Im Banne der Versuchung

Die sommerliche Wärme breitete sich über dem Land aus. Schon seit etwa zwei Wochen hielt die Hitzewelle die Landschaft wie unter einer Glocke gefangen.

Bewegungen im Freien waren im Grunde nur in aller Frühe oder am späten Abend möglich.

Elena bedauerte diesen Umstand sehr. Dazu kamen die stechenden Insekten, die es dem Anschein nach in diesem Jahr besonders schlimm zu treiben schienen.

Die Hitzeperioden wechselten sich mit heftigem Starkregen ab, begleitet von Gewittern und Sturmböen.

 

Wo nur war der schöne Frühling geblieben, jene liebliche Jahreszeit, die beständig nach draußen lockte und weite Unternehmungen ermöglichte.

Elena war dankbar für den Umstand, dass sie mit Neidhardt im Bunker lebte. Zu dieser Jahreszeit zahlte sich das ganz besonders aus, denn hier herrschten konstant angenehm frische Temperaturen. Ruhiger, gesunder Schlaf garantiert, sowohl des Nachts aber auch am Tage, wenn ein Mittagsschläfchen von Nöten war.

 

Trotzdem bewegte sich Elena auch in der Tagshitze im Freien, natürlich entsprechend luftig gekleidet, das brachte es mit sich das ihre Haut im tiefen Braun erstrahlte. Eine gesunde, gleichmäßige Bräunung. Elena achtete genau darauf, dass sie nie zu lange in der Sonne blieb und benutzte entsprechende Sonnenschutzcremes.

 

Noch immer besuchte sie die neue Freundin Andrea in deren abgelegnen alten Mühle, stand Modell für die immer zahlreicher werdenden Akte. Im Sommer war das auch im Freien möglich, natürlich mit entsprechendem Sichtschutz versehen, um die neugierigen Betrachter fernzuhalten, die nur allzu gern einen Blick auf Elenas Venuskörper erhascht hätten.

 

Seit einigen Tagen war Andrea abwesend. Auf Tour, um ihre künstlerischen Produkte zu vermarkten, wie sie versichert hatte.

 

Elena vermisste sie. Andererseits hatte sie auf diese Weise wieder mehr Zeit für Neidhardt. Die schien auch dringend geboten. Es war bereits Juli und der Sommer würde auch in diesem Jahr einmal einem Herbst weichen, der für Reisen nicht ganz so geeignet schien.

 

Elenas Gefühle fuhren Achterbahn. Sie hatte sich fest vorgenommen, nach Deutschland zu fahren. Colette und die Schwestern aufzusuchen, ihren Platz bei ihnen wieder einzunehmen und den Kampf mit Cassian vorzubereiten, den sie irgendwann nicht mehr ausweichen konnte. Bei dieser Gelegenheit wollte sie wie besprochen Neidhardts Tochter Lucie aufsuchen. Natürlich gemeinsam mit dem Vater.

 

Doch Melancholaniens Exdiktator wollte hier nur sehr ungern weg. Seine Furcht war berechtigt. Hatte er hier doch  seinen Frieden gefunden, fühlte sich wohl und sicher. Zudem durfte er in den vergangen Monaten sein Bett mit einer Göttin teilen. So empfand er es zumindest.

Elena und er waren ein Paar, daran bestand nicht der geringste Zweifel. Doch war das zu einem Großteil dem Umstand zu verdanken, dass sie hier so abgelegen vom Rest der Welt leben konnten. Ob das anderswo funktionieren würde, versah Neidhardt mit einem großen Fragezeichen.

 

Alles schien wie ein Traum für ihn der nun schon so lange, ja womöglich zu lange währte.

Elena würde gehen, irgendwann würde sie ins Leben zurückkehren müssen. Auch wenn sie im Moment selbst heftig mit sich haderte und hin und her gerissen war, der Tag des Abschiedes würde kommen.

 

Für Elena selbst war die Situation noch viel schwieriger.

Welche Welten lagen zwischen dem Leben, dass sie hinter sich gelassen und dem dass sie hier hatte aufbauen können.

 

Sie wollte Neidhardt auf keinen Fall allein zurücklassen. Das kam ganz und gar nicht in Frage. Sie würden gemeinsam gehen oder gar nicht.

 

Sie verdankte ihm alles. Er hatte ihr das Leben gerettet, sie zu sich genommen, gesund gepflegt, sie wieder aufgebaut. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten und einer Zeit der Depression hatte sie neuen Lebensmut gefunden. Ja, ein völlig neues Leben wurde ihr hier zuteil.

 

Abgeschirmt von all dem Trubel und den Anfechtungen konnte sie hier wieder zu sich selbst finden, konnte in sich gehen, neue Energien schöpfen. Die abgelegene Lage, die schöne Umgebung, die Ruhe, all das förderte ihren seelischen Gesundungsprozess. Schon seit geraumer Zeit fühlte sie sich wieder kräftig genug, die zahlreichen ungelösten Probleme in Angriff zu nehmen.

 

Sie war bereit für einen Neuanfang. Doch andererseits? Sie war hier glücklich, fühlte sich wohl hier. Keine Verpflichtungen, die sie zu zerreißen drohten, kein Beziehungsstress, keine Angst zu versagen, keine ständigen Herauforderungen, denen sie sich ausgesetzt sah.

Selbst Madleen und Tessa waren weit, brauchten sie womöglich gar nicht mehr, hatten sie vergessen.

 

Und Neidhardt, immer wieder Neidhardt. Sie stand tief in seiner Schuld. Hier fanden sie zueinander. War das ihre Bestimmung für den Rest des Lebens?

 

Sie war ihm zu Dank verpflichtet und den ließ sie ihn deutlich erkennen. Kaum, dass sie gesundet war und ihre Heilungskräfte aktivieren konnte, begann sie damit diese auf Neidhardt zu übertragen, indem sie sich ans Werk machte ihn endgültig von seiner seelisch begründeten Impotenz zu erlösen. Sie hatte alle Zeit der Welt, ungestört in dieser abgelegenen Lage, ging sie dabei langsam, sanft und ausgesprochen rücksichtsvoll vor.

Sie ahnte, wie sehr er darunter litt, auch wenn er natürlich kein Wort darüber verlor, das verbot ihm sein Ehrgefühl.

 

Da lag er, neben sich eine der schönsten und begehrenswertesten Frauen aller Zeiten, jenes Denkmal an weiblicher Vollkommenheit, die inzwischen 40, es mit jeder 20jährigen aufnehmen konnte. Er wollte, doch er konnte sich und sie nicht befriedigen. Ein einziges Trauma.

 

Elena hatte ihre Methode entwickelt, diesen Missstand zu lösen. Nie würde sie ihn direkt darauf ansprechen, das Schweigen musste er selbst brechen. Nie würde sie ihn auf plumpe oder gar obszöne Art anbaggern. Langsam, ganz langsam, gleichsam in Zeitlupe, tastete sie sich Nacht für Nacht an ihn heran. Das konnte unter Umständen Stunden in Anspruch nehmen Sie brachte dabei eine Engelsgeduld auf, die wohl kaum eine andere Frau imstande war zu leisten. Wie gesagt, Zeit hatten sie im Überfluss und hier lag der Schlüssel zum Glück verborgen. Dieser wartete darauf gefunden zu werden.

 

Zentimeter für Zentimeter eroberten Elenas Hände den massigen Körper. Diese Berührungen waren Honig für seine Seele. Er wartete immer schon auf den Augenblick, wenn sie begann sich mit gespreizten Beinen auf ihn zu setzen. Nun dauerte es wieder eine halbe Ewigkeit und viele gescheiterte Versuche, sein Glied einzuführen. Und es gelang. Erfüllung. Erlösung, Elysium. Die Vereinigung vollbracht. Sie waren eins, waren miteinander verschmolzen.

Elena brachte alle Energie auf, um diesen Zustand möglichst lange aufrecht zu erhalten. Mit gleichmäßigen kreisenden Hüftbewegungen ritt sie auf ihm, so dass er immer tiefer in sie dringen konnte.

 

Seine Hände glitten ihrem Bauch hinauf, bis sie die vollen Brüste zu greifen bekamen.

Schließlich ließen sie sich langsam zur Seite rollen und blieben noch immer vereinigt einfach so liegen, Arme und Beine eng miteinander verschlungen. Manchmal bis der Morgen anbrach.

 

Neidhardt hatte schon vor Wochen begonnen seinen Tagesablauf zu ändern. Er, der notorische Frühaufsteher zog es auf einmal vor deutlich länger im Bett zu bleiben. Nichts zog ihn wie sonst üblich so früh an seinen Schreibtisch und seine Bücher. Die Traumfrau an seiner Seite war ein Magnet, dem er nicht entrinnen konnte.

 

Es kam vor, dass er sich erhob, in die Küche eilte, das Frühstück bereitete und es ihr ans Bett brachte. Dann aßen sie gemeinsam.

 

Die Veränderungen in seinem Leben waren von gravierender Natur. Er kannte sich selbst nicht wieder und er fühlte sich gut dabei.

Doch mit der Freude wuchs die Angst, die Furcht sie zu verlieren, wenn der Drang in ihr altes Leben zurückzukehren nicht mehr zu bändigen war.

 

„Hmm, war aber ein kurzer Gang heute!“ Begrüßte Neidhardt Elena als diese durch den Haupteingang in den Stollen trat, der ins Innere des Bunkers führte. Er hatte sich dort auf einem Korbsessel niedergelassen, so als wartete er ihre Rückkehr ab.

 

„Ist einfach zu heiß draußen. Selbst ich halte das nicht lange aus. Hier ist es schön kühl, das ist besser. Schade, dabei wartet die Natur darauf von mir erobert zu werden.

Ist schön merkwürdig so ein Sommer.“ Erwiderte Elena.

„Dann geht’s du eben später raus.“

„Klar, am Abend lässt es sich besser laufen. Du kommst doch mit? Den Sonnenuntergang erleben. Das ist phantastisch. Da fühle ich mich gleich im Schlepptau der Göttin.“

 

Neihardt erhob sich. Auch jetzt im Hochsommer war er noch immer korrekt gekleidet. Zwar luftig, aber bedeckt, mit einer langen dünnen, hellgrauen Leinenhose und schwarzen hochgeschlossenen T-Shirt, dazu Stoffturnschuhe. Neidhardt in Shorts und freiem Oberkörper? Unvorstellbar.

 

Für Elena hingegen konnte es gar nicht freizügig genug sein. Sie war nur mit einem Slip und einem dünnen schwarzen ärmellosen Baumwollkleid bekleidet, dass ihr gerade eine Handbreit über die Hüfte reichte und einem Dekolltete, dass tief blicken lies, dazu Stegsandalen, die einen Blick auf ihre eleganten Füße gestattete. Ihr langes kupferrotes Haar, das ihr ansonsten bis zur Taille reichte, hatte sie aufgrund der Hitze zu einem Knoten nach oben gebunden.

 

Sie waren alles in allem ein ungleiches Paar, das auf den ersten Blick überhaupt nicht zueinander passen wollte. Dazu der nicht unerhebliche Altersunterschied, Neidhardt sah sich 24 Stunden am Tag mit der Tatsache konfrontiert, das Elena altersmäßig seine Tochter sein konnte, dass verunsicherte ihn zusätzlich.

Wann wird sie gehen? Wann wird sie mich allein zurücklassen, hämmerte es unaufhörlich in seiner Seele.

 

Gemeinsam begaben sie sich ins Innere des Bunkers. Sanft legte der 2m große Hühne seinen Arm um Elenas Schulter, die daraufhin ihren Kopf an seine Seite schmiegte.

„Erst mal was trinken. Hast du schon ausreichend getrunken?“ Wollte Elena wissen, nachdem sie den Küchenraum betreten hatten.

 

„Jaja, hab ich! Mach dir keine Sorgen.“ Erwiderte er eher beiläufig.

„Hört sich nicht sehr plausibel an. Wie ich dich kenne, vergisst du es dann wieder.“

Elena öffnete eine große Flasche Mineralwasser und goss zwei Gläser voll, eines hielt sie Neidhardt entgegen.

„Trinken, trinken und nochmals trinken. Das ist oberstes Gebot bei dieser Hitze!“

„Zu Befehl Frau Doktor!“ Neidhardt griff nach dem Glas und nahm einen großen Schluck.

„Na gut, dann gehen wir erst mal an unsere Arbeit. Du an deine Bücher, ich an meine.“ Meinte Elena, nachdem sie das Glas geleert hatte.

 

„Immer noch mit dem Entwurf für die neue Staatidee beschäftigt?“ Erkundigte sich der Ex-Diktator.

„Sagen wir mal so! Ich bin beim Überarbeiten, umschreiben, neu entwerfen. Immer dann wenn ich glaube endlich ein tragfähiges Konzept entwickelt zu haben, fällt mir wieder etwas ein, das noch eingebracht werden könnte. Es ist manchmal wie verhext. Na, Zeit haben wir wenigstens in ausreichendem Maße.“

„Du glaubst noch immer das Akratasien eines Tages aus seinen Ruinen wiederaufersteht?“ erkundigte sich Neidhardt weiter.

 

„Täte ich es nicht, wäre ich längst verrückt geworden. Es ist diese Idee, die mich weiter an mich glauben lässt, die mir meinen Lebenssinn verleiht. Naja, und unsere Liebe, das wollen wir mal nicht vergessen. Du könntest mir übrigens dabei helfen, deine Memoiren kannst du jederzeit nachholen, die laufen dir nicht davon.“

 

„Was könnte ich dir schon sagen? Meine Staatsidee unterscheidet sich doch erheblich von der deinen. Wenn ich zugegebenermaßen dazulernen konnte, seit wir uns so nahestehen. Ein loyaler Akratasier werde ich wohl nie mehr.“

 

„Sag niemals nie! Wenn du unsere Welt erst richtig kennengelernt hast, wirst auch du schnell Freude daran finden. Natürlich besteht sie derzeit nicht, solange dieses Scheusal Cassian regiert. Also deshalb muss ich denken, arbeiten, analysieren, Tag und Nacht, wenn es sein muss.“

 

„Was? Auch in der Nacht?“ Enttäuschung sprach aus Neidhardts Worten.

Elenas Mund formte sich zu ihrem typischen zauberhaften Lächeln.

„Keine Angst, die Nacht bleibt für etwas Besseres reserviert.“ Sie beugte sich zu ihm und küsste ihn lange auf den Mund.

 

„Ebenso wie ich trugst auch du für eine gewisse Zeit Verantwortung für diesen Staat, standest an dessen Spitze. Ist schon eigenartig mit uns beiden. Zwei gestürzte Regierungschefs leben Seite an Seite in einem Bunker, sind für die Öffentlichkeit längst gestorben, wissen nicht wie es mit ihnen weitergeht und müssen ihren Nachfolger fürchten.“

Begann Elena mit einer Art Statement, nachdem sie auf Neidhardts Schoss Platz genommen hatte.

 

„Ich überlege schon seit geraumer Zeit warum arbeiten wir nicht zusammen. Entwerfen gemeinsam eine Zukunft für dieses Land, wie immer es in auch heißen mag?

 

Neidhardt begann Elenas Haar zu lösen, bis dieses in langen Wellen über die Schulter glitt.

„Du hast mich schon ein paar Mal danach gefragt und ich kann dir immer nur die gleiche Antwort geben. Weil dir die Zukunft gehört, mir nur noch die Vergangenheit. Du wirst eines Tages an die Macht zurückkehren, davon bin ich überzeugt. Cassians Sturz wird kommen, wann auch immer, dann braucht dieses Land eine feste und sichere Führung, eine Persönlichkeit, die es versteht zu einen und das bist du. Die Menschen lieben dich noch immer, wenn sie es aus verständlichen Gründen derzeit auch nur unter vorgehaltener Hand äußern. Was mich betrifft. Ich bin nur noch der Eremit aus der grauen Zone, nur noch Staub und Schatten. Ein Gespenst das sich in den Tag verirrt hat.“

 

Nana, du sollst dich nicht klein reden! Das passt nicht zu dem Mann, den ich einst sowohl fürchtete wie bewunderte.“

„Diesen Mann gibt es nicht mehr!“

„Doch ich sitze gerade auf seinem Schoss!“   

Elena erhob sich schwungvoll, bis sie wieder Boden unter den Füßen hatte.

 

„Ich würde gerne weiter mit dir streiten, du alter Sturkopf. Aber dann geht der ganze Nachmittag dahin und ich komme zu gar nichts mehr. Ich mach mich nach drüben.“ Elena kroch in ihre Stegsandalen, die sie vorher abgestreift hatte und bewegt sich langsam und voller Anmut in den Gang, der zu ihrem Bereich des weiträumigen Bunkers führte. Der wogende Hüftschwung, die schaukelnden Büste. Wie sehr er sie doch liebte.

 

Hatte er die drei Worte überhaupt schon über seine Lippen gebracht, oder war er dafür zu feige? Er konnte sich nicht daran erinnern. Und da war sie wieder, die quälende Angst sie zu verlieren. Tiefer immer tiefer drang der Stachel in sein Herz. Warum gelang es ihm nicht mehr sich dagegen zur wehren? Sie hatte ihn verwundet, er verfiel ihr von Tag zu Tag mehr. Der durch und durch rationale Neidhardt musste sich eingestehen ihren geheimen Kräften nichts entgegensetzen zu können.

 

Elena war keine gewöhnliche Frau. Sie war ein Wesen aus einer anderen Welt, einer Welt, die sich jeglicher Logik zu entziehen schien. In den zurückliegenden Tagen hatte er sich ausgiebig mit der Aradialegende beschäftigt. Es gab nach wie vor wenig Literatur zu diesem Thema. Lange hatte er recherchiert, um das wenige in die Hände zu bekommen, was sich finden ließ. Die androzentristische Geschichtsschreibung leugnete weiterhin die Existenz der legendären Amazonenkönigin Aradia und verwies deren Existenz ins Reich der Fabeln. Was aber, sollte Elena tatsächlich eine Wiedergeburt jener unerschrockenen Kämpferin aus der grauen Vorzeit sein, die ebenso heldenhaft lebte, wie sie schließlich starb.

 

Er hatte sich fest vorgenommen, sie so bald als möglich darauf anzusprechen. Wäre heute der geeignete Tag für dieses Ansinnen? Etwa beim geplanten Abendspaziergang? Sie selbst vermied es bisher darüber zu sprechen. Das war und blieb ihr großes Geheimnis.

 

Auch die Schwesternschaft hütete bisher dieses Mysterium wie ihren Augapfel. Doch vor wenigen Wochen war Gabriela, die geachtete Historikerin der Schwesternschaft damit im fernen Deutschland an die Öffentlichkeit gegangen. Die Nachricht drang auch in Neidhardts Bunker.

 

War Elena tatsächlich Aradia, hatte Neidhardt in der Tat eine Art Göttin unter seinem Dach beherbergt, wenn diese Bezeichnung natürlich nicht korrekt war. Aradia war ein Mensch, ein Mensch mit überragenden Fähigkeiten und Kräften und diese hatten sich allem Anschein nach in Elena reaktiviert. Deshalb wirkte sie so alterslos, so voller Kraft und Leben, auch wenn sie zugegebenermaßen in einem erbärmlichen Zustand war als er sie im vergangenen Winter hier vor dem Bunker auflas.

 

Ihm, Neidhardt, dem Relikt aus der Vergangenheit, der das Leben eines Eremiten gewählt hatte, um zu vergessen war die Aufgabe zugefallen, dieses einmalige Wesen zu retten, es aufzupebbeln, wiederherzustellen um es der Welt erneut zu schenken.

 

Doch sollte Elena tatsächlich Aradia sein, hatte er schon gar kein Recht sie hier festzuhalten, dann gehörte sie nicht nur dem ganzen Land, nein der ganzen Welt, der Unendlichkeit der Zeitgeschichte. Durfte er sie dann überhaupt lieben?

 

Neidhardt hatte noch einmal gründlich in Elenas Leben geforscht und war dabei zu der erschreckenden Erkenntnis gelangt, dass alle männlichen Geliebten, die für kurze oder auch für längere Zeit das Leben mit ihr teilten, eines unnatürlichen und gewaltsamen Todes gestorben waren. Drohte ihm etwa das gleiche Schicksal, wenn er nicht rechtzeig losließ?

 

Madleen, Elenas größte Liebe brauchte das nicht zu fürchten, einfach deshalb, weil sie eine Frau war.

Aradia hatte ausschließlich weibliche Geliebte. Männer spielten in ihrem Leben keine Rolle. Und all jene, die ihr Böses antaten teilten ein gemeinsames Schicksal. Aradias Mörder folgten ihr schon nach kurzer Zeit ins Grab, alle starben eines grausamen Todes.

 

Auch bei denen die Elenas Leben bedrohten, konnte man einen solche Linie deutlich verfolgen. Es gab einfach viel zu viele Parallelen, die Ähnlichkeit erschreckend, das konnte man nicht ignorieren.

Auch Cassian würde am Ende ein solches Schicksal erwarten, da er es gewagt hatte ungefragt in ihr Leben einzudringen.

Doch was interessierte ihn Cassian, er Neidhradt war es, der jetzt gefragt war, wollte er bei ihr bestehen.

 

Das erwartete Gewitter ließ noch auf sich warten, wenn auch schon die ersten dunklen Wolken in der Ferne aufgezogen waren. Die Sonne strebte langsam dem Horizont entgegen, doch bis sie dahinter versank, bedurfte es noch eine recht lange Zeit. Noch immer sehr warm, war es nun aber auszuhalten, ein Gang ins Freie ohne Belastung möglich.

 

Elena und Neidhardt durchschritten den noch immer gut getarnten Haupteingang des Bunkers, ließen den Altwald hinter sich und strebten der weiten Heidelandschaft entgegen.

„Ich denke, es wird halten, bis wir zurück sind. Wenn nicht, müssen wir eben irgendwo unterkriechen. Ahhh endlich draußen, wurde auch höchste Zeit. Ich werde noch stumpfsinnig, wenn sich nicht bald eine Änderung anbahnt.“

Elena hob ihre Arme dem Himmel entgegen und schloss für einen kurzen Augenblick die Augen.

 

Neidhardt verharrte an ihrer Seite. Sollte er sie jetzt schon ansprechen, oder wäre es besser sich erst eine Weile zu bewegen?

Tiefe Verunsicherung ließ ihn wanken.

Wortlos schritten sie eine ganze Weile nebeneinanderher, bis sie eine Bank erreicht hatten, die sich am Rand der Heide befand.

„Las uns eine Weile rasten. Puhh, bin ganz schön ins Schwitzen geraten.“ Meinte Neidhardt und lies sich auf dem Holz nieder.

„Kein Wunder! Du müsstest dich luftiger kleiden.“

„Möchtest du mich wirklich in Shorts sehen?“

„Warum nicht? Hör mal, wir leben zu zweit auf einem riesigen Gelände. Nur ich bekomme dich zu sehen. Sollte hin und wieder jemand vorbeischauen, bist du schnell in deine Klamotten geschlüpft.“ Elenas Hinweis war nicht von der Hand zu weisen.

„Ich werde darüber nachdenken.“ Entgegnete Neidhardt, während sich Elena neben ihn setze und ihren Kopf an seine Schulter legte.

„Sehr vernünftig!“

 

„Andererseits, wenn ich wieder allein bin, wenn du eines Tages fort bist, kommt es darauf auch nicht mehr an.“

Mutlos senkte Elena den Kopf.

 

„Bitte Neidhardt, fang doch nicht schon wieder damit an. Wir hatten vereinbart, dass wir gemeinsam aufbrechen und nach Deutschland gehen. Ich lasse dich nicht allein zurück. Wie oft soll ich dir das noch bestätigen. Wir gehen zu zweit oder gar nicht. Glaubst du, ich würde dich zurücklassen, nach allem was du für mich getan hast, nach allem auch was wir hier für schöne Augenblicke miteinander teilen konnten? Du bist zu einem wichtigen Teil meines Lebens geworden. Wir haben zueinander gefunden. Ich liebe dich!“

 

„Und da bist du dir auch ganz sicher? Das es sich tatsächlich um Liebe handelt? Nicht nur Mitleid, nicht nur Pflichtgefühl? Blick in dein Herz Elena. Prüfe genau was du fühlst.“

Elena rückte etwas von ihm weg und senkte betrübt den Kopf.

 

„Wie kannst du nur so von mir denken? Du bist echt schwierig. Das es mir nicht gelingen will, dich zu überzeugen, macht mich sehr traurig.“

 

„Das wollte ich nicht, mein Herz!“ Neidhardt griff nach ihrer Hand.

„Ich wollt dich nicht verletzen. Aber du musst mich verstehen. Versetze dich in meine Lage. Du hängst an mir, ja, ich glaube dir dass es Liebe ist. Aber da draußen wartet deine wirklich große Liebe. Madleen, ohne sie kannst du nicht leben. Du wirst zu ihr zurückkehren. Und es ist dein gutes Recht. Wir müssen darüber sprechen, einmal müssen wir den Tatsachen ins Auge blicken. Auch wenn wir gemeinsam gehen, wird das nichts daran ändern.“

Elena rückte wieder zu ihm, schlang ihre Arme um seinen massigen Körper, er zog sie sanft zu sich.

 

Der Einstieg in ein ernstes Gespräch war geschafft. Wie sollte er nun weiterverfahren? Die Situation war durch seine Dauerangst schon gespannt genug. Sollte er sie wirklich auf Aradia ansprechen?

 

„Ja glaubst du denn, dass mich das alles kalt lässt? Ich mache mir immerfort Gedanken darüber. Ja es ist richtig. Madleen ist und bleibt meine große Liebe. Richtig ist auch das ich um sie kämpfen werde und das ich mich dieser Tatsache schon in absehbarer Zeit stellen muss. Ich werde eines Tages wieder mit ihr vereint sein. Aber!! Es hat sich in der Zwischenzeit einiges verändert. Der Umstand, dass ich hier mit dir Monate verbringen konnte hat eine völlig neue Situation geschaffen. Wir haben zueinander gefunden. Wir sind erst hier zu einem richtigen Liebespaar geworden. Ich weiß, dass du als rational denkender Mensch deine Schwierigkeiten hast mit Mystizismus jeglicher Art. Aber ich glaube all das was geschehen ist sollte wohl so sein. Ich kann und will nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Es ist nicht nur Pflichtgefühl. Ich werde nach einer Möglichkeit suchen unsere Beziehung in mein Lebenskonzept zu integrieren.“

 

Schweigen senkte sich herab. Neidhardt wagte nicht sofort darauf einzugehen.

„Ich möchte dir gerne glauben und ich wünsche es mir von Herzen. Aber wenn du Madleen erst wieder in den Armen hältst, dann wird der alte Neidhardt ganz schnell in Vergessenheit geraten. Dann wirst du mir sehr wehtun. Natürlich möchtest du das nicht, aber es wird sich nicht vermeiden lassen. Polyamory ist ein schöner Traum. Ein Traum, der an den Klippen der Realität zerschellt, sobald der Alltag die Oberhand gewinnt. Sei doch ehrlich zu dir Elena. Du hast mit dieser Andrea nur deshalb etwas angefangen, weil sie Madleen so ähnlich sieht.  Das lässt sich nicht von der Hand weisen.“

 

Elena erhob sich kurz nur um vor ihm auf den Boden zu sinken. Sie hockte sich ins Gras vor der Holzbank und bettet ihren Kopf in seinem Schoss.

„Ich leugne es ja gar nicht. Madleen fehlt mir unendlich. Aber sie ist auch nicht frei. Sie wird heiraten, den Mann der sich als unser schlimmster Feind erwiesen hat. Das ist so demütigend. Ich bin doch froh das sich dich habe. Andrea ist ein Flirt, nichts weiter. Du bist jetzt mein Leben. Ich muss damit rechnen, dass Madleen nie zu mir zurückkehrt. Ja, auch mit dieser Möglichkeit muss ich mich auseinandersetzen.“

 

„Aber Madleen liebt diesen Kerl nicht. Sie hat sich ihm an den Hals geworfen, weil sie sich von dir vernachlässigt fühlte. Am Anfang war es für sie sicher reizvoll, so hofiert zu werden. In der Zwischenzeit jedoch ist sie seiner überdrüssig und bastelt mit Sicherheit schon an einem Plan ihn zu verlassen.“  Neidhardt ahnte nicht wie recht er mit dieser Vermutung hatte.

Elena küsste seine Hände.

 

„Ich danke dir! Dein Trost ist Balsam für meine Seele. Ja, ich hoffe auch dass es so ist und sie sich besinnt. Ach Mensch, was mach ich bloß mit euch? Ich liebe euch doch beide! Ja, du hast vollkommen Recht. Polyamory ist eine hochkomplizierte Sache. Unbestritten. Aber welche Alternative gäbe es dazu? Ohne würden Trennungsschmerz und Verlustangst vollends triumphieren Eine Entscheidung treffen? Für einen von euch beiden? Verdammt noch mal ich will mich aber nicht entscheiden! Ich will euch beide!“

 

Elena erhob sich und streckte Neidhardt ihre rechte Hand entgegen.

„Komm! Lass uns weitergehen! Der Abend ist noch jung. Ich möchte mich noch ein wenig bewegen. Wir können uns auch im Laufen unterhalten! Oder möchtest du lieber schweigen?

Die Realität holt uns noch früh genug ein.“

 

Neidhardt stand auf und streckte seine Glieder.

„Laufen wir noch ein Stück. Lass uns weitersprechen. Ich bin gerade in Stimmung dafür. Das heißt natürlich nur, wenn auch du reden willst.“

„Na gut! Reden wir. Du hast Recht, wir müssen uns über vieles aussprechen. Bislang sind wir meist vor den Tatsachen geflohen.“

Elena schlang ihren Arm um seine Taille, während er seinen starken Arm um ihre Schulter legte und sie an sich zog.

 

„Ich hätte noch eine ganze Reihe von Fragen, die ich gern erörtert hätte. Weiß du, wenn man so an seinem Schreibtisch sitzt und die Schreibblockaden schwer wie ein Mühlstein auf der Seele lasten, man nicht weiter kommt auch wenn man es möchte, greift man zu Hilfsmitteln, um die Langeweile zu vertreiben.“ Setzte Neidhardt an. Wie immer dann, wenn er etwas Wichtiges zu sagen hatte holte er vorher weit aus. Elena kannte diesen Zustand inzwischen sehr genau.

 

„Ohne dich, ist die Schwesternschaft nur die Hälfte wert. Colette ist eine gute Königin, zu gut.

Was ihr fehlt ist deine Dynamik, deine Kraft, dein Durchsetzungsvermögen, ja wenn man will dein Charisma. Du musst deinen Platz bei ihnen wieder aufnehmen. Daran müssen wir arbeiten. Nur auf diese Weise, könnt ihr Cassian die Stirn bieten. Ich werde alles tun was in meine Macht steht, um dir dabei zu helfen.“

„Hey, wunderbar, Neidhardt! Also kämpfen wir doch gemeinsam, das habe ich mir so sehr gewünscht. Das wollte ich von dir hören. Ich muss meinen Platz bei ihnen einnehmen, auch wenn die Versuchung übergroß ist, mich hier vorzeitig zur Ruhe zu setzen.

Ich habe eine Mission zu erfüllen, ich kann mich ihr nicht entziehen.“

Eine Mission, eine heilige Mission gar? Damit hatte Elena das Stichwort geliefert, auf dass Neidhardt gewartet hatte.

 

Sie schlenderten weiter und befanden sich bald inmitten der großflächigen Heidelandschaft wieder. Die Wolken über ihnen gingen dazu über sich zu vereinen und aus der Ferne konnten sie schon Donnergrollen hören.

 

„Ich schätze es geht bald los, Elena. Da braut sich ein Gewitter zusammen. Meins du nicht wir sollten umkehren und lieber nach Hause gehen? Schlug Neidhardt vor.

„Ja, du hast sicher Recht, lass uns umkehren! So gerne ich hier auch noch länger mit dir verbringen möchte.“

 

Schnurstracks traten sie den Rückweg an.

Jetzt oder nie! Fuhr es Neidhardt durch den Kopf. Elena war in diesem Moment sehr empfänglich. Er durfte diese Chance nicht ungenutzt verstreichen lassen.

 

Sie waren ein ganzes Stück gelaufen als er es endlich wagte den Faden wieder aufzunehmen.

„Um noch mal auf unser Thema zurückzukommen. Du sprachst von einer Mission, die du zu erfüllen hast. Genau der Ansicht bin auch ich. Besser hättest du es nicht charakterisieren können. Es ist deine Bestimmung. Ja, auch ich glaube inzwischen daran, meiner logisch-rationalen Denkweise zum Trotz. Womöglich hat gerade die meinen Blick geschärft, so das, ich erkennen konnte. Auf dir lastet die Verantwortung von Jahrhunderten, nein Jahrtausenden. Du bist Aradia!“

 

Erst einige Momente später fiel bei Elena der Groschen. Er kannte das Geheimnis von Aradia.

Sie löste sich aus seiner Umarmung und blieb einfach regungslos stehen, den Blick dabei starr in die Fernen gerichtet, zum Horizont, wo sich langsam erstes Wetterleuchten zeigte.

 

„Elena, mein Liebling, was ist mit dir!“ Sorgte sich Neidhardt. Hätte er sein Wissen lieber nicht erkennen lassen?

„Aradia? Du kennst das Mysterium um Aradia?“

„Ja, schon seit geraumer Zeit. Ich konnte mich gerade in den  letzten Wochen intensiv damit beschäftigen. Es ist schwer nachvollziehbar! Vieles bäumt sich noch dagegen auf in mir. Aber ich glaube, dass ich zu erkennen beginne.“

 

„Aber… aber.. woher! Wie bist du an dieses Wissen gelangt? Die offizielle Geschichtsschreibung degradieren Aradia, Innana und die die gesamte Schwesternschaft des Altertums zu Nichttexistenzen. Sie leugnen heftig dass es Aradia und die anderen je gegeben hat. Auch ich wurde mir meiner Präexistenz erst bewusst als Akratasien schon entstanden war. Colette und den anderen ging es ebenso. Im Traumzustand können wir in die alte Welt reisen und alles noch einmal erleben, wie es war. Doch vieles ist noch nicht erschlossen, zu viele Rätsel tun sich da noch auf. Deshalb fassten wir den Beschluss vor der Öffentlichkeit vorsichtig damit umzugehen.“

 

Inzwischen war es deutlich windiger geworden. Ein warmer aber heftiger Sturm war nur noch eine Frage der Zeit. Die ersten Blätter wurden von den Bäumen gerissen.

Elena stand noch immer wie angewurzelt da

„Komm doch Elena, da braut sich etwas zusammen, wir müssen uns beeilen, wollen wir noch trocken zuhause ankommen.“ Beschwor Neidhardt.

„Zuhause! Ankommen!“ Stammelte die angesprochene vor sich hin. Es schien als sei sie in Gedanken weit, weit weg.

 

Neidhardt bekam es langsam mit der Angst zu tun. Er hätte sich ohrfeigen können. Das hatte er nun davon. Warum nur konnte er seinen Mund nicht halten? Diese Sache war einfach zu groß als dass man sie einfach im Vorbeigehen erfassen konnte.

Er nahm Elenas Hand und zog sie mit sich fort . Fast willenlos folgte sie ihm., beschleunigte so wie er den Schritt.

 

Die ersten Regentropfen wirbelten durch die Luft und erreichten auch die beiden Wanderer.

Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sich hier ein heftiger Platzregen ergießen würde.

Der Wind nahm in zunehmendem Maße Sturmstärke an. Elenas Haar flatterte in den heftigen Böen.

Dann setzte der Regen ein. Sie hatten zwar nur noch etwa 50 m zu bewältigen, trotzdem wurden beide ordentlich durchnässt.
 

Als sie die Eingangspforte durchschritten hatten schüttete es wie aus Kannen.

Elenas Haar hing wassertriefend über ihre Schultern. Die konstante Kühle im Bunkersystem lies beide frösteln.

 

„Wir müssen die nassen Klamotten ausziehen, komm Elena!“

Die schien noch immer nicht ganz bei sich zu sein. Was in aller Welt war nur mit ihr geschehen?

Neidhardt hatte sich längst schon abgetrocknet und umgezogen, als er aus seinem Schlafgemach zurückkam saß Elena noch immer auf einem Stuhl und starte vor sich hin. Die spärliche nasse Kleidung hing an ihrem Körper und tropfte auf dem Boden.

 

„Elena, warum hast du dich nicht umgezogen? Du wirst dich erkälten.“

Er zog sie vom Stuhl hoch und begann sie zu entkleiden, dann nahm er flauschiges Handtuch und rubbelte sie trocken.

 

„Los komm! Ab ins Bett mit dir! Du musst erst mal zur Besinnung kommen.“

Sie erreichten die Kammer, die sie beide als gemeinsames Schlafzimmer nutzten.

Sanft platzierte Neidhardt die Geliebte in die Decken. Dann nahm er ihren Kopf und bettete diesen in seinem Schoß. Zart streichelte er ihre Wangen, die schienen zu glühen. Der kurze Moment im Regen konnte doch unmöglich eine so heftige Reaktion auslösen.

Elena atmete schwer. Heftig hob und senkte sich ihr Brustkorb. Ihre sinnlichen Brüste kamen dabei zum Vorschein. Sie warf den Kopf von einer auf die andere Seite. Neidhardt versuchte sie festzuhalten

 

Er hielt sie in den Armen und versuchte beruhigend auf sie einzureden.

„Elena, meine Liebste, was ist denn nur mit dir? Was quält dich auf einmal so? Alles gut, alles in Ordnung, mein Engel. Wir sind in Sicherheit, im Bunker. Beruhige dich doch. Du machst mir große Angst. Was bin ich doch für ein Idiot. Dich so mit der Wahrheit zu konfrontieren. Hätte ich mir lieber auf die Zunge gebissen.“

„Aaaaahhhh…“ Stöhnte Elena auf. Dann schien sie sich zu beruhigen und glitt in einen leichten Schlaf. Die heftige Bewegung ihrer Augenlider ließ erahnen, dass sie träumte.

 

Neidhardt schloss seine Arme noch dichter ums sie und zog sie zu sich. Diesen kostbaren Schatz würde er, wenn es darauf ankam auch mit seinem Leben verteidigen.

Elena befand sich zu diesem Zeitpunkt schon in einer anderen Welt. Tiefer, immer tiefer durchschritt ihr Geist die Pforte in das legendäre Amazonenreich. Lang schon hatte sie diese Welt nicht mehr betreten, dass erklärte die heftige Reaktion. Aus Elena wurde für einen Moment wieder Aradia. Aradia, die unsterbliche Königin der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Geschwisterlichkeit.

 

Da war es wieder ,jenes steppenartige Hochland mit seinen zerklüfteten Bergmassiven und vereinzelten Wäldern dazwischen, es schien Abend zu sein, die Sonne begann sich blutrot zu färben und bewegte sich dem östlichen Horizont entgegen.

Aradia befand sich auf einem der zahlreichen Felsvorsprünge und blickte in das weite Land, das sich vor ihr erstreckte.

 

Irgendwo dort unten, in den zahlreichen Tälern und fruchtbaren Ebene begannen sich die Fürstenheere zu sammeln. Die Armeen der einzelnen Stämme und Stadtstaaten, ansonsten einander Spinnefeind, hatten schon vorzeiten damit begonnen ihre Konflikte vorübergehend zu begraben, sich zu verständigen, um gegen den gemeinsamen Feind vorgehen zu können..

Der Amazonenarmee sollte der Todesstoß verabreicht werden und das ging nur mit vereinten Kräften.

 

Aradia war sich der Tatsache bewusste, dass sie dem nicht viel entgegensetzen konnte, sollte es wirklich zu einer offenen Feldschlacht kommen. Der Kampf auf Amazonenart, jene Guerillataktik, die darin bestand aus dem Hinterhalt angreifen, zuschlagen und sich so bald als möglich wieder in die Sicherheit der Berge zurückzuziehen, war unter diesen Bedingungen kaum zu führen. Auch wenn die Zahl der Kriegerinnen einige Tausend umfasste, die Übermacht war einfach viel zu groß.

 

Das Ende war absehbar. Das Ende der legendären Schwesternschaft, jene freien und unabhängigen Frauen und Mädchen, die hier für kurze Zeit ein Reich des Friedens, der Freiheit, der Gerechtigkeit geschaffen hatten. Eine Gesellschaft die nach den Grundzügen von Harmonie und Verständigung lebte. Freies Lernen, Freie Liebe, Freies Leben für alle, auch für zahlreiche Männer, die, dem Sklavendasein entflohen, hier ihre neue Heimat gefunden hatten.  Eine freie Föderation sich selbst verwaltender dörflicher Gemeinschaften, die sich unter dem Schutz der Amazonenarmee begeben hatten, blickten ihrem Ende entgegen, sollte die vereinte Fürstenarmee den Sieg davon tragen.

 

Nun schien sie endgültig eingeleitet, die Zeit der Knechtschaft. Die Welt würde sich ein für allemal in ein großes Sklavenhaus verwandeln.

 

Aradia bemerkte, wie sich ihr von hinten jemand näherte, doch es bestand kein Grund zur Sorge, diesen leichten Schritt kannte sie inzwischen nur all zu gut. Kasuba, die dunkelhäutige Schönheit aus dem fernen Süden, trat zu ihr. Seit einiger Zeit schon lebten sie zusammen, teilten ihr Haus, die Feuerstelle und das Nachlager. Sie versuchten einander zu trösten über den Schmerz, den der Verlust zweier ihnen unersätzlicher Menschen verursachte und nicht heilen wollte.

 

Aradia betrauerte noch immer ihre kurzzeitige Lebensgefährtin, Geliebte und Schülerin Leyla, so jung hatte sie den Tod im Kampf gefunden, kaum das sich ihre Liebe richtig hätte entfalten können. Noch schwerer wog der Verlust der älteren Schwester Inanna, die große Königin und Gründerin der Schwesternschaft, die trotz allen Hoffens am Ende den Kampf gegen die schwere Krankheit verloren hatte. Kasuba war deren Gefährtin und Geliebte und hatte ihr die letzte Zeit des Lebens mit zärtlicher Hingabe gedient. An Inannas Sterbebett gelobte sie der unersetzlichen Königin sich um deren jüngere Schwester Aradia zu kümmern und in Zukunft ihr beizustehen. Aradia hatte sich nach anfänglichen zögern dazu entschlossen, dem nachzugeben. Sie taten sich zusammen trockneten einander die Tränen und sprachen sich Mut zu.

 

Bald wuchs daraus eine tiefe Freundschaft , die wiederum in starke Zuneigung und Liebe mündete. Nun waren sie ein Paar, entschlossen, den letzten Weg gemeinsam zu gehen. Jenen letzten Weg, auf die andere Seite der Nacht, in die Ewigkeit, dort wo es wohl keinen Schmerzen, keine Trauer, kein Leid mehr gab. Das würde in naher Zukunft geschehen, daran bestand nicht der geringste Zweifel. Eine kleine Galgenfrist vielleicht, Tage, womöglich noch ein paar Wochen.

 

 Das Ende des Jahres würden sie nicht erleben. Ehrenhafter Tod oder demütigende grausame Gefangenschaft lautete die Alternative, sie hatten sich für ersteres entschieden. Eine Aradia, die als Trophäe im Triumphzug durch die Straßen geschleift würde, oder die in den Folterkellern den Wächtern zur Verfügung stand, würde es nicht geben.

Kasuba trat von hinten an die Königin, sanft umschlossen ihre Arme deren Taille.

„Was denkst du meine Königin, sind sie schon vereint? Haben sie sich etwa schon auf den Weg gemacht?  Wieviel Zeit mag uns noch bleiben?“

 

„Schwer zu sagen! Ich denke die sind noch beim Verhandeln, so zumindest berichten die Späherinnen. Die raufen sich um die Beute, ehe sie die in den Händen halten. Als ob es bei uns viel zu holen gäbe!“ Entgegnete die Königin.

 

„Nun , Gold und Edelsteine sicher  nicht. Aber Menschen, frisches Fleisch für die abartigen Gelüste der Fürsten, Krieger und Knechte. Frauen und Mädchen. Für jeden Geschmack etwas dabei. Darauf gieren sie wie ausgehungerte Wölfe.“ Malte Kasuba das düstere Bild in Aradias Seele.

 

„Wir haben Vorsorge getroffen und das ist gut so. Die Kriegerinnen wissen was sie zu tun haben, wenn das Unvermeidliche naht.“ Lautete die bestimmende Antwort.

„Gut zu wissen, das ist beruhigend.“ Glaubte Kasuba zu wissen.

„Ist das wirklich so beruhigend? Ich bin mir da gar nicht so sicher.“ Aradia drehte sich um und blickte der Gefährtin tief in die Augen.

 

„Komm lass uns gehen!“

Beide stiegen den Felsen herab und bewegten sich auf ihre Pferde zu, die in erreichbarer Nähe friedlich die spärliche Hochlandvegetation grasten.

Sie ahnten noch nichts von ihrem Schicksal. Selbst die Pferde sollten sie in die Anderwelt begleiten.

 

„Wie meinst du das Aradia?“ Versuchte Kasuba in Erfahrung zu bringen.

„Ich bin mir nicht sicher, ob alle unsere Kriegerinnen den Mut aufbringen sich in ihr Schwert zu stürzen, wenn sie nicht das Glück hatten im Kampf zu fallen. Vor allem die jungen Mädchen könnten am Ende den Mut verlieren und sich ergeben. Das wäre furchtbar, das was sie dann erwartet übersteigt jede Vorstellungskraft. Ich werde dann nicht mehr da sein, um sie zu beschützen und das macht mich unglaublich traurig.“

 

„Ich verstehe! Daran habe ich nicht gedacht! Ja, die Vorstellung ist… ich möchte es mir nicht vorstellen.“ Stimmte Kasuba zu.

 

„Du weißt was sie mit Alfula gemacht haben, nachdem diese ihnen lebend in die Hände gefallen ist. Langsam zu Tode gefoltert, nachdem sich dutzende zuvor an ihr vergangen haben. Deshalb haben wir unseren heiligen Grundsatz: Eine Schwertschwester fällt ihren Feinden niemals lebend in die Hände! Eher würde ich den Mädchen selbst den Todesstoß versetzen, als dass ich sie diesen Dreckskerlen überlasse.“

 

In der Zwischenzeit hatten sie die Pferde erreicht, banden sie los, stiegen auf und ritten davon, den blutroten Abendhimmel wie ein schützendes Dach über ihren Köpfen.

Sie jagten über die Weite der sich vor ihnen erstreckenden Hochebene der Hauptsiedlung entgegen, jenem Zufluchtsort, den es bald nicht mehr geben sollte. Es wollte einfach nicht in ihre Köpfe, dass alles zu Ende ging.

 

Plötzlich, wie aus heiterem Himmel zügelte Elena ihren Schwarzen Hengst. Kasuba hatte Mühe ihr Pferd zum Halten zu bringen. Um zu Aradia zu gelangen musste sie ein Stück zurück reiten.

Aradia? Was ist? Alles in Ordnung? Hast du Verfolger gesichtet?“

 

Aradia schüttelte den Kopf.

„Nein. Keine Sorge, da ist niemand hinter uns her. Noch wagen die das nicht. Ich hatte… wie soll ich es sagen plötzlich eine Art Eingebung. Versuchte die Königin zu erklären.

„Eine Eingebung? Hat die Göttin zu dir gesprochen? Die welche keinen Namen hat?“

„Das ist möglich! Aber ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Die innere Stimme gab mir einen Rat der ungeheuerlich ist.“ Aradia stieg von ihrem Pferd und landete sicher auf der sandigen Erde.

„Einen Rat? Was für einen Rat? Erzähl doch?“ Wollte Kasuba voller Neugier wissen.

„Komm lass uns zu den Bäumen dort drüben gehen.“

 

Auch Kasuba stieg von ihrem Pferd und gemeinsam liefen sie zu dem kleinen Nadelholzwäldchen. Im Schatten der Bäume hofften sie Kühle zu finden. Sie banden ihre Pferde an und ließen sich zu Füßen einer alten halb verdorrten Kiefer nieder.

 

„Etwas Ungeheuerliches sagtest du meine Königin. Was könnte jetzt in dieser Situation noch ungeheuerlich sein?“

Aradia schwieg noch eine kurze Weile. Es hatte den Anschein, dass sie erst nach den rechten Worten suchen musste.

 

„Plötzlich kam es über mich, gleichsam wie ein Gesicht. Ich sah uns beide in einer anderen Welt. Einer Welt fernab von all dem Leid, dem Schmerz und der Angst. Eine Welt des Friedens und der Harmonie. Eine Weide voller Schafe und Ziegen, wir dazwischen als Hirtinnen. Eine kleine Hütte am Rande, unser zuhause. Wir leben dort einfach so als Paar zusammen. Es gibt kaum Anfechtungen, die Menschen, die verteilt in weiträumiger Nachbarschaft leben, achten und ehren uns, sind hilfsbereit, wenn wir sie brauchen.

 

 Womöglich weil sie uns zugleich fürchten. Sie wissen, dass wir Kriegerinnen waren und auch ihnen zu Hilfe kommen, sollte die von Nöten sein. Keine Fürsten weit und breit die uns nach dem Leben trachten. Es ist ein Land in der Ferne am Rande der Zivilisation. Wir leben dort ungestört, arbeiten Tagsüber zusammen und nachts teilen wir uns das Lager und lieben uns. So geht es weiter Jahr um Jahr, bis ans Ende unserer Tage.“

 

Aradia blickte zum Himmel, nachdem sie ihren Bericht gegeben hatte und atmete tief ein und aus.

Sanft legte Kasuba ihre Hand auf Aradias Schulter.

„Was bedeutet das? Was glaubst du will uns die Freiheitsgöttin damit sagen?“

 

 „Ich bin mir nicht sicher, aber es könnte ein Ausweg sein. Einfach alles stehen und liegen lassen. Flüchten, aufbrechen in ein anderes Land, dort wo die Fürsten noch nicht so mächtig sind. Weit in den Norden zum Beispiel oder auch in den Süden. Ja, in deine Heimat etwa. Dort könnten wir zusammenleben, ganz einfach eben, als Hirtinnen. So habe ich es mir immer gewünscht. Mit Leyla wollte ich so ein Leben teilen. Einfach, ein bisschen karg womöglich, dafür echt und im Frieden und Freiheit. Ja, ich sehne mich so sehr danach. Noch ist die letzte Schlacht nicht geschlagen, wir leben und hätten die Möglichkeit.“

 

Kasuba erschrak über diese Offenbarung, die so ganz und gar nicht zu Aradia passen wollte. Die unerschrockene Königin, die zur Verräterin an ihren Schwestern wird? Die alle anderen im Stich lässt nur um sich und ihre neue Geliebte zu retten und mir ihr fernab der Anfechtung ein einfaches zurückgezogenes Leben führt?

 

Nein, das konnte nicht sein! Ein Ding der Unmöglichkeit.

Aradia, die charismatische Anführerin, die gemeinsam mit den ihr anvertrauten Schwestern, erhobenen Hauptes in den Tod geht, so nur konnte sie sein. Nur auf diese Art und Weise würde ihr Name für alle Ewigkeit unsterblich bleiben.

 

„Fliehen, einfach so auf und davon? Die anderen ihrem Schicksal überlassen? Das kann doch nicht dein Ernst sein meine Königin. Deine Worte sind spitze Pfeile in meinem Herz.

Das ist nicht die Königin, der ich ewige Treue bis in den Tod geschworen habe. Ich diene dir mit allem, mit meiner Hände Arbeit, mit meinem Schwert und meinen Körper, wenn wir nachts beieinander liegen. Und ich sterbe für dich, wenn es soweit ist.“

 

„Aber ich will nicht, dass du für mich stirbst. Ich hasse den Tod, der mir alles nahm, was mir lieb und teuer war. Inanna tot. Leyla tot, Alfula tot, die mich auch einmal begehrte vor langer Zeit.“

 

Aradia sprang vom Boden auf und schlug wütend mit den Fäusten in die Luft, so als stünde sie einem unsichtbaren Feind gegenüber.

„Ich will die andern nicht auch noch sterben sehen, Ajana, etwa, die mir wie eine Schwester ist, Manto, unsere Kleine, die wie alle so sehr lieben, Gomela die stolze Prinzessin, die alles aufgab ,nur um uns zu folgen. Und dich, die du meiner Schwester dientest und nun mein Lager teilst.

 

Ich möchte dass du lebst, verstehst du? Ich möchte mit dir zusammen sein, Tag und Nacht, mit dir alt werden, bis uns die Göttin friedlich in ihr Reich ruft.“

„Es ist traurig, solche Worte aus deinem Mund zu hören. So weit haben sie uns also schon gebracht, diese elenden Fürsten, bringen es fertig das die tapferste Kriegerin aller Zeiten, die beste Königin, die es wohl auf Erden gibt, an sich zweifelt und sich untreu wird.“

 

Aradia beugte sich nach vorn und stützte ihre Handflächen auf ihre Oberschenkel.

 

„Ruhm? Was soll ich mit dem Ruhm im Reich der Toten? Kannst du mir das sagen? Dort zählen meine Taten nicht. Erinnerung? Wer wird sich an uns erinnern? Ich will es dir sagen. Niemand! Weil sie unsere Namen auslöschen. Erst töten sie unsere Leiber, dann die Seelen.

Kämpfende Frauen und Mädchen? Davon will niemand etwas wissen. Heldentaten sind allein den Männern vorbehalten.“

„Ich erkenne dich nicht wieder Aradia. Ich hätte nie geglaubt dass es einmal soweit kommt. Ich…ich bin ratlos.

„Ist es denn ein Verbrechen, wenn ich mich nach ein bisschen Freude und Glück sehne, ein wenig Frieden und Sicherheit? Ich sehe uns die Herden hüten, wir lachen miteinander und albern  herum. Wir genießen den Proviant den wir mitgenommen und stärken uns für den Tag. Ein einfaches Mahl auf freiem Feld schmeckt besser als die beste Fürstenspeise.

Wir treiben die Tiere in ihre Pferche, dann gehen wir Hand in Hand nach Hause in unsere Hütte, klein ist sie aber urgemütlich haben wir sie eingerichtet. Alles was wir brauchen haben wir selbst angefertigt.

 Wir sitzen noch bis in die Nacht vor unserem Haus, sehen die Sonne unter und den Mond aufgehen. Wir trinken den guten Wein, den uns die Händler brachten und erzählen uns Geschichten aus unserer Kindheit, die sich so sehr von einander unterscheidet. Aber trotzdem hat das Schicksal uns zusammengeführt, damit wir unser Leben teilen.

 

Dann greife ich deine Hand und führe dich in unser Heim. Wir entkleiden uns, dann strecken wir uns auf den weichen Schaffellen aus. Wir ertasten einander unsere Körper, langsam stimmen wir uns aufeinander ein, dann lieben wir uns voller Leidenschaft, bis uns die die aufgehende Sonne unsere Nasen kitzelt.“

Kasuba war schon während Aradia sprach aufgestanden und hatte sich eng an die Geliebte gelehnt.

 

„Ja glaubst du dass ich mir nicht auch so ein Leben wünsche? Nirgendwo würde ich dich lieber begleiten als in solch ein Leben. Ich sehe es, das Bild entsteht auch vor meinen Augen. Ich möchte mir dir dorthin, am liebsten gleich im nächsten Augenblick.“

„Dann lass uns aufbrechen. Wir haben alles was wir für die Reise brauchen. Viel ist nicht von Nöten, die Pferde sind ausgeruht. Wir schaffen schon am ersten Tag ein gutes Stück. Unser Gebiet ist weiträumig. Wir werden leicht einen Untschlupf finden. Die Menschen werden uns freudig aufnehmen. Wir tauchen für eine gewisse Zeit unter und ziehen weiter, sobald die Luft rein ist. Ich würde gern deine alte Heimat kennen lernen.

 

„Ich glaube die würde dir sehr gefallen, auch wenn es dann umgedreht wäre und du mit deiner hellen Haut auffallen würdest. Meine Sippe würde dich freudig aufnehmen und unsere Beziehung voll anerkennen. Wir könnten zusammenleben bis an Ende unserer Tage. Ja, es wäre eine Möglichkeit, aber….?

 

„Aber? Was gibt es da noch zu überlegen?“ Trieb Aradia die Gefährtin zur Eile an.

Sie banden die Pferde los und bewegten sich zunächst leichten Schrittes ein Stück weiter. Dabei näherten sie sich wieder einem Abgrund und blieben kurz zuvor stehen, den Blick wieder in die Weite gerichtet.

„Sprich weiter Kasuba. Lass mich wissen was dich noch immer Unsicherheit bereitet in deiner Entscheidung.“

„Es … es wäre einfach zu schön, um wahr zu sein, meine Königin. Gib es zu. Auch du bist dir doch gar nicht sicher ob dieses Ansinnens. Du sprichst aus Verzweiflung. Dir scheint die Verantwortung zu groß. Inanna ist nicht mehr, um Rat bei ihr einzuholen. Du glaubst, dass du allein die Verantwortung nicht tragen kannst. Du möchtest die Last von deinen Schultern werfen, weil sie dich zu erdrücken droht. Das ist nur all zu verständlich. Keine wird dich dafür tadeln.“

 

Aradia senkte nur den Kopf, eine Träne stahl sich kaum sichtbar aus ihrem Auge. Noch nie hatte sie es zugelassen in der Öffentlichkeit zu weinen, das verbot ihr Stolz und die Würde einer Königin. Das allein reichte schon, um zu erkennen wie verzweifelt die Königin der Schwertschwestern war.

 

Kasuba griff nach deren Hand und drückt diese ganz fest.

„Du bist nicht allein, meine Königin. Ich bin bei dir, tausende sind an deiner Seite, wenn wir den letzten Weg antreten. Es war ein Traum, ein schöner Traum, ich möchte ihn so gerne weiter mit dir träumen. Aber wir können es beide nicht. Es ist nicht unsere Bestimmung.“

„Du hast  Recht. Verzeih mir. Es war eine Versuchung. Eine tückische Versuchung, die mich vom Weg abzubringen gedachte. Es gibt für mich nur einen Weg. Ich werde ihn mir dir und den anderen gehen. Wir werden in das Land der Göttin gehen, dort wo Inanna, Leyla und die anderen schon auf uns warten, die uns vorausgegangen.“

 

Beide blickten wortlos in die Ferne. Es gab keinen Ausweg, nicht in diesem Leben. Sie konnten ihrem Schicksal nicht entfliehen.

 

„Aradia?“

„Ja!“

„Da drüben, auf der anderen Seite, dort wo uns die Göttin hoffentlich willkommen heißt, wirst du auch dort an meiner Seite leben? Werden wir  Gefährtinnen sein, oder wartet Leyla dort auf dich und auf mich Inanna? Welcher darf ich in der neuen Welt meine Liebe schenken?

Aradia schien überfragt.

„Ich weiß es nicht! Ich hoffe Inanna und Leyla wieder zusehen. Im Reich der Göttin ist vieles anders. Wir können es nicht mit unserm irdischen Maßstab messen. Wir werden sein was wir sind, aber auf ganz andere Art. So denke ich zumindest.“

 

Sie stiegen auf die Pferde und ritten davon, der Hauptsiedlung entgegen.

Nachdem sie die Pferde in die Stallungen gebracht hatten stiegen sie die Leitern empor und fanden sich auf den Dächern wieder. Die Sonne neigte sich langsam dem Horizont entgegen und kündigte die baldige Dämmerung an.

Gespenstische Ruhe in den Häusern. Die Ruhe vor dem großen Sturm.

Aradia und Kasuba schlenderten langsam über die Dachterrassen, blickten sich noch mal um bevor sie die Leiter betraten um in ihr Haus zu gelangen.

Sie begaben sich gleich zur Ruhe und liebten sich. Liebten sich so heftig und leidenschaftlich als sei es das letzte Mal. Womöglich war es das ja auch.

 

 

Elena atmete immer schwerer, Schweiß perlte von ihrer Stirn. Plötzlich stöhnte sie laut auf.

Neidhardt, der auf einem Sessel gegenüber Platz genommen hatte trat auf der Stelle zu ihr.

„Elena, wach auf mein Herz. Der Traum hat dich lange genug gequält.“ Er griff nach ihren Händen und streckte ihre Arme weit nach hinten. Elena erwachte und musste sich erst einmal sammeln. Mehrmals atmete sie tief durch die Nase ein und den Mund wieder aus. Neidhardt nahm ein Leinentuch und rieb ihr den Schweiß von der Haut. All das geschah mit einer Sanftheit, die er selbst noch vor Monaten nicht in sich vermutet hätte.

 

„Elena was ist mit dir? Alles in Ordnung? Ich habe mir große Sorgen um dich gemacht. So habe ich dich schon lange nicht mehr erlebt. Es war wie damals, als du zu mir in den Bunker kamst. Du warst wie in einer Art Trance. Liegt es an mir? Ich hätte dich nicht auf dieses Thema ansprechen sollen. Verzeih mir! Es wird nicht wieder passieren!“

Elena versuchte sich aufzurichten, Neidhardt erhob sich, um ihr dabei zu helfen.

Elena griff nach seinen Händen.

 

„Kein Grund zur Sorge. Du hast nichts Falsches gesagt. Nein, im Gegenteil. Es war richtig dass du mich gefragt hast. Ich hätte dir dieses Geheimnis längst anvertrauen müssen. Es war meine Schuld.“

 

Elena blickte sich um griff nach einer Flasche Mineralwasser, die auf dem Nachtisch stand und nahm einen großen Zug. Mit dem Handrücken fuhr sie sich über den Mund.

„Ein Geheimnis? Also habe ich doch richtig geraten. Möchtest du darüber sprechen? Fühlst du dich auch tatsächlich in Ordnung?“

„Ja, ich glaube der Augenblick ist gut. Aber wenn du dich schon damit beschäftigt hast, wird dass was ich dir jetzt sage schon einigermaßen vertraut sein. Hmm, wo soll ich anfangen? Es ist eine lange Geschichte.“

 

„Nun wir haben Zeit. Wie du selbst immer ganz richtig feststellst.“

Er stand kurz auf, nahm auf dem Bett an Elenas Fußende Platz, schlug die Decke zurück und entblödete Elenas nackte Füße. Vorsichtig setzte er sich und bette die Füße auf seinem Schoß, dann begann er langsam mit einer Fußmassage.

„Gut so? Ja, das gefällt dir! Vielleicht wird es dir helfen dich zu konzentrieren?“

„Hmmmmm, ahhh das tut gut, ja weiter so. Gut ich will es versuchen, aber wie gesagt es kann dauern, bis ich zum entscheidenden Punkt komme.“

 

Elena lehnte sich zurück und begann mit ihrem Bericht. Versuchte möglichst detailgenau wiederzugeben, was sie bisher im Reich der Träume gesehen und erlebt hatte.

Aufmerksam und voller Erwartung hörte Neidhardt zu. Ließ sie einfach reden, ohne Zwischenfragen, dafür wäre später sicher noch Zeit genug.

 

Elena endete ihren Bericht mit der soeben erlebten Vision. Sie selbst würde noch brauchen, um dessen Sinn richtig deuten zu können.

„Aradia war in Versuchung. Alles aufzugeben, um mit der Gefährtin zu fliehen, sie wollte dem Rad des Schicksals in die Speichen greifen, und der drohenden Niederlage aus dem Weg gehen. Ein zurückgezogenes Leben irgendwo mit der Geliebten führen. Doch schon nach kurzer Zeit besann sie sich. Ihr wurde bewusst, dass es für sie keine Alternative geben kann. Oh ist das traurig, tieftraurig. Ich… ich muss das erst einmal verarbeiten.“

Elena atmete tief aus.

 

„Nun sehr spannend, das muss ich zugeben. Ich bin schockiert und gerührt zugleich. Ja, ich habe mich mit dem Mythos befasst, es aber aus deinem Mund zu hören ist ganz etwas anderes. Ich kann mir vorstellen wie belastend das für dich ist. Wenn du erst mal Ruhe brauchst, keine Ursache. Wir können gern später weiterreden In der Stube, bei einem Glas Wein? Oder morgen in der Frühe, wenn du heute zu müde dafür bist. Ganz wie du willst.“

„Ja, ein wenig ausspannen wäre nicht schlecht. Erst mal sacken lassen. Hmm, aber deine Massage kannst du gerne fortsetzen.“

„Dachte ich mir! Tue ich gerne.“

 

Nach einer Weile ließ Neidhardt Elena allein.

Sie verbrachte die Nacht allein. Auch das kam immer wieder vor. Sie brauchte den Abstand um weiter ungestört dem Mysterium zu folgen.

 

Am frühen Morgen des Folgetages war Neidhardt früh auf den Beinen, wie immer, wenn er die Nacht ohne die Traumfrau verbracht hatte. Er bereitete in aller Ruhe das Frühstück in der Erwartung dass Elena wohl an diesem Morgen länger brauchte, um sich zu erheben. Die Vision die sich erlebt hatte musste es in sich haben.

Immer wieder blickte er auf die Küchenuhr an der Wand. Dem Anschein nach konnte er ihr Erscheinen kaum erwarten.

Endlich lugte Elenas Rotschopf durch den Türschlitz.

 

„Guten Morgen! Na schon zu Gange. Hey, du bist ein Schatz. Alles schon bereitet?“

„Wenn ich allein aufwache, hält mich nichts im Bett. Da kann ich mich auch ein wenig nützlich machen.“ Erwiderte er und nahm am Küchentisch Platz.

Elena schlang von hinten ihre langen Arme um den massigen Körper und drückte ihn, dann küsste sie ihn auf die Wange.

„Entschuldige, dass ich dich allein ließ die Nacht. Ich benötigte die Zeit für mich, um noch mal all das Erlebte zu überdenken. Aber ich verspreche dir, die nächste Nacht sind wir wieder zusammen. Dann verwöhne ich dich auf ganz besondere Art. Aradia hat auch in dieser Hinsicht neue Energie in mir wachgerufen.“

 

Elena umschritt den Tisch und ließ sich direkt neben Neidhardt nieder.

„Hmm, das hört sich verführerisch an. Da bin ich mal gespannt was da auf mich wartet.“

Elenas Mund verzog sich zu einem Lächeln.

Sie schenkte sich einen Kaffee ein und seufzte dabei.

„Ist etwas nicht in Ordnung?“

 

„Ich habe gründlich über meine Situation nachgedacht. Wenn wir uns auf Reisen begeben wollen, habe ich das wichtigste dabei völlig außer Acht gelassen.“

„Aha, und das wäre?“

„Geld!“

„Geld? Inwiefern spielt das eine Rolle?“ Wollte er wissen.

„Die Frage ist ob wir noch so viel Geld haben, dass wir uns eine solche Reise leisten können?

Ich hatte nie Geldprobleme in meinem Leben, war es gewohnt auf großen Fuß zu leben und es mit vollen Händen auszugeben. Ich musste die Feststellung machen dass ich derzeit arm wie eine Kirchenmaus bin. Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt noch irgendwelche Reserven habe. Wenn ja sind die entweder verloren, oder Colette hat derzeit die Kontrolle darüber. Letzteres wäre weit aus unproblematischer.“

 

„Du hattest jedenfalls nicht all zu

viel dabei, als du hier ankamst. Ich habe dir das was du an dir hattest ausgehändigt.“

„Ich war damals von der Rolle und habe keinen Gedanken daran verschwendete. Warum auch? Ich hatte die Absicht zu sterben und das letzte Hemd hat bekanntlich keine Taschen. Ich hätte nie gedacht das es für mich noch mal von Bedeutung werden könnte.“

 

„Nun, wenn das deine Sorgen sind kann ich dich beruhigen. Daran soll es nicht scheitern. Ich habe genug um uns die nächsten, sagen wir mal drei bis vier Jahre über Wasser zu halten. Es kommt darauf an wie wir leben und wo. Das Parteivermögen ist noch immer beachtlich und wir haben es vor meiner Entmachtung in Sicherheit gebracht, wie du dir sicher denken kannst.

Gut auf Schweizer Konten angelegt, vor Cassian absolut sicher und vor dem Fiskus.

Ich kann darüber verfügen, wann und wo ich es benötige. Es steht dir, also uns zur Verfügung.“

 

Elena hielt sich die Hände vor das Gesicht.

„Wau! Spitze! Das hasst du gut gemacht. Und du würdest es tatsächlich wegen mir angreifen?“

„Sagen wir einfach mal so! Ich habe einiges wieder gut zu machen. Das kann ich, indem ich dich unterstütze, um deinen Weg an die Macht zu ebnen. Du sollst Melancholanien, ähm natürlich Akratasien wieder führen und dem Land Frieden und Freiheit wieder geben. Auf diese Weise kann ich am besten dafür sorgen. Du kannst dieses Geschenk gerne annehmen, es kommt von Herzen.“

 

Elena stand auf und ließ sich schwungvoll auf seinem Schoß nieder, dann küsst sie Neidhardt voller Leidenschaft und Zärtlichkeit.

„Danke! Danke dir! Was würde ich nur ohne dich tun? Noch ein Grund mehr für immer vereint zu bleiben.“ Raunte sie ihm sanft ins Ohr.

 

Nach einer Weile nahm sie ihren Platz wieder ein.

„Also, jetzt da wir die Finanzen geklärt haben, können wir ans Organisatorische gehen. Wann ist die beste Zeit zum Aufbruch? Auf welche Weise werden wir reisen? Wo gehen wir als erstes hin? Wie sind die Pläne für die Zukunft und so weite rund so fort.“ Setzte Elena an.

 

„Nun, da habe ich mir noch kaum Gedanken drum gemacht. Ich hadere wie du weißt noch immer.“ Gab Neidhartd zu.

„Ich dafür umso mehr! Also, folgender Vorschlag.  Die Schwestern leben in der Nähe von Köln. Wir könnten zunächst ins Rheinland fahren, dort wo es dir so gefallen hat. Auch ich finde die Gegend schön. Dort könnten wir zunächst ein paar Tage bleiben, uns das Land ansehen, ein wenig wandern vielleicht oder so etwas. Ausspannen aber sogleich die nächsten Schritte planen.

Dann den Kontakt zu Lucie suchen.“

Neidhardt senkte den Kopf und atmete schwer. Es war offensichtlich, dass er die Begegnung mit der unbekannten Tochter fürchtete.

 

„Keine Angst! Sicher, keine leichte Sache, das kann ich mir vorstellen, aber ich bin dabei und werde dich unterstützen, soweit es in meiner Macht steht. Haben wir das erledigt, suche ich die Schwesternschaft auf. Du kannst mir glauben, das wird ein bedeutend schwierigeres Unterfangen.“

„Die Schwestern werden dich mit offenen Armen empfangen. Denen wird ein Stein vom Herzen fallen wenn du vor ihnen stehst. Was sollte an dieser Begegnung so schwierig sein?“

Wunderte sich Neidhardt.

 

„So einfach ist die Sache nicht, Neidhardt. Ich habe die Schwestern im Stich gelassen, als die Gefahr am größten war und sich selbst überlassen. Dadurch konnte Cassian die Macht überhaupt erst an sich reißen. Wäre ich im entscheidenden Moment anwesend gewesen, hätte ich womöglich Schlimmeres verhindern können.

Ich gelte weiterhin als tot, so die offizielle Verlautbarung. Ich gehe davon aus, dass viele Schwestern, dieser Darstellung glauben. Ich werde also quasi von den Toten auferstehen.“

 

„Colette glaubt mit Sicherheit  dass du noch am Leben bist und da wird sie nicht die einzige sein, denke ich. Und was dein Verhalten betrifft, es gibt keinen Grund dich schuldig zu fühlen. Die Umstände waren eben so. Heute sieht das Leben anders aus.“

Als Elena den Namen Colette aus Neidhardts Mund vernahm schreckte sie auf, es schien als wäre ihr eine weitere Eingebung zuteil geworden.

 

Elena rieb nervös ihr Gesicht mit den Handflächen. Ihr Herz klopfte bei dem Gedanken, der Königin wieder unter die Augen zu treten.

„Wenn du dich mit dem Aradia-Mythos beschäftigt hast, ist dir sicher nicht entgangen, dass Inanna,  Aradias ältere Schwester und Gründerin des legendären Akratasia auch wiedergeboren wurde. Als Colette. Du sieht, das Band das uns verbindet reicht weit, sehr , sehr weit. Wenn ich in ihr die ältere Schwester sehe, hat das seine Bedeutung.“

Elena schenkte sich eine weitere Tasse Kaffee ein dabei zitterten ihre Hände, so das sie einen Teil der Flüssigkeit auf die Tischdecke goss.

 

„Ich sehe deinen Zwiespalt. Ich kann nachvollziehen, wie dir zumute ist. Ja, es stimmt, es wird für uns beide ein schwerer Gang. Jeder von uns wird auf je eigene Wese von der Vergangenheit eingeholt.

Neidhardt Worte suchten Linderung zu verschaffen, die konnten beide in diesem Moment nur all zu gut gebrauchen.

 

Wenn auch Neidhardt noch immer nicht ganz schlüssig war, ob er sein Refugium tatsächlich verlassen sollte und selbst Elena noch immer im Banne der Versuchung stand, es lag auf der Hand, das sich ein Abschied ankündigte. Ein Abschied aus diesem beschaulichen Leben, der zunächst in kleinen Schritten vollzogen werden musste.

 

Elena bedurfte an diesem Tag der Zurückgezogenheit. Es galt genau zu überlegen, welchen Schritt sie als erstes tun musste.

Sie bestieg ihr Fahrrad und radelte die holprige Panzerstraße in Richtung Vielstedt. Sie wollte  als erstes ihr Auto begutachten, das nun schon seit Monaten in der Werkstatt parkte.

Der Wagen würde ihnen gute Dienste erweisen. Sie hatte sich überlegt, von hier aus mit dem Auto aufzubrechen, eine Alternative bestand kaum. So würden sie sich fortbewegen, bis sie das melancholanische Staatsgebiet verlassen hatten.

 

Zunächst musste Elena in Erfahrung bringen, ob das Auto noch richtig funktionierte, das monatelang nicht bewegt wurde. 

Sie durchquerte das Dorf, hielt direkt vor der Werkstatt und betrat den Hof.

Hagen, der Dorfbürgermeister war Inhaber der Werkstatt und kam ihr auf halbem Weg entgegen.

„Guten Morgen Verena,ähm… oder Elena? Ich weiß noch immer nicht wie ich dich richtig anreden soll.“

„Ich bin was ich bin. Ich denke beides ist richtig. Ich bin gekommen .um mich nach meinem Auto zu erkundigen. Ich bräuchte es in absehbarer Zeit. Es müsste funktionstüchtig sein.“

„Ja, natürlich! Ich denke es gibt keine Probleme. Wir haben allerdings die Batterie ausgebaut, weil es die ganze Zeit nicht bewegt wurde. Ist aber ne reine Routinesache, gebe ich sofort in Auftrag. Wenn du ein paar Minuten Zeit hast, kannst du es gleich mitnehmen.“

Hagen winkte einem Mitarbeiter und erteilte diesem sogleich den Auftrag.

„Sehr gut! Ich hätte ohnehin noch etwas im Ort zu erledigen. Sagen wir mal, in eine halben Stunde bin ich wieder da.“

„Ja, dass dürfte reichen. Oh, glatt hätte ich es vergessen!“ Hagen faste sich an seine Halbglatze.

 

„Ich habe eine Nachricht für dich. Schon vor zwei Tagen per mail eingetroffen. Ich habe sie dir ausgedruckt. Gehen wir kurz in mein Büro.“

Elena folgte in sichtlicher Spannung. Was konnte das wohl sein. Gab es etwa Nachricht von den Schwestern. Unmöglich, wie konnten die denn wissen ,dass sie sich hier aufhielt.

Hagen überreichte ihr schließlich das Papier.

Voller Aufregung studierte Elena den Inhalt.

Die Überraschung schien gelungen. Lucie hatte sich tatsächlich gemeldet.

 

„Ich hoffe doch gute Nachricht!“

„Ja, ja, sehr gute sogar. Ich danke dir. Ich verschwinde für ne Weile und komme dann in einer halben Stunde wieder.“

 

Elena durchschritt das Eingangstor und bewegte sich auf den Dorfanger zu. Ihre Besorgungen schienen nicht mehr wichtig. Sie nahm auf der Holzbank vor der Kirche Platz atmete tief durch und ließ den Inhalt der  Nachricht noch einmal auf sich wirken.

Lucie bekundete ihr Interesse ihren Vater kennen zu lernen. Ein ganz wichtiger Schritt. Nun konnte Neidhardt nicht mehr ausweichen.

 

In Elenas Kopf schwirrten die Gedanken. Sie begann zu planen. Überlegte, was wohl nun zu tun sei. Dabei vergaß sie fast die Zeit.  Die halbe Stunde verging wie im Flug. Sie eilte zurück zur Werkstatt.

Die Batterie war eingebaut und das Auto startbereit.

„Ich würde dir eine Probefahrt empfehlen.“ Schlug Hagen vor.

„Sollte etwas noch nicht richtig laufen, kommst du einfach zurück und wir sehen noch mal nach.“

 

Elena bedankte sich überschwänglich und setzte sich gleich in Bewegung. Es war ein komisches Gefühl nach so langer Zeit wieder ein Kraftfahrzeug zu bewegen. Aber sie hatte es nicht verlernt. Schnell war das Dorf durchquert und sie bog auf die Landstraße ein. 

Nun konnte sie innerhalb kurzer Zeit jene Ziele erreichen, die sie schon mit dem Fahrrad erkundet hatte, bei ihrer körperlichen Kondition ließ sich das leicht bewältigen und tat ihrer Figur gut. Doch es war schon ein Unterschied einmal kurz aufs Gaspedal zu tippen und dem Ziel auf die Schnelle nahe zu kommen.

 

So erreichte sie die umliegenden Dörfer rasch, die sich, wie verschlafene Nester in die liebliche Landschaft einfügten und nur darauf zu warten schienen von ihr erkundet zu werden.

Auf diese Weise war es ihr auch möglich länger an den Orten zu verweilen und alles in Ruhe auf sich wirken zu lassen.

Einige der Dorfkirchen fand sie sogar offen vor, das gestattet es Elena dort einzukehren um sich meditativ zu versenken. 

 

Alles noch einmal auf sich wirken lassen. Diese Landschaft, die ihr in den letzten Monaten so ans Herz gewachsen war und die sie schon bald zu verlassen gedachte.

 

Der Nachmittag war schon weit ins Land gegangen, als sie mit dem Auto wieder vor der Werkstatt erschien. Sie teilte kurz mit das alles gut gegangen sei, sie den Wagen hier wieder unterzustellen gedachte und diesen mit dem Fahrrad zu tauschen. Es war aber noch ausreichend Zeit kurz zu Mühle zu fahren, den Radweg zu nehmen, der Kraftfahrzeuge nicht duldete.

War Andrea schon zurück? Elena musste sich ihr stellen. Denn von ihr würde sie definitiv Abschied nehmen müssen.

 

Gedankenversunken trat sie in die Pedalen und strebte ihrem Ziel entgegen. Aufregung  bemächtigte sich ihrer. Es würde wohl nicht ohne Auseinandersetzung abgehen.

Sie rollte den Berghang hinab und fand sich vor der Mühle wieder, die schon dem ersten Anschein nach noch immer verlassen war.

Mit gemischten Gefühlen betrat Elena den Innenhof. Mehrmals rief sie Andrea beim Namen doch erhielt sie keine Antwort.

 

Ein Gefühl, das sowohl Erleichterung, als auch Enttäuschung signalisierte durchdrang sie.

Erleichtert weil sie sich damit der drohenden Auseinandersetzung entziehen konnte. Enttäuscht, weil sie diese faszinierende Frau  auch heute wieder nicht zu Gesicht bekam.     

 

Es machte keinen Sinn hier unnötig länger zu verweilen. Sie betätigte kurz ihr Handy, hörte dort aber so, wie an den vergangenen Tagen nur die mailbox. Andrea war unerreichbar.

Warum tat sie das? Es schien keine logische Erklärung dafür zu geben.

Doch Elena musste sich damit abfinden.

Doch würde sie die Nummer immer wieder wählen und schon morgen erneut auf Erkundungstour gehen.

 

Schließlich trat sie die Heimfahrt an, die sie wieder durch die reifen Getreidefelder führte, die sanft im warmen Sommerwind rauschten und aufgrund der langen Hitzeperiode schon jetzt Ende Juli, die beige Farbe des August angenommen hatten.

Über ihr drehte, wie schon seit ein Tagen, ein Bussard elegant am Himmel seine Kreise.

Hatte das etwas zu bedeuten? Anarchaphilia, die unbekannte Göttin, offenbarte gewöhnlich auf diese Weise ihre Präsens. Oder war es reiner Zufall und ohne Belang?

Gern hätte Elena es herausgefunden, doch nun näherte sie sich dem Bunker und hatte eine andere weitaus wichtigere Aufgabe zu erledigen die keinen Aufschub duldete.

 

Sie stellte ihr Rad in den Eingangsstollen und begab sich in das Innere des Bunkers. Das Papier in den Händen haltend und damit herumwedelnd.

„Neidhardt?“ Es kam keine Antwort.

Elena durchsuchte alle möglichen Räumlichkeiten.

„Hey Neidhardt wo steckst du? Es gibt wichtige Neuigkeiten:“ Doch wiederum erhielt sie keine Antwort.

„Verflixt! Ist denn heute gar keiner zu sprechen?“

 

Elena bewegte sich langsam wieder aus dem Bunker und befand sich im Freien wieder. Wo nur konnte Neidhardt stecken?

Sie öffnete den Schuhschrank holte sich ein paar Gummistiefel und zog sie über ihre Füße. Nach dem Regen des gestrigen Tages war die Heidelandschaft durchweicht und dorthin würde sie ihr Weg jetzt führen. Sie hoffte ihren alten Sturkopf dort zu finden, wo sie ihn vermutete und machte sich auf den Weg.

Nach einer Weile hatte sie den Hochstand erreicht und stellte zu ihrer Genugtuung fest dass sie mit ihrer Vermutung richtig lag.

 

Neidhardt hatte auf der Sitzbank Platz genommen und blickte in die Ferne. Genüsslich nahm er einen Schluck aus der Feldflasche, die er stets bei sich führte.

Elena wartete eine kurze Weile bevor sie ihn ansprach.

 

„Möchtest du allein sein oder darf ich zu dir aufsteigen?“

„Elena? Ich hab dich gar nicht kommen hören. Komm rauf, wenn du magst!“

Die Angesprochene befolgte die Aufforderung sogleich und stieg flink wie immer die Stufen hinauf.

„Und was gibt es so wichtiges, dass du glaubst den alten Eremiten aus seiner Beschaulichkeit

Reißen zu müssen?“

Ahnte Neidhardt etwas?

„Ich hab dich überall gesucht.“ Elena ließ sich auf der Bank nieder und schmiegte sich eng an ihn.

 

„Ich war im Dorf. Das Auto funktioniert ausgezeichnet. Hab ne Tour durch die Gegend gemacht. Ganz komisches Gefühl nach so langer Zeit.“

„Ach, und deshalb bist du gekommen, um mir das mitzuteilen?“

„Nein! Hagen hat mir den Ausdruck einer mail gegeben. Stell dir vor Lucie hat ihm tatsächlich geantwortet. Sie ist interessiert. Sie möchte dich kennen lernen. Ist das nicht wunderbar?“ Begeisterte sich Elena.

Neidhardt atmete schwer aus.

„Naja, dann wäre es soweit. Hätte nie gedacht das sie sich meldet.“

 

„Hey, das klingt aber nicht sehr erfreut!“

„Versteh doch. Ich habe einfach Angst vor der Begegnung. Hab ich dir doch schon 100 x gesagt. Ich bin völlig ungeübt in solchen Dingen. Ich weiß gar nicht was ich ihr sagen sollte.

Sie ist ja zunächst eine total Fremde für mich.“

„Und ich hab dir schon 100 x gesagt, dass ich dir helfen werde. Ich bin sehr geübt in solchen Dingen. Pass auf! Hör doch erst mal was sie schreibt.“

 

Elena entfaltete das Papier und begann vorzutragen.

„Hallo, lieber Unbekannter Vater. Hier ist die Lucie, deine dir ebenso unbekannte Tochter Hab von dir gehört, schon vor langer Zeit. Meine Mutter hat mir alles über dich erzählt. Hast dich ganz schön rar gemacht, die Jahre. Nun möchtest du mich kennen lernen? Hmmm, nicht so einfach, würde ich sagen,plötzlich seinem Erzeuger gegenüberzustehen. Aber cool ist es allemal. Bin dazu bereit  mich mit dir zu treffen. Wir wollen uns erst mal richtig beschnuppern.  Bist herzlich eingeladen hierher zu kommen. Auf Melancholanien hab ich ehrlich gesagt im Moment keinen Bock. Würde dein Land schon gerne mal kennen lernen. Aber dann müsste zunächst dieser Doofkopf Cassian verschwinden.

Total cool, dass du mit Elena zusammen bist, grüß sie schön von mir. Auf die freue ich mich ganz besonders.

Bis die Tage,

Lucie.“

 

„Komische Art sich zu melden. Wie redet die denn mit mir?“

„Hey, so wie ein Teenager, wie eine 19 jährige. Ich find die Art wie sie sich ausdrückt toll.

Da steckt eine ordentliche Portion Witz dahinter und Intelligenz würde ich sagen. Sie scheint sehr selbstbewusst zu sein. Mir imponiert das auf Anhieb.“

 

„Klar, sie hat sich ja gleich nach dir erkundigt. Ich schätze mal die hat bedeutend mehr Interesse dich kennen zu lernen als mich. Das ist doch offensichtlich.“

„Ach was! Red dir doch das nicht ein. Sagen wir mal, sie freut sich uns beiden bald gegenüber zustehen. Ist doch schön. Mensch freu dich doch ein bisschen!“

Elena knuffte ihm leicht mit der Faust in die Seite.

„Diplomatin wie immer! Nun ich werde deine Diplomatie auch brauchen, wenn wir dort sind.“

 

„Also das heißt endgültig, dass du mitkommst?“

„Selbstverständlich! Ich bin doch kein Feigling, der immer nur wegläuft. So etwas will ich mir auf keinen Fall nachsagen lassen.“

„Huchuuuuuhhhh:“

Elena fiel ihm um den Hals. Die Barriere schien endgültig überwunden.

„Toll! Endlich hast du dich dazu durchgerungen. Glaub mir. Du wirst es nicht bereuen.“

„Na, ich will es hoffen. Wohl ist mir nicht dabei. Aber die Alternative? Hier hocken und auf dich warten bist du eines Tages wieder hier erscheinst? Nein, dann wähle ich doch lieber das kleinere Übel.“

Diese Aussage ließ noch immer wenig  Begeisterung erkennen.. Doch Elena lies es dabei und bohrte nicht weiter.

 

Gemeinsam verbrachten einfach noch eine Weile auf dem Hochstand und genossen den Blick in die Weite. Darauf würde sie nun bald verzichten müssen. Einem baldigen Aufbruch stand nichts mehr im Wege. Es gab keinen Grund zur Eile, aber auch eine unnötige Verzögerung sollte vermieden werden, wollten sie noch im Sommer aufbrechen.

Nach einer Zeit verließen sie den Hochstand und traten den Heimweg an. Gemächlichen Schrittes und schweigsam näherten sie sich ihrem Zuhause.

 

Plötzlich plagte Elena das schlechte Gewissen. Lucie, eine ihr noch völlig unbekannte Person wusste, dass sie noch am Leben und wohlauf war. Während jene Menschen, mit denen sie einmal alles geteilt hatte und die ihr ans Herz gewachsen waren weiter in Sorge und Ungewissheit verharren mussten, allem voran Colette, die große Schwester, die Königin, jene Person zu der ein unverbrüchliches Band der Liebe und des Vertrauens bestand.

So geht es nicht weiter! Ich muss etwas tun. Ich muss den Kontakt zu Colette suchen und zwar so bald als möglich.

 

Elena war sich der Tatsache bewusst, das sie nicht einfach so vor Colettes Türe erscheinen konnte, nach dem Motto: Hier bin ich wieder. Alles klar! Alles wieder gut! Sie würde Colette darauf vorbereiten müssen. Ihr eine Nachricht zusenden. Im Informationszeitalter nichts leichter als das. Einen Telefonanruf, eine e-mail. Ja, aber dazu musste sie die Kraft aufbringen und das würde eine Tortur bedeuten.

 

Als sie den Bunker betreten hatten ließ sie Neidhardt mit sich selbst allein. Beide suchten die Abgeschiedenheit um sich ,jeder für auf seine Art, den Gedanken hinzugeben.

Während Neidhardt  jenen Augenblick konstruierte, da er zum ersten Mal im Leben seiner leiblichen Tochter gegenüber stehen würde, machte sich Elena daran einen Text zu entwerfen, den sie noch heute an Colette senden wollte.

 

„Liebe Colette, meine große Schwester und Königin. Hier ist Elena! Ja, du hast dich nicht verlesen. Ich bin es wirklich. Ich bin am Leben und es geht mir gut! Bitte verzeih, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe und kein Lebenszeichen von mir gab. Das ist  unverzeihlich und es tut mir unendlich leid.

Ich habe euch allein gelassen und dafür gibt es keine Entschuldigung. Ich habe dir die ganze Verantwortung aufgebürdet und mich davongestohlen, als es meiner am dringendsten bedurfte. Ich schäme mich dafür und möchte wieder gut machen. Ich möchte zurück, zu dir, zu den Schwestern, auch zu Madleen, auch wenn ich mir bewusst bin, dass das wohl ein frommer Wunsch bleiben wird.

Ich möchte meinen Platz bei euch wieder einnehmen. Ich möchte mit dir gemeinsam kämpfen, mich mit dir dem Tyrannen stellen und ihn davon jagen, mit all seinem Gefolge.

Akratasien wird wieder auferstehen und du wirst an dessen Spitze stehen, so wie einst. Anachonopolis wird wieder unser Zuhause.

Gemeinsam sind wir ein unschlagbares Team.

Schließ mich in deine Arme, wenn ich vor deiner Tür erscheine. Gib der kleinen Schwester eine Chance.

Ich habe dich unendlich lieb.

Deine Elena“

 

Elena fügte noch ein großes Herz ans Ende des Textes. Sie zögerte, wagte lange nicht die Sendetaste zu betätigen. Doch dann drückte sie diese. Es war geschafft.

Wann würde die Königin die mail öffnen? Wie würde sie reagieren? Tausend Fragen strömten in diesem Moment auf Elena ein.

Sie erhob sich, machte ein paar Schritte im Zimmer. Sie betrachtete ihre Handflächen,  die waren schweißnass.

Der Kontakt wieder hergestellt. Doch war er das wirklich schon? Bange Stunden würden nun beginnen.

 

Zwei Tage vergingen, die Elena wie eine halbe Ewigkeit erschienen. Ungeachtet dessen liefen die Vorbereitungen für die Abreise auf Hochtouren. Ein genaues Datum wollten Neidhardt und Elena so bald als möglich festlegen.

Elena unternahm noch ein paar Ausflüge um sich von der Umgebung zu verabschieden, die ihr in den letzten Monaten zu einer neuen Heimat geworden war.

Andrea blieb verschwunden. Gern hätte sich Elena von ihr verabschiedet. Es war nicht ihre Art sich so mir nichts dir nichts aus einer Beziehung zu stehlen.

Aber womöglich war es besser so.

 

Als Elena eines Abends ihre mails überprüfte sackte ihr Herz in die Knie. Colette hatte sich gemeldet. Mit zitternden Fingern öffnete Elena die Botschaft und las begierig was dort zu finden war.

 

„Elena, liebe kleine Schwester. Du kannst dir nicht vorstellen wie erleichtert ich war, als ich deine Zeilen las. Ich habe stets daran geglaubt dass du noch am Leben bist. Das Band zwischen uns war nie durchtrennt. Es gibt nichts was ich dir verzeihen müsste. Ich bin es die dich um Verzeihung bitten muss. Du warst tief verzweifelt und ich habe deinen Schmerz nicht bemerkt. Ich hätte für dich da sein müssen, so wie man es von eine großen Schwester erwarten kann.

Was deine Frage betrifft: Komm! Bitte komm so bald es dir möglich ist. Alle Schwestern warten voller Sehnsucht auf deine Rückkehr. Ich im Besonderen. Unser derzeitiges Zuhause ist nicht so groß wie Anarchonopolis, aber es bietet reichlich Platz. Zwei Zimmer werden stets freigehalten. Eins für dich, eins für Madleen. Mein größter Wunsch ist es euch beide wieder vereint zu sehen. Auch Madleen wird wieder kommen, davon bin ich überzeugt.

Komm! Komm in meine Arme kleine Schwester. Ich strecke sie dir schon jetzt entgegen.

 

In Liebe, deine Colette.“

 

Elena brach in Tränen aus, sie schluchzte so heftig das sie sich beinahe verschluckte. Die Tränen bahnten sich ihren Weg über ihre Wangen und benetzten ihr T-Shirt.

Es war vollbracht. Colette wartete auf sie. Sie würde nach Hause zurückkehren, auch wenn das im Moment noch in der Fremde lag. Mit diesen Zeilen waren die letzten Hindernisse beseitigt.

Der Weg lag vor ihnen und Elena konnte es kaum noch erwarten die Reise anzutreten.