Einsame Hüterin

Es gibt für alles eine Zeit und die Kunst ist es, sich für das zu entscheiden, was nötig ist.

Dieses Zitat, dass sie einmal vor langer Zeit gehört hatte ging Annett durch den Kopf , während  sie langsam aus dem alten Bauernhaus trat und sich in Richtung Koppel bewegte, dort wo die schwarz-weiß gefleckten Kühe im Scheine der roten Abendsonne grasten, die sich langsam dem Horizont näherte, um alsbald mit diesem zu verschmelzen.

Doch bis dahin war es noch eine Weile und die Dämmerung lies noch einen kleinen Gang ins Freie zu, den Annett fast täglich zu dieser Stunde unternahm, seit sie sich wieder auf ihr Gehöft zurückgezogen hatte, natürlich nur, wenn das Wetter es zuließ.

Den Blick in die Weite der Heidelandschaft gerichtet, die den flacheren Norden prägte, gab sie sich dabei den Gedanken hin, die unaufhörlich in ihr arbeiteten.

Die Blicklichter der Windräder in der Ferne leuchten noch im hellen Schein, bald würden sie, mit zunehmender Dunkelheit, in die Farbe rot übergehen.

 

Annett wollte vergessen, wollte alles hinter sich lassen, jenes pralle und erfüllte Leben in der Abtei, in Anarchonopolis, doch es gelang ihr nicht. Zu sehr haftete sie noch daran und es würde wohl noch eine Ganze Weile in Anspruch nehmen, bis sie sich damit abfinden  konnte, dass es Anarchonopolis nicht mehr gab.

 

Nach Elenas Verschwinden und Madleens Verrat, nach Cassians Triumph und der langsamen Auflösung der Schwesternschaft war auch sie in tiefe Depression versunken. Das alles war zuviel, als hätte sie mit Thorwalds Tod nicht schon genug zu verarbeiten. So ist es eben im Leben, manchmal kommt alles auf einmal, wie eine meterhohe Flutwelle, die sich plötzlich mit voller Wucht vor einem auftut.

 

Hier oben, in der sanften Einsamkeit der Heide verlor sich ihre persönliche Einsamkeit. Hier glaubte sie Frieden zu finden, das aber gelang ihr nur mit mäßigen Erfolg .

 

Thorwalds Tod hatte ihr einmal mehr die Endlichkeit irdischen Lebens vor Augen geführt. Der Gefährte, mit dem sie sie fast 40 Jahre zusammengelebt hatte, mit dem sie 3 Söhne und Madleen , die geliebte Tochter großgezogen hatte, lebte nicht mehr. Eine Lücke die kaum zu schließen war, ein schwarzes Loch, das sie zu verschlingen drohte, sollte sie den Depressionen nachgeben. 60 Jahre war sie jetzt alt. Sie wirkte jünger, war noch immer eine attraktive Erscheinung. Doch das Alter, dieses gefräßige Raubtier ohne Gnade, begann an ihr zu nagen. Die Zeit schien ihr wie zarter Sand durch die Finger zu gleiten.

 

War er jetzt gekommen, der dritte und  letzte Abschnitt im Leben einer Frau, das Leben der weisen Alten? Noch immer mochte sie sich mit diesem Gedanken nicht so recht anfreunden.

Sie, die noch so viel begehrte im Leben, sollte sich gemütlich im Sessel zurücklehnen und Geschichten aus der Jungend zum Besten geben? Sie, dessen Herz noch so voller unerfüllter Sehnsucht war, sollte alles hinter sich lassen?

 

Nein, das konnte nicht sein, das durfte nicht sein. Doch, was konnte sie dagegen tun? Lerne akzeptieren, lerne dich in dein Schicksal zu fügen, hörte sie unaufhörlich die mahnende Stimme in ihr. Es gab keinen anderen Weg als diesen.

Thorwald, ihr alter Brummbär, wie sie ihn liebevoll zu nennen pflegte, war ein guter Mann.

Der bodenständige Landwirt hatte ihr ein liebevolles Zuhause geschenkt, ein Heim, um sich darin geborgen und sicher zu fühlen. Streit mit ihm gab es nur selten, der zwei Meter große Kleiderschrank mit dem ergrauten Vollbart, war eben eine Seele von Mensch. Immer ruhig, beständig und auf Ausgleich bedacht. Nie ließ er sich aus der Ruhe bringen. Er fehlte ihr unendlich, gerade jetzt, wo sich die Welt wieder einmal anschickte aus den Fugen zu geraten.

Trotzdem hatte sie sich entschlossen im Land zu bleiben und nicht etwa mit Colette und den meisten anderen nach Deutschland ins Exil zu gehen. Was sollte sie dort? In der Fremde würden ihr die  Depressionen erst recht zusetzen.

 

Sie gehörte hierher. Hier auf dem Bauerngehöft, auf dem sie fast ihr halbes Leben verbracht hatte, auch wenn der Mann an ihrer Seite nicht mehr zur Verfügung stand. In dieser Umgebung fühlte sie sich sicher und konnte der Dinge harren die auf sie zukamen.

Auch wenn sie derzeit kaum im Kontakt mit Madleen stand, wollte sie die Tochter nicht alleine lassen. Sollte die sich doch noch besinnen und erkennen welche Fehlentscheidung die Hochzeit mit Cassian darstellte, wäre sie bereit, ihr bei zu stehen.

 

Doch Madleen würde von sich aus erkennen müssen. Annett konnte und wollte ihr dabei nicht mehr ins Gewissen reden. Dass hatte sie zunächst auf eindringliche Weise versucht, mit dem Ergebnis, dass Mutter und Tochter im Streit auseinander gegangen waren.

Die Tür stand offen, doch Madleen musste sie  freiwillig durchschreiten.

 

Ihre Gedanken wanderten zu Elena. Seit Monaten kein Lebenszeichen. Wo steckte die Schwiegertochter, die ihrem Herzen so nahe stand und ohne die sich Annett ein Leben kaum vorzustellen wagte. Sie spürte einen tiefen Stich in der Herzgegend. Weg, einfach aus ihrem Leben verschwunden. Wie viele geliebte Menschen sollte sie noch verlieren? Elena hatte ihrem Leben einst  eine neue Richtung gezeigt, nun stand sie nicht mehr zur Verfügung.

 

Annett sehnte sich so sehr nach ihr. Sie war so fern, wie sie meinte. War sie überhaupt noch am Leben? Sie konnte nicht ahnen, dass Elena in gar nicht allzu weiter Entfernung in Neidhardts Bunker lebte.

 

Annett atmete tief durch, den Blick dabei sehnsuchtsvoll in die Ferne gerichtet, die Abendfrische tat ihr gut. Noch eine kurze Weile, dann war es Zeit ins Haus zu gehen.

Die Kühe schlenderten geruhsam über die Weide und muhten dabei leise vor sich hin, währenddessen versank die rote Sonne in ihrem Wolkennest. Schon bald war es spürbar frischer. Annett fröstelte leicht und  sie knöpfte die graue weite Strickjacke zu, die sie auf dem Leibe  trug.

 

Sie steckte die Hände in deren Taschen und wollte sich gerade zu gehen wenden, als aus einem Gebüsch in der Nähe Geräusche  an ihre Ohren drangen.

Sie verlangsamte ihren Schritt, blieb nach wenigen Metern stehen und wendete ihren Blick.

Es schien als ob da jemand leise vor sich hin flüsterte. Doch wer wagte sich zu dieser Stunde in diese verlassene Gegend? Annett rührte sich zunächst nicht, doch dann hielt sie es nicht mehr aus. Sie musste dem Geheimnis auf die Spur kommen und bewegte sich in Richtung  Geräuschquelle.

 

„Lass mich einfach hier liegen Laura, ich kann nicht mehr. Geh du alleine weiter. Du hast ohne mich mit Sicherheit eine bessere Chance. Ich bin dir nur noch ein Klotz am Bein.“ Wimmerte Cathy vor sich hin.

„Dich hier liegen lassen? Na du kommst auf Ideen. Ein Leben lang habe ich auf dich gewartet und nun lasse ich dich hier zurück, so weit kommt es noch. Unsinn! Wir schaffen das! Ich hab zwischen den Zweigen Licht gesehen. Da muss ein Haus sein, ich denke eine Art Bauerngehöft, wie es die in dieser Gegend noch gibt. Dort müssen wir hin.“

„Das können wir nicht. Wir werden gesucht. Du hast selbst gesagt, dass die das in der Zwischenzeit in allen Nachrichtensendungen verbreitet haben!“ Lehnte Cathy mit schmerzverzerrtem Gesicht ab.

 

„Du bist verletzt! Die Wunde muss versorgt werden. Wenn dich die Kugel auch nur gestreift hat. Je schneller du behandelt wirst, desto besser. Ist die Wunde erst mal richtig entzündet, kann das sehr gefährlich werden.“ Hielt ihr Laura entgegen.

„Warum hast du nicht gesagt, dass du was abgekriegt hast, dann hätten wir viel früher danach gehen können. Somit haben wir wertvolle Zeit verloren.“

 

„Ich dachte es sei nicht so schlimm, wie du selbst sagtest, nur gestreift.“ Cathy hielt sich die linke Seite, die nun immer deutlicher zu bluten schien. „Am Anfang ging es noch, aber nun tut es  auf einmal sehr weh.“

 

„Siehst du, wie ich es sage. Tun wir nichts, wird es immer schlimmer und du bekommst eine Blutvergiftung. Du hattest großes Glück, das die Kugel nicht eingedrungen ist, das ging haarscharf daneben.“ Mahnte Laura und zog die Geliebte auf die zitterigen Beine.

„So noch ein Paar Meter, siehst du dort ist ein Haus. Wir müssen dorthin. Komm, ich halte dich. Wir laufen langsam.“

„Aber ich habe schreckliche Angst. Wenn die uns nun verraten, damit müssen wir rechnen.“

In Cathys Augen sammelten sich die Tränen.

„Dann haben wir Pech gehabt.“ Lautete Lauras kurze Antwort.

Die beiden schleppten sich mühsam voran. Schritt für Schritt einem Ziel entgegen, von dem sie nicht wussten, was sie dort erwartete.

 

Währenddessen schritt ihnen Annett entgegen. Sie holte die kleine Taschenlampe aus der Jackentasche die sie bei sich führte, und betätige den Schalter, exakt zu dem Zeitpunkt als die beiden vor ihr auftauchten.

 

„Halt! Wer da? Keinen Schritt weiter! Wer seit ihr und was wollt ihr hier?“ Begrüßte Annett die Unbekannten im barschen Ton.

„Wir wollen nichts Böses! Meine Freundin hier ist verletzt und braucht Hilfe, ansonsten hätten wir dich nicht belästigt zu dieser Stunde. Es geht nicht anders. Ihr geht es immer schlechter.“ Bat Laura inständig.

 

„Ha! Das kann jeder sagen. Und im nächsten Moment bekomme ich eins übergezogen, wenn ich unvorsichtig bin.“ Lehnte Annett zunächst ab und leuchtete Laura dabei ins Gesicht.

„Siehst du? Wir sind unbewaffnet! Bitte glaube uns!“ Laura ließ Cathy los und hob die Arme in die Höhe. Die Gefährtin schwankte und drohte den Halt zu verliere. Im Letzten Moment griff Laura  ihr unter die Arme und Cathy sackte in ihren Armen zusammen.

 

„Siehst du nun dass ich die Wahrheit sage!“ Sprach Laura energisch auf Annett ein.

„Ja, du scheinst tatsächlich Recht zu haben.“ Annett machte einen Schritt auf die beiden zu und griff Cathy in die Seite, so dass diese laut aufschrie. Im nächsten Augenblick klebte Blut an Annetts Hand.

 

„Mein Gott! Kommt! Natürlich werde ich euch helfen! Komm, wir bringen deine Freundin gleich ins Haus. Ihr hattet Glück dass ihr auf eine gelernte Krankenschwester getroffen seid. Ich werde mir die Wunde gleich ansehen.“

„Es tut so weh! Es tut so höllisch weh!“

„Ja, ich glaube dir Kleine. Ich werde mich gleich um dich kümmern.“ Versuchte Annett im zärtlichen Tonfall zu beruhigen.

 

Schnellen Schrittes durchschritten sie den Innenhof und erreichten das Wohnhaus.

„Ich bin heute alleine hier. Mein Sohn und meine Schwiegertochter sind außer Haus, ich erwarte sie erst übermorgen zurück. Sonst lebt hier keiner weiter.“

„Du kommst mir auf irgendeine Art bekannt vor! Glaubte Laura plötzlich zu wissen.

„So? Hmm, schon möglich!“

Es ging durch den Flur in das rustikal in bäuerlichem Stil eingerichtete Wohnzimmer.

„Komm, wir legen sie aufs Sofa.“ Bot Annett sofort an.

Jetzt gelang es Laura die Gastgeberin genauer in Augen schein zu nehmen.

„Annett? Du? Bist du es wirklich, oder sollte ich mich täusche?.“

Ungläubig betrachtete die Angesprochene ihr Gegenüber. Nach kurzem Zögern fand auch sie die Worte wieder.

 

„Laura! Ja, du bist Laura! Jetzt erkenne ich dich ebenso!“

„Was ihr kennt euch? Aber… aber woher denn?“ Versuchte Cathy in Erfahrung zu bringen  während sie sich weiter die Seite hielt.

„Ja, in der Tat! Darf ich vorstellen! Das ist Annett, Madleens Mutter und somit die künftige Schwiegermutter unseres allzeit geliebten Diktators, der sich alsbald zum Kaiser krönen möchte. Du hast es mit einer Berühmtheit zu tun.“ Stellte Laure ihre Gastgeberin vor.

„Waaaas! Oh nein,oh nein! Sie… sie wird uns verraten. Nein das kann doch nicht sein. Ausgerechnet hierher musst du uns bringen. Wir sitzen in der Falle.“

Cathy begann laut zu schluchzen.

 

„Warum sollte ich euch verraten? Was habt ihr getan? Ihr seid auf der Flucht? Weshalb?“

Annett zog Cathys blutverschmiertes T-Shirt nach oben und warf einen ersten Blick auf die Wunde.

 

„Die kommt von einem Schuss, einem Streifschuss um genau zu sein. Ich bin im Bilde. Da hast du aber Glück gehabt Kleine, das hätte ins Auge gehen können. Laura du warst in Dagmars Gruppe, wenn ich mich recht entsinne und bist mit ihr in den Untergrund. Vorgestern habt ihr zugeschlagen und hattet Pech. Die Nachrichten berichten ständig über die bösen Terroristinnen, die es gewagt haben unseren geliebten Herrscher nach dem Leben zu trachten.“

 

Laure senkte den Kopf.

„Du hast es erfasst! Wir sind in deiner Hand. Ich kann dich nur bitte Cathy zu versorgen so gut es geht. Wenn sie wieder bei Kräften ist verschwinden wir unauffällig.“

„Nein! Wir müssen auf der Stelle weg. Hier wimmelt es sicher nur so von Sicherheitsleuten, oh nein, die kommen bestimmt bald hierher. Wir sind verloren, wir sind verloren…

Tränen quollen aus Cathys Augen.

 

„Bssst!“ Sanft drückte Annett ihren rechten Zeigefinger auf Cathys Mund. Danach strich sie ihr sanft durch das schweißnasse schwarze Lockenhaar.

„Sei ohne Furcht! Nichts dergleichen wird geschehen! Ihr seit in Sicherheit! Ich will euch sagen warum.

 

Erstens, als Mutter des künftigen Kaisers wird kein Söldner wagen mich zu belästigen. Ja die sind in der Nähe. Ihr hattet Glück, dass ihr euch an ihren Posten vorbeischmuggeln konntet. Dem Haus dürfen die sich nicht nähern, die haben strikte Anweisungen.

Zweites, keine Schwiegermutter der Welt hasst ihren künftigen Schwiegersohn so wie ich.

Ich habe nichts mit ihm am Hut. Ich wünsche ihm nichts schlechtes, nein, nur das der Blitz ihn erschlagen möge, günstigsten Falles wenn er gerade beim scheißen ist.*

 

Und drittes, nie würde ich zwei so liebe nette Leute wie euch  an diese Wölfe ausliefern, zumal ihr in Not seid.

Nein, ihr könnt bleiben, so lange ihr wollt. Kommt erst mal wieder zu Kräften. Ich will euch helfen, soweit es in meiner Macht steht.“

 

„Wir sind dir zu großen Dank verpflichtet! Das werden wir die nie vergessen.“ Erwiderte Laura.

„Nur kein Süßholz raspeln. Ihr seid meine Gäste. Ich bin froh wieder Schwestern der Freiheit im Haus zu haben, wenn auch Abtrünnige. Also Laura kenn ich von früher, aus der guten alten Zeit. Dich aber noch nicht, meine schöne Prinzessin.“ Annett stupste Cathys Nase  mit dem Zeigefinger, was diese zu einem Lächeln bewog.

 

„Ich bin direkt zum radikalen Flügel der Schwestern gestoßen, als dieser sich schon separiert hatten, dort habe ich Laura kennen gelernt. Wir sind zusammen geflohen, gerade noch rechtzeitig, bevor die Falle zuschnappen konnte.“ Erklärte Cathy und lies sich im Anschluss erschöpft auf das Lager fallen.

„Ihr seit gute Freundinnen, wie ich vermute?“ Wollte Annett wissen.

„Laura ist meine… Frau!“ Kam es bei Cathy wie aus der Pistole geschossen. Bei Laura löste diese Aussage ein Hochgefühl aus. Es bestand nicht der geringste Zweifel, Cathy liebte sie tatsächlich sehr.

 

„Oh, so nahe steht ihr euch? Das ist gut! Das ist sehr gut. Ich bin hocherfreut das zu hören. Ach, es ist so gut dass ihr gekommen seid. Ich freue mich, nun seid ihr mir noch willkommener. Aber was rede ich soviel. Wir müssen die Wunde versorgen. Komm zieh das T-Shirt aus.“

 

Cathy tat wie ihr geheißen, zog das Teil über ihren Kopf und entblößte ihren Oberkörper, so dass die vollen sinnlichen Brüste zum Vorschein kamen.

 

“Ich werde dir die gute Couch versauen!“ Sorgte sich Cathy.

„Ach was! Ist doch ein Schonbezug drauf, kann man waschen. So schön herzeigen, mein tapferes Mädchen.“

Voller Vorsicht drehte Annett Cathy auf die andere Seite und begutachtete die Wunde.

„Hmm, sieht schlimmer aus als es ist. Müssen wir säubern und verbinden, wird wehtun. Zähne zusammenbeißen. Ich denke es kann nicht schaden, wenn ein Arzt einen Blick drauf wirft. Ich rufe den alten Kurt gleich an, den kennt die Laura auch noch aus der alten Zeit, lebte in unserer Kommune, wohnt nichtweit entfernt von hier in der Nachbarschaft. Auch er wollte nicht mit ins Exil. Wir Älteren kämen damit gar nicht gut zurecht.“

 

„Aber werden die Posten nicht Verdacht schöpfen, wenn du ihn rufen lässt?“ Wollte Laura wissen.

„Mach dir keine Sorgen. Der hält dicht und wie ich schon sagte, die Posten werden uns nicht belästigen.“ Beruhigte Annett.

Annett erhob sich, ging zum Telefon und wählte die Nummer. Nach kurzem warten meldete sich der Angerufene, Annett erläuterte den Sachverhalt und er  sagte sein Kommen zu.

„So, er wird sich umgehend auf den Weg machen und bald hier eintreffen. Dann hat alles seine Ordnung.“ Gab Annett zu verstehen.

 

Laura warf alle paar Augenblicke einen Blick durch das Fenster nach draußen. Die erfahre Untergrundkämpferin und ehemalige Söldnerin war chronisch misstrauisch. Sie konnte Annetts Beteuerungen offensichtlich keinen rechten Glauben schenken.

Auf leisen Sohlen schlich sie sich schließlich zur Tür und warf einen Blick durch den Spalt.

„Ich kann verstehen, dass du beunruhigt bist, aber es ist wirklich unbegründet.“ Sprach Annett sie an.

 

„Entschuldige! Ist eben so eine Art von mir. Wenn man so lange im Untergrund lebt, lernt man mit der Zeit so gut wie allem zu misstrauen.“

„Kann ich gut verstehen! Komm setz dich doch einfach!“

Laura tat wie ihr geheißen, doch kaum hatte sie Platz genommen, klopfte es an der Tür.

Wie von der Tarantel gestochen sprang die Kriegerin in die Höhe.

„Warte, das wird Kurt sein!“ Meinte Annett erhob sich und schritt zur Tür.

„Hey, schon da? Bist wohl geflogen?“
“Ja, so könnte man es auch nennen!“ Gab der Angesprochene zur Antwort und begann seine dunkelblaue Windjacke auszuziehen.

 

„Und wo ist unsere Patientin?“

„Drüben im Wohnzimmer, auf der Couch!“ Annett wies ihm den Weg.

Laura folgte, obwohl sie nicht dazu aufgefordert worden war, nicht um alles in der Welt wollte sie die Geliebte in diesem Moment alleine lassen.

 

Doch Kurt wiegelte ab.

„Ihr könnte mich alleine lassen, ich bekomme das schon hin. Ich rufe euch wenn ich euch brauchen sollte. Ich bin bei meinen Behandlungen immer lieber allein.“

Nur widerwillig folgte Laura seiner Anweisung.

„Komm setz dich doch Laura! Kurt ist ein guter Arzt, der hat reichlich Erfahrung, auch was solche Wunden betrifft. Ich kann mir vorstellen wie dir zumute ist. Wenn der Mensch, den man über alles liebt leidet, dann ist das viel schlimmer als selber Schmerzen zu erdulden.“ Versuchte Annett weiter zu trösten.

 

„Du liebst sie sehr nicht wahr?“

„Ja, das kann man wohl sagen! Sie ist, seit ich sie kenne, mein Lebensinhalt geworden. Das ist umso heftiger, weil ich vorher gar keinen richtigen besessen habe.“

Annett setzte gerade an, etwas zu erwidern, als ein stöhnen aus dem Wohnzimmer zu ihnen drang.

 

„Aaaaahhhh,“

„Siehst du es ist doch schlimmer als du vermutet hast. Die Verletzung ist schwerwiegender. Ich muss zu ihr, Ich muss zu ihr!“

Laura schien sehr aufgebracht.

„Nein, es wird alles gut! Das kann eben vorkommen. Sie hat Schmerzen! Wir werden sie später ganz liebevoll pflegen.“ Hielt Annett sie erneut zurück.

 

Dann schlang sie ihre Arme um die große, muskulöse Kriegerin und hielt sie fest.

„Glaub mir, ihr werdet noch viele schöne Tage miteinander haben, wenn sie wieder auf den Beinen ist.“

Laura lies sich einfach halten und genoss scheinbar die Zuwendung der Älteren.

Nach einer halben Ewigkeit kam Kurt durch die Tür. Laura nahm sein erscheinen mit Erleichterung zur Kenntnis.

 

„Wie geht es ihr?“

„Sie schläft jetzt, ich hab ihr ein Schmerzmittel gegeben. Keine Angst, sie wird sich schon bald erholen. Aber gut dass ihr mich benachrichtigt habt. Mit solcher Art Schusswundenverletzungen ist nicht zu spaßen. Lasst sie einfach liegen und schlafen wo sie jetzt ist. Ihr solltet sie nicht mehr bewegen. Sollte noch etwas sein, dann holt mich einfach wieder.“

 

„Ich danke dir Kurt! Wie immer ist Verlass auf dich. Komm möchtest du dich nicht setzen und ein Glas Wein trinken?“ Bot Annett an.

„Sonst gern! Aber heute bin ich etwas müde. Danke! Ich werde, sagen wir morgen im Laufe des Tages noch mal vorbeischauen.“ Verabschiedete sich der alte Arzt.

Noch ehe Laura ihre Dankbarkeit bekunden konnte war er schon entschwunden.

Dann eilte sie durch die Tür.

 

Cathy lag ruhig auf dem ihrem Lager und atmete gleichmäßig ein und aus.

Laura kniete sich neben ihr auf den Boden, hob ganz sanft deren Kopf in ihre Hände und begann zärtlich Cathys Wangen zu streicheln, dann küsste sie die Geliebte mehrfach auf Mund, Nase und Wangen.

 

Annett beobachtete diesen Vorgang durch den Türspalt und war aufs Tiefste gerührt von diesem Anblick, so dass sich ihr eine Träne aus dem Auge stahl.

„Ich werde bei ihr bleiben und an ihrem Lager wachen. Sollte sie etwas brauchen, bin ich gleich zur Stelle.“ Sprach Laura, dabei den Blick in Annettes Richtung gewandt.

 

„Es ist einfach nur phantastisch, wie du dich um sie sorgst. Ja, das ist Liebe. Aber ich muss dir, was die Wache betrifft widersprechen. Auch du hast anstrengende Tage hinter dir und brauchst Ruhe, wenn du es dir auch nicht eingestehen willst. Komm! Ich werde dir zeigen wo du schlafen kannst. Vorher kannst du gerne duschen, wenn du magst. Ich gebe dir alles was du brauchst.“

 

„Mach dir um mich keine Sorgen. Ich bin schlaflose Nächte gewohnt. Ich kann mich noch gut auf den Beinen halten.“ Während  Laura sprach fiel ihr der Kopf vor Müdigkeit auf die Brust.

„Ja, ich sehe wie munter du bist. Du kannst dich kaum noch auf den Beinen halten. Keine Widerrede, jetzt wird geschlafen. Aufauf. Ich werde noch eine Weile bei ihr wachen. Das verspreche ich dir.“ Annett lies nicht mit sich handeln.

 

Laura sah es schließlich ein und folgte. Nach einer ausgiebigen Dusche, die ihr wie eine echte Wohltat erschien schritt sie, nur mit dem Badetuch bedeckt in das Zimmer, dass ihr die Hausherrin vorher gezeigt hatte. Annett erwartete sie schon dort. Lies es sich nicht nehmen ihren Gast ein wenig trocken zu rubbeln bevor sie ihr ein Nachthemd überreichte.

„So ab in die Falle! Schlaf schön und träum was schönes! Ich geh noch mal kurz zu Cathy und sehe nach dem rechten.“

 

Laura folgte dem Befehl widerspruchslos, wie eine gehorsame Tochter der Mutter, schwang sich unter die Decke und lies sich von Annett zudecken.

Annett wandte sich zum gehen.

 

„Aber du rufst mich, wenn sie mich brauchen sollte!“ Schnellte Laura noch mal in die Höhe.

Annett kehrte um und drückte Laura sanft auf deren Lager zurück.

„Natürlich werde ich das tun. Du kannst dich auf mich verlassen.“

Schließlich verließ Annett endgültig das Zimmer und begab sich eine Treppe tiefer. Auf leisen Sohlen schlich sie sich noch einmal in das Wohnzimmer.

Cathy lag noch immer, ruhig atmend auf der Couch, den Brustkorb leicht hebend und senkend.

 

Annett zog bedächtig einen Stuhl heran und nahm an deren linken Seite Platz.

Ganz ruhig streckte sie die rechte Hand aus und fuhr mit dem Handrücken über Cathys Wange.

Der Anblick der friedlich schlafenden jungen Frau löste längst verschüttet geglaubte Gefühle in ihr frei.

Eine ganze Weile verbrachte die in die Jahre gekommen Frau am Krankenlager, blickte einfach nur auf dieses hübsche Gesicht und die Sehnsüchte bahnten sich dabei Stück für Stück ihren Weg.

 

Schließlich obsiegte auch bei Annett die Müdigkeit und es war Zeit sich zur Ruhe zu begeben.

Inzwischen war der Abend weit vorangeschritten. Schon tiefe Nacht. Kein Laut drang von draußen an ihre Ohren.

 

Annett betrat ihr Schlafzimmer und schwang sich in ihr Doppelbett, dessen linke Seite nun schon so lange verwaist war und einer neuen Benutzung harrte.

Sie war sehr müde, doch der Schlaf wollte sich nicht einstellen, zu aufgewühlt war ihre Seele.

Gefühle und Empfindungen waren freigelegt, die so lange im Reich des Unterbewussten geschlummert hatten, das Annett nie damit rechen konnte sich ihnen noch einmal  stellen zu müssen.

 

Die beiden jüngeren Frauen hatte die alte Sehnsucht aus deren Tiefschlaf geweckt, einfach nur durch ihr Erscheinen.

 

Es war wie damals, als Madleen zum ersten Mal mit Elena auf dem Hof erschien, seitdem waren einige Jahre vergangen. Annett kam es wie eine halbe Ewigkeit vor, andererseits aber auch als sei es am gestrigen Tag geschehen.

 

Annette hatte sich damals sofort in die wesendlich jüngere Frau verliebt. Elena wurde zu ihrem Star, der hell wie die Sonne in ihr Herz leuchtete. Nie hatte sie über ihre Gefühle für die Schwiegertochter offen gesprochen, das verbot ihr Stolz, ihre Zurückhaltung in solchen Angelegenheiten und die Liebe zu ihrer Tochter. Nie wäre sie imstande gewesen Madleen die Frau an ihrer Seite auszuspannen.

 

Seit jenen Tagen war sich Annett der tiefen Lücke bewusst, die sich in ihrem Leben auftat.

Die Sehnsucht nach einer Liebesbeziehung zu einer Frau blieb unerfüllt. Nie hatte sie mit einer geschlafen. Zwar gab es einige Liebkosungen mit der geliebten Schwiegertochter. Doch mit leidenschaftlichem Sex hatte das nichts zu tun. Elena war wie eine Göttin, anzubeten, aber unerreichbar.

 

Willig folgte ihr Annett damals in die Abtei, das spätere Anarchonopolis, nur um in deren Nähe zu sein. Die Gemeinschaft mit den Schwestern, der überwiegende Teil wesentlich jünger, tat ihr unendlich gut. Annett blühte auf. Ähnlich wie Colette die nur wenige Jahre jüngere Königin, wurde auch Annett zu einer wahren Hausmutter, einer Glucke gleich, die ihre Küken um sich versammelt um sie zu beschützen und um ihnen Gutes zu tun.

 

Sie genoss den Anblick der jungen Frauen und Mädchen, die sich in ihrer Gegenwart ungezwungen verhielten, sich entkleideten, badeten, mit einander flirteten. Oftmals und gern wurden die Dienste der Hausmutter in Anspruch genommen, wenn es etwa galt den zahlreichen Sportlerinnen unter den Schwestern schmerzende Muskeln zu massieren, wenn die ihr Training mal wieder übertrieben hatten, oder leichtere Wunden zu versorgen.

Ein tiefer Einblick in deren Intimsphären.

 

Bald kannte Annett die einzelnen Körper „ihrer Mädchen“ in und auswendig. Die hatten nichts dagegen einzuwenden. Es war ja nichts dabei. Es handelte sich ja um die Hausmutter.

Von der quälenden Sehnsucht der älteren Frau ahnte hingegen keine etwas.

 

Der langsam einsetzende Zerfall der Kommune traf Annett tief ins Herz. Die Tatsache, dass sich Madleen von der geliebten Schwiegertochter trennte um sich Cassian zuwandte brachte das Fass zum Überlaufen. Sie verließ die Abtei und kehrte auf den heimatlichen Bauernhof und zu ihrem Mann  zurück. Sie stellte fest dass sie sich noch immer gut verstanden. Sie begann ihre geheimen Gefühle zu verdrängen und wandte sich dem Alltag zu.

 

 

Alles schien geregelt und wieder in der alten Bahn zu verlaufen und es wäre auch weiter gut  gegangen doch dann starb Thorwald. Keiner mehr da der ihr Sicherheit und Halt bieten konnte. Einsamkeit legte sich zunächst  wie ein kalter Mantel auf ihr Herz. Doch auch damit schien sie nach einer gewissen Zeit klar zu kommen. Bis?

 

Ja, bis vor wenigen Stunden. Die beiden Flüchtlinge, denen sie Obdach und Sicherheit bot, hatten die verheilten Wunden mit einem Schlag erneut zum Bluten gebracht und das mit einer Heftigkeit, die sie nie für möglich gehalten hatte.

 

Es waren zwei Liebende, die sich gesucht und gefunden hatten, zwei die ein hartes Schicksal zusammengeführt und fest aneinander geschmiedet hatte.

Trotz der sehr unterschiedlichen Charakter und der gegensätzlichen körperlichen Erscheinung, schienen sie wie für einander geschaffen.

 

Laura die Kämpferin, die einstige Söldnerin mit den stahlharten Muskeln und dem stahlharten Blick. Sportlich- durchtrainiert, Konzentriert und ausgeglichen, eine Perfektionistin, stets bereit ihre Pflicht zu erfüllen, eine die es gewohnt war sich durchs Leben zu schlagen und die auch noch in den ausweglosesten Situationen eine Lösung fand. Hart gegen ihre Feinde und ebenso hart gegen sich selbst. Eine die ihre Gefühle und Wünsche zu verbergen verstand. Aber auch eine die von tiefer Einsamkeit erfüllt, erst langsam das Lächeln lernen musste.

 

Welch ein Gegensatz zu Cathy, jene Frohnatur, die mit ihrer heiter-beschwingten Art alle anzustecken vermochte. Die Prinzessin mit den großen frechen Kulleraugen und dem rabenschwarzem Haar, dem leicht-pummeligen Körper mit seinen herrlichen Rundungen und einer zarten weichen Ausstrahlung. Ein Mensch den man auf der Stelle lieb gewann, sobald man  nur ihm in die Augen sah. Ein Mensch aber auch anlehungsbedrüftig und Geborgenheit suchend.

 

Eben jene Geborgenheit fand sie bei Laura, ihrer Entsprechung. Dem Menschen, dem sie sich bedingungslos übergeben hatte.

 

Wer in der Beziehung dominierte war nicht schwer zu erraten. Aber die Dominanz die Laura über Cathy hatte war eine positive, eine die von tiefen Vertrauen und Respekt erfüllt war.

Nun waren sie hier und Annett beneidete beide für das was sie einander zu geben vermochten.

So wie es vor Jahren schon einmal bei Madleen und Elena der Fall war.

 

Warum nur war in ihrem Leben keine Cathy oder Elena aufgetaucht, eine Frau mit der sie alles teilen konnte, Leid und Freude gleichermaßen. Eine Gefährtin mit der sie Pferde stehlen konnte und in deren Armen sie all ihre Sehnsüchte auszuleben verstand.

 

Auch Laura hatte lange suchen müssen, bis ihr Fortuna Cathy in die Arme trieb.

Doch Laura war Anfang 40, Cathy Ende 20, der Alterunterschied also nicht so beträchtig.

Mit Anfang 40 lässt sich das Runder gerade noch herumreißen. Spät, aber nicht zu spät.

Aber mit 60? Waren in diesem Alter nicht, wie es im Volksmund so treffend heißt, längst alle Messen gelesen?

Gehörte sie nicht schon zum alten Eisen, das begann langsam vor sich hin zu rosten, bis nichts mehr davon übrig war?

 

Annett wälzte sich unruhig von der einen Seite auf die andere, bis sie es nicht mehr aushielt und sie sich schwungvoll aus den Federn hob. Sie schritt zum großen Spiegel am Kleiderschrank gegenüber und musterte, erfüllt von tiefen Minderwertigkeitskomplexen den Körper der sich ihr dort zu erkennen gab.

 

Sie betastete ihr Gesicht, die Fältchen waren unverkennbar, sie strich durch ihr langes lockiges Haar, das ihr weit über die Schulter reichte und das sie stets offen zu tragen pflegte.

Längst hatte die graue Farbe hier die Oberhand, wenn auch die tiefe Schwärze, die es einmal prägte noch nicht ganz verschwunden war.

Mit den Handflächen fuhr sie über ihre Brüste, noch immer straff und rund, doch wen konnte sie damit beeindrucken?

 

Gib mir meine Jahre zurück! Schenke mir meine Jugend wieder!  Wenn auch nur für einen Tag. Einmal noch das volle pralle Leben kosten dürfen. Sie wusste dass dieser Wunsch niemals in Erfüllung ging.

 

Jetzt saß sie hier, die weise Alte, einsam den Herbst des Lebens fristen, ohne Aussicht auf Veränderung.

Sie warf sich auf ihr Bett und versuchte in den Schlaf zu finden. Der aber  noch lange auf sich warten lies.

 

Die Sonne hatte ihre Himmelsbahn hinter dem wolkenverhangenen Himmel gerade begonnen, als sich Annett erhob um ihr Tagwerk zu beginnen.

Trotz des schlechten Schlafes war sie wach und bereit für den Tag, was auch immer dieser  im Gepäck hatte.

 

Gemächlichen Schrittes begab sie sich in die Küche um das Frühstück zu bereiten. Die beiden Besucherinnen schienen noch zu schlafen, jedenfalls war kein Laut von ihnen zu hören. Annett konnte sich Zeit lassen. Nachdem sie alles hergerichtet hatte, begab sie sich ein Stockwerk höher um nach Laura zu sehen.

 

Während Annett die Tür zu deren Zimmer öffnete fuhr Laura erschrocken in die Höhe, instinktiv suchte sie nach ihrer Waffe, die sich aber nicht finden lies. Nach kurzer Sammlung verstand sie schnell die Situation zu deuten.

 

„Guten Morgen Laura, habe ich dich erschreckt?“ Wollte Annette wissen.

„Ist es schon Morgen? Habe ich etwa verschlafen? Komisch, das ist mir noch nie passiert.

Gibt es etwas Neues? Wie geht es Cathy?“ Stammelte die Erwachte nacheinander.

„Es ist Morgen ja! Verschlafen? Keineswegs! Es gibt kein verschlafen hier! Nichts läuft dir davon. Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung. Deine Liebste schläft noch immer. Wir wollen sie auch noch schlafen lassen. Du aber kannst runterkommen, wenn du magst, das Frühstück  steht schon bereit.“ Lud die Hausherrin ein.

 

„Hey, das ist aber aufmerksam von dir. Danke! Ich werde mich ein wenig waschen, anziehen und dann nach untern kommen.“

„Apropos anziehen! Eure Sachen habe ich in die Wäsche getan, hatten es nötig. Ich habe dir etwas von meiner Schwiegertochter Valeria rausgelegt, dürfte dir passen, sie hat in etwa die gleiche Statur wie du. Wenn auch bei weitem nicht solche Muskeln. Bei Cathy dürfte es etwas schwieriger werden mit der Kleidung, ihre Figur ist deutlich anders. Doch da fällt mir ein ich müsste noch was von Madleen im Hause haben. Ja genau, das dürfte ihr passen.“

 

Laura staunte nicht schlecht. Annett schien auch an alles zu denken. Eben die perfekte Hausmutter.

„Ich danke dir!“

 

Nachdem Annett verschwunden war erhob sich Laura, begab sich ins Badezimmer und fand dort bereits die Sachen vor. Unterwäsche, eine enge ausgewaschene Bluejeans, ein schwarzes ärmelloses T-Shirt, dazu Stoffturnschuhe, die Laura aber nicht anzog, stattdessen lieber barfuss lief, es war immerhin  Sommer.

 

Als sie mit allem fertig war, band sie ihr langes glattes dunkelblondes Haar straff zu einem Pferdeschwanz nach hinten und begab sich nach unten in die Küche.

„Ah da bist du ja, komm setz dich ich schenke dir gleich Kaffee ein.“

„Das ist ja ein Service. Wäre doch nicht nötig gewesen, mach dir unseretwegen keine Umstände.“ Gab Laure zu verstehen während sie sich einen Stuhl heranzog und sich setzte.

„Ach was, sind keine Umstände.  Ich bin doch froh, endlich mal wieder Besuch im Haus zu haben. Ich habe das mein Leben lang getan.“

 

Laura begann sich ein Brötchen zu schmieren, schweigsam wie so oft. Annett suchte das Gespräch.

„Ich erinnere mich wieder genau an dich. Laura, die Frau die niemals lacht, so nannten wir dich damals. Du wirkest immer so  streng aber auch so traurig und irgendwie einsam.“

„Hmm, letzteres mag stimmen. Ich war einsam. Da gab es nichts zu lachen. Ich hatte es schier verlernt.“

 

„Das aber scheinst du überwunden. Ich habe gestern mehrfach ein leichtes Lächeln über deine Mundwinkel huschen sehen.“ Erinnert sich Annett.

„Das kann sein! Ich habe ja inzwischen allen Grund. Der wichtigste liegt trüben in deiner Stube auf dem Sofa.

 

Nach langer Irrfahrt hat mein Leben einen sicheren Hafen gefunden. Für sie lohnt es sich zu leben. Ohne sie wäre ich niemals geflohen, hätte mich stattdessen in mein Schicksal gefügt und wäre mit den anderen in den Tod oder die Gefangenschaft gegangen.“

 

Bekannte Laura und staunte selbst über diese Art von Offenheit, die eigentlich gar nicht zu ihr passte.

„ Und was wollt ihr jetzt anfangen. Hast du genaue Pläne, wo und wie du mit ihr leben willst?“ Bohrte Annett weiter.

 

„Keine Ahnung! Alles offen, alles ungewiss. Kaum eine Perspektive im Moment. Natürlich möchte ich mit ihr zusammenbleiben, möglichst ein Leben lang. Ein ganz normales Leben führen. Die Zweisamkeit genießen, jeden Tag bis zur Neige auskosten. Doch wir sind auf der Flucht, kein guter Moment um Pläne für die Zukunft zu schmieden.“

 

Laura senkte mutlos den Kopf.

„Na, jetzt seit ihr erst mal hier. Ich kann es nur wiederholen. Ihr könnt bleiben so lange ihr wollt. Ihr seid mir herzlich willkommen. Zeit in Ruhe zu überlegen wie es weitergehen könnte. Ja und was die Zweisamkeit betrifft, da hätte ich ein Angebot. Ihr könnt hier damit beginnen, euch aufeinander einzustimmen. Ich biete euch mein Schlafzimmer an. Dort findet ihr ein schönes breites und bequemes Doppelbett. Ich werde derweil in einem der Gästezimmer nächtigen.“

 

Annettes Angebot lies Laura aus allen Wolken fallen.

„Aber…aber das können wir unmöglich annehmen! Du bringst mich in Verlegenheit. Ich möchte dich auf keinen Fall vertreiben. Es ist dein Haus, wir sind nur Gäste. Natürlich ist die Vorstellung verlockend. Unsere bisherigen gemeinsamen Lager waren hart, schmal und unbequem.“

 

„Na also! Nimm das Angebot an. Verführ deine Schöne und lass dich von ihr verführen. Ich beschenke euch von Herzen.“ Begeisterte sich Annett.

„Ich weiß gar nicht was ich noch dazu sagen soll.“ Erwiderte Laura und strahlte dabei über ihr ganzes Gesicht.

 

„Gar nichts weiter! Genießt es einfach!“

Annette hatte gerade ausgesprochen, als aus dem Wohnzimmer ein lautes Gähnen drang.

„Aaaaaaaaahhh… Autsch!“

Vor Schreck ließ Laura den Löffel auf die Untertasse fallen und machte Anstalten sich zu erheben.

Doch Annett hinderte sie daran.

„Pssst! Lass mich nach ihr sehen!“

 

Annett erhob sich und ging auf das Wohnzimmer zu, schritt durch die Tür und fand Cathy sitzend vor. Ihre nackten Schultern wurden von ihrem sinnlichen pechschwarzen Lockenhaar umhüllt. Ihre Brüste hielt sie unter der Zudecke verborgen, am andern Ende lugten ihre nackten Füße hervor.

Annett schritt auf sie zu zwickte ihr kurz in den rechten großen Zeh, dann streichelte sie mit dem Handrücken wieder ihre Wange. Cathy strahlte über das ganze Gesicht, ein Zeichen, dass sie jene Berührungen sichtlich genoss.

 

„Guten Morgen mein Engel, wie geht es dir heute. Wir haben dein Stöhnen draußen gehört.“

„Ach, soweit ganz gut! Ist nicht passiert. Ich habe mich nur gestreckt und dabei meine Wunde an der Seite vergessen:“

 

„Na, da bin ich aber beruhigt. Also das Frühstück steht draußen bereit. Kannst du aufstehen? Wenn nicht kann ich dir auch was bringen.“

„Danke! Ich werde kommen. Dauert ein wenig aber ich schaffe es schon. Ist Laura schon unten?“

 

„Ja, sie erwartet dich schon. Also dann mach dich in Ruhe fertig. Es gibt keinen Grund zur Eile. Sag mal, was ich dich schon gestern fragen wollte. Deine schöne gleichmäßig gebräunte Haut ist mir aufgefallen. Das kann doch unmöglich nur von der Sonne kommen. Solarium?“

„Nein! Ist von Natur aus so. Ein Teil meiner Vorfahren stammt aus Somalia. Es schlägt noch deutlich durch.“ Klärte Cathy auf.

„Ja, jetzt, da du es sagst, klar. Sieht phantastisch aus.“

 

Nur zu gerne hätte Annett die gebräunte Schönheit unbedeckt betrachtet.

Stattdessen verschwand sie und ließ Cathy die nötige Ruhe um im Tag anzukommen.

Nach einer kurzen Weile erschien die noch etwas verschlafen wirkende vorsichtigen Schrittes und nahm an der gedeckten Tafel direkt neben Laura Platz.

 

Sie hatte sich in den Morgenmantel gekleidet, den Annett ihr zur Verfügung gestellt hatte.

„Guten Morgen mein Schatz, wie geht es dir? Hast du gut geschlafen? Noch Schmerzen?“ Begrüßte sie Laura, legte sanft ihren Arm um Cathys Schulter. Diese lehnte sich an die Geliebte. Laura strich mit der Handfläche über deren Wange, drehte zärtlich deren Kopf und gab ihr einen leidenschaftlichen Kuss.

Annett blickt wie gebannt auf diese Szene absoluter Hingabe. Das Feuer in ihrem Herzen drohte sie innerlich zu verbrennen.

 

„Komm, ich schmiere dir ein Brötchen!“ Bot Laura an.

„Hey lass nur. Ich mache das schon. Ich bin noch nicht halbtot. Aber Kaffee kannst du mir einschenken.“ Lehnte die Angesprochene ab.

 

Laura tat wie ihr geheißen.

„Das ist ja wie im Grandhotel. Danke dir Annett! Gab Cathy zu verstehen und fügte sogleich noch hinzu.

 

„Warum bist du so lieb zu uns? Du kanntest uns doch gar nicht. Das ist wirklich toll.“

„Keine Ursache, dass habe ich deiner Frau schon erklärt. Weißt du es tut einfach gut wieder ein paar Mädels um mich zu haben. Ach wie sehr habe ich das vermisst. Das ist mir erst in der Nacht so richtig bewusst geworden.“

 

„Stell dir vor, Annett hat uns doch tatsächlich angeboten ihr Schlafzimmer zu bewohnen um ihr Doppelbett zu benutzen.“ Klärte Laura auf.

„Waaaas? Aber das ist ja… phantastisch. Ich weiß gar nicht was ich darauf antworten soll?“ Begeisterte sich Cathy. Dann erhob sie sich schritt um den Tisch und fiel, ungeachtet der noch vorhandenen Schmerzen Annett um den Hals und küsst sie. Annett schien wie versteinert, so tief fühlte sie sich erregt.

 

„Es freut mich doch wenn ich euch helfen kann richtig zusammenzukommen. Laura hat mir schon erzählt wie beengt ihr bisher gewohnt habt. Da könnt ihr euch schon mal richtig ausprobieren. Quasi Probe liegen für die gemeinsame Zukunft.“ Erwiderte die Hausherrin, nach dem sie die Fassung wieder erlangt hatte.

 

„Eh, das ist echt lieb von dir. Huch, mir gribbelt und grabbelt es schon am ganzen Körper wenn ich an Lauras Berührung nur denke.“ Lies Cathy ihren Gefühlen freien lauf.

„Natürlich muss erst deine Wunde richtig heilen, bevor wir daran denken können.“ Gab Laura zu bedenken.

„Denken müssen wir aber auch noch an etwas anders.“ Fuhr sie fort.

 

„Zum Beispiel wie es weitergehen soll. Gut, fürs erste bleiben wir. Du musst dich richtig erholen Cathy. Aber wir können nicht ewig bleiben, auch wenn wir hier vorerst sicher sind.

„Ich sagte schon ein paar Mal. Bleibt solange ihr mögt. Wenn es länger dauert, dann soll es eben so sein.“ Erneuerte Annett ihr Angebot.

 

„Am Anfang mag das funktionieren. Aber mit der Zeit? Also wir können doch nicht nur faulenzen. Ich für meinen Teil brauche immer was zu tun. Ich kann nicht einfach nur die Zeit totschlagen.“ Gab Laura zu bedenken.

„Also darüber brauchst du dir nicht den Kopf zu zerbrechen. Zu tun gibt es hier immer, mehr als genug. Keine Sorge, die Decke wird dir bestimmt nicht auf den Kopf fallen.“ Versuchte Annett Lauras Ängste zu zerstreuen.

 

„Ach ja, lass uns bleiben! Es gefällt mir hier sehr. Es ist so schön hier. Annett hat Recht, wir können uns nützlich machen und außerdem probieren ein richtiges Paar zu werden, mit allem was dazu gehört.“ Drängte nun auch Cathy die Geliebte.

„Na gut, dann versuchen wirs! Aber trotzdem heißt es auf der Hut zu sein. Stets wachsam, Augen und Ohren offen halten.“ Aus Laura sprach die erfahrene Kämpferin.

 

Nachdem sie zu Ende gefrühstückt hatten, räumten sie alles bei Seite. Annette besorgte die versprochen Kleidung für Cathy und Laura half ihrer Gefährtin beim anziehen.

 

„Sag mal, wollen wir ein wenig  nach draußen gehen. Ich denke die frische Luft wird dir gut tun. Wir laufen natürlich nur so weit, wie es deine Kräfte zulassen.“ Erkundigte sich Laura und Cathy willigte ein.

Sie erkundeten im Anschluss leichten Schrittes die unmittelbare Umgebung, den Innenhof, die angrenzenden Nebengelasse, Ställe, Werkstätten und was sonst noch so dazu gehörte.

 

Dabei immer wieder eine Rast einlegend, genügend Bänke standen hierfür zur Verfügung.

Die Sonne hatte in der Zwischenzeit ihren Höchststand erreicht und übergoss die Landschaft mit ihren wärmenden Strahlen. Eine Lerche erhob sich von einer angrenzenden Weide und zwitscherte dem nahen Mittag ihr Lied entgegen.

 

„Schön ist es hier, wirklich schön. Hier halte ich es bestimmt eine Weile aus.“ Bekannte Cathy.

„Ja, mir gefällt es auch. Die abgelegene Lage wirkt sich zudem sehr günstig für uns aus. Bis sich die Wogen wieder etwas geglättet haben. Hier sind wir tatsächlich in Sicherheit.“ Stellte Laura fest.

„Was wird wohl aus den anderen geworden sein. Ob sie die erwischt haben?“ Wagte Cathy die quälende Frage offen auszusprechen.

 

„Wir haben lange keinen Nachrichten mehr gehört oder gesehen. Ich denke, die werden das in aller Ausführlichkeit ausschlachten. Dann haben wir Gewissheit. Auf der anderen Seite bin ich gar nicht so erpicht darauf die Einzelheiten zu erfahren.“

Lauras Antwort war nicht sehr erbaulich und Cathy lies betrübt den Kopf hängen.

„Lass uns nicht darüber sinnieren, wir helfen den andern nicht indem wir Trübsal blasen. Komm lass uns noch ein Stück gehen, den Tag genießen, bevor wir uns wieder nach drinnen begeben.“ Versuchte Laura das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.

Cathy stimmte zu und sie setzten ihren Weg fort.

 

Sie verweilte sich noch eine Zeit auf dem Hof. Als sie sich dem Wohnhaus näherten war es bereits Mittagszeit. Beim Betreten kam ihnen ein appetitanregender Duft aus der Küche entgegen. Annett hatte den Mittagstisch bereitet.

Beide nahmen bereitwillig Platz.

„Es gibt Bohneneintopf. Ich hoffe er schmeckt euch.“ Klärte Annett über das Mittagsmenü auf.

 

„Wir essen alles! Wenn es so gut schmeckt wie es duftet, dann ist das viel versprechend.“ Erwiderte Laura.

„Also, ich habe mir das ganze Gehöft genau angesehen. Ich hätte große Lust hier ein wenig mitzuhelfen. Wenn du nichts dagegen hast. Die Arbeit wird mir gut tun und mich auf andere Gedanken bringen. Es gibt in der Tat einiges zu schaffen hier.“ Bot sich Laura an.

„Ja, richtig! Nur zu! Hilfe können wir immer gebrauchen. Und wenn du es gerne tust, wunderbar. Mein Sohn und meine Schwiegertochter werden sich darüber freuen, wenn sie wieder da sind.“ Stimmte Annett sogleich zu.

 

„Ich möchte aber auch was tun und nicht nur rumsitzen und warten bis Laura zurück ist. Ich könnte dir im Haushalt ein wenig zur Hand gehen.“ Schlug Cathy spontan vor.

„Auch das bekommen wir hin. Aber zunächst musst du wieder richtig gesund werden. Wenn die Wunde abgeheilt ist, werden wir weitersehen.“ Die Aussicht dieses junge hübsche Wesen in direkter Nähe zu haben stimmte Annett ausgesprochen fröhlich.

 

Trotzdem merkte man ihr an, dass sie etwas innerlich verarbeiten musste, was ausgesprochen negativer Natur zu sein schien.

„Ist irgendetwas? Du siehst niedergeschlagen aus. Schlechte Nachrichten?“ Schätzte Cathy die Situation ganz richtig ein.

 

Annett hob den Kopf.

„Nun ich wollte es euch gestern schon sagen. Ihr wart die letzten Tage von der Außenwelt abgeschnitten und hattet keinen Zugang zu den Medien. Die Nachrichten berichten permanent davon. Ich möchte euch den Appetit nicht verderben. Aber die meisten eurer Gefährtinnen sind bei der Aktion ums Leben gekommen.“

 

Schweigen senkte sich herab. Die beiden löffelten weiter ihre Suppe. Cathy wische sich mit dem Zeigefinger eine Träne aus dem linken Auge.

„Das ist nicht überraschend. Damit habe ich die ganze Zeit gerechnet. Naja, aber so haben sie es wenigstens hinter sich. Besser so, als in Gefangenschaft zu kommen.“ Lautete Lauras Reaktion kurz und knapp.

 

„Also einige haben es überlebt. Auch Dagmar ist unter ihnen.“ Setzte Annett ihre Berichterstattung fort.

Vor Schreck lies Laura den Löffel fallen und starrte wie gebannt auf die Tischplatte.

„Laura, was ist mit dir. Sag doch, was hat das zu bedeuten?“ wollte Cathy wissen.

„Nichts gutes, befürchte ich!“ Gab Annnett zu verstehen.

 

„Was…. Was werden sie jetzt mit ihnen machen, mit Dagmar und den andern die sie erwischt haben?“ Furcht sprach aus Cathys Worten.

„Nun, das liegt doch wohl auf der Hand. Die werden sie foltern, Dagmar und die andern. Missbrauchen, demütigen, die ganze Palette eben.“ Glaubte Laura zu wissen.

„Oh dass ist ja furchtbar! Ich wage mir das gar nicht vorzustellen. Schrecklich, entsetzlich.“

Cathy vergrub ihr Gesicht in den Handflächen.

 

„Aber warum? Geständnisse zu erpressen? Das ist doch wohl unnötig. Die wissen doch alles und Dagmar wird ihnen doch alles sagen was wichtig ist. Die Dinge liegen auf der Hand.“

Versuchte Annett einen Einwand.

 

„Darum geht es nicht. Die wollen die Schwestern demütigen, ihre Seele brechen. Dazu ist denen jedes Mittel recht.  Ja vor allem Dagmar, die stolze, aufmüpfige Dagmar.“

Laura hatte es erfasst.

„Dagmar ist stark! Sie wird ihnen widerstehen?“ Versuchte Cathy sich zu trösten.

„Am Anfang vielleicht. Aber eine Woche auf der Folter wird auch Dagmar brechen. Danach wird sie denen wie ein Lämmchen aus der Hand fressen und alles tun was die von ihr verlangen.“

 

Das klang ausgesprochen deprimierend. Dem entsprechend sank die Stimmung in den Keller.

Die Suppe schmeckte nun nicht mehr halb so gut als am Anfang der Mahlzeit. „Das arme arme Ding,“ wagte Annett schließlich das Schweigen zu durchbrechen.

 

„Ähnlich wie bei dir Laura, hatte ich zu Dagmar nur wenig Kontakt. Eher flüchtig. Aber ihre dominanten Auftritte sind mir noch in Erinnerung. Aggressiv und hemmungslos, so erschien sie mir. Rebellisch in jeder Faser ihres Daseins. Es war eine Mischung aus Abscheu und Faszination die sich in mir regte. Ich lehnte vieles was ab sie sagte und tat. Aber die selbstsicher Art wie sie auftrat imponierte mir letztendlich doch.“

 

„Das werden sie ihr gründlich austreiben. Sollte sie überleben, werdet ihr sie nicht wieder erkennen. Da wird sie eine andere sein. Keine Ähnlichkeit mehr mit dem Wesen von einst, dessen könnt ihr euch sicher sein.“ Meinte Laura und die musste es schließlich wissen.

 

„Jetzt da ich überlegt habe fällt mir auch wieder ein, dass ich ihr meine Bewunderung mitteilen wollte, aber auch meine Kritik. Ich tat es nicht, heute bereue ich das zutiefst. Ich werde nun nicht mehr dazu kommen.“ Bedauerte Annett. Sie konnte zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht ahnen welch herausragende Rolle Dagmar in ihrem Leben noch spielen sollte.

Cathy begann zu weinen.

 

„Das ist alles so furchtbar. Ich darf gar nicht daran denken, wenn ich an ihrer Stelle wäre. Ich würde die Folter keine Stunde durchhalten, dann würde ich schon schlapp machen.“

„Was glaubst du warum ich so darauf gedrungen habe, dass du dich zur Flucht entschließen konntest. Ich habe Blut und Wasser geschwitzt. Stets das Bild vor Augen, wie sie deinen Körper malträtieren. Natürlich hättest du das nicht lange durchgehalten.“

 

 

Der Gedanke an Dagmar und die anderen wenigen überlebenden haftete bleischwer auf den Seelen und überschatteten ein wenig die Freude über die vorübergehende neue Heimat der Verfolgten.

Die sich anschließenden Tage verliefen ruhig und ohne größere Zwischenfälle.

 

Cathys Wunde heilte gut und bald konnte sie sich wieder zwanglos bewegen, half wie versprochen  Annett im Haushalt mit, während sich Laura gemeinsam mit Annetts Sohn Robert und dessen Frau Valeria auf dem Hof beschäftigte. Laura war zum Erstaunen der beiden technisch sehr begabt und verstand es gut mit den landwirtschaftlichen Geräten umzugehen. Problemlos steuerte sie den Traktor und den großen LKW. Auch bei diesen Tätigkeiten haftete an ihr die Aura der unerschrockenen Kriegerin.

Dass sie dabei ins Schwitzen kam und auch häufig schmutzig wurde, störte dabei kaum. Kam sie ins Haus wurde sie dort schon von Cathy erwartet, die ihr das Badewasser eingelassen hatte um sie in der Wanne zu verwöhnen.

 

Dann saßen sie mit Annett und den anderen beim Essen zusammen und erzählten meist bis tief in die Nacht.

Schließlich erwartete Laura und Cathy ein bequemes Doppelbett und sie konnten sich endlich wieder leidenschaftlich lieben. Das Verlangen war groß und konnte kaum gestillt werden.

  

Etwa zwei Wochen waren sie nun schon hier und der Abend zog sich in die Länge.

Robert und Valeria hatte sich bereits zurückgezogen, während Annett mit den beiden Gästen noch im Wohnzimmer saß. Das Herz ging ihr auf und sie berichtete freimütig von ihren Gefühlen. Leiden und Sehnsüchten. Stets darauf bedacht, nicht all zu viel von sich preiszugeben, was ihr aber nur schwerlich zu gelingen schien.

 

„In Gedanken bin ich noch immer in der alten Abtei, schade dass du sie nicht kennen lernen konntest Cathy, das Leben hätte dir dort sicher gut gefallen. So bunt, so vielseitig, da konnte sich jede und jeder nach Kräften einbringen.“ Schwärmte die Hausherrin von der alten Zeit.

„Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Gern wäre ich dabei gewesen. Was glaubt ihr? Wird es je wieder dazu kommen?“ Versuchte Cathy in Erfahrung bringen.

 

„Schwer zu sagen! Im Moment sieht es wohl eher nicht danach aus. Cassian sitzt noch fest im Sattel. Erst wenn er von der Bühne verschwunden ist können wir an Rückkehr denken. Naja und Elena fehlt an allen Ecken. Ich kann mir nicht vorstellen, das wir ohne sie das Leben dort in der gewohnten Weise wieder aufnehmen können.“ Mutmaßte Laura.

„Das hört sich sehr traurig an!“ Seufzte Cathy.

„Ja, ohne Elena ist das Leben nur die Hälfte wert. Könnte ich doch nur in Erfahrung bringen ob und wo sie lebt. Die Tatsache dass sie nicht mehr am Leben sein soll, raubt mir den Verstand.“

Brach es aus Annett hervor.

„Madleen, diese dumme Pute, hat mit Elena den Himmel auf Erden. Die beiden waren ein Traumpaar. Ihr hätte sie sehen sollen. Ein Herz und eine Seele. Für einander geschaffen. Wenn ich euch zwei so vor mir sehe, ihr erinnert mich stark an die beiden.“

Cathy und Laura zwinkerten sich lächelnd zu.

 

„Was tut meine bescheuerte Tochter, sie lässt die Traumfrau an ihrer Seite im Stich und wirft sich diesem Typen an den Hals, diesem miesen Tyrannen, der nur Unheil verheißt. Oh, ich könnte Madleen übers Knie legen, jeden Tag aufs Neue.

Fuhr Annett fort und steigerte sich dabei in Rage.

 

„Aber Colette ist noch da und wie ich gehört habe, soll die ja die Gemeinschaft im Exil ganz gut zusammenhalten.“ Wandte Laura ein.

„Ja, das tut sie auch nach besten Kräften, Colette ist eine ganz liebe. Aber sie ist nicht gesund und außerdem nicht der Typ für große Auseinandersetzungen. Elena fehlt und ist nicht zu ersetzen. Zum Glück hat Colette zwei Menschen an ihrer Seite, die sie lieben und tatkräftig unterstützen.“

 

„Du meinst damit Betül und Androgyna? Ach Mensch, wie gerne würde ich die alle persönlich kennen lernen.“ Bedauerte Cathy.

„Das wirst du, Schatz, da bin ich fest davon überzeugt. Nichts wird so bleiben wie es ist. Auch Cassian wird eines Tages stürzen, so wie alle Diktatoren und Tyrannen vor ihm.“

„Dein Wort in Gottes Ohr, Laura. Ich sehne mir den Tag herbei, wann immer ich daran denke.“ Beschwor Annett.

 

Auch dieser Abend zog sich in die Länge. Annetts Mitteilungsbedürfnis war sehr groß.

Es gab ja auch jede Menge Anliegen die ihr auf dem Herzen brannten.

 

„Hast du Thorwald noch kennen gelernt Laura. Ich denke, er hat die Abtei besucht als du noch dort lebtest?“

„Hmm, da muss ich genau überlegen. Ja, ja es kann sein! Wenn mir sein Gesicht auch nicht mehr so vor Augen erscheint.“ Gab die Angesprochene zur Antwort.

„ Nun, das ist nicht so entscheidend. Thorwald war ein guter Mann. Ja, ich hatte ein gutes Leben mit ihm, zweifelsohne. Nachdem Zusammenbruch der Kommune von Anarchonopolis war ich froh hierher zurückkehren zu können. Alles lief wieder so wie früher und ich hatte mich damit schon fast abgefunden. Er war an meiner Seite und gab mir Halt und Geborgenheit. Dann, von einem auf den anderen Moment ist er nicht mehr da.“

 

„Wie, wie ist er denn gestorben? Oh bitte entschuldige! Das ist mir jetzt nur so herausgerutscht. Wenn es dir wehtut darüber zu reden, dann ignoriere einfach meine Frage.“

Cathy bis sich auf die Zunge.

 

„Nein, nein, es tut nicht weh! Es gibt keinen Grund sich zu entschuldigen. Ich kann darüber sprechen und es tut mir sogar gut. Der Tag wird mir in ewiger Erinnerung bleiben. Es war ein schöner Tag im Frühherbst. Die Blätter begannen sich langsam zu färben. Es ist Mittagszeit. Er kommt nach Hause so wie immer. Das Essen habe ich schon bereitet.

Komm rein, alter Brummbär begrüße ich ihn, das Essen steht schon auf dem Tisch.

Danke, erwidert er, ich muss mich nur mal einen Moment ausruhen, mir ist irgendwie schwindelig. Ich setz mich kurz ins Wohnzimmer, wird schon wieder.

Ich lasse ihn. Nach einer Weile rufe ich. Thorwald sage ich, komm rüber, das Essen wird kalt!

Keine Reaktion! Ich rufe noch mal, doch er antwortet wieder nicht. Nanu, sage ich mir. Was ist da los? Ich gehe ins Wohnzimmer. Da sitzt er friedlich auf seinem Lieblingssessel und ist eingeschlafen. Er atmet nicht mehr. Ich weiß, er wird nie mehr aufwachen. Es ist vorbei. Gestorben! Einfach so!

 

Annett senkte den Blick zur Tischplatte und die Tränen bahnten sich ihren Weg. Cathy griff nach ihrer rechten Hand und drückte sie ganz fest. Annett erwiderte den Druck. Eine Weile des Schweigens folgte.

 

„Danke, dass ihr gekommen seid. Ihr habt meinem Leben wieder ein stückweit lebenswerter gemacht. So wie damals Elena. Ich glaube nicht mehr an Zufälle. Es sollte wohl so sein.“

Laura erhob sich, schritt um den Tisch, zog sich einen Stuhl heran, platzierte sich an Annetts linker Seite, griff nach deren linker Hand und drückte diese. So saßen sie eine Weile.

 

„Das Schicksal hat uns hierher geführt! Das mag sein! Ich habe Elena früher nicht verstanden, ähnlich wie Dagmar konnte ich mit ihrem Mystizismus nicht all zu viel anfangen. Langsam beginne ich zu begreifen. Ja, du hast Recht, es musste wohl so kommen. Was dich betrifft Annett, du gehörst nach Anarchonopolis, ganz gleich wo immer es sich auch befinden mag. Dort wirst du eine ganz wichtige Aufgabe haben. Einfach für die jungen Frauen und Mädchen da zu sein. Die werden dich dafür verehren.“

 

„Ja, dass wäre wunderbar. Wenn auch meine geheimsten Wünsche dabei auf der Strecke bleiben. Wünsche, denen ich mich hier entziehen konnte.“ Entgegnete Annett.

„Ich beginne zu begreifen! Es fällt mir wie Schuppen von den Augen. Eine Ahnung kam mir schon damals, als wir noch zusammen waren. In Anarchonopolis. Du wünschst dir eine Beziehung zu einer Frau?“ Lauras Frage traf den Punkt.

Annett nickte deutlich mit dem Kopf.

„Ja! Ja! Du sprichst es aus! Mit jeder Faser meines Lebens. Der Stachel sitzt tief und verwundet mich Tag um Tag. Wenn ich euch so betrachte, wie ihr zueinander steht, wie ihr euch liebt, einander tragt, euch ergänzt. Es erfüllt mich mit großer Freude aber zerreißt mir andererseits auch das Herz. Denn ich weiß, es ist wohl zu spät für mich. Der Abend des Lebens senkt sich herab. Er steht schon vor der Tür und fordert erbarmungslos sein Recht.“

 

Wieder trat Stille ein, zunächst wagte keine der beiden etwas dazu zu sagen.

 

„Aber warum denn?“ Wagte Cathy in ihrer Unbekümmertheit den Ausbruch. „Du bist noch immer eine attraktive Frau. Weshalb sollte es keine für dich geben? Du bist für mich alles andere als eine alte Oma. Auch du kannst dein Glück noch machen!“

„Würdest du mich denn wollen? Wenn du frei wärst und Laura nicht in dein Leben getreten wäre?“ Eine Frage die Cathy in tiefe Verlegenheit brachte.

„Ich… ich weiß nicht. Ich meine, ich könnte…“

Laura warf der Geliebten einen ernsten Blick zu, der ihr zu schweigen gebot.

 

„Lass nur! Du brauchst dich nicht zu schämen. Ich nehme es dir nicht übel. Macht euch keine Gedanken um mich ihr zwei. Ist alles in Ordnung. Ich werde schon damit fertig. Keine Angst.

Mir bleiben meine Träume und die sind schön und werden es bleiben.“ Versuchte Annett zu beschwichtigen. Doch so recht glauben, mochten es die beiden nicht.

 

Auch als sich Laura und Cathy zu Bett begaben, bestimmte der tiefschürfende Trialog mit Annett noch weitgehend ihre Gedankengänge. Sie fieberten dem Liebesakt entgegen, dem sie sich gleich in aller Süße hinzugeben gedachten, doch beide überkam auch ein schlechtes Gewissen.

Nachdem sie sich entkleidet hatten, schlüpften sie unter die Decke und schmiegten sich eng aneinander.

 

„Du siehst so betrübt aus Liebste. Bedrückt dich etwas?“ Wollte Laura wissen während sie ihren rechten Arm um Cathy legte, sie zu sich zog und begann mit der linken Handfläche deren Brüste zu streicheln.

„Ich kann einfach nicht vergessen, was Annett da eben gesagt hat. Sie tut mir so leid. Und wir? Wir liegen einfach hier, benutzen ihr Bett in ihrem Schlafzimmer, wir werden uns gleich heftig lieben und was tut sie? Sie liegt allein, niemand der ihr Liebe und Zärtlichkeit zu schenken vermag. Du, da bekomm ich echt ein schlechtes Gewissen.“

Laura richtet sich auf.

 

„Hmmm, da sprichst du einen wunden Punkt an. Glaub nur ja nicht dass das an mir vorbei gegangen ist. Willst du damit sagen, dass wir es ihr zu liebe sein lassen sollen? Wäre eine Möglichkeit. Doch andererseits, was erreichen wir damit? Wir werden Annett damit nicht helfen.“

„Natürlich meine ich das nicht!“ Cathy zog ihre Frau wieder zu sich.

„Sie würde das von uns mit Sicherheit nicht verlangen. Es ist eben nur so traurig. Sie hatte einen guten Mann an ihrer Seite, den sie verloren hat. Da  hat sie zumindest gute Erinnerungen. Kann ich von mir nicht sagen. Mein Mann war der totale Langweiler. Und die Typen, die ich vorher kannte, waren auch nicht  besser Sie hatte noch nie eine Frau. Gut, auch ich hatte vor dir noch keine, aber ich bin 28 und es kommt mir schon so vor als ob ich unendlich viel versäumt habe dass es nachzuholen gilt. Aber mit 60? Meine Güte, das ist spät. Kaum noch Aussicht auf Erfüllung.“

 

„Ich verstehe dich ja. Ich hatte einige im Leben, doch das waren nur flüchtige Beziehungen, ohne wirklichen Tiefgang. Hättest du nicht meinen Weg gekreuzt, hmm, womöglich wäre ich in einigen Jahren auf der gleichen Stelle wie Annett.“ Gestand Laura während sie damit begann mit Daumen und Zeigefinger Cathys Brustwarzen zu kneten.

Diese streckte die Arme weit nach hinten. Ich will mehr bedeutet diese Geste, die Laura mittlerweile richtig einzuschätzen verstand. Laura zog die Decke beiseite und entblößte damit Cathys nackten Körper vollständig.

 

Endlich hatten sie ausreichend Platz für ihr umfangreiches Liebesspiel das oftmals bis tief in die  Nacht andauerte. Jener Umstand, den sie lange sehnlich herbei gewünscht hatten.

 

„Was meinst du wie lange wir noch hier bleiben können? Es gefällt mir ausgezeichnet. Aber Annetts Gastfreundschaft weiter ausnutzen und ihr auch noch die Nase lange machen. Ich weiß nicht. Ist mir schon unangenehm.“ Gestand Cathy, steckte die Arme weiter nach hinten. Laura fuhr nun mit den  Handflächen über die Brüste der Geliebten bis sie diese waberten. Dann glitt sie weiter den Körper hinab und packte mit ihren kräftigen Händen Cathys fein geschwungene Hüften.

 

„Nimm es so wie es ist. Genieße, genieße und genieße. Bald schon kann es damit vorüber sein. Wir sind erst mal hier, sind in Sicherheit, haben ein Dach über dem Kopf, ausreichend zu essen. Was willst du mehr? Sei gewiss, dass ich mir fortlaufend Gedanken darüber mache, wie es weitergehen soll. Aber bis ich eine Lösung gefunden habe wird noch Zeit verstreichen.“

Laura presst ihren Mund auf Cathys Bachnabel und küsste diesen mit Leidenschaft, dann arbeitet sie sich weiter zu deren Schenkel. Mit ihrer Zunge stimulierte sie nun Cathys Klitoris und brachte ihre Frau damit dem Höhepunkt entgegen.

 

Als der Morgen sich anschickte die Nacht endgültig zu vertreiben, lag Cathy schon lange wach und blickte, dabei auf dem Bauch liegend, aus dem Fenster, das sich direkt hinter der Kopfseite des Bettes befand. Die Beine hatte sie angezogen und baumelte mit den Füßen in der Luft. Laura schlief noch, leicht hob und senkte sich der Brustkorb mit den straffen Brüsten.

Cathys lies ihren Blick über den Hof gleiten, auf dem es noch ruhig zuging. Nur das laute Gegacker der Hühner war zu vernehmen, die schon fleißig beim Eierlegen waren.

Schon in absehbarer Zeit würde hier geschäftiges Treiben herrschen.

 

 Nach einer Weile kroch Cathy zu ihrer Frau, beugte sich über ihr Gesicht und begann sie zu küssen, dabei fiel ihre schwarze Lockenmähne herab und umhüllte Lauras Gesicht vollständig ein.

Von diesem Guten Morgenkuss zärtlich geweckt, stöhnte die Kriegerin sanft auf und streckte ihre Arme weit zur Seite aus.

 

„Hmm, so geweckt zu werden. Da kann es nur ein guter Tag werden.“ Meinte Laura mit einem süßen lächeln auf den Lippen.

„Das will ich wohl meinen. Aufstehen meine Schlafmütze, der Tag wartet darauf von uns erobert zu werden.“ Cathy setzte sich auf Lauras Bauch und streckte deren Arme weit nach hinten. Dabei trat Lauras kraftvolles Muskelgeflecht deutlich hervor.

„Wow, wer ist von uns wohl die größere Schlafmütze. Ansonsten bist du es die morgens nie aus den Federn findet.“

Laura löste sich und ihre starken Hände griffen nach Cathys runden Pobacken. Die Finger bohrten sich tief in die apfelförmige Rundung.

 

„Na warte!“

Laura wandte blitzschnell um und schon hatte sie Cathy unter sich. Schon schien alles wieder seine Ordnung zu haben. Laura wusste ihre dominante Rolle geschickt zu behaupten, Cathy kostete ihre devote in vollen Zügen aus.

Sie kicherte wie ein Teenager vor dem ersten Rendezvous.

„Lass mich zuerst ins Badezimmer. Du weißt, ich bin ein klein wenig schneller fertig mit der Katzenwäsche als meine schöne Dame.“ Schon hatte Laura das behagliche Schlafgemach verlassen und eilet dem Bad entgegen, dass sie über den Flur erreichte.

Cathy ließ sich zurück in die Federn fallen.

Es schien in der Tat ein guter Tag zu werden. Kein Platz für Tränen.

 

Beide schritten schließlich die Treppe hinab, der Duft von Kaffee und frischen Brötchen stieg ihnen in die Nase und regte den Appetit an.

Als sie die Tür zu der rustikalen Bauernküche öffneten hatten sie die anderen schon versammelt.

Annette wirbelte wie so oft in der Frühe wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Gegend.

 

„Setzt euch, ihr zwei und bedient euch. Ihr wisst ja inzwischen Bescheid.“ Forderte Annette auf.

Die beiden gehorchten und ließen sich an dem großen runden Eichenholztisch nieder.

„Setz dich doch erst mal, Mutter. Wir haben doch einiges zu besprechen. Das hat doch Zeit bis nachher.“ Rief Valeria, Annetts Schwiegertochter in den Raum.

„Na gut!“

Annett zog einen Stuhl heran und platzierte sich neben Laura.

„Es gibt Neuigkeiten. Ich denke das dürfte für euch von großer Wichtigkeit sein.“ Sprach Robert, Annetts Sohn zu den beiden Gästen.

„Neuigkeiten, da  bin ich mal gespannt. Wie ich vermute negative!“ erahnte Laura.

 

„Nun, wie man es nimmt! Stellt euch vor Madleen hat mit mir Kontakt aufgenommen und sich nach langer Zeit endlich gemeldet.“

„Wirklich, aber das ist ja großartig!“ Begeisterte sich Cathy.

„ Natürlich ist das ein großes Glück für mich, doch der Anlass ist besorgniserregend.“ Fuhr Annette fort.

„In wie fern?“ Hakte Laura gleich nach während sie sich einen Kaffee einschenkte.

„Sie hat zwar nur wage Andeutungen gemacht, aber ich konnte gleich erraten was sie im Schilde führt. Der Hochzeitstermin mit Cassian steht bevor. Noch einmal wird er den nicht verschieben. Das kann er sich nicht leisten, da würde er sein Gesicht verlieren.

 

„Mutter rede doch nicht so lange um den heißen Brei, komm doch endlich mal auf den Punkt.“ Schlug Valeria sichtlich genervt vor.

„Aber das tue ich doch schon die ganze Zeit. Madleen wird, so wie es aussieht die Hochzeit platzen lassen. Sie will dieses Scheusal vor aller Welt der Lächerlichkeit preisgeben, wird ihm vor aller Öffentlichkeit einen Korb geben. Sie wird nicht seine Frau, versteht ihr?“

 

„Aber das ist doch eine gute Nachricht. Das hast du dir doch immer gewünscht. Nun kann sie sich aufmachen nach Elena zu suchen und am Ende wird vielleicht doch noch alles gut.“ Glaubte Cathy zu wissen.

„Verstehst du denn nicht was das bedeutet? Dann sind wir alle in großer Gefahr. Cassian hat keinen Grund mehr Annett, ihre Familie und eventuelle Gäste zu schonen:“ Schätze Laura, die Lage gleich richtig ein.

Daraufhin lies Cathy betrübt den Kopf hängen um das Gehörte erst einmal zu verdauen.

„Das hast du richtig erkannt. Wir werden hier nicht mehr sicher sein, wir alle nicht. Eine Flucht ist wohl unausweichlich.“ Erklärte Annett mit Tränen in den Augen.

 

„Hier weg? Gerade vor wenigen Minuten habe ich noch frohlockt und Laura bekannt, wie wohl ich mich hier fühle. So schnell kann es gehen. Aber… aber wo sollen wir den hin?“

Angst sprach aus Cathys Worten.

 

„Wir haben es gestern beschlossen. Aber das wird euch am besten Annett erklären.“ Erwiderte Robert.

„Macht euch keine Gedanken. Wir werden euch nicht eurem Schicksal überlassen. Ihr seid mir so ans Herz gewachsen. Das würde ich nie fertig bringen. Also wir werden fliehen. Nach Deutschland, dorthin wo Colette und die anderen ihre Zuflucht gefunden haben. Ich stehe ja in Verbindung mit  ihr. Die werden uns natürlich aufnehmen. Uns alle. Ich meine damit auch euch zwei.“ Annett drückte Cathys Hand.

 

„Wir sollen mit euch kommen? Aber wie? Habt ihr denn überhaupt ausreichend Platz?“

Versuchte Laura in Erfahrung zu bringen.

„Den haben wir, bzw, werden ihn schaffen!“ Sagte Valeria gleich zu.

„Wir werden mit unserem Leichtransporter fahren. Der wird entsprechend unseren Bedürfnissen umgestalten. So dass ihr beiden euch darin gut verstecken könnt. Robert hat vorsorglich schon damit begonnen. Ihr kommt mit und werdet ebenso wieder Teil der Gemeinschaft von Anarchonoplis.“ Lautete Annetts waghalsiges Angebot.

„Aber was wird aus Madleen? Sollten wir die  nicht auch mitnehmen?“ Wunderte sich Cathy.

 

„Natürlich ist mir nicht wohl bei dem Gedanken meine Tochter hier zurück zu lassen, aber sie wird sich allein durchschlagen müssen. Sie schafft dass, mit Sicherheit hat sie schon einen Plan ausgeheckt und zwar bis ins Detail, wie sie kenne.“ Meinte Annett.

 

„Wir sind uns nur noch nicht darüber einig wann wir uns davon machen. Sollen wir die Hochzeit abwarten, oder schon vorher das Weite suchen. Für was würdet ihr euch entscheiden?“ wollte Robert wissen.

 

Laura die Strategin fühlte sich angesprochen.

„Nun, ich würde den Aufbruch wagen, so lange wir noch einigermaßen sicher sind, also noch vor der Hochzeit. Es wird auch so schon gefährlich genug, mit uns im Schlepptau. Aber noch ist Annetts Status gesichert und niemand wird wagen uns zu nahe zu kommen. Nach der geplatzten  Hochzeit werden wir auf einem brodelnden Vulkan sitzen.“

„Genau das habe ich auch gesagt! Siehst du Mutter, Laura stimmt auch zu. Also sollten wir machen das wir so bald als möglich von hier wegkommen.“ Stimmte Valeria zu.

 

„Sicher habt ihr Recht! Es ist nur so dass ich schon wieder im Begriff bin ein zuhause zu verlieren. Alles ist mir hier vertraut. Ich lasse Thorwalds Grab zurück und so viele Erinnerungen. Was wird aus dem Gehöft? Wird Cassian sich daran rächen?“

 

„Besser doch als sich an uns zu rächen!“ Warf Robert ein.

„Ich bin fest davon überzeugt, das du deine Heimat eines Tages wieder sehen wirst. Wann vermag niemand zu sagen. Es kann schnell gehen oder länger dauern. Wir werden zurückkehren. Jetzt heißt es aber sich in Sicherheit zu bringen.“ Versuchte Laura sanft auf die Hausherrin einzureden.

 

„ Also gut! Wir werden in den Folgetagen alles vorbereiten. Bist du Cathy auch wirklich wieder ganz in Ordnung, dass du solche eine Reise durchstehst?“ Erwiderte Annett und blickte der schwarzhaarigen Schönheit  in die tiefen dunklen Augen.  

 

Ja, sicher! Mach dir um meinetwegen keine Gedanken. Ich bekomme das hin!“

„Wir müssen euch aber gut tarnen. Wir haben uns überlegt das es vielleicht sinnvoll wäre euch in den hinteren Bereicht des LT auf den Boden zu legen, natürlich gut gepolstert, zumindest bis wir Melancholanien hinter uns haben.“ Schlug Valeria vor.

„Eine gute Idee! Ich werde Cathy schon die Zeit vertreiben!“ Warf Laura mit ironischem Unterton ein.

„Wir werden wiederkommen, ja auf jeden Fall, aber erst wenn Melancholanien wieder Akratasien heißt.“ Stolz richtete sich Annett auf, während sie das sprach.

 

„Ich freue mich endlich die Schwestern der Kommune kennen zu lernen, wenn auch im Exil, aber immerhin, besser als gar nichts. Ich möchte bei ihnen leben, wo auch immer, zusammen mit dir!“ Cathy drückte Lauras Hand ganz fest.  

„Vermissen werde ich auf jeden Fall das Gegacker der Hühner, hab mich so daran gewöhnt.“

Fügte sie noch hinzu.

Alle lachten.

Sie lachten in dem Bewusstsein, das sie, wenn es schief gehen sollte, bald nichts mehr zu lachen hatten.

 

In den darauf folgenden Tagen liefen die Vorbereitungen auf vollen Touren, Cathy und Laura halfen dabei nach besten Kräften mit. Sie betrachteten alles mit einem lachenden und einem weinenden Auge zugleich.

Positiv war dass sie bald in Sicherheit wären und bald wieder mit dem größten Teil der Schwesternschaft vereint wären.

 

Negativ hingegen das sie ein Stück Idylle verlören, etwas was sie gerade für sich entdeckt hatten, etwas, das es nicht so leicht zu finden gab auf dieser Welt.

 

Einen Tag vor der „Traumhochzeit“ des Kaiserpaares verließen sie in aller Frühe das Gelände und setzet sich in Richtung Deutschland in Bewegung.

 

Annett  blickte lange zurück, solange bis das heimatliche Bauerngehöft hinter den sanft geschwungenen Hügeln verschwunden war, ob sie es wirklich wider sehen würde?  Ihre Gedanken waren bei Madleen. Tat sie recht die Tochter jetzt ihrem Schicksal zu überlassen?

Und sie dachte an Elena. Werde ich der geliebten Schwiegertochter jemals wieder in die Augen blicken?

Tränen stahlen  sich aus ihren Augen.

Keiner der anderen wagte sie darauf anzusprechen.   

 

 

 

 

 

 

* dieser Ausspruch geht auf Martin Luther zurück, der für seine deftigen, aus heutiger Sich

    vulgär klingenden Sprüche bekannte Reformator soll ihn während der berühmten

    Leipziger Disputation im Jahre 1519 seinem Gegner, dem konservativen Theologen

    Johannes Eck entgegengeschleudert haben

    Auf die Frage, was er seinem Kontrahenten wünsche, soll er der Überlieferung nach   

    geantwortet haben „auf das ihn der Blitz beim scheißen erschlage“