nicht erforderlich!

Die Wirklichkeit unterscheidet sich erheblich von diesem Zerrbild. Das Leben von Trans-Leuten ist auch heute, im Jahre 2014, das von Randexistenzen. Trans-Menschen stehen in der Werteskala ganz unten. Vor allem dann, wenn diese das Pech haben, nicht wohlhabend und  akademisch gebildet  zu sein und vielleicht noch einen Migrationshintergrund haben oder eine geschlechtsangleichende OP aus welchen Gründen auch immer ablehnen.

Berufliche Aussichten minimal, Hartz IV ist vorprogrammiert. Da bleibt nur die Hoffnung auf eine Vermarktung in unserer Glanz und Glimmerwelt, die ständig Ausschau nach neuen Attraktionen hält.

Transfrauen sind immer ein Aufhänger. Sie lassen sich hervorragend als komische Figuren vermarkten. So lange sie sich in diesen Sphären aufhalten ist alles ok. Aber wehedem, sie fordern ihre Rechte ein, dann ist das Ende der Toleranz erreicht.

Wir wollen nichts geschenkt, wir erheben Anspruch auf eines der elementarsten Menschenrechte überhaupt, dem Recht auf eine eigenständige Identität. Denn die wird uns bis heute verweigert. Wir wollen wie alle anderen auch unser Leben selbstbestimmt gestalten.

Doch keine Personengruppe lebt heute noch so fremdbestimmt wie Transidenten. Unser Leben liegt in den Händen von Psychologen und Therapeuten, deren Gutachten entscheidet, ob es sich bei uns um „richtige“ oder „falsche“ Transidenten handelt.

Wir fordern endlich ein Gesetz, dass es jedem Menschen ermöglicht, sich das passende Geschlecht auszusuchen. Entscheiden zu können zwischen männlich, weiblich, oder einer zu schaffenden „Dritten Option.“  Aber die Gesetzgeber lassen sich viel Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Bei genauem Hinsehen wird auch deutlich, warum. Die Doktrin, dass es nur zwei Geschlechter geben könne, ist ein wichtiger Bestandteil unseres Herrschaftssystems. Eine freie Wahl würde, so sagen sie, alles auf den Kopf stellen. Dafür fürchten sie sich.

Gesetze sind eine Sache. Die Einstellung der Menschen dazu eine völlig andere. Da hilft auch das beste Gesetz nicht. Ein langer steiniger Weg liegt vor uns. Wir haben nur die Wahl, ihn zu gehen oder daran zu verzweifeln. Kämpfen oder Verlieren.

Ich habe einen Traum, um es mal mit Martin Luther King auszudrücken. Ich träume davon, dass sich einmal alle Transpersonen frei und ungehindert in jedem Winkel unseres Landes bewegen können, ohne verspottet zu werden, oder angepöbelt oder sogar tätlich angegriffen. Das sich Transpersonen nicht mehr bei jeder Gelegenheit rechtfertigen müssen und immer wieder genötigt werden, haarklein zu erklären, warum und weshalb sie sich nun ihrer anerzogenen Geschlechterrolle entledigt und eine andere gewählt haben. Akzeptiert uns einfach so wie wir sind und lasst uns das ausleben, was wir sind.

Doch wir wollen nicht nur nehmen sondern auch geben. Für mich als Transfrau ist es vollkommen selbstverständlich, mich auch für die Belange von Transmännern einzusetzen, ebenso für die Rechte von schwulen Männern, lesbischen Frauen, Bisexuellen und Intersexuellen.   

Ja, darüber hinaus für alle Menschen, die, aus welchem Grund auch immer, ausgegrenzt werden, sei es deshalb, weil sie eine andere Hautfarbe haben oder eine andere Muttersprache sprechen, weil sie arm sind und von Hartz IV leben, oder weil sie behindert oder alt und gebrechlich sind.

Unser Land ist auf einem verhängnisvollen Trip. Der Sozialstaat wird immer weiter demontiert. Marktradikale Ideologen fordern einen totalen Umbau. Solidarität und gegenseitige Hilfe gelten als Relikte einer überholten Zeit. Stattdessen soll von nun an das Recht des Stärkeren gelten. Nur leistungsfähige Menschen sollen fortan noch das Recht auf ein menschenwürdiges Leben haben. Für Schwächlinge und Randexistenzen kein Platz.

Da heißt es Ellenbogen zeigen, sich durchsetzen. Hammer oder Amboß sein. Fressen oder gefressen werden. Ein ökonomischer Kannibalismus, der sich auf Dauer auch zu einer großen Gefahr für die Demokratie entwickeln könnte.

Rechte Rattenfänger jedweder Couleur machen sich diesen Umstand zu Nutze, um ihre abstrusen Visionen zu verkünden. Sie suchen Sündenböcke und werden sehr schnell fündig. Auch Schwule, Lesben und Transgender gehören zunehmend zu ihren Feindbildern. Eine neue homophobe Welle überrollt weite Teile der Erde. Doch nicht nur in Afrika oder islamisch geprägten Ländern können  wir das beobachten, nein, auch in Europa bahnt sich eine neue Front des Hasses an.

Natürlich kann ich mich als Transfrau in einer Stadt wie Köln frei bewegen, deshalb bin ich hierher gekommen. In meiner Heimat, tief im Osten unserer Republik, kann es unter Umständen lebensgefährlich sein, mich so auf der Strasse zu zeigen. Allein mein Erscheinungsbild genügt. Transfrauen brauchen nichts zu tun, oder zu sagen was, als provokativ gewertet werden könnte. Nein, allein ihr Antlitz bietet so manchem frustrierten Macho eine geeignete Angriffsfläche um sich abzureagieren. In einem solchem Umfeld kann niemand leben, geschweige dem eine Persönlichkeit entwickeln. Da bleibt nur noch das Exil. Transleute, vor allem Transfrauen auf dem Lande, das ist auch heute im Jahre 2014 so gut wie undenkbar, wenn es sicher hier und da auch positive Ausnahmen gibt. Wir werden zu Flüchtlingen, Migranten.

Nun gibt es Schwule und Lesben und neuerdings auch schon vereinzelt Transgender, die glauben all dem zu entfliehen, wenn sie sich der Kapitallogik unterwerfen, wenn sie selbst ihre Ellenbogen benutzen, Karriere machen, viel, viel Geld verdienen, oben ankommen auf den weichen Sesseln in den Chefetagen. Dann können sie voll Stolz in den Boulevardmedien über ihren Weg berichten und sich freuen, der heterosexuellen Mehrheit bewiesen zu haben was in ihnen steckt, dass es nicht auf die sexuelle Orientierung ankommt oder die Geschlechteridentität, sondern allein auf das Können. Auf den Fleiß, die Stärke, die Art, sich durchzusetzen. Ist es wirklich echte Emanzipation, wen wir neben der heterosexuellen Oberschicht nun auch eine schwule oder lesbische haben? Ein paar, die es geschafft haben sprechen für alle andern?

Bürgerliche Emanzipationsbestrebungen stoßen sehr schnell an ihre Grenzen. Der Schlüssel zu jeder echten Emanzipation ist eine gerechte Wirtschaftsordnung.

Eine marktradikale Ideologie, die auf das Recht des Stärkeren setzt und in der die Schere zwischen arm und reich immer größer wird, kann nie und nimmer Grundlage einer toleranten Gesellschaft sein, im Gegenteil, sie ist nicht nur zutiefst asozial, sondern auch antidemo­kratisch.

Die USA wird seit nunmehr sechs Jahren von einem farbigen Präsidenten regiert, aber deshalb ist die Rassendiskriminierung keineswegs geringer geworden und das merken vor allem jene, die auf der sozialen Skala ganz unten stehen.

Ein schwuler Minister oder Bürgermeister mag durchaus als Erfolg anerkannt werden, aber davon haben Schwule, die von ALG II leben müssen oder von einem Minijob zum andern tingeln, überhaupt nichts.

Transpersonen stehen bis auf wenige Ausnahmen weiter außen vor. Eine nicht operierte Transfrau in einer gehobenen Stellung? Schwer vorstellbar?

Aus diesem Grund kann es nur eine Antwort geben. Es reicht nicht, wenn einige von uns in diesem marktradikalen System ankommen und davon profitieren. Nein, wir bedürfen einer gerechten, solidarischen Wirtschaftsordnung, die gewährleistet, dass sich alle gleichermaßen frei und selbst bestimmt entwickeln und entfalten können.

Deshalb kehren wir zurück zu den Wurzeln des CSD. 1969 wurde gekämpft in den Straßen von New York, den Aktivisten von damals bot sich kein Partyfeeling. Den drohten Verhaf­tung, Verfolgung, Ausgrenzung. Heute sind wir zum Glück in einer besseren Situation. Keiner wünscht sich die Zustände von damals zurück. Aber den Geist des Aufbruchs, der die Menschen damals leitete, den brauchen wir heute mehr denn je. Denn es gilt das Erreichte zu verteidigen. Überall sitzen sie in Wartestellung Rechtsextreme, Neokonservative, Religiöse Fundamentalisten sind weltweit auf dem Vormarsch, um uns wieder an den Rand zu drängen, hier zu Land scheint das noch kaum einer zu bemerken. Womöglich will das auch gar niemand.

An uns Transfrauen scheiden sich die Geister. Wir machen die Szene erst richtig queer. Die Gesellschaft von morgen ist entweder androgyn oder sie ist überhaupt nicht.

 

Es lebe die androgyne Revolution!